Protokoll der Sitzung vom 25.10.2017

Einer dieser Punkte ist der Umstand, dass Sie in Ihrem einleitenden Satz die Staatsregierung ganz global auffordern wollen, die gesundheitliche Versorgung in den ländlichen Regionen des Freistaats deutlich zu verbessern. In der letzten Woche haben Sie noch bemängelt und sogar belächelt, dass wir in unseren Anträgen sehr häufig die Partner der Selbstverwaltung um etwas gebeten haben. So ist das aber nun einmal: Unser Gesundheitssystem ist von Selbstverwaltung geprägt. Entscheidungs- und Handlungsträger sind weit überwiegend der Bundesgesetzgeber sowie die Selbstverwaltungspartner auf Landes- und auf Bundesebene.

Handlungsspielräume der Staatsregierung bestehen hingegen nur in wenigen Fällen; sie werden dort aber schon seit Längerem erfolgreich genutzt. Das geschieht zum Beispiel durch die Förderprogramme, für die wir mehr als 11 Millionen Euro pro Jahr ausgeben und die wir in der letzten Woche noch ausgebaut und verbessert haben. Denken Sie nur an das Stipendienprogramm.

Ihre einleitende Handlungsaufforderung richtet sich in ihrer Allgemeinheit an die Staatsregierung insgesamt und deshalb an einen unzutreffenden Adressaten. Hier müssten Sie besser differenzieren – genauso, wie wir das letzte Woche hier gemacht haben. Auch bleiben Ihre Forderungen inhaltlich auf einem sehr abstrakten Niveau. Konkrete Vorschläge, wie die medizinische Versorgung zukunftsfest gestaltet werden könnte, fehlen weitgehend. Auch hier waren wir letzte Woche deutlich besser. Ich könnte das jetzt für die einzelnen Spiegelstriche durchdeklinieren, möchte das aber nur exemplarisch machen.

Im ersten Spiegelstrich sprechen Sie von einem Gesamtbedarf der Gesundheitsversorgung, ohne dass klar wird, was hierunter zu verstehen sein soll. Metho

dik und auch die zu berücksichtigenden Faktoren der Bedarfsermittlung sind derzeit auch innerhalb der Wissenschaft sehr umstritten.

Zu Ihrem vierten Spiegelstrich, wo Sie fordern, Möglichkeiten zu schaffen, innovative integrierte Versorgungsmodelle zu unterstützen, darf ich nur anmerken, dass die Staatsregierung bereits 2012 ein Programm zur Förderung innovativer Versorgungsmodelle aufgelegt hat. Außerdem wurde auf Bundesebene der Innovationsfonds geschaffen, der in vier Jahren insgesamt 1,2 Milliarden Euro für die Erprobung neuer Versorgungsformen und für Projekte der Versorgungsforschung aufwendet. Damit ist die Forderung in diesem Spiegelstrich bereits jetzt überzeugend abgearbeitet, wie ich meine.

Auch im fünften Spiegelstrich, in dem Sie zur Situation der Heilmittelerbringer Stellung nehmen, bleiben Sie leider Gottes unkonkret. Wir werden hier in einem weiteren Antragspaket in nächster Zeit sehr konkrete Vorschläge machen. Schon im Wahlprogramm von CDU und CSU und auch im Bayernplan ist gefordert, wie Sie tatsächlich richtig gehört haben, Herr Leiner – Sie hätten es auch nachlesen können –, dass wir die Schulgeldfreiheit für die Physiotherapeutenschulen fordern und einführen wollen.

Beim achten Spiegelstrich geht es um die Stärkung der Allgemeinmedizin in der Ausbildung. Diese war auch uns in unserem Antragspaket ein zentrales Anliegen. 17 der 27 Anträge unseres Pakets befassen sich mit der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Die Stärkung der Allgemeinmedizin in der medizinischen Ausbildung ist ein wesentliches Anliegen auch des "Masterplans Medizinstudium 2020". Er sieht unter anderem vor, dass die Ausbildung im Praktischen Jahr künftig nicht mehr in Tertiale, sondern in Quartale aufgeteilt wird und dass mindestens ein Quartal im ambulanten vertragsärztlichen Bereich absolviert werden muss. Außerdem werden alle Studierenden im Staatsexamen am Ende des Studiums in der Allgemeinmedizin geprüft werden.

