Protokoll der Sitzung vom 15.03.2012

Wir alle wissen: Das bayerische Hilfeleistungssystem verfügt im Bereich der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr über ein enormes Potenzial. Insgesamt stehen dem Freistaat bei den Feuerwehren, den freiwilligen Hilfsorganisationen und dem THW flächendeckend nahezu 500.000 Menschen als kompetente Helfer im Katastrophen- und Zivilschutz zur Verfügung. 450.00

sind hierbei ehrenamtlich tätig. Das Ehrenamt ist darin sind wir uns sicherlich einig - ein wichtiger Pfeiler der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr. Darüber hinaus drückt sich im Ehrenamt natürlich auch Solidarität und Bereitschaft aus, sich in die Gesellschaft einzubringen und am Gemeinwesen mitzuarbeiten, und das soll auch so bleiben.

Deshalb müssen wir uns auf allen Ebenen dafür einsetzen und deutlich machen, dass freiwillig und ehrenamtlich tätige Personen nicht nur nach nationalem Recht, sondern auch nach Sinn und Zweck der EURichtlinie nicht von Arbeitszeitbestimmungen erfasst werden dürfen. Ein solches Unterfangen wäre nicht nur völlig lebensfremd, es würde unsere Sicherheitsarchitektur, die zu einem erheblichen Teil auf der Säule des Ehrenamtes ruht, ins Wanken bringen und übrigens auch dazu beitragen, dass sich unsere Bürger, die sich in großer Zahl ehrenamtlich im sicherheitsrelevanten Bereich engagieren, einmal mehr über unverständliche Regelungen aus Europa, aus Brüssel wundern würden. Es gibt keinen Grund dafür, dass uns Technokraten in falsch verstandener Fürsorge vor unserem eigenen Ehrenamt schützen. Das können und wollen wir nicht zulassen, und ich gehe davon aus, dass dies die Auffassung der Bayerischen Staatsregierung ist.

Aber mit diesem Dringlichkeitsantrag soll auch dieses Hohe Haus - der Antrag der SPD zeigt ebenfalls, dass hierin Einvernehmen besteht - zum Ausdruck bringen, dass wir uns gegen einen solchen Angriff auf das Ehrenamt und alle ehrenamtlich Tätigen in Bayern mit aller Kraft wehren. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem Dringlichkeitsantrag. Ich bitte aber auch darum, dass sich jeder von uns in den Bereichen, in denen er tätig ist, gerade bei den Sozialpartnern - das heißt, auch bei den Gewerkschaften, die dies auf der europäischen Ebene verhandeln - einbringt und unsere Position deutlich macht: dass keine kontraproduktiven Regelungen eingeführt werden.

Daher bitte ich Sie insgesamt darum, diesen wichtigen Dienst am bayerischen Ehrenamt zu leisten.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Herrmann. Nächste Rednerin: Kollegin Aures.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Am letzten Samstag, dem 10. März 2012, standen an gleicher Stelle auf unsere Einladung hin mehrere Redner, zunächst einmal unser Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher, außerdem unser Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Christian Ude, Herr Schreck,

der Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbandes, sowie Herr Weinzierl, der Vorsitzende des Bayerischen Feuerwehrverbandes.

(Zurufe von der CSU)

Politiker haben den Mund immer voll genommen und gesagt, das Ehrenamt sei das Wichtigste, was wir haben. Wir als SPD-Fraktion haben jetzt einmal bayerische Feuerwehrkameradinnen und -kameraden eingeladen. Sie sind gekommen, und wir haben uns darüber gefreut. CSU und FDP sind nun auch munter geworden; denn bis letzten Samstag ist Ihnen nicht eingefallen, dass die EU-Richtlinie auf uns zukommt und wir sie hier abwehren müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Umso mehr begrüßen wir, dass auch Sie jetzt wach geworden sind.

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Gute Schauspielerin!)

Wir wissen schon, dass Sie sich nicht gefreut haben, dass die Feuerwehrkameradinnen und -kameraden in den Bayerischen Landtag gekommen sind, wobei nicht Sie die Idee hatten, sondern wir Sozis darauf gekommen sind, diesen Menschen draußen in dieser Form ein Dankeschön zu sagen.

(Heiterkeit bei der CSU)

Ich möchte noch einmal deutlich machen:

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Wir vonseiten der SPD legen großen Wert auf unsere Freiwilligen Feuerwehren. In Bayern gibt es insgesamt 7.700 Freiwillige Feuerwehren mit insgesamt 324.000 Frauen und Männern. Deshalb fordern wir mit unserem Antrag die Staatsregierung auf, sozusagen schon einmal prophylaktisch tätig zu werden und im Vorfeld dafür zu sorgen, dass diese drohende EUArbeitszeitrichtlinie gar nicht erst auf uns zukommt. Wir brauchen sie für die Feuerwehren und Rettungsdienste nicht, und das können wir nur gemeinsam schultern; das wissen wir.

