Auch unsere Gesellschaft wird beschädigt, wenn die soziale Ungleichheit immer größer wird und die Einkommen immer weiter auseinanderklaffen. Wir, die GRÜNEN, möchten das ändern. Menschen, die in Armut feststecken, brauchen eine Perspektive, wie sie da wieder rauskommen. Doch dafür muss man erstens mit offenen Augen durch die Welt gehen und zweitens auch den Willen haben, dies zu ändern. Denn auch wenn der Wohlstand in Bayern wächst, haben nicht alle etwas davon. Betrachten wir eine Gruppe: die Kinder. In Augsburg, Bayreuth und Würzburg ist jedes siebte Kind arm; in Aschaffenburg, Weiden, Fürth und Coburg ist es jedes sechste Kind; und in Nürnberg, Schweinfurt und Hof ist jedes fünfte Kind arm. Sie alle sind auf Hartz IV angewiesen. Meine Damen und Herren, Sie alle können sich vorstellen, was das für die Kinder bedeutet. Diese Erfahrung prägt einen für das ganze Leben. Kein Geld für die Kinokarte oder den Besuch im Zoo, zusehen, wenn die anderen Kinder sich ein Eis kaufen können, und man selbst kann es nicht.
Da muss man sich die besonderen Umstände genau ansehen. Besonders Kinder von Alleinerziehenden sind arm. Ungefähr die Hälfte aller armen Kinder wächst bei einem Elternteil auf; in neun von zehn Fällen sind das die Mütter. In Bayern gibt es etwa 200.000 Alleinerziehende. Diese haben es sehr, sehr schwer, sich gleichzeitig um die Kinder zu kümmern und für einen guten Lebensunterhalt zu sorgen. Die meisten schaffen es nicht, obwohl sie tagtäglich hart dafür arbeiten.
Sie schaffen es nicht. Und warum schaffen sie es nicht? – Weil unsere Arbeitswelt nicht darauf eingestellt ist. Sie schaffen es deswegen nicht, weil die Öffnungszeiten von Krippe, Hort und Kita nicht mit den Arbeitszeiten übereinstimmen, und sie schaffen es auch nicht, weil der Unterhalt und die staatliche Unterstützung nicht ausreichen.
Wir GRÜNE schlagen deswegen ein Familienbudget vor. Das hilft vor allem Alleinerziehenden und Familien mit vielen Kindern. Auch Kinderreichtum führt oft zu Armut.
Unser Familienbudget hat drei Säulen. Wir wollen zum einen höhere und angemessene Regelsätze für Kinder, zum anderen einen Kindergeldbonus für Alleinerziehende und drittens eine Kindergrundsicherung als einheitliche Leistung für alle Kinder.
Das wäre eine echte Verbesserung ganz im Gegensatz zu Ihrer Herdprämie, die einzig und alleine hilft,
die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen zu zementieren, aber nichts gegen Kinderarmut bewirkt.
Da alle die Chance haben sollen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, brauchen wir endlich bessere Betreuungsmöglichkeiten. Gerade hat das Institut der deutschen Wirtschaft ausgerechnet, dass über 50.000 Kinder unter drei Jahren in Bayern keinen Krippenplatz bekommen, obwohl die Eltern sich das wünschen. Über 50.000 Kinder!
Wenn Sie, Frau Staatsministerin, nun in Ihrer Regierungserklärung davon sprechen, dass der massive Ausbau der Kindertagesbetreuung den Alleinerziehenden zugutekommt, und wenn wir von der Umsetzung des gesetzlichen Betreuungsanspruchs in Bayern ab dem ersten Lebensjahr immer noch weit entfernt sind, dann ist das einfach nur heuchlerisch.
Es ist ebenfalls heuchlerisch, dass Sie als CSUStaatsregierung die zusätzliche Förderung von Kitas mit überlangen Öffnungszeiten 2016 haben auslaufen lassen. Trotzdem stellen Sie sich hierher und sagen, alles ist wunderbar. Das ist ein Schlag ins Gesicht für alle Eltern, die dringend einen Betreuungsplatz für ihre Kinder suchen.
