Protokoll der Sitzung vom 19.07.2017

Wir kommen nun zurück zu den Tagesordnungspunk ten 13 und 14. Hierzu stehen die Abstimmungen noch aus. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt. Der federführende Ausschuss für Verfas sung, Recht und Parlamentsfragen empfiehlt bei bei den Meinungsverschiedenheiten, dass sich der Land tag am Verfahren beteiligt, festzustellen, dass der Antrag unbegründet ist, und zum Vertreter des Land tags den Abgeordneten Herrn Jürgen W. Heike zu be stellen.

Über die Beschlussempfehlungen zu den Meinungs verschiedenheiten soll in namentlicher Form abge stimmt werden. Wir stimmen über das Ausschussvo

tum ab. Wenn Sie also der Meinung sind, dass das Anliegen berechtigt ist und jemand anderes den Land tag vertreten soll, müssen Sie mit Nein stimmen. Wenn Sie bei dem Ausschussvotum bleiben – der An trag ist unberechtigt, und der Kollege Heike soll den Landtag vertreten –, müssen Sie mit Ja stimmen.

Ich lasse zuerst über die Beschlussempfehlung be treffend die Meinungsverschiedenheit zwischen der Antragstellerin, der BayernSPDLandtagsfraktion, und den Antragsgegnerinnen, erstens der CSUFrak tion im Bayerischen Landtag und zweitens der Baye rischen Staatsregierung, Drucksache 17/17395, ab stimmen. Die Urnen sind bereitgestellt. Ich eröffne die Abstimmung. Sie haben dafür fünf Minuten Zeit.

(Namentliche Abstimmung von 16.47 bis 16.52 Uhr)

Die fünf Minuten sind um. Ich schließe die Abstim mung. – Bitte nehmen Sie die Plätze wieder ein, damit wir auch die zweite namentliche Abstimmung durch führen können.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Jetzt lasse ich über die Beschlussempfehlung betref fend die Meinungsverschiedenheit zwischen der An tragstellerin, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bayerischen Landtag, und den Antragsgegnerin nen, wiederum erstens die CSUFraktion im Baye rischen Landtag und zweitens die Bayerische Staats regierung, Drucksache 17/17397, abstimmen. Auch diese Abstimmung wird in namentlicher Form durch geführt. Die Urnen stehen bereit. Ich verkürze die Ab stimmungszeit auf drei Minuten.

(Namentliche Abstimmung von 16.53 bis 16.56 Uhr)

Die drei Minuten sind um. Die Abstimmung ist ge schlossen. Die Ergebnisse werden wie immer außer halb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt ge geben. – Ich möchte mit der Sitzung fortfahren. Bitte nehmen Sie die Plätze wieder ein.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 16 auf:

Antrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Susann Biedefeld, Herbert Woerlein u. a. und Fraktion (SPD) Vogelgrippe und die Auswirkungen auf die Rassegeflügelzüchter (Drs. 17/16336)

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Mi

nuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Biedefeld. Bitte schön, Frau Biedefeld.

Frau Vizepräsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Manche Kolleginnen und Kollegen werden sich fragen: Muss das jetzt auch noch sein, in den letzten Stunden vor der Sommer pause das Thema der Vogelgrippe und ihre Auswir kungen auf die Rassegeflügelzüchter aufzugreifen?

(Zuruf: Ja!)

Das "Ja!" wird hoffentlich im Protokoll vermerkt; denn ich werde das Protokoll an viele Betroffene ver schicken. – Es geht um Zigtausende von Mitgliedern in den Geflügelzuchtvereinen und Kleintierzuchtverei nen, die enorm unter der Vogelgrippe gelitten haben. Die Vogelgrippe liegt zunächst einmal hinter uns. Hof fentlich bleiben wir noch lange von ihr verschont. Die Aufstallungspflicht ist aufgehoben, aber nach der Vo gelgrippe ist für die bayerische Rassegeflügelzucht mit ihren Zigtausenden von Mitgliedern das Problem mit der Vogelgrippe noch nicht gelöst.

