Protokoll der Sitzung vom 25.10.2017

(Beifall des Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER))

Deswegen muss es wieder zurück. Sie schlagen sich mit Ihren eigenen Argumenten. So kommen wir nicht weiter. Ich freue mich über die Diskussion zu diesem Antrag; denn sie zeigt wieder einmal, wie man verschiedene Dinge vermischt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den GRÜNEN, aus verfassungsrechtlichen Gründen lässt sich die Bürgerversicherung nicht umsetzen. Das ist einfach so. Es geht darum, PKV und GKV zu vereinen. Wenn Sie das tun wollen, müssen Sie auch Sorge dafür tragen, dass die Altersrückstellungen der PKV verfassungsgemäß übertragen werden. Dafür haben Sie bisher keine Lösung.

Wir haben aber eine Lösung, nämlich die "Soziale Gesundheitsversicherung". Das sollten Sie sich unter Berücksichtigung der Faktoren, die wir eingebaut haben, anschauen; denn sie stellt die einzige Möglichkeit dar, diese beiden Versicherungssysteme zusammenzuführen und die Verfassung zu achten.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Wir reden doch gar nicht über die Bürgerversicherung!)

Ich sage gar nicht, dass die Entscheidung vor 20 Jahren falsch war. Die GRÜNEN leiden noch nicht darunter; die SPD leidet mehr darunter. Das ist vielleicht nicht ganz fair. Aber das ist nicht das Thema. Innerhalb von 20 Jahren die größten Missverständnisse in den sozialen Sicherungssystemen ausgleichen zu wollen, das aber nicht zu schaffen, zeigt doch, dass Sie mit Blick auf die soziale Ausgeglichenheit versagt haben und Ihre Politik nicht durchsetzen konnten. Das ist doch eigentlich der Punkt bei diesem Thema.

Wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass hier im Bayerischen Landtag – –

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Wir reden schon vom Antrag und nicht vom Bundestagswahlkampf der FREIEN WÄHLER!)

Wir führen keine Zwiegespräche, sondern ich habe das Wort. Ich möchte meine Zeit für weitere Ausführungen nutzen. Sie können gern eine Zwischenfrage stellen. Ich wollte nur sagen, dass dieses Thema jetzt im Landtagswahlkampf – –

(Heiterkeit der Abgeordneten Kathrin Sonnen- holzner (SPD))

Entschuldigung, jetzt haben Sie mich durcheinandergebracht. – Ich halte den Landtag nicht für den richtigen Platz, um das Thema zu diskutieren. Sie haben während Ihrer 20-jährigen Regierungsverantwortung in Berlin Möglichkeiten gehabt, das umzusetzen. Aber Sie haben es 20 Jahre lang nicht geschafft. Das muss ich der SPD ins Stammbuch schreiben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Kathrin Sonnenholzner (SPD): Vor 12 Jahren ausgeschieden!)

Die Parität in der Krankenversicherung ist ein soziales Kennzeichen. Sie wurde in der jungen Bundesrepublik 1951 eingeführt. Die Geltungsdauer dieser Parität – das will ich auch sagen – war sehr lange. Wenn man die Reformen betrachtet – angefangen von Herrn Seehofer 1992 –, wie das Gesundheitsreformgesetz, das Gesundheitsmodernisierungsgesetz usw., bemerkt man, dass diese eine Halbwertszeit von zwei bis drei Jahren hatten.

Die Parität hingegen hat 50 bis 60 Jahre gehalten. Dieser Wert zeigt, dass die Parität richtig ist, weil sie sozial ausgewogen und sozial gerecht ist. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die Parität schon längst durch die Zuzahlungen für Medikamente, für Heil- und Hilfsmittel sowie insbesondere für die zahnmedizinische Versorgung ausgehebelt wurde. Sie wissen, dass dabei leicht 100 Euro oder mehr fällig werden. Auch das darf man bei der Diskussion um die Parität nicht vergessen. Dieser Antrag der SPD ist zu kurz gesprungen.

Ich bringe es auf den Punkt: Wir FREIEN WÄHLER haben eine andere Vorstellung von der Gesundheitsreform, weil sich gezeigt hat, dass wir mit diesen kleinen Schritten, die Sie immer wieder machen und über die wir vielleicht im Juni oder Juli nächsten Jahres wieder diskutieren, das System nicht verbessern können; denn wenn Sie an einer Stellschraube drehen, lockern sich fünf, sechs oder sieben andere Stellschrauben, und das Ganze kommt ins Ungleichgewicht.

Deswegen lautet mein Appell noch einmal: Beschäftigen Sie sich mit dem Konzept der "Sozialen Gesundheitsversicherung" der FREIEN WÄHLER. Wir haben Lösungsansätze aufgezeigt, die für eine soziale und wettbewerbsorientierte Neuordnung des Gesundheitssystems sorgen.

