Auch hier zeigt sich, wer etwas von zukunftsfähiger Politik versteht. Es zeigt sich, wer nur auf die alten Rezepte zurückgreift, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen. Ich sage: Schuldenabbau ist richtig und wichtig, aber bevor Sie sich, Herr Seehofer, hier als brutalstmöglicher Entschulder aufführen, sollten Sie vielleicht erst einmal schauen, was Sie an verdeckten und versteckten Schulden haben. Wie ist das denn mit dem Pensionsfonds, den Sie nicht mehr bedienen und den Sie jetzt sogar noch abschaffen wollen? Was Ihre Ankündigungen angeht: Ich traue Ihnen keinen Millimeter über den Weg.
Wenn Sie heute den Pensionsfonds abschaffen, dann werden Sie auch in Zukunft keine Rücklagen bilden, weil Sie immer irgendein Argument finden werden, warum Sie nicht in den Pensionsfonds einzahlen. Deswegen ist es absurd, wenn Sie brutalstmöglich einsparen wollen und auf der anderen Seite verdeckte Schulden aufhäufen - beim Pensionsfonds, beim Straßen- und Gebäudeunterhalt oder bei der energetischen Sanierung.
Nicht nur wir haben keinerlei Vertrauen, dass Sie plötzlich eine nachhaltige Haushaltspolitik verfolgen. Wir haben den Verdacht, dass Sie es an diesem Punkt genauso halten wie zum Beispiel beim Atomausstieg, der Förderung der erneuerbaren Energien, beim Senken von Steuern oder der Rente mit 67. Immer haben Sie einen lockeren Spruch auf den Lippen und dann machen Sie das Gegenteil vom Gegenteil des Gegenteils.
Ich sage Ihnen: Bayern hat wirklich etwas Besseres verdient als Ihre schwindelerregenden Kapriolen und unhaltbaren Versprechungen.
Wie muss denn eine Politik für mehr Lebensqualität aussehen? Lebensqualität heißt, ein gutes Leben führen zu können. Das bedeutet natürlich materielle Absicherung, aber Lebensqualität ist weit mehr. Lebensqualität heißt auch, in einer intakten Umwelt leben zu können. Zu einer intakten Umwelt gehört der Schutz der Natur, der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen. Wie sieht es denn mit dem Artenschutz in unserem Land aus? Alarmierend ist das Artensterben in unserem Land seit Jahren. Sie dokumentieren das zwar schön im Artenschutzbericht, aber Sie ergreifen keine Maßnahmen, um gegenzusteuern. Dann müssten Sie nämlich eine andere Verkehrspolitik oder eine andere Landwirtschaftspolitik betreiben. Dann könnten Sie sagen, Sie setzten sich für eine intakte Umwelt ein.
Dazu gehört auch eine drastische Reduzierung des gigantischen Flächenverbrauchs. Jedes Jahr wird in Bayern eine Fläche fast so groß wie der Chiemsee zubetoniert, versiegelt. Ist das denn eine intakte Umwelt? Auch hierbei müssten Sie endlich gegensteuern und auch dabei sehen wir keinerlei Anstrengungen von Ihnen.
Zu einer intakten Umwelt gehört auch der Erhalt der frei fließenden Donau. Dazu gehört auch die Schonung des Isentals oder der Verzicht auf die dritte Startbahn. Das sind nur einige Beispiele. Wenn man von Lebensqualität und Zukunftssicherung spricht, dann sollte man sich auch intensiv mit den Grenzen des Wachstums auseinandersetzen und sich damit auseinandersetzen, wie wir mit dieser Herausforderung umgehen wollen und gleichwohl unseren Wohlstand erhalten, anstatt angeblich unbegrenzte Möglichkeiten zum Mantra zu erheben.
Lebensqualität bedeutet auch, eine gute Arbeit zu haben, von der man leben kann, nicht nur irgendeinen Job zu haben. Dazu gehört zum Beispiel ein garantierter Mindestlohn. Dazu gehört eine Gesellschaft, in der die Schere zwischen Arm und Reich nicht immer weiter auseinanderklafft. Lebensqualität bedeutet, dass jeder in dieser Gesellschaft in seiner Verschiedenheit angenommen wird. Lebensqualität bedeutet auch die Möglichkeit zur Teilhabe und Mitwirkung in der Gesellschaft und an den politischen Entscheidungen. Diese Aufgaben müssen angepackt werden, um unsere Lebensqualität und auch die unserer Kinder zu sichern.
