Protokoll der Sitzung vom 17.03.2011

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe Ihnen heute einen dieser Wege aufgezeigt, der sogar von der Union mitgetragen wird. Ich habe schon heute Nachmittag versucht, Ihnen diese Brücke zu bauen. Die Tatsache, dass Sie trotz dieser Brücke unseren Antrag jetzt ablehnen, beweist mir und meiner Fraktion, dass Ihr Gerede - ich hätte beinahe etwas anderes gesagt - des heutigen Tages nicht ernst zu nehmen ist und dass die Bevölkerung recht hat mit ihrem Gefühl, Sie wollten über die Zeit kommen.

(Simone Tolle (GRÜNE): Genauso ist es!)

Meine Damen und Herren, überlegen Sie sich gut, welches Signal Sie jetzt aussenden. Das müssen Sie entscheiden, nicht wir. Wollen Sie sich hinter der Juristerei verstecken und damit einen Antrag ablehnen, von dem Sie sagen, rein gefühlsmäßig wären Sie eigentlich bei uns? Lassen Sie sich doch einmal von Ihrem Gefühl leiten und schalten Sie mit uns gemeinsam Isar 1 ab.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Isar 1 wird abgeschaltet! Mit oder ohne Ihren Antrag! Dauerhaft! Thorsten Glauber (FW): Seit wann? Seit Montag?)

Herr Fischer, da Sie das heute so sagen, verstehe ich überhaupt nicht, warum Sie nicht zustimmen können. Sie haben gerade wieder gesagt: Wir wollen dauerhaft abschalten. Dann stimmen Sie unserem Antrag zu! Da steht nichts anderes drin. Der Antrag besteht aus drei dürren Zeilen, und darin finden sich die Worte "dauerhaft" und "stillgelegt wird". So einfach könnte die Welt sein. Sie wollen aber nicht zustimmen, und man kann sich einen Reim darauf machen, warum das so ist. Ich bin jetzt nicht so bösartig, das noch einmal durchzudeklinieren. Glaubwürdig werden Sie damit bei der Bevölkerung mit Sicherheit nicht, aber das ist Ihr Problem, nicht unseres.

Meine Damen und Herren, wir haben heute ausführlich rauf- und runterdiskutiert, warum wir das wollen. Ich will jetzt nicht über die nach wie vor verlorenen Kugeln des Kugellagers reden, die noch im Reaktor herumschießen. Ich will auch nicht darüber reden, dass wir schon einmal knapp einem Flugzeugabsturz entgangen sind; das war 1988.

Ein Gutachten der TU Berlin - das sollte Ihnen zu denken geben; das stammt nämlich nicht aus dem Jahr 1988, sondern ist neu - zeigt die Schwachstellen dieses Reaktors deutlich auf und kommt zu dem Ergebnis, dass es grenzwertig sei, diesen Reaktor zu betreiben. Sie wissen, dass die Platten im Inneren des Reaktorkessels der 69er Baureihe sehr schwach sind. Sie wissen auch, dass die Schweißnähte nicht optimal sind, dass es immer wieder Risse gibt und dass die Gefahr besteht, dass die Plattierung im Inneren, an die wir gar nicht heran können, Risse bekommt. Allein diese Tatsachen und auch die Tatsache, dass es heutzutage so große Flugzeuge wie den Airbus 380 gibt, die zu der Zeit, als die Berechnungen erstellt wurden, noch gar nicht existierten, wären juristische Grundlage dafür, aus der Atomkraft auszusteigen und die Kraftwerke dauerhaft abzuschalten. Deshalb bitten wir Sie eindringlich darum, unserem Antrag zuzustimmen.

Natürlich wollen auch wir, dass Japan in seiner großen Not geholfen wird. Das ist eine Selbstverständlichkeit, und das müssen wir nicht noch einmal eigens betonen. Natascha Kohnen hat ohnehin heute Vormittag schon gesagt, dass wir das Innenministerium dazu auffordern, alles Notwendige und Mögliche zu tun, um Japan in dieser großen Not zu helfen. Ich glaube, da sind wir uns alle einig.