In diesem Sinne können wir dem Antrag leider nicht zustimmen, aber er ist von der Tendenz her richtig. Deswegen – und weil wir ein besseres Konzept haben – müssen wir uns dabei enthalten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Leiner von den GRÜNEN. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich sage es noch einmal, Frau Sonnenholzner: Damals war es richtig.

(Zuruf der Abgeordneten Kathrin Sonnenholzner (SPD))

Was damals beschlossen wurde, war zu dieser Zeit richtig.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Die einen sagen so, die anderen sagen so!)

Wie Sie bemerkt haben – das muss man ganz klar sagen –, hat es der Wirtschaft geholfen. Wir hatten damals nahezu fünf Millionen Arbeitslose in Deutschland. Die Quote lag bei 11,7 %. Man muss dazu stehen, was man damals gemacht hat und was damals richtig war. Wir GRÜNEN stehen dazu.

Sie haben in Ihren Ausführungen richtigerweise gesagt, dass der Zeitraum nicht definiert war. Solche Maßnahmen sind endlich, und das müssen wir uns zu Herzen nehmen.

Im Übrigen darf ich bemerken, dass die nachfolgenden CDU-Regierungen ganz gut von den Maßnahmen profitiert haben, die damals von den Fraktionen von SPD und GRÜNEN beschlossen wurden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt kommen wir zur heutigen Situation. Wie stellt sich denn die Situation heute dar? Wir haben nahezu Vollbeschäftigung und glänzende Aussichten für die bayerische Wirtschaft. Verbunden damit ist eine geringe Inflation. Ein Teil des Erfolgs ist in dieser Zeit – das ist auch ein Teil der Wahrheit – zulasten der Arbeitnehmer gegangen. Jahrelange Zurückhaltung bei den

Lohnforderungen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, die wir heute noch haben, und nicht zuletzt die Ausweitung der Leiharbeit haben zu dieser guten Situation geführt. Natürlich haben auch unsere Beschäftigten hervorragende Arbeit geleistet.

Deswegen ist es an der Zeit zu handeln. Zwischen 2009 und 2015 betrug der Arbeitgeberanteil zwischen 7 und 7,3 %. Der Arbeitnehmeranteil lag schon zwischen 7,9 % und 8,2 %. Deswegen wurde zu Beginn des Jahres 2015 der pauschale Zusatzbeitrag abgeschafft und der allgemeine Beitragssatz auf 14,6 % abgesenkt und paritätisch finanziert. So weit, so gut. Den Krankenkassen wurde jetzt aber die Möglichkeit gegeben, einen Zusatzbeitrag zu erheben, der allein von den Versicherten, also von den Mitgliedern der Krankenversicherung, getragen wird. Das heißt, heute ist der Beitrag für die Wirtschaft auf 7,3 % gedeckelt.

Was bedeutet das aber für die Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen? – Steigende Kosten im Gesundheitswesen werden alleine von den Versicherten getragen. Über den Zusatzbeitrag wurden die Arbeitnehmer schon im Jahr 2016 um 14 Milliarden Euro mehr als die Arbeitgeber belastet. Diese Zahlen habe ich. In der jetzigen Situation ist dies mehr als ungerecht. Deshalb muss zur grundsätzlichen paritätischen Beitragszahlung zurückgekehrt werden. Die wirtschaftliche Situation ist entsprechend stabil, und die Zukunftsaussichten der Wirtschaft sind wirklich gut. Mögliche Steigerungen der Lohnnebenkosten sind von den Arbeitgebern sehr wohl zu verkraften.

Kollege Holetschek, Sie reden immer nur von den Versicherten und davon, was den Versicherten zuzumuten ist. Wir müssen auch einmal darüber reden, was den Unternehmern in einer Zeit, in der es wirklich boomt und wirtschaftlich großartig vorangeht, zugemutet werden kann.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich nenne Ihnen aber noch einen Grund dafür, dass eine paritätische Lastenverteilung notwendig ist. Das wurde noch nicht angesprochen. Auch die Unternehmer müssen ein Interesse daran haben, dass der Krankenversicherungsbeitrag in einer überschaubaren und vernünftigen Höhe bleibt. Sie sind bei den Verhandlungen mit den Krankenkassen über die Festlegung der Krankenversicherungskosten sowohl für die Arbeitnehmer als auch für die Arbeitgeber weitgehend ausgefallen. Das schwächt insgesamt die Diskussion über die Höhe der Krankenkassenbeiträge.