Herr Ministerpräsident, davon haben wir in Ihrer Lobhudelei auf Ihre eigene Politik leider nichts gehört. Da haben wir in Bayern jede Menge Arbeit vor uns. Wir GRÜNEN freuen uns darauf, hier anzupacken.
Lebensqualität bedeutet, dass Menschen in unserer Gesellschaft nicht von braunen Terrorbanden bedroht, terrorisiert und ermordet werden. Bezeichnenderweise haben Sie, Herr Seehofer und Herr Schmid, auf diese hässliche Realität, die auch in unserem Lande existiert, keinen Blick geworfen. Auch das hätte zu einer ehrlichen Bilanz in diesem Lande gehört.
Wie zynisch muss den Betroffenen Ihre Lobpreisung der inneren Sicherheit vorkommen, wenn eine rechte Terrorzelle unbehelligt zehn Jahre lang auch durch Bayern ziehen und fünf Menschen ermorden konnte? Wie hohl müssen Ihre Worte in den Ohren der mutigen Frauen und Männer klingen, die sich seit Jahren den Nazis in den Weg stellen, die ihren Kopf für unsere moralischen Werte und für die Menschenrechte in unserer Gesellschaft hinhalten und vor allem in den letzten Wochen von den Nazis auf das Massivste attackiert und bedroht wurden?
Herr Ministerpräsident, wir fordern Sie deshalb auf, Ihre Anstrengungen im Kampf gegen den Rechtsterrorismus und Rechtsradikalismus in Bayern endlich zu intensivieren.
Nehmen Sie die Gefahren des Rechtsterrorismus endlich ernst. Es reicht bei Weitem nicht, allein ein NPD-Verbot zu fordern. Was Sie hier gerne vorschieben, ist zum Großteil nur ein Alibi. Erhöhen Sie endlich den Fahndungsdruck gegenüber der rechten
Szene und schützen und unterstützen Sie die Menschen, die heute von den Neonazis aktiv bedroht werden!
Es darf nicht sein, dass die Neonazis dem Staat auf der Nase herumtanzen und Teile unserer Bevölkerung in ihrer Sicherheit ständig bedroht werden.
Herr Ministerpräsident, bei diesem Thema erwarte ich von Ihnen deutlich mehr Problembewusstsein. Dazu hätte ich erwartet, dass Sie in Ihrer Regierungserklärung klare Worte finden, anstatt über unbegrenzte Chancen herumzuschwadronieren.
Wie muss eine Politik der Zukunftssicherung aussehen? Zentrale Zukunftsaufgabe ist eine gerechte - gerechte! - Bildungspolitik, die allen Kindern gleiche Chancen und Perspektiven bietet, egal, wo sie leben, ob sie behindert sind oder nicht, und die unabhängig von der Herkunft und Bildung ihrer Eltern ist. Beste Bildung für jedes Kind, das ist die Grundlage für Lebensqualität, Zukunft, gesellschaftliche Teilhabe und persönliche Entfaltung, aber auch für wirtschaftlichen Wohlstand. Auf diesem Gebiet würden wir uns deutlich bessere, vielleicht sogar unbegrenzte Möglichkeiten wünschen. Von wegen unbegrenzte Möglichkeiten: Stattdessen stoßen die Kinder an unseren Schulen dauernd an Grenzen. Zu viele Kinder scheitern jedes Jahr völlig unnötig an starren Übertrittsgrenzen. Sie stoßen an eine stark begrenzte Anzahl von Ganztagsschulplätzen, was bei den Kindern, Eltern und Lehrkräften zu einem enormen Zeitdruck führt. Und von wegen flächendeckender Ausbau: Wenn wir die Ganztagsschulen weiterhin in dem Tempo ausbauen, das Sie bisher vorgelegt haben und für das Sie sich in den höchsten Tönen loben, dann werden wir bis zum Jahr 2020 nur für 10 % aller Schüler Ganztagsangebote haben. Ein flächendeckender Ausbau sieht anders aus.
Herr Schmid, Sie haben sich eben für den Krippenausbau sehr gelobt. Auch da wünsche ich mir wesentlich mehr Ehrgeiz und deutlich weniger Lobhudelei, weil wir bis 2013 entsprechende Angebote brauchen, um den Anspruch auf einen Kindergartenplatz einlösen zu können. Das werden Sie mit Ihrer Politik und dem von Ihnen eingesetzten Geld bei Weitem nicht schaffen; denn Sie müssen zusätzlich über 400 Millionen Euro zur Verfügung stellen, damit Sie in Bayern
den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz garantieren können. Das ist mit der von Ihnen betriebenen Politik nicht machbar.