Wir haben Ereignisse in den Jahren 2006, 2007, 2009, 2011, 2015 und letztmalig Ende 2016 und An fang 2017 gehabt. Der Bezirksvorsitzende des Rasse geflügelzuchtverbandes Oberfranken, Herr Andreas Vogel, stellte im April 2017 fest – auch Herr Kollege Heike war bei der Bezirkskonferenz anwesend –: Soll te die bayernweite Stallpflicht noch öfter angeordnet werden, dann gibt es keine Zukunft mehr für die Ras segeflügelzucht, und sie kann begraben werden. – Er sagte: Das Vereinsleben wird mit der landesweiten Stallpflicht regelrecht abgewürgt.

Eine Rassegeflügelzucht, das heißt die Erhaltung der alten Geflügelrassen, ist im Gegensatz zur Zucht der Wirtschaftsrassen nur in einer extensiven Haltung möglich. Das gilt es hier zu berücksichtigen. Während der landesweiten Aufstallungspflicht haben die Hob byzüchter in Bayern viele Zuchttiere und ganze Erhal tungszuchten verloren. Sie haben die Tiere nicht durch die hoch pathogene Influenza, die Vogelgrippe, verloren, sondern vor allem durch die landesweite Stallpflicht. Gerade die Groß, Zier und Wassergeflü gelzüchter waren besonders betroffen. Fast alle Züch ter konnten ihre Tiere nicht in den Ställen unterbrin gen, weil sie auf so etwas nicht vorbereitet sind und derart große Ställe gar nicht haben.

So mussten die Züchter bis zu 50 % der Tiere töten. Das ist eine Aussage des Landesverbandes. Viele davon – ich sage auch: das trägt dem Tierschutz nicht Rechnung – stehen auf der Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen. Da viele Arten und Rassen unter Stall

bedingungen nicht über einen längeren Zeitraum ge halten werden können, verenden zusätzlich viele Tiere. Das heißt ganz klar: Je länger die Stallpflicht andauert, desto größer wird das Leid der Tiere. Viele Halter sehen sich aus Tierschutzgründen gezwungen, weitere Tiere zu töten. Dies alles hat enorme Auswir kungen auf die vielen Geflügel und Kleintierzuchtver eine auch bei uns in Bayern.

Viele Hobbyzüchter sowie Funktionäre in den vielen Geflügel und Kleintierzuchtvereinen in Bayern spre chen von einer staatlich angeordneten Vereinsver nichtung und haben dabei die landesweite Stallpflicht vor Augen. Die landesweite Aufstallungspflicht und das damit verbundene Ausstellungs und Marktverbot haben darüber hinaus viele Rassegeflügelzuchtverei ne in finanzielle Bedrängnis gebracht. Das kommt noch hinzu.

Selbst lokale Schauen in Nichtrisikogebieten wurden untersagt. Das hatte enorme finanzielle Verluste für die Vereine zur Folge. Damit einher geht auch, dass die Motivation vieler Mitglieder in den Vereinen und vieler Hobbygeflügelzüchter immer mehr verloren geht. Es geht auch hier um ehrenamtliches Engage ment.

Damit wiederum stehen nicht nur die alten Geflügel rassen, sondern auch viele Vereine vor dem Aus. In Oberfranken haben wir bei der Bezirkskonferenz ganz konkret die Zahlen vor Augen geführt bekommen. Auch Sie, Herr Kollege Heike, haben mitbekommen, dass dadurch ein Sterben des Vereinslebens stattge funden hat und sich ein weiteres Sterben abzeichnet. Hobbygeflügelzüchter und Vereinsmitglieder sind de moralisiert und demotiviert. Die Maßnahmen zur Ein dämmung der Vogelgrippe zerstören Zuchten, scha den den Tieren extrem, gehen mit dem Tierschutz nicht konform und sind eine Existenzbedrohung für Vereine in Bayern. Alte, vom Aussterben bedrohte Geflügelrassen verschwinden endgültig.

Wir, die SPD, haben einen Katalog mit vier klaren For derungen aufgestellt. Erstens. Wir wollen, dass keine landesweite Aufstallungspflicht mehr angeordnet wird. Nach dem FriedrichLoefflerInstitut, einem sehr re nommierten Institut, ist dies möglich. Auch die Geflü gelpestVerordnung lässt dies zu. Die Aufstallungs pflicht soll auf Risiko und Sperrgebiete beschränkt werden. Dies betrifft die lokalen Schauen und die Hal tung der Geflügeltiere und der Tiere insgesamt. Wir fordern eine klare Begrenzung auf Risiko und Sperr bezirke.