Für uns GRÜNE ist der Betreuungsplatz alleine aber nicht alles. Wir möchten auch in die Qualität investieren. Wir müssen die wichtige Arbeit der Erzieherinnen und Erzieher höher bezahlen und brauchen einen besseren Betreuungsschlüssel.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wissen alle, ein Vollzeitjob alleine ist keine Garantie, von Armut nicht betroffen zu sein. Wer im Niedriglohnbereich arbeitet, eine Familie versorgen und eine teure Wohnung bezahlen muss, kommt mit seinem Einkommen nicht über die Runden. Da hilft auch der Mindestlohn nicht, so wichtig und richtig er ist. Wer in einer Putzkolonne arbeitet oder Pakete ausliefert, hat wenig davon, wenn die Wirtschaft wächst. Wir GRÜNE schlagen deswegen vor, niedrige Einkommen bei den Sozialbeiträgen zu entlasten. Anders als die Steuern müssten sie bereits auf den ersten verdienten Euro bezahlt werden. Das würde allen, die wenig verdienen, wirklich weiterhelfen.
Selbstständiger nicht viel verdient, hat auch in Zukunft ein Problem. Dieses Problem heißt Altersarmut. Fast jede sechste Rentnerin oder jeder sechste Rentner ist in Bayern in der Gefahr, in die Armut abzurutschen. Dies sagt eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Und gerade in Bayern ist Altersarmut weiblich.
Wir GRÜNE wollen deshalb eine Garantierente für alle, die lange rentenversichert waren, gearbeitet haben, Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt haben. Diese Garantierente fällt höher aus als die Grundsicherung, und sie muss aus Steuergeldern finanziert werden, weil wir den Jüngeren nicht noch höhere Beiträge zumuten wollen, als sie ohnehin schon bezahlen müssen.
Wir möchten auch Minijobberinnen und Minijobber sowie schlecht abgesicherte Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung mit einbeziehen, damit auch sie eine Anwartschaft aufbauen können.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Sie können sie aufgreifen, Sie können eigene Ideen entwickeln. Aber eines sollten Sie bitte nicht weiter tun, nämlich Sozialberichte herausgeben, die ohne Ende glänzen, aber keine zielführenden Lösungen anbieten, um die Probleme zu beseitigen. Also handeln Sie endlich, oder treten Sie ab und lassen andere ran!
Unser Ziel ist es, Armut erst gar nicht entstehen zu lassen, und auch da können wir als Freistaat eine Menge tun. Beispielsweise könnte man aktiv für mehr preiswerten Wohnraum sorgen, anstatt darauf zu hoffen, dass es der Markt richten wird, und anstatt die Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau zu reduzieren, was Sie als CSU-Regierung gemacht haben.
Sie können auch die Kinder vor und während der Schule besser fördern, damit sie sich in einer digitalen und globalisierten Welt besser zurechtfinden. Man könnte als CSU-Regierung auch dafür sorgen, dass die Geflüchteten besser unterstützt werden, dass sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen können, anstatt ihnen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Frau Staatsministerin Müller, ich musste wirklich lachen, als Sie in Ihrer Rede gesagt haben, dass die CSU die Integration in den Arbeitsmarkt massiv vorantreibe. Dass Sie das sagen, ohne rot zu werden,
verwundert mich sehr. Wer in diesem Hohen Haus wirft denn dauernd den Geflüchteten, den Arbeitgebern und den Ehrenamtlichen bei dem Thema 3+2 Knüppel zwischen die Beine? – Das sind Sie!
Aus Ihrem Ministerium kommen regelmäßig irgendwelche obskuren Anweisungen, wie man mit der 3+2Regelung umzugehen habe, die alle nur verwirren, anstatt den Geflüchteten sowie den Arbeitgebern zu helfen, die dringend Fachkräfte brauchen. Wenn Sie da sagen, Sie machten im Bereich der Integration alles wunderbar, dann ist das hanebüchen.
