Ruth Waldmann
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Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Es geht heute um die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses. Dazu muss ich sagen: Das erste wichtige Ergebnis ist, dass so etwas nie wieder vorkommen darf.
Es dürfen keine Wohnungen aus gemeinnützigem öffentlichen Bestand mehr an private Investoren verkauft werden.
Das zweite wichtige Ergebnis ist: Es geht heute nicht nur um die Vergangenheitsbewältigung, sondern es geht um die Mieterinnen und Mieter, die heute den Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Denn es passiert genau das, was wir befürchtet haben und wovor wir von Anfang an gewarnt haben: die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Die Wohnungen sind teilweise weiterverkauft worden und werden am Markt
als heiße Ware mit den bekannten Folgen für die Mieterinnen und Mieter gehandelt. Es werden – wir haben es gerade gehört – wertsteigernde Maßnahmen vorgenommen, und es gibt zahlreiche Mieterhöhungen. Am Ende zahlen immer die Mieterinnen und Mieter die Zeche. Den Gewinn streicht aber ein mehr oder weniger undurchsichtiges Konsortium ein.
Die Mieterinnen und Mieter wissen oft nicht mehr, mit wem sie es eigentlich zu tun haben. Inzwischen zeigt sich, dass auch GBW-Investoren von diesen sogenannten Tax Rulings und Steuersparmodellen via Luxemburg profitieren. Solche Möglichkeiten haben übrigens die Mieterinnen und Mieter nicht, um ihre Steuern über Luxemburg zu drücken. Es geht also auch um den Mieterschutz.
Wir haben in der Anhörung im Haushaltsausschuss, bei der ich dabei war, etwas über die sogenannte Sozialcharta gehört. Diese sogenannte Sozialcharta XXL ist von allen Experten des Mieterschutzes in der Luft zerrissen worden. So viel Einmütigkeit habe ich selten erlebt. Es gibt darüber hinaus inzwischen ein Gerichtsurteil vom 9. August 2018, das belegt, dass die Sozialcharta keinen wirksamen Schutz über die gesetzlichen Regelungen hinaus darstellt.
Das gilt besonders für die Wohnungen, die mit einkommensorientierter Förderung unterlegt sind.
Das Gericht kam im Rahmen des Urteils zu dem Ergebnis, dass die Sozialcharta der BayernLB und der GBW AG für die Mieterinnen und Mieter keinen Drittschutz bietet, das heißt, dass sich die Mieterinnen und Mieter nicht darauf berufen können. Das Gericht legt die Charta ausdrücklich so aus, dass das von den Beteiligten auch so beabsichtigt war. Damit sind die Mieterhöhungen rechtens, und zwar auch für die mit öffentlich-rechtlichen Baudarlehen geförderten GBWWohnungen, in denen einkommensschwache Mieterinnen und Mieter wohnen.
Die Mieterinnen und Mieter können sich nicht auf Vereinbarungen zwischen dem Verkäufer und dem Käufer berufen. Das heißt, dass – egal, wie die Sozialcharta im Detail ausgestaltet war; diesbezüglich sind wir weiterhin kritisch – von Anfang an kein wirksamer Schutz durch diese von der Staatsregierung, von Herrn Söder, aufgelegte sogenannte XXL-Charta bestehen konnte. Damit liegt natürlich auch eine entsprechende Verantwortung bei der Staatsregierung.
Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass hier eine Entschuldigung, die schon gefordert wurde, nicht ausreicht, sondern dass die Staatsregierung gemeinsam mit der Landesbank einen Entschädigungs- und Ausgleichsfonds für die Mieterinnen und Mieter für einkommensorientierte geförderte GBW-Wohnungen auflegen und
über entsprechende Vorbereitungsmaßnahmen umgehend berichten soll. Einen entsprechenden Antrag habe ich hierzu eingereicht. Damit sollen Mieterhöhungen ausgeglichen werden, denen die Mieterinnen und Mieter deshalb ausgesetzt sind, weil diese Charta ihnen von Anfang an keinen Schutz bieten konnte.
Zum Schluss noch eines: Wir reden hier über diese Mieterhöhungen, die aus dem Weiterverkauf resultieren. Es ist kein Naturgesetz, dass ein Vermieter oder ein Immobilienkonsortium immerzu den Rahmen ausschöpfen, immer an den Rand des Möglichen gehen muss und alle Mieterhöhungen gemacht werden müssen. Es ist kein Naturgesetz.
Nehmen Sie bitte Ihren Einfluss gegenüber der heutigen GBW wahr – immerhin beschäftigt diese mit Günther Beckstein als Ombudsmann einen früheren Ministerpräsidenten –, gehen Sie auf diese zu und versuchen Sie, diese einzubremsen. Sie müssen von ihren Maximalforderungen runter, sonst ist es nicht sinnvoll, entsprechende Ausgleichsforderungen zu stellen. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen über diesen Gesetzentwurf für ein PsychischKranken-Hilfe-Gesetz dringend reden. Wir haben diesen Gesetzentwurf bereits in einer Ersten Lesung behandelt und werden noch in den Ausschüssen darüber beraten.
Es ist Dringlichkeit angezeigt, weil Ihr Entwurf bereits jetzt zu einem breiten Entsetzen geführt hat – nicht nur in der Fachwelt, sondern auch in weiten Teilen der Bevölkerung. Dies ist nicht unbemerkt in einer kleinen Gruppe vor sich gegangen. Dieses breite Entsetzen ist entstanden, obwohl Sie von Anfang an einen wirklich aufwendigen Beteiligungsprozess in die Wege geleitet haben. Es gab über etwa zwei Jahre hinweg einen Runden Tisch und Arbeitsgruppen, die sich mit allen relevanten und dringend nötigen Aspekten eines Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes intensiv befasst haben. Mit Experten aller Art, Betroffenen, Angehörigen, Juristen, behandelnden Ärzten und Verbänden hat sich eine breite Fachwelt Hoffnungen gemacht, dass es hier zu einer guten Regelung kommt.
Sie haben insofern Hoffnungen geweckt: Endlich werden Hilfen für psychisch Erkrankte festgeschrieben. Endlich werden Betroffene und Angehörige ernst genommen. Endlich wird verstanden, dass es bei psychischen Erkrankungen um ein Thema aus der Mitte der Gesellschaft geht, und endlich kommen wir zu dem Ziel, dass die in Bayern übergroße Anzahl von Unterbringungen reduziert werden soll.
