Auch die Kernkraftwerke in Bayern werden jetzt allesamt aufs Neue grundlegend überprüft. Bis Mitte Mai werden wir zusammen mit unabhängigen Experten Sonderinspektionen durchführen. Von diesem Moratorium ist auch Isar 1 direkt betroffen. Am vergangenen Dienstag wurde begonnen, das Kraftwerk herunterzufahren. Sobald uns - ich sage ganz ausdrücklich, da die Menschen das verfolgen - gesicherte Erkenntnisse aus Japan vorliegen, werden wir die verschärften Sicherheitsvorkehrungen für unsere Kraftwerke prüfen und umsetzen. Deshalb haben wir uns auch einen längeren Zeitraum genommen. Deswegen können wir heute nicht entscheiden, welche zusätzlichen Sicherheitsanforderungen wir stellen, wenn wir die Erkenntnisse aus Japan überhaupt noch nicht haben. Das wäre doch Augenwischerei, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Über die Ergebnisse dieser Überprüfung erwarten wir, Herr Ministerpräsident, im Bayerischen Landtag einen Bericht, um sie noch einmal eingehend beraten zu können. Wenn die Ergebnisse vorliegen und die Überprüfungen auch der bayerischen Kraftwerke abgeschlossen sind, wollen wir als Vertreter der Bürgerinnen und Bürger dies hier im Bayerischen Parlament als dem entscheidenden Platz diskutieren.
Dabei könnten wir auch zu dem Schluss kommen, dass angesichts der Erkenntnisse aus den Ereignissen in Japan nachgerüstet werden müsste.
Ist dies bei einem Kraftwerk nicht möglich, werden wir deshalb dieses Kraftwerk für immer vom Netz nehmen. Das muss für alle kerntechnischen Anlagen gelten, und dies muss auch für Isar 1 gelten. Wenn die Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist und nicht nachgerüstet werden kann, muss das betreffende Kraftwerk endgültig abgeschaltet werden. Das ist die notwendige Konsequenz aus dieser Situation.
Dafür muss der Bund jetzt die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen schaffen. Die Menschen können sich darauf verlassen: Oberstes Gebot beim Betrieb von Kraftwerken in Bayern war, ist und bleibt die maximale Sicherheit, und dazu stehen wir. Maximale Sicherheit hat gestern wie heute absoluten Vorrang. Die CSU-Fraktion hat immer das Prinzip der permanenten Sicherheitsverbesserungen der Kraftwerke beachtet. Auch das Atomgesetz sieht im Übrigen ausdrücklich die kontinuierliche Verbesserung der Kraftwerke vor. Sie ist gesetzlich vorgesehen, und das gilt für alle Parteien und alle Regelungen. Die Sicherheitsanforderungen richteten und richten sich stets nach dem fortschreitenden Stand von Wissenschaft und Technik. Das steht im Atomgesetz.
Die Sicherheit der bayerischen Kraftwerke wurde in der Vergangenheit von jedem Umweltminister dieser Republik bestätigt, auch von Trittin, Gabriel und allen anderen. Deshalb sage ich: Unsere Kraftwerke sind sichere Kraftwerke, und wenn sie nicht sicher wären, dann hätten sie schon lange geschlossen werden müssen; und wenn wir heute registrieren, dass sie nicht nachgebessert werden können und deshalb Sicherheitsdefizite haben, müssen sie eben stillgelegt werden. Das ist die Sicherheitsphilosophie, liebe Kolleginnen und Kollegen, und keine andere!
Wir begrüßen die Sicherheitsüberprüfungen. Ich frage, Herr Aiwanger: Wenn das Kernkraftwerk Isar 1 ein unsicheres Kraftwerk ist, warum ist dann bei der Neufestlegung des Energiekonzeptes nicht der entsprechende Bescheid ergangen?
(Hubert Aiwanger (FW): Weil damals Fehler gemacht worden sind, weil die Risiken falsch eingeschätzt wurden!)
- Ja, ja, das ist klar. Wenn Sie es sagen, war es ein Fehler, und wenn es andere gemacht haben, wird gesagt: Was soll’s?
Wir begrüßen die Sicherheitsüberprüfungen der kommenden Monate ganz ausdrücklich. Herr Ministerpräsident,
liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Politik muss die Sorgen der Menschen ernst nehmen, aber sie darf dabei nicht stehen bleiben. Verantwortungsvolles und nachhaltiges Handeln ist gefordert. Nicht Parteiengezänk und Rechthaberei, sondern Besonnenheit und ernsthaftes Handeln machen verantwortungsvolle Politik aus.
(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Genau! - Markus Rinderspacher (SPD): Jetzt plötzlich! - Zurufe von der SPD und den GRÜNEN - Glocke des Präsidenten)
Jeder hier im Saal weiß: Wir können unsere Energieversorgung nicht auf Knopfdruck beliebig umstellen.