Zweitens. Die Staatsregierung soll auf Bundesebene tätig werden. Die GeflügelpestVerordnung muss ge

ändert werden. Hier muss man ran. Unser Antrag ent hält konkrete Beispiele, wo dies möglich ist.

Drittens. Wir fordern eine bessere und aktuellere In formation und eine bessere Kommunikation. Ihre Be hauptung, dass die derzeitige Praxis ausreichend sei, weise ich zurück. Gehen Sie nur einmal auf die Homepage des Landesverbandes und der einzelnen Bezirksverbände. Hier können Sie eindeutig Kritik an der Informationspolitik lesen.

Viertens. Wir fordern Haushaltsmittel für ein For schungsprogramm in Bayern. Wir wollen damit die wahre Herkunft der Vogelgrippe, die tatsächlichen Ur sachen, die tatsächlichen Übertragungswege, die tat sächlichen Folgen und die tatsächlich notwendigen Maßnahmen zur Abwendung bzw. Eindämmung der Vogelgrippe erforscht wissen.

(Beifall des Abgeordneten Herbert Woerlein (SPD))

Unter den Wissenschaftlern gibt es hier viele, viele Zweifel. Es ist nicht zu 100 % klargestellt, dass die Ur sache von den Wildvögeln ausgeht.

In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung. Helfen Sie den Geflügelzüchtern und den Vereinen in Bay ern, damit sie ihrem Hobby nachgehen können und einen Beitrag leisten, Rassen zu erhalten. Das ist unser Anliegen. Wir bitten um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Biedefeld. – Der nächste Redner ist der Kollege Alexander Flierl. Bitte schön.

Frau Vizepräsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle – ich glaube, das kann ich auch für die CSUFraktion mitteilen – wissen, was wir an unseren Rassegeflügelzüchtern haben. Wir wissen auch, was wir an unseren Kleintierzüch tern und den Kleintierzuchtvereinen haben. Diese leis ten in vielen Bereichen wie der Jugendarbeit und ge rade auch im Tier und Artenschutz wertvolle Arbeit. Wir, die CSU, haben hier eindeutig keine Nachhilfe von Ihnen nötig.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Nachdem das oftmals ehrenamtliche Engagement der Kleintierzüchter so wichtig ist, verdienen sie auch einen offenen und ehrlichen Umgang. Ihnen ist nicht mit Anträgen geholfen, die falsche Erwartungen da hingehend wecken, dass die Probleme im Zusam menhang mit der Geflügelpest einfach mit einem Fe derstrich zu lösen sei. Wir, die CSUFraktion, sind uns

durchaus bewusst, dass gerade die Rassegeflügel züchter durch die monatelange bayernweite Aufstal lung vor große Herausforderungen, ja sogar Schwie rigkeiten gestellt wurden. Jedoch ist nicht abzuschätzen, was passiert wäre, wenn der Freistaat nicht so gehandelt hätte. Das muss auch gesagt wer den.

Jetzt möchte ich auf Ihren Antrag näher eingehen: Sie fordern bereits jetzt eine Vorfestlegung, dass bei künf tigen Fällen keine landesweite Aufstallungspflicht gel ten soll und kein Markt und Ausstellungsverbot erlas sen wird. Dabei verkennen Sie die Fakten und stellen die Sach und Rechtslage eindeutig falsch dar. Sie lie gen hier neben der Sache. Sie tun so, als wäre es ein Automatismus, wonach immer ein bayernweites Auf stallungsgebot erlassen werden müsste. Sie tun so, als wäre dieses Aufstallungsgebot in den Jah ren 2016/2017 völlig ohne Not erlassen worden. Das war eben nicht der Fall.

In den Jahren 2016/2017 konnte man eben nicht mehr nur von einem regionalen Geschehen sprechen. Im gesamten Freistaat Bayern gab es hohe Fallzah len. Diese Situation kann nicht mit der Situation in BadenWürttemberg verglichen werden. Dort hat es lediglich einzelne Ausbrüche vor allem in der Boden seeregion gegeben. In Bayern mussten wir mit einem äußerst schwerwiegenden Geschehen zurechtkom men. Dies unterscheidet die Geschehnisse von 2016/2017 auch von denen der Jahre 2006, 2007 und 2015. 2015 gab es lediglich einen einzigen Fall.