Die Zahl der Studierenden, der Studienplätze ist seit der Wiedervereinigung zurückgegangen; das kann man an Herrn Vetter weitersagen. Deswegen muss der Notenschnitt ein besserer geworden sein, um überhaupt Medizin studieren zu können. Deswegen lassen Sie uns bitte mehr Medizinstudienplätze schaffen; das ist das zentrale Anliegen für die Koalitionsverhandlungen der nächsten Wochen und Monate.

Der neunte Spiegelstrich – Lehrstühle für Allgemeinmedizin – ist komplett identisch mit unserem in der letzten Woche beschlossenen Antrag. Er ist also schon abgearbeitet. – Sie sehen, auch wenn sich das

Ziel deutlich und intensiv mit unserem deckt, sind die Anträge entweder bereits beschlossen oder schief formuliert. Aus diesem Grund werden wir Ihren Antrag auch heute ablehnen.

Das ändert aber nichts daran, dass die Deckung des Fachkräftebedarfs eines der drängendsten Themen im Bereich der Gesundheits- und Pflegepolitik ist. Hier geht es um ein zentrales Zukunftsthema, um nicht mehr und nicht weniger als die zentrale Aufgabe der Daseinsvorsorge, ein Thema, das die Menschen bewegt. Deshalb ist es gut, dass wir in der letzten Woche Weichen gestellt haben, die die Situation in den nächsten Jahren lindern sollen und hoffentlich auch werden. – Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Seidenath. – Nun hat sich für die Staatsregierung Staatsministerin Huml zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Werte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem auch lieber Kollege Leiner! Wie Sie wissen, ist es mir ein ganz großes Anliegen, dass wir eine gute, wohnortnahe Versorgung für die Menschen in Bayern haben – sowohl für die Städte und die verschiedenen Stadtteile als auch auf dem Lande. Daher ist das Ziel Ihres Antrags durchaus richtig. Da sind wir auch gar nicht weit auseinander. Die Kollegen haben es auch gerade schon beschrieben.

Aber in Ihrem Antrag schreiben Sie zu Beginn schon, dass bei uns alles gar nicht gut ist. So pauschal kann man das nicht sagen; der Kollege Baumgärtner hat das schon ausgeführt. Gleichzeitig ist es aber auch richtig: Die Realität ist, dass wir Herausforderungen haben. Das Thema beschäftigt mich seit circa zehn Jahren. Wir müssen dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft im medizinischen und auch im pflegerischen Bereich und all den weiteren Heilberufen ausreichend Nachwuchs bekommen – völlig d’accord.

Die Frage ist nur: Wie tun wir das? – Ein Ansatzpunkt von uns ist – da bin ich der Wissenschaftsseite sehr dankbar –, dass wir mehr Studienplätze für Humanmedizin haben wollen; wir wollen sie nicht nur, sondern wir in Bayern setzen dieses Ziel auch um, und zwar mit der Medizinischen Fakultät in Augsburg. Das ist doch ein Erfolg, wenn man sieht, wie es in anderen Bundesländern aussieht. Wir freuen uns, dass Nordrhein-Westfalen im Koalitionsvertrag auch entsprechend eine medizinische Universität aufbauen möchte. Aber ich halte es für notwendig, dass wir am Anfang anfangen: Wenn wir sagen, wir brauchen

mehr Mediziner, dann müssen wir schon mal mehr ausbilden. Dann brauchen wir schon mehr Medizinstudienplätze.

Aber wir brauchen nicht nur mehr Mediziner, wir brauchen sie auch da, wo sie fehlen, nämlich im ländlichen Bereich. Deswegen ist es notwendig, hier die Akzente zu setzen. Da setzt unser Förderprogramm an. Mit diesem Förderprogramm haben wir bereits 299 Hausärzte für den ländlichen Raum gewinnen können, 299 Hausärzte!