(Beifall bei der CSU - Ludwig Wörner (SPD): Aber Sie hätten genug Zeit gehabt, das zu tun! Markus Rinderspacher (SPD): Nicht einmal in Zukunft, die machen doch so weiter! - Zuruf des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FW))
Nur so können wir unsere Wirtschaftskraft und unseren Wohlstand, aber auch bezahlbare Energie für alle sicherstellen. Wir müssen und werden die Zeit des Moratoriums nutzen, um nach einer breiten gesellschaftlichen Debatte die Weichen zu stellen, wie wir die Energiefrage in Zukunft lösen wollen. Wir brauchen diesen breiten gesellschaftlichen Konsens. Wir müssen im Lichte der Ereignisse in Japan zunächst diese Debatte führen.
Frau Kollegin Kohnen, wir brauchen auch den politischen Konsens. Ich hätte von Ihnen anstatt polemischer Äußerungen einen Beitrag zu der Frage erwartet, wie wir diesen Konsens bei den erneuerbaren Energien gemeinsam erreichen können.
- Die Antwort "aus der Steckdose" wird nicht reichen; aber Sie haben recht, Kollege Peter Winter, nicht jede Antwort, die wir auf diese Frage heute gehört haben, ist auch ein Konzept. Wir brauchen aber ein schlüssiges Konzept. Es geht um eine zentrale Frage in unserem Lande, nämlich die nach der gesicherten, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung.
Wenn ein sofortiger Ausstieg so einfach möglich ist, warum haben Rot-Grün in ihrer Regierungszeit in Berlin kein einziges Kernkraftwerk geschlossen? Der rotgrüne Ausstiegsfahrplan sah zum Beispiel vor - Markus Söder hat zu Recht darauf hingewiesen -, dass Isar 1 ein Jahrzehnt länger läuft, nämlich bis Juni 2011. In den Jahren 2001 und 2002 wurden die Gespräche geführt und die Entscheidungen getroffen. Und auch unter Umweltminister Jürgen Trittin wäre Isar 1 am vergangenen Montag noch am Netz gewesen. Das ist die Wahrheit, nichts anderes.
- Auch unter Gabriel, Herr Ministerpräsident. Ich sage das ebenso in Richtung der Kollegin Kohnen, um auch das abzudecken.
Manche haben in den vergangenen Tagen eine scheinheilige Debatte geführt. Die Politik von Jürgen Trittin, die Erkundung eines möglichen Endlagers zu stoppen und auf flächendeckende Zwischenlager zu setzen, war keine nachhaltige Lösung. Die Menschen erwarten jetzt keine plumpen populistischen, sondern langfristig verlässliche und sachlich begründete Antworten. Nach den Ereignissen in Japan stehen wir vor einer Schlüsselentscheidung für die kommenden Jahrzehnte.
Die Kernkraft war und ist im Energiekonzept aus dem vergangenen Jahr, aus dem Herbst 2010, nur als befristete Brückentechnologie bis zum endgültigen Auslaufen benannt.
Der Ausstieg ist beschlossene Sache. Das ist heute noch nicht gesagt worden. Die offene Frage ist nun, wann und wie uns der Übergang zu den erneuerbaren Energien gelingt; denn darin stimmen wir alle überein: Die Lösung kann nicht sein, dass wir Kernenergie aus osteuropäischen Kernkraftwerken wie Temelin beziehen. Das ist kein Konzept, dem wir folgen wollen.
Wir wollen auch keine Energiepolitik, die unser Klima ruiniert. Beides ist ethisch nicht vertretbar. Ein schneller Ausstieg aus der Kernenergie hin zu Kohle, Öl oder Gas würde das mit der Kernkraft verbundene Risiko durch die globalen und sehr fassbaren Folgen einer Klimaerwärmung ersetzen. Wir haben uns auch da schon vor Jahren ehrgeizige Ziele gesetzt, die wir nicht gefährden wollen.
Ich darf festhalten: Die Menschen wollen keine theoretische Debatte, sondern fragen danach, was schon erreicht wurde. Sehen wir uns doch in Deutschland um: Bayern ist in der Stromerzeugung beim Einsatz erneuerbarer Energien bereits heute mit 25 % Vorreiter in Deutschland, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Die Menschen registrieren das und hinterfragen, ob die Ziele erreicht wurden. Auf Bundesebene sind wir noch ein Stück weit zurück. Wenn wir aber die SPDregierten Länder anschauen, sehen wir Defizite. Sie liegen alle weit hinter Bayern. Angesichts dieser Tatsache würde ich an Ihrer Stelle hier nicht so laut reden.