Angesprochen wurde auch, dass die Bürgerversicherung nichts mit der paritätischen Beitragsfinanzierung der Krankenversicherung zu tun habe. Ich sage Ihnen: Doch, sie hat ganz viel damit zu tun, weil bei

des gerechter ist. Eine Bürgerversicherung ist deutlich gerechter als das System, das wir jetzt haben. Ich sage nicht, dass durch eine Bürgerversicherung automatisch mehr Geld in die Kassen kommt. Uns geht es um Gerechtigkeit, und ein erster Schritt dazu wäre die Rückkehr zur Parität.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt wurde auch schon darauf hingewiesen, dass wir in einer möglichen – das sage ich mit ganz vielen Anführungszeichen – Regierung die Parität und die Bürgerversicherung wieder einbringen könnten. Die SPD – das wurde schon angesprochen – hat dies jahrelang nicht geschafft. Ich schaue auf den Koalitionspartner und hoffe, dass unsere Vorhaben als Verhandlungsobjekte in den Koalitionsverhandlungen stehen. Wir werden dafür kämpfen, dass wir erstens die Parität zurückbekommen und zweitens langfristig eine Bürgerversicherung bekommen. Wir wissen, wie schwer das ist, und wir wissen, dass der Weg dahin weit ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Leiner, einen kleinen Moment bitte. Kollege Holetschek hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.

Herr Kollege Leiner, vielen Dank dafür, dass Sie deutlich gemacht haben, dass die Entscheidung richtig und für die Wirtschaft gut war. Ich habe nur noch eine Frage. Wenn Sie die Parität insgesamt betrachten, müssen Sie sehen, dass die Arbeitgeber mit Lohnfortzahlung, Unfallversicherung usw. tatsächlich einen höheren Anteil einbringen. Ich habe vorhin versucht, es darzustellen. Wie wollen Sie das ausgleichen? Oder ist es Ihnen egal, dass sich die Arbeitgeber schon jetzt zu einem sehr hohen Anteil an den Gesundheitskosten beteiligen?

Herr Holetschek, ich weiß nicht, woher Sie die Zahlen haben, nach denen die Arbeitgeber grundsätzlich mehr zu zahlen haben als die Arbeitnehmer. Wir haben heute – das wurde schon beschrieben – ganz deutliche Zuzahlungen. Heute werden bei Weitem nicht mehr alle Arzneimittel und alle Behandlungen bezahlt. Sie müssen sich auch den demografischen Wandel anschauen. Die Menschen werden älter. Gerade die älteren Menschen, die Rente beziehen, tragen einen ganz hohen Anteil an der Gesamtfinanzierung des Gesundheitswesens. Deswegen ist das, was Sie sagen, deutlich zu kurz gegriffen; denn auch die Arbeitnehmer und die Rentner werden so, wie es jetzt ist, sehr stark belastet.

Vielen Dank, Herr Leiner. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht

vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Gesundheit und Pflege empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die SPD-Fraktion und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Die CSU-Fraktion und der Kollege Muthmann (fraktionslos). Enthaltungen? – Die FREIEN WÄHLER. Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Ulrich Leiner u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Konzept für Sicherstellung medizinischer Versorgung auf dem Land (Drs. 17/17570)

Ich eröffne die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 24 Minuten. Herr Leiner darf schon wieder beginnen. – Bitte schön.

Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir das Paket der CSU-Fraktion beim letzten Plenum behandelt und wir, die Fraktion der GRÜNEN im Bayrischen Landtag, die Enttäuschung über diese Maßnahmen zum Ausdruck gebracht haben, legen wir heute ein anderes Konzept vor, ein Konzept dafür, wie wir es machen würden, das nicht wie Ihr Konzept aus Bitten und Betteln besteht.

Als Allererstes ist die derzeitige gesundheitliche Versorgung in Bayern gründlich zu überprüfen, um den regionalen Bedarf der Bevölkerung realitätsnah ermitteln zu können. Dabei sollten die stationäre und die ambulante Versorgung nicht getrennt voneinander angeschaut werden, sondern es sollte der Gesamtbedarf an Gesundheitsversorgung der Bevölkerung untersucht werden. Es geht nicht darum zu schauen, wie viele einzelne Krankenhäuser oder wie viele niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wir in einer Region haben, sondern darum, wie sich die tatsächliche Gesundheitsversorgung in den jeweiligen Regionen, also vor Ort, insgesamt darstellt. Eine solche Studie wäre wirklich sinnvoll, Frau Ministerin. Eine solche Studie würden wir schleunigst in Auftrag geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aufgabe der Staatsregierung wäre es auch, Druck auf die KVB auszuüben – ich habe es bei der letzten Ausschusssitzung schon angemerkt –, dass diese ihren Sicherstellungsauftrag erfüllt und sich bemüht, in Gebieten mit einer deutlichen Überversorgung diese auch wirklich abzubauen, um einen Ausgleich zu schaffen. Normalerweise müssten die Angebote in