Dieser Runde Tisch hat sich auf Eckpunkte geeinigt. Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass sich sowohl die Klinikärzte als auch die Betroffenen, die Pfleger ebenso wie die Vertreter der Justiz, am Ende auf wichtige wesentliche Eckpunkte eines solchen Gesetzes verständigen konnten. Allerdings findet sich fast keiner dieser Eckpunkte in diesem Gesetzentwurf wieder. Man fragt sich, was das soll.
Es scheint beinahe wurscht zu sein, ob Sie Ihre Kommissionen vor oder nach der Gesetzesberatung einberufen, da Sie die Ergebnisse sowieso ignorieren. Die sehr massive Kritik kann für Sie nicht überraschend gewesen sein, weil die Beteiligung von Anfang an vorhanden war und Ihnen die Meinung der Experten dargelegt wurde. Vor zwei Wochen gab es eine große Expertenanhörung der Ausschüsse für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration sowie für Gesundheit und Pflege. Damals vertraten die Experten eine einhellige Meinung. Es waren also keine Unbedarften und Irregeleiteten, sondern zuständige Fachleute, die Ihnen die Leviten gelesen haben. Ähnlich wird es auch in der Verbändeanhörung auf Ministerialebene gewesen sein.
Wir haben deswegen in unserem Dringlichkeitsantrag die dringendsten Punkte zusammengefasst. Wenn Sie meinen, mit den angekündigten Aufweichungen sei bereits alles gut, haben Sie den Experten und Beteiligten wieder nicht richtig zugehört. Das darf es wohl nicht sein.
Ohne die folgenden zentralen Punkte kann es nicht zu einem guten Gesetz kommen: Es muss ein Hilfegesetz sein, und es muss sich um schnelle, professionelle und flächendeckende Hilfen handeln. Die Krisendienste müssen aufgebaut werden, und dazu bedarf es der Bereitstellung von Mitteln für die Anlauf- und Betriebskosten. Die sozialpsychiatrischen Dienste müssen flächendeckend aufgebaut und finanziert werden. Die Partizipationsrechte der Betroffenen und der Angehörigen sind festzuschreiben. Es muss natürlich klar sein, dass Unterbringungen nur in Fachkliniken, jedoch nicht in Einrichtungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen stattfinden. Es kann nicht sein, dass man diese Einrichtungen zu Wegsperranstalten machen will.
Eine Unterbringung darf nur zulässig sein, wenn sich die betroffene Person wirklich in einem Zustand jedweder Einsichts-, Steuerungs- und Urteilsunfähigkeit befindet, wenn sie also erheblich beeinträchtigt ist. Fügt man dieses Kriterium in den vorliegenden Gesetzentwurf ein, wird deutlich, dass es sich hier nicht um selbstbestimmte Gefährder, also um gefährliche Menschen handelt, sondern um Personen, die in der Selbstwahrnehmung und Selbstbestimmung eingeschränkt sind. Nur um diesen Personenkreis darf es bei der Unterbringung gehen.
Übrigens enthält die Nummer 10 unseres Dringlichkeitsantrags einen Fehler, weil das schöne Wort "nicht" nicht gestrichen wurde. Das primäre Ziel einer Unterbringung kann nur die Behebung von Gefahrenursachen durch die Unterstützung und Behandlung der betroffenen Person sein. Nur dadurch kann möglichen Gefahren entgegengewirkt werden.
Wichtig ist auch folgender Aspekt: Eigentliches Ziel war die Reduzierung der Anzahl von Unterbringungen. Im Gesetzentwurf steht bereits, dass mit einem Anstieg der Gutachten und somit der Kosten zu rechnen sein wird, und zwar von Gutachten nicht durch den behandelnden Arzt, sondern durch dritte Gutachter, die bei den Kreisverwaltungsbehörden und Landratsämtern angesiedelt werden. Das heißt, dass jemand, der sich im Moment in einer Krise befindet, durch einen fremden, ihm unbekannten Arzt auf die Schnelle beurteilt wird, also nicht von dem über Jahre behandelnden Arzt. Das führt zu ganz anderen Ergebnissen.
Stattdessen müssen wir natürlich klären, wie die psychiatrischen Krisendienste einzubeziehen sind. Insofern hätte sich mit diesem Gesetzentwurf eine große Chance geboten. Leider haben Sie diese Chance nicht nur vertan, sondern mit diesem Gesetzentwurf einen großen Schaden angerichtet.
Ich begleite den Prozess, wie man die Psychiatrie modernisieren und entstigmatisieren und wie man eine ambulante Versorgung schaffen kann, seit über 20 Jahren, nämlich seit über 15 Jahren als Bezirksrätin, als Geschäftsführerin im Wohlfahrtsverband und jetzt als Abgeordnete. Wir haben ebenso behutsam wie kraftvoll – bezüglich der Arbeit im Bezirk Oberbayern zum großen Teil gemeinsam – ein ambulant-komplementäres Versorgungssystem aufgebaut; das heißt, weg von den Verwahranstalten und hin zu einer modernen Psychiatrie. Bei den Betroffenen, den Angehörigen und der Fachwelt sind Vertrauen gewachsen und verlässliche Kooperationen entstanden. Das alles ist durch das Ignorieren sämtlicher Expertenmeinungen und durch diesen Gesetzentwurf massiv enttäuscht worden.
Wir wissen heute, dass circa ein Drittel der Erwachsenen im Laufe ihres Lebens einmal eine psychische Krise hat. Sehr oft handelt es sich um depressive Störungen. Wir reden hier nicht von irgendeinem kleinen Teil der Bevölkerung. Deswegen ist die Empörung so groß.
Ich kann in der kurzen Zeit nicht auf alle 17 Einzelpunkte eingehen. Alle diese 17 Punkte, die Expertenmeinungen und Ergebnisse von Diskussionen der letzten zweieinhalb Jahre, sind die Grundvorausset
zung für ein gutes Gesetz. Nur dann hat es Sinn, an einem solchen Gesetz weiterzuarbeiten. Wenn Sie das nicht aufnehmen wollen, dann kommt es nicht zu einem tragfähigen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz, das diesen Namen verdient. Die Grundhaltung dieses Gesetzentwurfes ist nach wie vor, dass Menschen mit einer psychischen Erkrankung potenzielle Gefährder seien. Das stimmt schlicht und ergreifend nicht. Es gibt nämlich viel mehr gefährliche Menschen, die nicht an einer psychischen Erkrankung leiden, als gefährliche Menschen mit psychischer Erkrankung. Eine Gleichsetzung von gefährlich und psychisch krank ist völlig unzulässig. Wir brauchen eine strikte Trennung und keine Melderegister. Lediglich für Zwangsbehandlungen brauchen wir Melderegister; darauf warten wir schon lange.
