Protokoll der Sitzung vom 25.05.2011

Als Nächster hat Kollege Harald Schneider das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Lieber Kollege Meißner, Sie erwarten sicher nicht, dass ich widerspruchslos hinnehme, was Sie uns erzählen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

insbesondere vor dem Hintergrund, dass mir sogar schriftliche Äußerungen des Ministers vorliegen, der die Situation in manchen Bereichen etwas anders beschreibt. Ich werde mir auch erlauben, daraus zu zitieren.

Wenn Sie den Anspruch erheben, dass Bayern das sicherste Land in der Bundesrepublik ist

(Zurufe von der CSU: Ist es ja auch!)

- Kolleginnen und Kollegen, regen Sie sich nicht jetzt schon auf, bevor ich etwas gesagt habe -, dann müssen Sie auch in allen Fällen danach handeln. In den Jahren 2003 bis 2008 war davon nichts, aber auch gar nichts zu spüren, sondern damals wurde Bayerns Polizei zu Tode gespart.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Lachen bei der CSU)

Es ist vieles passiert, das gestehe ich ein, und ich gebe in manchen Punkten dem Kollegen Meißner durchaus recht. Aber es ist nicht alles in die richtige Richtung gelaufen. Diese Punkte gestatte ich mir aufzuzeigen und möchte deutlich machen, dass hier einiges zu korrigieren ist.

Die Einstellungszahlen, die Sie, Kollege Meißner, genannt haben, nämlich 1.463 im Jahre 2010 und jetzt 1.300, sind richtig. Die brauchen wir absolut; das ist dringend notwendig. Aber leider sind die Kollegen draußen auf den Dienststellen noch nicht angekommen. Die auf den Dienststellen verfügbare Personalstärke weicht von der Sollstärke ab. Diese verfügbare Personalstärke ist deutlich niedriger. Noch heute haben wir viele Dienststellen in Bayern, die zur Nachtzeit nur mit drei Beamten besetzt sind.

Dies bestätigt letztendlich unser Innenminister in seinem Schreiben vom 28. Februar 2011, in dem er feststellt - ich darf zitieren - :

Etwa ein Drittel der Dienststellen hat nachts grundsätzlich eine Mindeststärke von drei Beamten. Bei mehr als drei Viertel aller Polizeiinspektionen können die Wachen zur Nachtzeit zumindest zeitweise nur mit einer Beamtin oder einem Beamten besetzt sein.

Das ist das Schreiben unseres Innenministers vom 28. Februar 2011. Hier haben Sie, Herr Innenminister, das erste Mal zugegeben, dass wir auf den Inspektionen zur Nachtzeit Engpässe haben.

Herr Innenminister, Sie arbeiten an der Lösung des Problems. Das gestehe ich Ihnen zu. Es sind noch nie so viele Polizeibeamte eingestellt worden wie jetzt. Aber die momentane Situation bei den kleineren Inspektionen ist mehr als kritisch.

Im Grunde gehört doch der Schutzmann auf der Straße einfach dazu. Es müssten Beamte als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Leider ist das Geschichte. Der Schutzmann an der Ecke, der als Ansprechpartner für die Bürger zur Verfügung stünde, ist schon lange nicht mehr vorhanden.

Welche Schlussfolgerung können wir daraus ziehen? Das einzige Gewerbe, das in unserem Lande großartig floriert, ist das Sicherheitsgewerbe. Wir haben rund 200.000 Beschäftigte im privaten Sicherheitsgewerbe mit einem Umsatz von über 5 Milliarden Euro im Jahre 2010. Im Jahre 2011 wird es ein weiteres Rekordergebnis geben. Das finde ich bedenklich. Darüber müssen wir nachdenken und uns fragen, warum das so ist. Können sich in Zukunft nur noch die Reichen Sicherheit in unserem Lande leisten?

(Beifall bei der SPD)

Heute ist es doch so, dass in den vornehmen Villengegenden Münchens, in Bogenhausen oder auch in Grünwald, private Sicherheitsdienste unterwegs sind, die dafür sorgen, dass tagsüber in den Wohnungen nicht eingebrochen wird. Wir haben einen hohen Stand an Tageswohnungseinbrüchen und um dem zuvorzukommen, patrouillieren in den vornehmen Wohngegenden eben diese privaten Sicherheitsdienste, während Otto Normalverbraucher die Polizei braucht, die dafür sorgt, dass in seiner Wohnung nicht eingebrochen wird.

Eine weitere Fehlentwicklung - ich weiß, Herr Innenminister, Sie sehen das anders - sehe ich darin, dass die Sicherheitswacht weiter ausgebaut worden ist. Im letzten Sommer hat das Kabinett beschlossen, dass die Sicherheitswacht auch in Kommunen unter 20.000 Einwohner installiert werden kann. Mittlerweile besteht auch schon in 78 Städten eine solche Sicherheitswacht. Die Zahlen nehmen zu.