(Beifall bei der CSU)

Und nicht nur Hausärzte. Wir haben das Programm auch auf Fachärzte und Psychotherapeuten ausgedehnt, was ich für richtig erachte, weil wir die allgemeinversorgenden Fachärzte eben auch im ländlichen Bereich benötigen und brauchen. Und wir brauchen natürlich – da bin ich bei Ihnen – nicht nur die Studierenden mit der passenden Abiturnote, sondern auch die Studierenden mit den notwendigen kommunikativen, sozialen Fähigkeiten – "Masterplan Medizinstudium 2020". Ich freue mich, wenn wir diesen Masterplan in Berlin zügig weitertransportieren können und wenn das Ziel in die Umsetzung kommt und wir so für ganz viele junge Menschen eine Möglichkeit schaffen, die bei uns allen aufschlagen und sagen: Ich würde als Arzt aufs Land gehen, aber ich habe halt eine Abiturnote von 1,4. – So können auch sie ihr Ziel erreichen.

(Beifall bei der CSU)

Ehrlicherweise müssen wir sagen: Wir brauchen keine Studie, um zu wissen, wie es aussieht. Die Zahlen, denen zufolge jeder dritte Hausarzt älter als 60 Jahre ist, kennen wir. Wir wissen auch, dass eine älter werdenden Gesellschaft entsprechend mehr Ärzte benötigt, weil man im Alter eben auch häufiger mal einen Arzt besuchen muss. Das ist uns allen klar. Mit unse

ren Gesundheitsregionenplus – die Regionalität wird auch in Baden-Württemberg beachtet – bekommen wir auch die regionalen Vertreter zusammen; dann können vor Ort sowohl die Kommunalpolitik als auch die Krankenhäuser als auch die ambulanten Ärzte mit den Kassen und der Kassenärztlichen Vereinigung ins Gespräch kommen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Dort können sie dann auch Lösungen vor Ort erarbeiten. Deswegen freue ich mich darüber, dass wir in

Bayern inzwischen 37 Gesundheitsregionenplus

haben. Da wird vor Ort richtig gute Arbeit geleistet. Geben wir doch hier den Menschen vor Ort eine Chance, Lösungen zu finden. Nicht alles können wir

in München oder Berlin lösen. Manchmal ist es besser, wenn man sich vor Ort zusammensetzt. Von

daher sind unsere Gesundheitsregionenplus sicherlich ganz gut.

(Beifall bei der CSU)

Für den ländlichen Raum würde ich mir ehrlicherweise auch noch wünschen, dass wir mehr als 89 Lehrkrankenhäuser haben. Diese sind nämlich häufig in den Städten, weniger auf dem Land. Das ist ein Manko für die jungen Ärzte – so lernen sie zu wenig über eine Famulatur oder ein Praktisches Jahr in den ländlichen Regionen. Insofern würde es sicherlich weiterhelfen, wenn wir mehr Lehrkrankenhäuser im ländlichen Raum hätten und wenn hier mehr kooperiert würde. Deswegen haben wir uns übrigens auch den Runden Tisch zwischen Gesundheit und Wissenschaft erlaubt. Hier wollten wir vorankommen, um schon während des Studiums fürs Land zu begeistern. Vieles aus dem Runden Tisch ist letzte Woche in das Antragspaket mit den 27 Anträgen eingeflossen. Das ist eben das, was mit viel Ideenreichtum konzipiert wurde, um in der Versorgung auf dem Land weiterzukommen. In der Zielrichtung sind wir uns einig; die Wege sehen wir ein bisschen unterschiedlich. Manches aus Ihrem Antrag ist auch schon abgeräumt. Aber ich glaube, es schadet nicht, weiter gemeinsam am Ziel zu arbeiten.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich die Kollegin Waldmann gemeldet. Bitte schön.

Frau Ministerin, ich bin doch sehr erleichtert, dass wir jetzt vom Kollegen Seidenath und von Ihnen inhaltliche Stellungnahmen gehört haben, weil uns ganz am Anfang gesagt wurde: Das ist alles Sache der Selbstverwaltung, da kann man nichts machen.

Daher meine Frage. Wir erleben im Gesundheitsausschuss schon seit längerer Zeit ein etwas seltsames Hase-und-Igel-Spiel, was die Rolle der Selbstverwaltung angeht. Immer dann, wenn Oppositionsvorschläge kommen, die durchaus auch einmal konstruktiv sein können, ist leider gar nichts zu machen, weil man der Selbstverwaltung nicht hineinpfuschen kann, sodass man dem Vorschlag leider nicht nachkommen kann. Wir haben aber jetzt gehört, dass durchaus doch ein Gestaltungsanspruch besteht. Das ist einerseits durch die 27 Anträge dokumentiert, von denen sich 21 mit Aufforderungen, Bitten um Unterstützung usw. an andere Partner gerichtet haben. Zum anderen

hören wir diesen Anspruch jetzt von Ihnen. Sie berichten von Ihren Tätigkeiten.