Menschen, die an psychischen Erkrankungen leiden oder mit Krisen zu kämpfen haben, brauchen Hilfe und keine Melderegister, auch nicht durch die Hintertür bei den Entlassungen. Wir werden das sehr konstruktiv und kritisch weiter begleiten und bitten Sie, in sich zu gehen. Man fragt sich: Wo ist die Meinung der Fachministerien eigentlich geblieben? – Sie waren doch bei den Expertenanhörungen anwesend und an den Prozessen beteiligt. Man fragt sich: Haben Sie sich nicht durchsetzen können, oder war dieser Prozess von vornherein nur ein Feigenblatt? – Die Antwort möchte man an dieser Stelle gerne erhalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass dieses Gesetz jetzt auf den Weg kommt. Allerdings ist dieses Gesetz längst fällig. Diese Problematik wird von uns, aber auch von den Wohlfahrtsverbänden, von den betroffenen Organisationen und den Kommunen schon sehr lange angesprochen. Der Oberste Rechnungshof hat bereits 2013 angemahnt, dass die Insolvenzberatung neu organisiert werden muss. Auch der Bericht der Staatsregierung und der im Sozialausschuss gemeinsam gefasste Beschluss hierzu erfolgten bereits Anfang des Jahres 2015.
Wie Sie den Stellungnahmen der Fachverbände und der Kommunen entnehmen konnten, haben wir inzwischen ein ziemliches Herumgeeiere bezüglich des Termins des Inkrafttretens, nämlich darüber, ob dieses Gesetz rückwirkend zum 01.01.2018, im Juli 2018 oder Anfang 2019 in Kraft treten soll. In dieses Schlamassel hat man sich manövriert, weil es so lange gedauert hat, bis dieses Gesetz endlich vorliegt. Sonst wäre es nicht so weit gekommen.
Warum ist das wichtig? – Die Frau Ministerin hat gesagt, mit der Einführung dieses Gesetzes 2019 komme man den Kommunen entgegen und entspreche deren Wünschen. Man entspricht jedoch nicht den Wünschen der Fachverbände und der Freien Wohlfahrtspflege, die diese Beratungsstellen tatsächlich unterhalten; denn diese Organisationen wollten diese Leistungen gerne rückwirkend zum Anfang dieses Jahres, weil sie schon lange auf Kosten sitzen bleiben. Die Fallpauschalen wurden seit 1999 nicht erhöht, obwohl die Personalkosten und die Anzahl der Fälle erheblich gestiegen sind.
Außerdem sind durch die Reform des Insolvenzrechts 2014 neue Aufgaben hinzugekommen. Alles das blieb bislang unberücksichtigt. Die Reform des Insolvenzrechts war eine wirklich gute Errungenschaft der damaligen rot-grünen Bundesregierung. Seitdem ist die Insolvenzberatung ganz klar Aufgabe der Länder. Aber erst jetzt kommen wir zu einer tatsächlichen Regelung. Das war nicht gerade schnell.
Für uns im Landtag heißt das: Die Haushaltsmittel sind zwar 2008 deutlich angehoben worden, seit 2009 aber nicht mehr. Für 2019 stehen dafür acht Millionen Euro im Haushalt, für die Zeit davor jedoch nicht. Hinzu kommt das Problem der Haushaltssperre, die sich auf etwa zwei Millionen Euro bezieht. Wir haben als SPD gefordert, dieses Geld im Nachtragshaushalt lockerzumachen. So ist es aber nicht gekommen. Dieses Schlamassel hätte man sich bei frühzeitigerem Handeln tatsächlich ersparen können.
Bei der Kostenaufstellung im Gesetzentwurf fehlt bezüglich der Kosten, die bislang von den Trägern und Kommunen aufgefangen wurden, folgender Aspekt: Zum einen lasse sich das Leid und die Not im Umfeld, etwa in den Familien der betroffenen Personen, schwer beziffern. Aber es ist wohl für jeden nachvollziehbar, dass bei rechtzeitiger Beratung weitere Schulden und weitere Not hätten vermieden werden können. Zum anderen entstehen den Gläubigern in der Zwischenzeit Kosten, auf denen sie sitzenbleiben, etwa durch unbezahlte Rechnungen und Dienstleistungen. Auch dann, wenn es bei Verhandlungen und Vereinbarungen um den Erlass von Schulden geht, bleibt am Ende bei den Gläubigern immer eine Last hängen, die immer größer wird, je länger eine vernünftige Regelung dauert.
Wir wissen aus dem Bericht und aus den Antworten der Staatsregierung auf unsere Anfragen, dass die Dunkelziffer der betroffenen Personen besonders hoch ist, insbesondere bei jungen Menschen. Wir müssen uns also noch mehr anstrengen, um die von Insolvenz und Schulden betroffenen Personen zu erreichen. Das heißt allerdings auch, dass die Fallzahlen und damit auch die Kosten steigen werden. Klar ist: Je früher beraten und geholfen wird, desto geringer ist der Schaden für alle.
Auffallend ist, dass die Überschuldungsquote dort, wo es keine oder nur eine eingeschränkte Beratung gibt, besonders hoch ist. Auch das wissen wir aus den Aufzählungen und Berichten. Diese Situation haben wir derzeit in Bayern in 18 Landkreisen und in der kreisfreien Stadt Schweinfurt. Dort gibt es bisher nur eine eingeschränkte Beratung, und dort ist die Überschuldung besonders hoch.
Noch ein ganz wichtiger Punkt: Bisher hatten die beratenden Stellen die Befugnis, den Schuldner im gesamten Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren vor Gericht zu vertreten. Das soll aber geändert und zum Regelfall, von einer Kann-Bestimmung zu einer Soll-Bestimmung, werden. Die Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern legt Wert darauf, dass die Stellen selbst darüber entscheiden können und müssen, ob und in welcher Form sie vor Gericht die Schuldner vertreten. Warum ist das wichtig? – Da beraten keine Juristen. Es geht um die Ziele und Handlungsprinzipien der sozialen Beratung. Es geht darum, dass die Schuldner in die Lage versetzt werden sollen, ihre Existenz selbstständig sicherzustellen. Sie sollen in der Lage sein, ihre finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln und auch das Insolvenzverfahren eigenverantwortlich zu durchlaufen.