Wenn sich der Deutsche Feuerwehrverband mit seinen 1,3 Millionen Menschen dahinterstellt - es gibt insgesamt in ganz Deutschland 24.400 Feuerwehren und man das in Relation zu den 7.700 in Bayern setzt, dann merkt man, dass das Feuerwehrwesen sehr tief durchstrukturiert und verankert ist. Deshalb ist es notwendig, dass wir hier und heute ein Zeichen gegen die EU setzen. Das muss man in aller Deutlichkeit sagen.

Es kann nicht sein, dass die im freiwilligen Feuerwehrdienst ehrenamtlich Tätigen den Arbeitnehmern gleichgestellt werden, die normal beschäftigt sind und deren 40-Stunden-Woche sozusagen nur um acht Stunden erweitert wird. Jeder von uns, der einmal Verantwortung getragen hat, weiß - zum Beispiel ist die Freiwillige Feuerwehr in unserer kleinen Stadt Kulmbach jeden zweiten Tag ausgerückt, und sie war fast schon wie eine Berufsfeuerwehr -, das würde kein Mensch mehr verkraften können. Das zusätzliche Ehrenamt könnte er neben dem Beruf nicht mehr durchhalten. Deshalb muss diese Richtlinie mit aller Macht bekämpft werden, bevor sie überhaupt in Kraft gesetzt werden kann.

Die Feuerwehren müssen das EU-Recht natürlich mit beobachten. Dass es auf nationales Recht heruntergebrochen wird, ist sehr wichtig. Deshalb muss diese Bestimmung zur Arbeitszeitbegrenzung jetzt gleich abgestellt werden.

Wir setzen auf das Innenministerium. Darüber, dass Frau Fuchs in dieser Abteilung nun das Regiment führt, freuen wir uns, denn

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

wenn eine Frau an der Spitze steht, Herr Staatssekretär, wird es meist etwas Gescheites. Es ist gut, dass sie dort hineingekommen ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir kämpfen auf der EU- und der deutschen Ebene gemeinsam. Deshalb darf ich nochmals herzlich bitten, unserem Antrag stattzugeben. Wir sind sozusagen die Erfinder dieser ganzen Sache, und es gefällt uns gut, wenn Sie bei uns abschreiben.

Wir wissen, dass derzeit die Verhandlungen mit den Sozialpartnern noch bis Ende November laufen und danach erst eine Entscheidung getroffen werden kann. Aber ich denke, wenn wir jetzt schon überall unseren Unmut kundtun, dann wird sich auch Deutschland dagegen wehren können. Ein Signal muss von Bayern ausgehen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Aures. - Als Nächster hat Kollege Joachim Hanisch das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Bayern ist, zumindest, was das Ehrenamt angeht, die Welt noch in Ordnung.

Das sieht man immer dann, wenn man eine Regelung wie die geplante liest. Wenn sich die Europäische Kommission hier tatsächlich durchsetzt, dann macht sie das Ehrenamt in vielen Bereichen kaputt. Offensichtlich ist in anderen Ländern das ehrenamtliche Engagement nicht so ausgeprägt wie bei uns in Bayern. Wir müssen darum kämpfen und uns dafür einsetzen, dass das Ehrenamt nicht beschädigt wird. Es soll so weiterleben können, wie wir es alle kennen und schätzen.

In ganz Deutschland sind über eine Million Menschen in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, in Bayern weit über 300 000. Für unsere Fraktion - wir haben das vorhin im Schnellverfahren abgefragt - kann ich sagen: Wir reden nicht nur von der Feuerwehr, sondern wir sind auch Mitglied in der Feuerwehr. Viele sind sogar noch aktiv dabei. Wir wissen, wovon wir sprechen.

Was ist in jüngster Zeit nicht alles von der Europäischen Union gekommen! Erinnern Sie sich nur an den unsäglichen Feuerwehrführerschein. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten haben wir alle miteinander darum gekämpft, dass es wieder so wird, wie es schon einmal war.

Ich erinnere an die verschärften Abgasvorschriften, die man uns aufs Auge drückt. Feuerwehrfahrzeuge fahren nur wenige Kilometer, werden also kaum bewegt. Durch die Nachrüstung würde sich das Gewicht des Fahrzeugs deutlich erhöhen, und es käme letztlich zu einer Erhöhung des Spritverbrauchs. Auch dadurch würde die umweltschonende Wirkung überkompensiert.

Angesichts all dessen frage ich mich, was die Europäische Kommission mit unseren ehrenamtlich tätigen Menschen im Sinn hat. Nicht nur die Feuerwehren, sondern auch alle Hilfsdienste wären betroffen. Für sie kämpfen wir, für sie sind wir da. Wir alle danken ihnen für ihre Arbeit, weil niemand, weder die Kommunen noch der Freistaat, sie bezahlen könnte. Seien wir froh, dass wir sie haben! Wenden wir uns gegen die Ausweitung der EU-Arbeitszeitrichtlinie! Wenden wir uns gegen die Ausweitung der arbeitsschutzrechtlichen Rahmenrichtlinien! Sie sind der falsche Weg, wenn es um die Erhaltung unseres gut funktionierenden Ehrenamtes geht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Hanisch. - Als Nächste hat Frau Kollegin Susanna Tausendfreund das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Feuerwehr herrscht hier breite Übereinstimmung. Auch wir werden beiden Anträgen zustimmen.