Ich möchte noch etwas zu Ihrem Moratorium von drei Monaten sagen. Wenn in Japan eintritt, was wir alle befürchten, werden Sie in drei Monaten überhaupt nichts erfahren, weil man im Reaktor überhaupt nicht wird überprüfen können, was da schiefgegangen ist. Man wird aus diesem Desaster keine Schlüsse ziehen

können, weil man die Ursachen nicht untersuchen kann; denn kein Mensch wird in den nächsten hundert Jahren in den Reaktorkern gehen können. Deswegen ist Ihre Argumentation nicht sauber. Sie sollten ehrlich sagen: Wir wissen noch nicht so genau, was wir wollen, bei uns gibt es zwei Lager: Eines will den Weg mit der SPD gehen, und das andere will etwas anderes. Das müssen Sie mit sich ausmachen.

Wir bitten darum, über die Absätze des Dringlichkeitsantrags von CSU und FDP getrennt abzustimmen. Den ersten zwei Absätzen würden wir gerne zustimmen. Dem Absatz, der mit den Worten beginnt "Der Landtag begrüßt deshalb das Moratorium …" möchten wir nicht zustimmen; da würden wir uns enthalten. Wir würden uns ebenfalls bei der Abstimmung über den Absatz enthalten, der mit den Worten beginnt "Die Staatsregierung wird aufgefordert, darauf hinzuwirken …". Allen andern Punkten würden wir zustimmen.

Dem Antrag der GRÜNEN und der Freien Wähler stimmen wir zu.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Kollege. Jetzt bitte ich Herrn Hartmann für die GRÜNEN nach vorne.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir fordern in unserem Dringlichkeitsantrag, den Menschen in Japan jede nur erdenkliche Hilfe bei der Bewältigung der Natur- und Nuklearkatastrophe anzubieten. Das ist selbstverständlich.

Wir gehen in unserem Antrag noch einen Schritt weiter und wollen, dass aus der Katastrophe in Japan eine Konsequenz gezogen wird. Für uns ist klar, dass eine dauerhafte Stilllegung des Atomkraftwerks Isar 1 angeordnet werden muss. Das ist nicht Aufgabe der Regierung in Berlin, sondern Aufgabe des Umweltministers in Bayern. Er hat die bayerische Atomaufsicht unter sich und muss handeln. Die Abschaltung steht in Ihrer Macht und liegt in Ihrer Verantwortung. Wir fordern, dem Atomkraftwerk Isar 1 umgehend die Betriebsgenehmigung zu entziehen, da nach den Erkenntnissen zum Beispiel über Flugzeugabstürze ersichtlich ist, dass die notwendigen Sicherheitsstandards nicht mehr eingehalten werden.

In der Formulierung unter dem dritten Spiegelstrich fordern wir , dass die weiteren vier Atomkraftwerke Grafenrheinfeld, Gundremmingen B und C und Isar 2 - einer unabhängigen und transparenten Kontrolle unterzogen werden und dass die Anlagen innerhalb der nächsten zwei Jahre auf den aktuellen Stand von

Wissenschaft und Technik kurzfristig nachgerüstet werden.

Des Weiteren fordern wir die Staatsregierung dazu auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass der gravierende Fehler vom letzten Herbst, die Laufzeiten zu verlängern, behoben wird. Wir verlangen, dass die 11. und 12. Novelle zur Änderung des Atomgesetzes in den nächsten drei Monaten in vollem Umfang zurückgenommen wird. Wir fordern weiter, die Staatsregierung möge sich dafür einsetzen, dass die sieben ältesten Atomkraftwerke in Deutschland in den nächsten drei Monaten endgültig vom Netz gehen.

Wir wollen auch, dass mit der Möglichkeit Schluss sein muss, die Reststrom-Mengen umzubuchen,

(Beifall bei den GRÜNEN)

weil sonst vereinzelt AKWs vom Netz gehen und die großen Reststrommengen nach der Laufzeitverlängerung auf die neueren Atomkraftwerke aufgebucht werden. Dann verlängert sich die Laufzeit der Atomkraftwerke, der angeblichen Brückentechnologie, bis in die Ewigkeit. Diese Möglichkeit darf es nicht mehr geben. Wenn eine Anlage abgeschaltet werden kann, weil sie nicht mehr gebraucht wird, dann gibt es keinen Grund dafür, die Reststrommenge auf eine neue Anlage zu buchen, die dann zehn Jahre länger läuft.