Es geht also nicht darum, ein juristisches Verfahren zügig durchzuziehen, sondern es geht um die künftige selbstständige Lebensgestaltung. Dafür ist die intensive Mitwirkung der Betroffenen selbst an der Entschuldung maßgeblich. Die Beratung steht in diesem Prozess zur Seite, sie hilft, und sie kann im Einzelfall auch vertreten, wenn das sinnvoll erscheint. Es geht aber nicht darum, alles komplett von den Schultern des Betroffenen zu nehmen. Die Regelungen müssen schließlich auch für die Zukunft gelten. Außerdem: Wenn die Beratungsstellen im Regelfall vor Gericht vertreten sollen, dann müssen verstärkt Juristen eingestellt werden. Das aber heißt, dass die Personalkosten steigen, und dafür ist bislang noch kein Geld vorgesehen. Es wäre auch das falsche Signal an die betroffenen Personen. Es geht nicht darum, ihnen das Verfahren abzunehmen, sondern darum, sie geeignet zu beraten und sie selbst in die Lage zu versetzen, künftig ein schuldenfreies Leben meistern zu können. Deshalb ist das ein ganz wichtiger Aspekt, und ich bitte, ihn im Verlauf der Gesetzesberatung noch zu korrigieren.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Natürlich gehört es sich, dass man am Anfang betont, wie wichtig das Ehrenamt für unsere Gesellschaft ist. Fast jeder Zweite in Bayern engagiert sich ehrenamtlich. Wir haben es bei den Vorrednern auch schon gehört: Was wäre unsere Gesellschaft, was wäre unser öffentliches Leben ohne dieses starke Engagement? Darauf sind wir stolz, und das macht uns als Gesellschaft auch stark.
Bislang war es allerdings so, dass die SPD als einzige Fraktion im Nachgang zu dem Ereignis, dass die Förderung des Ehrenamts als Staatsziel in die Bayerische Verfassung aufgenommen wurde, einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Natürlich haben Sie unsere Vorschläge erst einmal alle abgelehnt. Sie sind aber Stück für Stück alle wieder aufgetaucht und jetzt zur Umsetzung gekommen.
Das war zunächst so bei der Zukunftsstiftung Ehrenamt, die Sie in Bausch und Bogen abgelehnt hatten, um sie dann ein paar Monate später einzurichten.
So ist es auch mit unserem Vorschlag, einen Ehrenamtsbeauftragten zu benennen. Ich habe gestern kurz vor Mitternacht entdeckt, dass der Ministerpräsident gestern noch eine ganze Reihe von Beauftragten ernannt hat, darunter auch eine Ehrenamtsbeauftragte.
Vielleicht haben es auch noch nicht alle gehört und mitbekommen. Es wird eine Ehrenamtsbeauftragte geben: die Kollegin Brendel-Fischer. Das ist einer der wesentlichen Punkte gewesen, die wir gefordert hatten.
Sehr geehrte Frau Kollegin, nun stellt sich natürlich die Frage, wie hoch dieses Thema denn angesiedelt werden wird. Tritt die Beauftragte jetzt an die Stelle des bisherigen Staatssekretärs, der im Sozialministerium angesiedelt war und gestern abgeschafft wurde? Ist das jetzt eine Aufwertung für das Ehrenamt, gewinnt diese Arbeit jetzt auch für die Staatsregierung insgesamt an Bedeutung? Oder ist das vielleicht eine Schwächung? – Man muss es sehen. Das hängt von Ihrer Ausstattung ab. Es hängt von Ihren Geschäftsbereichen ab. Es hängt davon ab, wo Sie angesiedelt sind. Ich erinnere daran, dass wir gesagt haben, man sollte einen unabhängigen Ehrenamtsbeauftragten hier am Bayerischen Landtag ansiedeln und nicht irgendwo im Ministerium unter ferner liefen.
Das wäre ja vielleicht noch eine Chance. Vielleicht ist da noch nicht das letzte Wort gesprochen, wie diese Ausstattung jetzt genau aussehen soll.
Sehr geehrte Frau Kollegin, es hängt aber natürlich auch von Ihrer Person ab. Lassen Sie sich bitte nicht zur Grüß-Gott-Tante machen! Es wäre nämlich schlecht, wenn alle in der Staatsregierung am Ende froh sind, dass es eine Beauftragte gibt, bei der man die lästigen Themen abliefern kann – und dann werden Sie damit alleingelassen und müssen ohne echte Zuständigkeit und Macht gucken, was Sie dann tun sollen.
Ich wünsche Ihnen dafür Glück. Wir wollen Sie gerne unterstützen, und wir wollen auch, dass Ihre Stelle gestärkt wird, weil damit das Ehrenamt in Bayern gestärkt wird. Vielleicht kann man bei der Architektur dieser Stelle seitens der Mehrheitsfraktion noch etwas Nachdruck – –
Gut. Aber es geht sicher auch um die Rahmenbedingungen. Ganz allein werden Sie das nicht können. Wir haben nämlich Grund zur Besorgnis.
Wir haben vor nicht ganz zwei Wochen den Innovationspreis Ehrenamt verliehen. Ich war selber mit in der Jury, in der aus jeder Fraktion jemand mit dabei war.
Es waren auch sehr viel Expertise und Fachleute vom Runden Tisch aus dem Bereich Ehrenamt dabei. Ganz ehrlich gesagt, es war trotzdem eine ausgesprochen ärgerliche Veranstaltung, weil sie allein zur Selbstbeweihräucherung der Staatsregierung und der CSU-Mehrheit genutzt wurde. Es wurden aus der Jury ausschließlich CSU-Mitglieder benannt. Sowohl in der Begrüßung als auch in den Einspielerfilmchen kamen nur CSU-Kollegen vor. Es kam kein anderer aus den Fraktionen vor. Und noch schlimmer: Es kam auch kein anderer von den Ehrenamtlichen vor, zum Beispiel vom Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, von all den anderen Organisationen, die am Runden Tisch dabei sind. Das war also sehr ärgerlich. Ich denke, das kann besser werden. Da sind wir hier auch eine bessere Zusammenarbeit vom Bürgerpreis Ehrenamt, den der Landtag verleiht, gewohnt. Da haben wir nämlich eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit, wofür allein schon die Landtagspräsidentin sorgt. Ich denke, da haben wir eine gute Tradition entwickelt, und ich würde mir wünschen, dass es auch in diese Richtung weitergeht.