Helfen Sie uns doch jetzt einmal, bitte! Denn wir sind das Spiel, ehrlich gesagt, im Ausschuss ein wenig leid. Wie schätzen Sie denn Ihren Gestaltungsspielraum tatsächlich ein? Greift die Selbstverwaltung immer nur bei den Oppositionsvorschlägen? Wie stark sehen Sie Ihre Handlungsfähigkeit und Gestaltungsfähigkeit? – Es ist ja auch so, dass die Rolle der Selbstverwaltung, wenn wir mit Kollegen aus der Mehrheitsfraktion sprechen, ganz unterschiedlich bewertet wird. Die einen sagen: Wir müssen sie stärken. Die anderen sagen: Eigentlich gehört sie deutlich eingeschränkt, die Priorität muss eigentlich wieder zurück zur Politik. – Sie würden uns bei der Arbeit im Gesundheitsausschuss erheblich helfen, wenn Sie uns Ihre Einschätzung dazu mitteilen könnten.

Danke schön, Frau Waldmann. – Frau Ministerin, bitte schön.

Vorweg eine Bemerkung: Egal, ob man bei der einen oder anderen Entscheidung das Heft als Selbstverwaltung oder als Politik in der Hand hätte, hieße das nicht, dass man per se gleich mehr Ärzte für das Land hätte. Das bemerke ich einfach vorweg. Allein ein Systemwechsel führt nicht sofort zu mehr Ärzten. Das muss man einfach ein Stück weit beachten.

Im Bereich der Selbstverwaltung gibt es klar definierte Aufgaben. Ich denke zum Beispiel an den Zulassungsausschuss, wobei es immer wieder einmal darum geht, ob ein Bedarf anerkannt wird oder nicht. Natürlich gibt es Beispiele, bei denen man sagt, es wäre schön gewesen, wenn da die Entscheidung vielleicht anders ausgefallen wäre. Aber es gibt eben die Kompetenz des Zulassungsausschusses der Kassenärztlichen Vereinigung.

Wir können als Politik natürlich schon die Rahmen setzen. Ich denke daran, dass wir gerade bundesgesetzlich festgelegt haben, dass die Bedarfsplanungseinheiten bei regionalen Besonderheiten geteilt werden können. Wir haben von Bayern aus zum Beispiel in die Bundesgesetzgebung eingebracht, dass die Kassenärztliche Vereinigung in Bayern die Mittelbereiche der hausärztlichen Versorgung noch teilen kann. Zum Beispiel waren Stadt und Landkreis Bamberg eine Einheit, die bisher überversorgt war, wo sich kein Arzt hätte niederlassen können. Jetzt wird die Einheit geteilt, und plötzlich können sich im Landkreis wieder Ärzte niederlassen. Das heißt, die Politik hat den Rahmen dessen, was die Kassenärztliche Vereinigung tun kann, als Bundesgesetzgeber schon verändert. Aber

im Zulassungsausschuss treffen die Ärzte und die Kassen die Entscheidungen.

Danke schön, Frau Ministerin. – Eine weitere Zwischenbemerkung vom Kollegen Leiner. Bitte schön.

Frau Ministerin, vielen Dank für die Aufklärung; sie hat uns sehr geholfen. Wir können also doch den Rahmen festlegen, in dem sich die Zulassungsausschüsse bewegen können.

Nicht die Zulassungsausschüsse! Ich habe von den Bedarfsplanungseinheiten gesprochen, nicht vom Zulassungsausschuss.

Es ist natürlich völlig richtig, dass beim Zulassungsausschuss die Ärzte und die Kassen gefordert sind. Aber bei den Rahmenbedingungen können wir sehr wohl mitreden.

Auf Bundesebene, über die Bundesgesetzgebung.

Das sollten wir, glaube ich, ins Auge fassen und auch massiv tun.

Ich komme noch zu der Studie über die Versorgungssituation. Mir ist das ganz wichtig. Bisher betrachten wir die Versorgungsgebiete einmal von den niedergelassenen Ärzten her und zum anderen von der Krankenhauslandschaft her.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)