Für uns ist entscheidend, dass stets der Lage ange passt und risikoorientiert gehandelt wird. Damit ist das Aufstallungsgebot auch kein Faktum. Es ist nicht in Stein gemeißelt und muss nicht zwingend verhängt werden. Jedoch können wir das Aufstallungsgebot jetzt nicht für die Zukunft ausschließen. Würden wir uns jetzt schon auf irgendwelche Maßnahmen für die Zukunft festlegen, wäre dies geradezu unverantwort lich. Deswegen können wir diesem Antrag nicht zu stimmen.

(Beifall bei der CSU)

Die Ablehnung setzt sich auch bei Ihrer zweiten For derung fort. Sie sagen ohnehin selber, dass die Geflü gelpestVerordnung entsprechende Ausnahmen zu lässt. Dies ist auch der Punkt. Diese Verordnung stellt ein brauchbares und ausreichendes Rechtsinstrument dar und berücksichtigt insbesondere lokale und regio nale Besonderheiten. Sie lässt eben auch Ausnah men von der Stallpflicht und der Tötungsanordnung zu. Beim Fehlen zwingender Gründe muss sie nicht flächendeckend angeordnet werden, sondern eben nur in den Hotspots und in den Schwerpunktberei

chen, in denen die Geflügelpest auftritt. Wir, die CSU Fraktion, sind klar der Meinung, dass eine bayernwei te Anordnung nur vorgenommen werden soll, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Auch bei künftigen Ge schehnissen sollen vertretbare Ausnahmemöglichkei ten voll und ganz ausgeschöpft werden.

In Ihrer dritten Forderung erheben Sie implizit den Vorwurf, dass besser, mehr und aktueller informiert werden solle. Da liegen Sie schlichtweg falsch.

(Susann Biedefeld (SPD): Wir prüfen alles. Lesen Sie doch einmal auf der Homepage nach!)

Sie liegen hier eindeutig falsch. Sie tun den Verant wortlichen und den Bediensteten des Umweltministe riums Unrecht. Das muss auch einmal festgehalten werden. Information und Kommunikation sind der Schlüssel zur Bewältigung derartiger Krisen. Es wurde ausreichend informiert und kommuniziert. Es gibt den Koordinierungskreis Aviäre Influenza, in dem Vertreter der Behörden, der Verbände und berufsstän discher Organisationen vertreten waren. Dort wurden die Informationen aktuell weitergegeben.

Eine Servicestelle beantwortet die entsprechenden Anfragen von Bürgern. Logischerweise besteht auch ein ständiger Kontakt des Ministeriums mit den Regie rungen und der Regierungen mit den Landratsämtern. Das LGL war hier eingebunden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir Abgeordnete haben bei diesem Thema umfänglich von unserem Frage und Auskunftsrecht Gebrauch gemacht.

Mit Ihrer vierten Forderung springen Sie zu kurz. Ich halte es nicht für nötig, zusätzliche Haushaltsmittel für ein bayerisches Forschungsprojekt in Anschlag zu bringen. Über die Herkunft und die Ursachen der Vo gelgrippe können wir durchaus diskutieren. Wir müs sen aber zur Kenntnis nehmen, dass das Friedrich LoefflerInstitut des Bundes als nationales Referenzlabor für die Tierseuchen zuständig ist und dass die Aviäre Influenza ein weltweites Problem ist. Ein rein bayerisches Forschungsprojekt würde uns hier nicht weiterbringen. Darüber hinaus führt das LGL umfangreiche Ermittlungen und Untersuchungen durch. Ein zusätzliches bayerisches Forschungspro gramm würde hier nichts bringen. Der Sinn eines sol ches Programms erschließt sich mir nicht.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass uns dieser Antrag nicht weiterführt. Die darin enthaltenen Vor schläge sind unnötig und untauglich. Auch die darin erhobenen Vorwürfe sind im Kern unberechtigt. Daher werden wir diesen Antrag ablehnen.