Die zweite Sorge betrifft das Sorgentelefon, das der Kollege Jörg gerade angesprochen hat. Wie sieht das denn genau aus? – Wir haben einen Bericht vom damaligen Staatskanzleichef Huber bekommen, wie es denn mit diesem Sorgentelefon aussieht. Es war nämlich bei der Staatskanzlei angesiedelt, obwohl die eigentliche Zuständigkeit beim Staatssekretär des Sozialministeriums sein sollte. Das hat niemand so recht verstanden.
Dann stellt sich heraus, dass es sich um eine allgemeine Servicestelle der Staatsregierung mit Dienstsitz in Kaufbeuren handelt. Ganz offenbar hat das Thema bei der Schwerpunktsetzung nicht die allererste Priorität. Dieses Sorgentelefon ist nur an Werktagen und während der Arbeitszeit zu erreichen. – Sie wissen aber schon, dass die Ehrenamtlichen ihre ehrenamtliche Arbeit natürlich in ihrer Freizeit leisten müssen und in Teufels Küche kommen können, wenn sie während der Arbeitszeit, von der Arbeit aus versuchen, dieses Sorgentelefon zu erreichen. Da hat man vielleicht das Grundprinzip eines Sorgentelefons noch nicht richtig verstanden oder noch nicht wirklich aufgegriffen.
Im Bericht aus der Staatskanzlei hieß es auch, wenn keine direkte Klärung möglich sei, solle derjenige, der etwas wissen wolle, eine E-Mail schreiben, die dann an die Ministerien weitergeleitet würde. Das heißt also, dass es sich mehr oder weniger um die Stelle einer Telefonistin handelt, die weiterleiten kann, aber es handelt sich nicht um einen kompetenten An
sprechpartner, der gebündelte Informationen und Hilfe aus einer Hand anbieten kann, was eigentlich nötig wäre. Da gibt es also noch einiges zu verbessern.
Ich möchte Ihnen auch noch zwei wichtige, ganz konkrete Themen mit auf den Weg geben. Wo zum Beispiel sind denn Unterstützung und Bürokratieabbau tatsächlich nötig? Wir haben eine neue Richtlinie, zum Teil auch auf europäischer Ebene: die DatenschutzGrundverordnung. Was heißt das jetzt? – Das kann dazu führen, dass ein Übungsleiter, der eine E-Mail schreibt, in der er die Telefonnummern und die EMail-Adressen der Kursteilnehmer zusammenfasst und allen zur Verfügung stellt, in Teufels Küche kommen kann. Er kann mit dieser Verordnung ernste Probleme bekommen, da sie zum Teil bußgeldbewehrt ist, wenn man hier Fehler macht. Der Strafrahmen geht bis zu 20 Millionen Euro. Das sorgt für echte Verunsicherung, und hier gäbe es echten Informations- und Beratungsbedarf.
Der Datenschutzbeauftragte in Baden-Württemberg hat zum Beispiel von sich aus einen Leitfaden und eine Checkliste entwickelt, um die Vereine hier zu beraten und die Ehrenamtlichen zu unterstützen. Man kann also von sich aus aktiv Unterstützung und Hilfe gewähren.
Man muss nicht warten, bis sich am Sorgentelefon irgendjemand verzweifelt zu melden versucht, nein: Sie können das aktiv gestalten.
Ich komme damit zur zweiten wesentlichen Grundlage, die das Ehrenamt wirklich braucht und die wirklich helfen würde, um mit Bürokratie besser zurechtzukommen. Das wäre eine Grundhaltung in der Staatsregierung, in den Ministerien und in den Behörden, Ehrenamtliche und Vereine, mit welchen Anliegen auch immer sie kommen, nicht immer nur als Bittsteller zu sehen, sondern den Service-Gedanken in den Vordergrund zu stellen.
Es wird immer wieder betont, wie sehr wir das Ehrenamt brauchen, wie stark wir darauf angewiesen sind. Das passt dann oft gar nicht mit dem zusammen, was die Menschen erleben, wenn sie sich an eine Behörde oder an ein Ministerium wenden und sich dann sehr mühsam, oft nach Buchbinder-Wanninger-Art, durchfragen müssen; wenn sie abgewimmelt werden; wenn sie vertröstet werden und Dinge lange brauchen. Das sind Probleme, bei denen Sie tatsächlich helfen könnten und angesichts derer vielleicht auch eine neue Grundhaltung quer durch alle Ministerien und zu allen Aufgaben etabliert werden könnte. Das wäre eine neue Grundhaltung, die ehrenamtlich engagierten Bürger als Partner zu begreifen und eben nicht als
Bittsteller, eine Grundhaltung, die von vornherein darauf schaut, was man tun könnte, um wirklich zu unterstützen und nicht nur auf irgendwelche Richtlinien hinzuweisen.
Darin sehen wir eine echte Chance. Wir wünschen Ihnen viel Glück und eine gute Hand und hoffen, dass es Ihnen gelingt, Ihre Tätigkeit rechtzeitig hinreichend bekannt zu machen, und dass es zu einer etwas intensiveren Zusammenarbeit kommt. Wir hoffen auch, dass wir Sie beim Runden Tisch Ehrenamt regelmäßig zu sehen bekommen. Das war bisher bei den Vertretern des Sozialministeriums nicht immer der Fall. Sie haben sich meistens auf das Begrüßen beschränkt, und dann hatten sie etwas Wichtigeres zu tun. Wir freuen uns, wenn das eine neue Bedeutung bekommt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Pflege ist Gott sei Dank sehr viel besser als ihr Ruf. Der allergrößte Teil der Pflege wird mit sehr viel Verantwortung und mit sehr hohem persönlichem Engagement geleistet. Darüber sind wir froh, und dafür sind wir auch dankbar.
Wir wissen aber auch, dass es Missstände gibt. Es sind zwar oft Einzelfälle, aber sie treten immer wieder auf. In der Berichterstattung nehmen sie einen sehr viel größeren Raum als die Berichterstattung über die normalen und alltäglichen Vorkommnisse ein. Das führt unter anderem auch dazu, dass es Unsicherheiten gibt, zum Beispiel gegenüber der Entscheidung, sich selbst in ein Heim oder eine andere Einrichtung zu begeben.