Aber, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, die Bürgermeister, die eine Sicherheitswacht beantragen, tun dies nicht in der Überzeugung, die Sicherheitswacht sei das Nonplusultra, sondern es geschieht dies aus blanker Not. Denn die Bürgermeister müssen sagen: Wenn ich keine Polizei bekomme, beantrage ich zumindest die Sicherheitswacht. Diese Leute patrouillieren dann eben in den Gemeinden und sind somit ein kleiner Ersatz für die fehlende Polizei.

Das Ganze sehe ich als Fehlentwicklung an. Ich verstehe allerdings auch, dass das momentan eventuell notwendig ist, weil es draußen auf den Dienststellen keine Polizisten gibt und deshalb die Sicherheitswacht verstärkt werden muss. Aber ich halte das nicht für richtig und sinnvoll.

(Beifall bei der SPD)

Abschließend möchte ich zur Sicherheitswacht noch feststellen, dass sich nirgendwo beweisen lässt, dass eine Sicherheitswacht, wie sie in 78 Kommunen in Bayern besteht, irgendeine Auswirkung auf die Kriminalstatistik hätte. Die Zahlen sind genau so gut oder genau so schlecht - ich gebe zu, in Bayern sind sie gut, wie es die Kriminalstatistik besagt -, egal, ob eine Sicherheitswacht vorhanden ist oder nicht.

Hier lässt sich kein Beweis führen, dass die Sicherheitswacht Auswirkungen auf das Kriminalitätsgeschehen hätte.

Ein Punkt, den ich dringend ansprechen will, ist die Jugendkriminalität. Meines Erachtens wäre es sinnvoll, die Zahl der Jugendbeamten - ich spreche von etatisierten Jugendbeamten - zu erhöhen. Wir haben zwar Jugendbeamte in den Städten, die ausschließlich diese Aufgabe wahrnehmen; aber es sind viel zu wenige. Darüber hinaus machen die polizeilichen Jugendbeamten zu zwei Dritteln diese Arbeit nebenbei. Wenn irgendetwas anderes anliegt, müssen sie aus dem Jugendzentrum heraus und können sich nicht mehr mit den Jugendlichen beschäftigen. Sie müssen dann andere Aufgaben wahrnehmen, die sich in erster Linie auf den Streifenbereich beziehen und Ähnliches. Die Zahl der Jugendbeamten zu erhöhen, wäre sicherlich richtig und wichtig.

Die Vorlage eines Konzepts zur Evaluierung der Polizeireform haben Sie, Herr Innenminister, uns im Innenausschuss für den Juni versprochen. Das finde ich richtig und gut. Es war allerhöchste Zeit, hier in die Gänge zu kommen. Bei dieser Evaluierung halte ich es für sehr wichtig, auch einen Blick auf die Inspektionen zu werfen. In der Polizeireform selbst haben wir uns in erster Linie mit den Präsidien und Direktionen auseinandergesetzt. Es wäre notwendig, auch einen Blick auf die untere Ebene, die Inspektionen, zu werfen. Wie sieht es da aus? Was wäre da an Verbesserungen möglich? Was könnte für sie getan werden?

Ich bin mir im Klaren, dass es eine höchst heikle Angelegenheit ist, die Inspektionen zu untersuchen, um eventuell eine Effizienzsteigerung zu erzielen. Ist es vielleicht sogar notwendig, Inspektionen aufzulösen bzw. zusammenzulegen? Diese Diskussion führt niemand in diesem Hohen Haus gern. Aber es ist viel

leicht notwendig, auch einmal darüber nachzudenken, was in dieser Angelegenheit möglich ist.

Lassen Sie mich noch einen weiteren Punkt ansprechen. Herr Innenminister, Sie haben am 22. Mai beim Jubiläum der Bereitschaftspolizei in Eichstätt davon gesprochen, dass der Rechtsschutz für die Polizei verbessert werden müsse. Da rennen Sie bei uns offene Türen ein. Wir mahnen schon seit vielen, vielen Jahren an, dass der Rechtsschutz für die Polizisten endlich verbessert werden muss. Die Beamten dürfen nicht allein gelassen werden, wenn sie im Dienst angegriffen und verletzt worden sind. Eine Verbesserung im Bereich des Rechtsschutzes ist dringend notwendig.

(Beifall bei der SPD)

Leider ist jetzt vom Finanzministerium niemand hier, aber ich möchte es dennoch festhalten: Wir dürfen uns nicht in das Boot holen lassen mit dem Argument es müssten alle 300.000 Beamten in Bayern einbezogen werden, wenn der Rechtsschutz eingeführt werden sollte. Ein Beamter im Landratsamt hat keine Probleme; er kann sich höchstens an seinem Kugelschreiber verletzen. Aber die Polizisten draußen vor Ort haben durchaus Probleme.

Ich sehe, meine Redezeit ist zu Ende.

Schon länger!