Kinder, Eltern und Lehrkräfte stoßen an unseren Schulen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die Schülerinnen und Schüler leiden unter stetig steigendem Druck und verlieren die Lust am Lernen. Schulen stoßen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten, die Kinder individuell zu fördern, weil Zeit und Personal fehlen.
Die Wahrheit in unserem bayerischen Bildungssystem ist: Zu viele Kinder bleiben unter ihren Möglichkeiten, werden entmutigt, aussortiert und unnötig unter Druck gesetzt.
Sie bieten seit Jahren nur eine hilflose Flickschusterei. Sie haben keine Antwort auf die Herausforderung und darauf, wie Sie mit dem demografischen Wandel umgehen wollen. Die Schülerzahlen in den ländlichen Regionen gehen rapide zurück. Wenn wir auf diese Art und Weise weitermachen und nicht gegensteuern, wenn wir den Schulen vor Ort nicht die Möglichkeit geben, sich zusammenzutun, und keine Öffnungsklausel in das Gesetz aufnehmen, dann werden in Bayern in den nächsten Jahren jede Menge Schulstandorte geschlossen. Das ist das Gegenteil von unbegrenzten Möglichkeiten.
Deswegen verspielen Sie mit Ihrem ideologischen Festhalten am gegliederten Schulsystem die Zukunft unserer Kinder. Die Schule der Zukunft ist eben keine Einheitsschule. Man merkt, dass Sie sich damit, wie moderne Pädagogik aussieht, überhaupt nicht beschäftigt haben. Die Schule der Zukunft ist eine Schule, in der die unterschiedlichsten Kinder in einem Klassenverband unterrichtet werden. In diesem einen Klassenverband bekommt nicht jedes Kind das Gleiche, sondern jedes Kind das Richtige. Das ist die Schule der Zukunft.
Zweites Zukunftsthema, die Energiewende: Herr Ministerpräsident, es ist noch nicht lange her, dass Sie die Energiewende zum Megaprojekt Ihrer Regierungszeit proklamiert haben. Die Aufgabe wäre es wert.
Nur: Mittlerweile hören wir von Ihrer angeblichen Herzensangelegenheit nur noch wenig. Da ist Ihre Leidenschaft offensichtlich sehr schnell wieder verglüht. In Bayern ist die Energiewende in erster Linie ein Verdienst der hier lebenden Bürgerinnen und Bürger, die seit Jahren in vorbildlicher Weise in die Energiezukunft investieren. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, Sie nochmals daran zu erinnern, wer das Erneuerbare-Energien-Gesetz jahrelang aktiv bekämpft hat, dann irgendwann einmal passiv geduldet und gesagt hat, das sei eigentlich eine gute Sache, aber jetzt versucht, es ad absurdum zu führen und es wieder auszuhebeln. So werden Sie in Bayern die Energiewende nicht erfolgreich bewältigen.
Aufgrund Ihrer Versäumnisse ist Bayern keineswegs Vorreiter bei den erneuerbaren Energien. Vor zwölf Jahren waren wir noch Spitze in Bayern im Vergleich der Bundesländer. Mittlerweile sind wir auf Platz 6 zurückgefallen. Ist das Ihre Energiewende? Ist das Ihr Ehrgeiz, von Platz 1 auf Platz 6 zurückzufallen? Und es gibt keine Aktivitäten, bei denen man den Eindruck hätte, es könnte besser werden. Die meisten Ihrer Aktivitäten sind Scheinaktivitäten: Unklare Zuständigkeiten in der Verwaltung, unklare Aufgabenstellungen für die zuständigen Stellen, schlechte Kommunikation mit den Kommunen, kein Zeitplan, kein verbindlicher Umsetzungsplan, keine Umsetzungsstrategie, stattdessen Tatenlosigkeit und fehlender Gestaltungswillen bei Stromspeicherung und Netzausbau.
Die Energiewende ist eine Megaaufgabe - eine Megaaufgabe für Politik, Gesellschaft und Wirtschaft. Dazu muss man einen Plan haben. Dazu muss man dranbleiben. Sie bleiben nicht dran, wir GRÜNEN bleiben an diesem Thema dran.
(Ulrike Gote (GRÜNE): Herr Seehofer, Sie sollten zuhören! - Beifall bei den GRÜNEN - Zuruf von der CSU: Warum schreit die Frau so?)
- Herr Stöttner, Ihr Rücken ist wunderschön, aber vielleicht könnten Sie ihn ein bisschen aus der Bildfläche schieben.