Wir haben auch im Bayerischen Landtag immer wieder mit einzelnen Missständen zu tun. Man tut der Pflege einen Gefallen, wenn man den wenigen Missständen, von einigen schwarzen Schafen verursacht, nachgeht und diese konsequent aufklärt, um dem Rest der Branche die Unterstützung umso freier zukommen lassen zu können. Nicht zuletzt aus Anlass der Missstände in der Seniorenresidenz Gleusdorf in Unterfranken hat das Ministerium auf SPD-Initiative im Ausschuss für Gesundheit und Pflege einen umfassenden Bericht darüber abgegeben, was dort passiert ist. Dabei hat sich gezeigt, dass die Kontrollen normal, unauffällig, in der gewünschten Form, in gewünschtem Umfang und in gewünschter Häufigkeit durchgeführt wurden. Die vorhandenen Missstände wurden dadurch aber nicht entdeckt. Dort sind immerhin zwei Menschen zu Tode gekommen. Zwischenzeitlich ist Haftbefehl gegen die Geschäftsführerin erlassen worden. Möglicherweise sollte dort einiges vertuscht werden; auch darauf haben die Berichte Hinweise gegeben. Wir haben über dieses Thema im Ausschuss diskutiert und müssen leider feststellen, dass wir selbst jetzt, wo im Rahmen der Pflegestärkungsgesetze in Berlin die Gesetzgebung verschärft wurde, davon ausgehen müssen, dass Kontrollen nicht immer wirksam sind. Leider gibt es immer noch Beispiele dafür, dass Missstände in der Pflege trotz hervorragender Noten durch den MDK und trotz der Prüfung durch die FQA-Heimaufsicht auftreten. Diese Missstände werden durch noch mehr Kontrollen nicht unbedingt zutage treten.
Als wir über diesen Fall diskutiert haben, haben viele Kolleginnen und Kollegen gesagt, wir müssten mehr Kontrollen durchführen und die Kontrollen verschärfen. Ich persönlich glaube nicht, dass uns dieser Weg zum Ziel führen wird, weil ich weiß, wie solche Kontrollen ablaufen. Da wird hauptsächlich Papier kontrolliert. Da werden Belegungslisten, Dienstpläne, die Pflegedoku, schriftliche Nachweise zu baulichen Anforderungen usw. kontrolliert. Was aber nicht passiert und was de facto auch gar nicht passieren kann, ist, dass die persönliche gesundheitliche Situation jedes einzelnen Bewohners und jeder einzelnen Bewohnerin unter die Lupe genommen wird. Um in Einzelfällen gravierende Missstände aufdecken zu können, würde es noch nicht einmal reichen, wenn die Kontrolleure in jedes einzelne Zimmer und unter jede Bettdecke schauen würden, um nachzuprüfen, wie es um die gesundheitliche Situation des Bewohners steht. Es liegt auf der Hand, dass das nicht funktionieren kann.
Wie können wir aber trotzdem zu frühzeitigen Erkenntnissen kommen, wenn in der Pflege etwas schief läuft? – Die Personen, die am nächsten an den Personen dran sind, die in den Pflegeheimen oder von ambulanten Pflegediensten betreut werden, sind
die Angehörigen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflege, die jeden Tag selbst am Bett stehen und mitbekommen, wie der Gesundheitszustand der Menschen ist. Offenbar trauen sich diejenigen, die tatsächlich etwas über den Zustand einer Person wissen, zu oft nicht, sich zu beschweren, Hinweise zu geben oder, modern gesagt, Whistleblower zu sein. Das kann daran liegen, dass die Leute Angst vor Nachteilen bei ihrem Arbeitgeber haben. Bei den Angehörigen kann es daran liegen, dass sie befürchten, ihre Angehörigen könnten irgendwelche Nachteile haben. Zu oft wird nichts gesagt, obwohl dies der Zeitpunkt wäre, an dem eingegriffen werden könnte, bevor größere gesundheitliche Gefährdungen auftreten.
Wir schlagen deshalb vor, den Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern zu stärken. Damit wären wir nicht allein. In anderen Ländern gibt es bereits solche Schutzmechanismen. In Deutschland gehen solche Leute große Risiken ein. In Ländern wie den USA, Großbritannien, Ungarn und sogar in der EU gibt es Regelungen. Die G20 haben sich im Jahr 2010 darauf geeinigt, den Schutz von Hinweisgebern aufzunehmen, was bis zum Jahr 2012 umgesetzt werden sollte. Die OECD hat im Auftrag der G20 eine Studie erstellt, in der die Rechtsunsicherheit und der fehlende rechtliche Schutz in Deutschland explizit bemängelt werden.
Wir fordern deshalb die Staatsregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen. Dort hat es seitens der Bundestagsfraktionen bereits Initiativen gegeben, die dann leider stecken geblieben sind. Wir glauben, dass zu diesem Thema eine Initiative aus Bayern kommen sollte. Schließlich sind einige der gravierenden Fälle hier aufgetreten. Es gab solche Fälle auch in anderen Bundesländern. Aber wir wissen doch, wie initiativ unsere Staatsregierung ist.
Weitere normale Kontrollen bringen uns nicht weiter. Wir müssen an die Lebenssituation der einzelnen Bewohnerinnen und Bewohner ran. Deshalb müssen wir diejenigen unterstützen, die dann, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht, tatsächlich Leben retten können. Wir fordern ein Benachteiligungsverbot, sodass die Arbeitgeber Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen ergreifen müssen. Die Mitarbeiter sollen das Recht haben, sich erst einmal an eine betriebsinterne Stelle zu wenden. Sollte es notwendig sein, sollen sie sich auch an eine geeignete externe Stelle wenden können. Wir brauchen geordnete Verfahrenswege, um kleinliche Meinungsverschiedenheiten vor Ort von echten Missständen unterscheiden zu können. Solche Verfahrenswege kennen wir bereits vom
Beschwerdemanagement. Das sollte auch in einem Gesetzentwurf festgelegt werden.
Sollte gar nichts helfen, und sollten die Behörden auf Hinweise nicht reagieren, muss es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möglich sein, sich an die Öffentlichkeit zu wenden, wenn es darum geht, Leib und Leben zu schützen. Wir würden uns freuen, wenn Sie uns bei diesen Bemühungen unterstützen würden. Ich darf gleich ankündigen, dass wir bei diesem Thema nicht nachlassen werden, da es sehr wichtig ist. Wir müssen die wenigen Chancen, die wir haben, um an die Einzelfälle heranzukommen, nutzen und mit denen zusammenarbeiten, die jeden Tag mit den Bewohnerinnen und Bewohnern an den Betten stehen. Das gilt auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ambulanten Dienstes.