(Beifall bei den GRÜNEN - Dr. Andreas Fischer (FDP): Dann läuft Temelin länger!)

Aufgrund der Katastrophe in Japan fordern wir in unserem Antrag, die Deckungsvorsorge für nukleare Störfälle zu erhöhen. Aktuell beträgt sie insgesamt 2,5 Milliarden Euro. Ich weiß selbst, dass 10 Milliarden bei dem Schadensausmaß in Japan auch nicht reichen würden. Man sollte aber endlich mal einen etwas realistischeren Wert als bisher ansetzen, um der Öffentlichkeit die wahren Kosten der Kernenergie vor Augen zu führen. Wir fordern, dass 10 Milliarden Euro Deckungsvorsorge pro Atomkraftwerk vorgesehen werden. Diese 10 Milliarden Euro sollen in einem öffentlich-rechtlichen Fonds hinterlegt werden. Das Geld muss wirklich beim Staat liegen, damit gehandelt werden kann, wenn etwas passiert.

Unser Antrag enthält ein größeres Paket als der Antrag der SPD. Wir fordern die Staatsregierung auch auf, in Bayern endlich die Energiewende einzuleiten. So muss die Energieeffizienz gesteigert werden. Der Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung muss massiv vorangetrieben werden; die Blockadepolitik beim Ausbau der Windenergie muss wirklich ein Ende haben. Verschiedene Studien, zum Beispiel aus den Jahren 2000 und 2005, zum Potenzial an erneuerbaren Energien in Bayern zeigen, dass wir bei der Solarenergie

die Prognosen bei Weitem übertroffen haben. Bei der Windkraft bleiben wir aber weit hinter den Erwartungen zurück.

Wir möchten einen weiteren Ausbau der Nutzung der Biomasse, allerdings in einem ökologisch verträglichen Rahmen. Das bezieht sich auf die Stoffe, die eingebracht werden, und darauf, dass die Fruchtfolge auf den Feldern eingehalten wird, dass man sich also nicht nur auf den Anbau von Mais konzentriert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir fordern weiterhin einen ökologisch verträglichen Ausbau der Stromspeicherkapazität. Dazu stehen wir, auch wenn das heute sehr oft anders dargestellt wurde. Wir bitten um die Unterstützung unseres Antrags.

Dem Antrag der SPD stimmen wir zu; denn die Forderung nach Hilfe für Japan ist selbstverständlich.

Wir haben allerdings Probleme damit, dem Antrag der CSU zuzustimmen. Zum einen ist darin wieder die Rede davon, dass die Kernenergie eine Brückentechnologie ist. Dazu können wir nicht stehen. Nach unserer Auffassung ist das nicht der richtige Weg. In keiner Ziffer fordern Sie - das ist eigentlich das, was sich viele von Ihnen wünschen -, dass Isar 1 nicht mehr ans Netz geht. Das schreiben Sie nicht in Ihren Antrag. Wir hätten erwartet, dass das im Antrag steht. Insgesamt können wir dem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich gebe bekannt, dass die SPD für ihren Dringlichkeitsantrag auf der Drucksache 16/7941 namentliche Abstimmung beantragt hat. Diese können wir frühestens nach 15 Minuten durchführen. Nächste Wortmeldung: Herr Glauber für die Freien Wähler.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen haben wir anlässlich der Regierungserklärung dieses Thema ausführlich beleuchtet. Der Regierungsseite Worte hören wir wohl, allein uns fehlt der Glaube. Ludwig Wörner hat es wunderbar beschrieben. Die Koalitionsfraktionen verstecken sich bezüglich des SPD-Dringlichkeitsantrags hinter juristischen Spitzfindigkeiten. Kollege Fischer, nach der jetzigen Erklärung muss ich Sie fragen, ob Sie der heutigen Debatte beigewohnt haben. Wenn ja, ist nur zu sagen: Nichts aus der Debatte gelernt!