Wissen Sie was, Frau Staatsministerin Müller: Bei einer Sache fühle ich mich nicht ganz wohl bzw. frage ich mich, wo da Ihr großes Problem ist. Wenn Sie davon sprechen, dass Bayern Bayern bleiben muss, frage ich mich schon, wovor Sie oder die gesamte CSU so große Angst haben. Denn Sie haben ja in der gleichen Rede auch davon gesprochen, dass Bayern sich schon immer verändert hat. Und so wie alles im Leben wird auch Bayern sich weiter verändern.
Es wird sich weiterentwickeln, und die Menschen, die in diesem Lande wohnen, werden ihre Gesellschaft mitgestalten.
habe ich das Gefühl, dass die Leute, die ständig davon reden, es müsse alles so bleiben, wie es schon immer war, es im Grunde nicht ertragen können, dass sie den Gang der Dinge jetzt nicht mehr ganz allein bestimmen können. Nun wollen die Frauen mitreden oder aber auch die jungen Leute sowie Menschen, die woanders geboren und aufgewachsen sind. Für all diese Menschen ist Bayern ebenfalls Heimat oder wird Bayern Heimat werden, und sie wollen ihre Heimat mitgestalten. Diesen Machtverlust verschmerzen offensichtlich manche von Ihnen nicht. Ich kann Ihnen da nur empfehlen, sich daran zu gewöhnen; es ist der Lauf der Dinge, und der ist gut so.
Abschließend möchte ich noch etwas sagen. Ich glaube, dass viele Menschen bei uns ein Unbehagen darüber spüren, dass der Eindruck immer stärker wird, alles ist auf Effizienz gebürstet, auf schnelleres Wachstum und härtere Konkurrenz, und wer nicht mithalten kann, bleibt halt auf der Strecke. Gegen dieses
Gefühl der Kälte und der fehlenden Menschlichkeit müssen wir als Demokratinnen und Demokraten geschlossen vorgehen.
Die Gesellschaft hält dann zusammen, wenn jede und jeder im anderen den Menschen mit gleichen Rechten sieht. Das heißt nicht, dass es keine Unterschiede geben darf. Niemand hat ein Problem damit, wenn die Managerin mehr verdient als der Verkäufer. Aber das heutige Ausmaß der Ungleichheit ist fast schon obszön. Wenn jeder immer nur versucht, das Beste für sich herauszuholen, bleiben am Ende alle auf der Strecke. Wir brauchen also mehr Gemeinsinn. Wir brauchen mehr "Wir" und weniger "Ich". Wer arm ist oder bei uns Schutz sucht, braucht unsere ausgestreckte Hand und nicht die kalte Schulter. Das ist die Basis einer freien, solidarischen und demokratischen Gesellschaft. Dafür kämpfen wir GRÜNE.
Vielen Dank, Frau Schulze. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Schreyer. Bitte schön, Frau Schreyer.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede von Frau Kollegin Schulze kann ich nur sagen: Liebe CSU-Fraktion, die Oppositionsarbeit müssen wir auch noch mitmachen. Die Kritikpunkte sind eigentlich nicht angekommen.
Ich möchte mit dem Thema Integration anfangen: Ich war in Dortmund bei der Bundessprechertagung der Integrationsbeauftragten. Ich kann Ihnen sagen: Wenn Sie mit den Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Ländern sprechen, werden Sie feststellen, dass die ganz andere Fragen haben. Wir sind um Längen besser. Mir ist es wichtig zu sagen: Bei uns gelingt die Integration ein ganzes Stück besser als in allen anderen Ländern.
Klar ist, auch wir müssen aufpassen, dass sich keine Parallelgesellschaften entwickeln. Wir müssen uns genau ansehen, wo wir noch besser werden können. Aber eines müssen wir sehen: In Augsburg gibt es mehr Menschen mit Migrationshintergrund als in Berlin-Neukölln. Nach meiner Kenntnis ist Augsburg medial noch nicht als Problempunkt genannt worden. Das bedeutet, in Bayern läuft die Integration um Längen besser.