Frau Ministerin, ich bin doch sehr erleichtert, dass wir jetzt vom Kollegen Seidenath und von Ihnen inhaltliche Stellungnahmen gehört haben, weil uns ganz am Anfang gesagt wurde: Das ist alles Sache der Selbstverwaltung, da kann man nichts machen.
Daher meine Frage. Wir erleben im Gesundheitsausschuss schon seit längerer Zeit ein etwas seltsames Hase-und-Igel-Spiel, was die Rolle der Selbstverwaltung angeht. Immer dann, wenn Oppositionsvorschläge kommen, die durchaus auch einmal konstruktiv sein können, ist leider gar nichts zu machen, weil man der Selbstverwaltung nicht hineinpfuschen kann, sodass man dem Vorschlag leider nicht nachkommen kann. Wir haben aber jetzt gehört, dass durchaus doch ein Gestaltungsanspruch besteht. Das ist einerseits durch die 27 Anträge dokumentiert, von denen sich 21 mit Aufforderungen, Bitten um Unterstützung usw. an andere Partner gerichtet haben. Zum anderen
hören wir diesen Anspruch jetzt von Ihnen. Sie berichten von Ihren Tätigkeiten.
Helfen Sie uns doch jetzt einmal, bitte! Denn wir sind das Spiel, ehrlich gesagt, im Ausschuss ein wenig leid. Wie schätzen Sie denn Ihren Gestaltungsspielraum tatsächlich ein? Greift die Selbstverwaltung immer nur bei den Oppositionsvorschlägen? Wie stark sehen Sie Ihre Handlungsfähigkeit und Gestaltungsfähigkeit? – Es ist ja auch so, dass die Rolle der Selbstverwaltung, wenn wir mit Kollegen aus der Mehrheitsfraktion sprechen, ganz unterschiedlich bewertet wird. Die einen sagen: Wir müssen sie stärken. Die anderen sagen: Eigentlich gehört sie deutlich eingeschränkt, die Priorität muss eigentlich wieder zurück zur Politik. – Sie würden uns bei der Arbeit im Gesundheitsausschuss erheblich helfen, wenn Sie uns Ihre Einschätzung dazu mitteilen könnten.
– Natürlich. Vielen Dank. – Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Einlassung der FREIEN WÄHLER und der GRÜNEN übrigens ganz anders verstanden. Diese haben meiner Meinung nach weniger begeistert geklungen. Die meisten Ihrer Anträge wenden sich an andere Akteure, die etwas tun sollen. Die Anträge wenden sich an den Bund, die Unis, die Kassen, die Ärztekammer usw. Da fragt man sich schon, warum Sie nicht das Telefon in die Hand nehmen und die Bitte an die Ärztekammer richten. Gehen Sie auf die Empfänge. Das tun Sie ja eigentlich auch. Sprechen Sie dort mit den Akteuren. Warum tragen Sie uns das hier vor? – Das hat natürlich damit zu tun, dass Sie eine gewisse Aufmerksam
keit erreichen wollen. Daher kommen vielleicht auch diese Reaktionen.
Sie haben sich gefragt, warum Ihre Vorschläge teilweise hier und teilweise draußen von den Akteuren als oberflächlich und substanzlos gescholten wurden. Ich kann Ihnen dazu Folgendes sagen: Wir wollen es etwas genauer wissen. Sie fordern Lehrstühle für Allgemeinmedizin an den Universitäten. Das ist im Prinzip richtig. Wir wollen aber wissen, wie die Förderung genau aussieht. Wir wollen wissen, ob dann an den Universitäten andere Lehrstühle gekappt werden müssen. Wir wollen wissen, ob die Universitäten Geld bekommen und wie viel. Wir wollen wissen, wie das im Einzelnen aussieht und wie es mit der Erhöhung des Stipendiums für angehende Landärztinnen und Landärzte aussieht. Wir möchten die Frage der Finanzierung geklärt haben. Im Moment steht in den Anträgen nur "im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel." Dem können wir nicht zustimmen.
Werden die Mittel nicht deutlich aufgestockt, dann reichen diese bestenfalls dafür aus, weniger Studenten mehr Geld zu geben. Wir wollen das genauer wissen. Wir wollen aber auch wissen, wie Sie sich das vom Konzept her vorstellen. Warum ist das Stipendium nur für Studienanfänger gedacht? Warum sollen nicht bereits Studierende ein derartiges Stipendium erhalten?
Was passiert, wenn sich die Lebensplanung einer Medizinstudentin bzw. eines Medizinstudenten, die bzw. der im Alter von 18 oder 19 Jahren ein Stipendium bezieht und sich ein Leben als Landarzt vorstellen konnte, ändert? Müssen diejenigen dann eine Strafe bezahlen? Haben die dann Schulden? – Diese Fragen sind ungeklärt. Deswegen können wir dem Paket so noch nicht zustimmen. Was heißt "Entschlackung der Facharztausbildung" genau? – Nach Ihrer Meinung ist das ein großer Wurf, und Sie haben damit ihr letztes Pulver verschossen. Wir aber wünschen uns schon mehr Sorgfalt. Wir wollen wissen, was Sie genau damit meinen. Wir können nicht zustimmen, wenn da noch steht "im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel." Das ist an einigen Stellen Quatsch. Ich habe das bereits am Beispiel der Lehrstühle und der Stipendien ausgeführt.