(Beifall bei den Freien Wählern und der SPD)

Inwiefern soll es mutig sein, wenn ein Politiker sagt "Isar 1 bleibt abgeschaltet, trotzdem kann ich nicht zustimmen."? Als junger Mensch und Familienvater sollte man den Mut haben einzuräumen, dass Isar 1 nicht sicher ist und die technischen Standards problematisch sind, so dass man nicht zustimmen kann. Diese Größe sollte man haben, und sich nicht hinter wachsweichen Aussagen verstecken.

(Beifall bei den Freien Wählern und Abgeordne- ten der SPD)

Kolleginnen und Kollegen, mit unserem Antrag fordern wir ebenfalls die endgültige dauerhafte Abschaltung von Isar 1. Wir Freie Wähler fordern die Sicherung der Zwischenlager gegen Terror- und Flugzeugangriffe, damit panzerbrechende Waffen die in Zwischenlagern gelagerten Brennstäbe nicht zu einer Bombe werden lassen können.

Wir fordern mit unserem Antrag die Zurücknahme der Laufzeitverlängerung. Ich meine, das ist der entscheidende Aspekt. Wenn wir die erneuerbaren Energien ausbauen und in Zukunft auf die erneuerbaren Energien setzen wollen, muss nach dem Aussetzen der Laufzeit der Rückzug von der Laufzeitverlängerung kommen. Wir brauchen keine Übertragung der Reststrommengen, und wir wollen - das ist uns sehr wichtig -, dass die sieben jetzt abgeschalteten AKWs vom Netz bleiben. Ich habe heute Morgen beschrieben, dass diese sieben AKWs ausschließlich für den Export produzieren. Nicht der Gewinn der Konzerne aus dem Exportstrom soll entscheidend sein, sondern die Gesundheit und Sicherheit der Menschen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Heute Morgen wurde die Berichterstattung der Bundesregierung über die Findung eines Endlagers angesprochen, wenn wir Laufzeiten verlängern wollen. Die längste Verlängerung in Bayern mit 64 Jahren bringt 1.200 Tonnen neues radioaktives Material. Wichtig wäre, dieses Material in ein Endlager zu überführen; denn jegliche Zwischenlagerung wird irgendwann auf den Strompreis aufgeschlagen werden, und Zwischenlagerung führt nicht zu einer zukunftsfähigen Lösung. Wir brauchen endlich eine Lösung der Endlagerung, und wir brauchen den Ausstieg aus der Atomkraft.

Wir Freie Wähler setzen mit unserem Antrag klar auf die erneuerbaren Energien; denn sie sind der Jobmarkt, der Zukunftsmarkt und unser Exportschlager. Unser Antrag ist ausführlich und fordert, den erneuerbaren Energien die Zukunft zu geben und aus der Atomkraft auszuscheiden.

Dem Antrag der FDP werden wir zustimmen, weil er die Hilfe für Japan darstellt. Den Antrag der CSU werden wir ablehnen, weil er auf die Brückentechnologie setzt. Trotz aller Reden heute Morgen schaffen Sie es nicht, in Ihrem Antrag die endgültige Abschaltung von Isar 1 zu fixieren. Welch ein Schauspiel war das heute Morgen! Dem Antrag der SPD können wir vollumfänglich zustimmen, und dem Antrag der GRÜNEN werden wir ebenfalls zustimmen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Bleiben Sie bitte am Redepult, es gibt eine Zwischenintervention von Herrn Reiß.

Herr Kollege Glauber, Herr Fischer hat vorhin ein Zitat angedeutet hinsichtlich einer Aussage Ihres Fraktionsvorsitzenden Aiwanger in der Sendung "Bürgerforum" des Bayerischen Rundfunks. Ich zitiere wörtlich:

Aber wenn man ganz egoistisch ist, muss man durchaus auch sagen können: Gut, dass Isar 1 nicht explodiert ist. Ich will nicht sagen: Gut, dass Tschernobyl explodiert ist. Aber lieber ist mir noch, es ist auf der anderen Seite der Welt, wenn die denn glauben, sie müssten damit glücklich werden.

Sehen Sie das auch so?

Lieber Kollege Reiß, ich habe die Sendung auch gesehen.

(Zurufe von der CSU)