Gestatten Sie mir bitte noch einen Schlusssatz. Herr Innenminister, Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn es darum geht, Bayerns Polizei neu aufzustellen. Die Anforderungen haben sich in den letzten Jahren geändert. Die Kriminalitätsformen haben sich geändert. Sie haben bereits 72 Leute eingestellt, die sich mit Wirtschaftsinformatik beschäftigen und die Arbeit von Wirtschaftskriminalisten tun. Alles in allem müssen wir gemeinsam zusehen, Bayerns Polizei zukunftsfähig zu machen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Schneider. Ihr Redefluss war so gewaltig, dass ich ein Auge zugedrückt habe

(Tanja Schweiger (FREIE WÄHLER): Zwei Augen!)

- oder zwei Augen zugedrückt habe. Das ist richtig. Die Kollegen aus der Fraktion der SPD wissen, dass sie sich etwas zügeln müssen.

Als Nächster hat Herr Kollege Joachim Hanisch das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bayern hat ein gutes Sicherheitssystem. Die Bürger leben gut in Bayern. Ich glaube, darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Das ist eine gemeinsame Basis, von der wir ausgehen können. Eine Zeitung schreibt: "Bayern ist und bleibt sicherstes Bundesland".

Wer die Zeitungen gelesen hat, hat aber wohl auch folgende Schlagzeilen gelesen: "Der Kripo geht der Nachwuchs aus", "Bayern sicher, aber wie lange noch?", "Der Altersdurchschnitt der Polizei liegt über 50 Jahre, das bedeutet einen ganz erheblichen Erfahrungsverlust". Weiter stand in der Zeitung: Die Ausbildungszeit der Polizisten wird auf die Dienstzeit, auf die Verfügbarkeit angerechnet; die Verfügbarkeit der Polizisten zur Bekämpfung von Kriminalität im Internet ist äußerst gering.

Ich habe die Zeitungsmeldungen zitiert. Wie sieht es mit der Sicherheit aus? - Die Diebstahlsachschäden belaufen sich jährlich auf über 161 Millionen Euro. Wir haben bei der Jugendkriminalität 54 % Gewalttaten unter Alkoholeinfluss. Wir haben bei den Vermögensund Fälschungsdelikten eine Zunahme von 76 %, und wir haben bei der Computerkriminalität eine erhebliche Zunahme.

Darüber hinaus stellt sich bei einem Vergleich mit der Vergangenheit die gesellschaftspolitische Frage, welchen Stellenwert die Polizei einst hatte und welchen Stellenwert sie heute vor allem in der Öffentlichkeit hat. Wir haben immer mehr Gewalt gegen Polizisten, und die Mehrheit hier in diesem Haus hat Verstöße gegen das Vermummungsverbot von Demonstranten, was früher eine Straftat war, zur Ordnungswidrigkeit degradiert. All diese Zeichen tragen nicht dazu bei, den Stellenwert der Polizei in der Bevölkerung zu heben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN - Christine Stahl (GRÜNE): Verfassungsgerichtsurteil!)

Meine Damen und Herren, wenn ich heute der Sicherheitswacht das Wort rede, dann ist das eigentlich ein Armutszeugnis für das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit. Wir sollten und müssen etwas für das Ansehen der Polizei tun.

Früher war es eine Selbstverständlichkeit, für die eigenen Polizeibeamten einzutreten, die an Brennpunkten eingreifen und der Bevölkerung ein Gefühl der Sicherheit geben. Heute mangelt es an Unterstützung für die Polizei, gerade bei der öffentlichen Meinungsbildung. Das kann nicht im Sinne der Sicherheit und

im Sinne der Polizei sein, die für die Sicherheit geradestehen muss.

Wir haben eine Nullrunde für die Beamten hinter uns. Zur gleichen Zeit erwarten wir 1,5 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Haushalt. Wir haben einen Beförderungsstau bei der Polizei. Wir stehen vor der Rückführung der Arbeitszeit auch bei der Polizei auf eine 40-Stunden-Woche. Angesichts der Zahlen der vorhandenen Polizeibeamten und derer, die eingestellt werden sollen, ist das eine Mammutaufgabe. Das wird dazu führen, dass nicht genug Polizisten auf den Straßen sind. Meine Damen und Herren, schauen Sie doch nur einmal auf die Situation im ländlichen Raum, wenn es um die Besetzung von Nachtstreifen geht. In großen Inspektionen wird teilweise nur eine Nachtstreife gefahren. Eine bessere Besetzung ist nicht möglich, weil entweder das Personal dafür nicht zur Verfügung steht oder weil es überaltert ist. Insbesondere im ländlichen Raum sind viele ältere Polizeibeamte vom Nachtdienst befreit.

Meine Damen und Herren, hier muss Abhilfe geschaffen werden. Wir brauchen eine stärkere personelle Ausstattung der Polizei.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Nach der Polizeireform muss jetzt die Evaluierung durchgeführt werden. Es muss nachgeprüft werden, was diese Reform letztlich gebracht hat. Wir warten noch darauf. Sie ist angekündigt worden. Dieses Haus hat den Auftrag erteilt, bis spätestens Herbst dieses Jahres zu evaluieren. Die Evaluierung wird erst im Herbst beginnen.