Die Ausweitung des Arbeitnehmerbegriffs der EU-Arbeitszeitrichtlinie auf ehrenamtliche Tätigkeit würde für die Freiwilligen Feuerwehren und andere Rettungsorganisationen schlicht und ergreifend das Aus bedeuten. Aber auch die Bereiche Kultur, Sport und Umweltschutz wären betroffen. Kulturinitiativen, Übungsleiter und Naturschutzranger leisten viel ehrenamtliche Arbeit; das wäre dann nicht mehr möglich.

Man muss es deutlich sagen: Mit der Beschränkung der Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche und der vorgeschriebenen Ruhezeit von elf Stunden wäre es praktisch niemandem mehr möglich, sich neben der normalen Berufstätigkeit ehrenamtlich zu engagieren. Gerade der Dienst in den Freiwilligen Feuerwehren ist sehr zeitaufwendig. Zu berücksichtigen sind nicht nur die Einsatzzeiten, sondern auch die Aus- und Fortbildungszeiten sowie die vielen Übungen, die durchgeführt werden.

Die befürchtete Ausweitung der EU-Arbeitszeitrichtlinie würde zu absurden Ergebnissen führen. Wenn jemand 40 Stunden normal arbeitet und vielleicht noch einen Nebenjob hat oder bereits 48 Stunden gearbeitet hat, dürfte diese Person keine weitere ehrenamtliche Arbeit mehr leisten. Muss ein Arbeitnehmer bereits um acht Uhr in der Früh am Arbeitsplatz erscheinen, dürfte er aufgrund der vorgeschriebenen Ruhezeit von elf Stunden nach 21 Uhr keinen Feuerwehrdienst mehr leisten. Aber ein großer Teil der Einsätze - das wissen wir alle - wird nachts abgewickelt.

Sind durch reguläre Arbeit und längere Einsätze bereits nach drei Tagen die 48 Stunden verbraucht, dürfte der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin den Rest der Woche gar nicht mehr beim Arbeitgeber erscheinen. Wer würde dann noch Feuerwehrleute einstellen?

Die Einhaltung der Arbeitszeit ließe sich im Einsatz unmöglich durchsetzen. Stellen wir uns nur vor, wenn jemand beim Löscheinsatz zur Stechuhr geht und sagt: "Jetzt muss ich leider aufhören!" Eine technische Hilfeleistung kann nicht einfach abgebrochen werden, nur weil die Ruhezeit beginnt. Die Ergebnisse wären jedenfalls absurd. Vielleicht kommt noch jemand auf den Gedanken, kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger unter die Arbeitszeitrichtlinie zu subsumieren; dann müsste die Tagesordnung der Sitzung bis 21 Uhr abgearbeitet sein. Es wäre vielleicht manchmal ganz gut, wenn zügig durchgearbeitet

würde, aber generell wird mit einer solchen Regelung der Lebensrealität nicht Rechnung getragen.

Bislang wird die Änderung der EU-Richtlinie bezüglich des Arbeitnehmerbegriffs nur befürchtet. Angesichts der gravierenden und sogar absurden Auswirkungen muss hinterfragt werden, wie begründet diese Befürchtungen sind oder ob sich das Ganze nur als Sturm im Wasserglas darstellt.

Tatsächlich will die EU-Kommission die Richtlinie ändern bzw. fortschreiben. Ob sie das Ehrenamt tatsächlich aus Gründen eines falsch verstandenen Arbeitnehmerschutzes in den Arbeitnehmerbegriff aufnehmen will, ist im Moment noch offen. Alle verfügbaren Informationen sind insoweit sehr vage; aber man muss wachsam sein und rechtzeitig reagieren. Momentan verhandeln die EU-Sozialpartner über mögliche Änderungen. Bis September haben sie sich Zeit genommen; auch der November wurde schon als Endtermin genannt. Ob sich die Sozialpartner einigen und wenn ja, auf welchen Vorschlag, ist noch offen. Welchen Vorschlag die EU-Kommission unterbreiten wird, ist ebenfalls noch offen.

Es ist zum jetzigen Zeitpunkt die richtige Reaktion, ein politisches Signal zu senden und auf die fatalen Folgen der befürchteten Änderungen hinzuweisen. Es ist immer besser, sich frühzeitig zu Wort zu melden, um solche fatalen Entscheidungen abzuwenden. Deshalb stimmen wir beiden Anträgen zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Tausendfreund. - Als letzter Redner hat Herr Staatssekretär Gerhard Eck das Wort. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Eigentlich ist alles gesagt, nur noch nicht von jedem. Ich kann vieles von dem, was hier gesprochen worden ist, unterstreichen. Ich muss allerdings auch ein Stück weit Kritik üben, und dann will ich mich ganz herzlich bedanken.