Sagen Sie uns doch bitte wenigstens, was Sie sich zu fordern trauen wollen. Geben Sie uns bitte zumindest einen solchen Hinweis. Wir wollen wissen, in welche Richtung die Reise geht. So ist uns das zu unkonkret. Das müssen Sie uns zugestehen. Wirklich elaboriert
und sorgfältig ausgearbeitet sind diese Anträge weder konzeptionell noch finanziell. Aus unserer Sicht sind diese Anträge nicht beschlussfähig.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jörg, Sie haben die Bedeutung des Ehrenamts aufgezeigt und die große Dankbarkeit angesprochen, die wir fraktionsübergreifend den Menschen entgegenbringen, die sich in Bayern so stark engagieren. Da haben Sie recht gehabt. Das ist uns unglaublich wichtig. Das wird dann sichtbar, wenn man sich versucht vorzustellen, wie Bayern ausschauen würde, wenn wir das Ehrenamt und die vielen Engagierten nicht hätten. Wie sähe es aus in der Katastrophenhilfe, bei der Feuerbekämpfung, bei der Bergrettung? Wie könnten große Feste wie das Oktoberfest stattfinden, wenn es nicht die Sanitäter gäbe? Der Sport ist völlig undenkbar ohne die Vereine und die vielen Ehrenamtlichen, die sich dort engagieren. Das Gleiche gilt für die Flüchtlingshilfe und alles, was mit Kultur zusammenhängt. Stellen Sie sich mal vor, es gäbe nur Profis in der Kultur. Das wäre zwar auch schön, aber doch ein wenig arg abgespeckt. Das gilt auch für das Brauchtum oder die Selbsthilfe. Diese ist inzwischen ein ganz wesentlicher Faktor in unserer Bürgergesellschaft. Das alles würde nicht funktionieren ohne die vielen Menschen, die sich hier mit Herzblut und mit
viel Zeit und sehr viel Kompetenz engagieren. Ganz herzlichen Dank von uns an dieser Stelle für dieses vielfältige Engagement.
Aber auch das bürgerschaftliche Engagement ist im Wandel. Ich dachte eigentlich, dass wir anlässlich der Aktuellen Stunde dazu etwas Neues hören würden. Aber da war jetzt ehrlich gesagt nicht viel dabei. Wir haben vor kurzer Zeit, erst vor knapp anderthalb Jahren, einen Gesetzentwurf diskutiert, den wir als SPD eingebracht haben, um das Ehrenamt in Bayern zu stärken, Mitspracherecht auf Augenhöhe einzuräumen und übrigens auch eine "Stiftung Bürgerschaftliches Engagement in Bayern" einzurichten. Das ist unser Entwurf gewesen. Er war, wie ich finde, etwas eleganter und etwas ausgetüftelter, weil die Stiftung, die wir vorgeschlagen haben, eine dauerhafte Angelegenheit gewesen wäre, nicht eine Verbrauchsstiftung, die nach zehn Jahren die Mittel aufgebraucht hat. Es war sehr enttäuschend, dass Sie zwar bei den zwei Lesungen, die wir hier im Plenum hatten, und auch bei der Diskussion im Sozialausschuss gesagt haben, dass das im Prinzip alles richtig und wichtig ist, aber dass Sie am Ende doch abgelehnt haben, und zwar ohne eigene Initiativen, Änderungsanträge oder Sonstiges einzubringen. Da kam nichts. Jetzt kommen Sie nach anderthalb Jahren mit einer doch relativ billigen Kopie dieser Stiftung. Bei Ihnen heißt es "Zukunftsstiftung Ehrenamt Bayern", bei uns hieß es "Stiftung Bürgerschaftliches Engagement in Bayern". Ich glaube, den Unterschied kann man sich nur mit Monty Python erklären.
Das ist im Grunde die Art von billiger Kopie, für die sich sogar die Chinesen schämen würden. Das ist ein wirklich blödes Spiel, jetzt mit so einem Entwurf daherzukommen, anstatt das, was auch Sie für richtig und wichtig anerkannt haben, aufzunehmen und konstruktiv mit uns daran weiterzuarbeiten.
Sie haben Ihre damalige Ablehnung mit dem Argument begründet – das war in allen Stellungnahmen der Sozialministerin, des Staatssekretärs, der Kollegen Hopp, Jörg usw. zu lesen –, die Lage an den Finanzmärkten lasse es ungünstig erscheinen, jetzt eine solche Stiftung zu errichten. Klären Sie doch bitte die interessierten Zuhörer heute auf, was sich Ihrer Meinung nach seit April 2016 in dieser Hinsicht an den Finanzmärkten so entscheidend geändert hat.
Schauen wir – nach den schönen Worten – in den Haushaltsentwurf, um festzustellen, wie viele Mittel für das ehrenamtliche Engagement vorgesehen sind. Kollege Jörg hat das "Landesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement Bayern" genannt; es ist die wesentliche Koordinierungsstelle in Bayern. Laut aktuellem Haushaltsentwurf soll der Ansatz für diese engagierten Menschen um 10.000 Euro gekürzt werden – übrigens zu deren Überraschung. Sie haben uns mitgeteilt, dass sie durchaus irritiert sind, dass ihnen immer mehr Aufgaben übertragen werden, während die Mittel nicht einmal auf dem gleichen Niveau gehalten, sondern sogar gekürzt werden.
Schon um ihre heutigen Aufgaben zu bewältigen und mit der Digitalisierung nachzukommen, bräuchten sie mindestens eine halbe Stelle mehr. So, wie es aussieht, klaffen Wort und Tat auseinander.
Noch stärker ist die Kürzung bei einem der wichtigsten Projekte, das aktuell bei uns in Bayern läuft. Ich meine das von der Landesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligen-Agenturen getragene schöne Projekt "Miteinander leben – Ehrenamt verbindet". Den entsprechenden Ansatz wollen Sie um 170.000 Euro kürzen. Sie haben diese Partner offiziell überall gelobt und ins Boot geholt. So geht es wirklich nicht weiter!
Ich will die Tätigkeit des Projekts kurz beschreiben: Die dort engagierten Bürgerinnen und Bürger sorgen dafür, dass Menschen mit Migrationshintergrund Zugang zum bürgerschaftlichen Engagement und damit zum Ehrenamt bekommen. Damit sorgen Sie für Integration; denn bürgerschaftliches Engagement ist die beste Art, sich in unsere Gesellschaft aktiv zu integrieren. Es geht übrigens sowohl um kürzlich zugezogene als auch um solche Menschen, die schon lange in Deutschland leben, also nicht nur um Ausländer, sondern auch um Langzeitarbeitslose und viele andere mehr. Das Engagement der Ehrenamtlichen wird von diesem Projekt getragen und koordiniert.
Jedem leuchtet ein, dass Integration nur bei Nachhaltigkeit funktionieren kann. Oft brauchen Projekte schon ein Jahr, bis sie ins Laufen kommen und sich etablieren können. Sie brauchen Planungssicherheit und Weiterfinanzierung.
Ich darf aus dem Grußwort zitieren, das Herr Staatssekretär Hintersberger der Broschüre zu diesem Projekt vorangestellt hat:
Dass sich dabei Menschen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen bei uns mit ihren Ideen,
ihrem Wissen und ihrer Zeit einbringen, das war uns ein besonderes Anliegen, als wir 2016 das Projekt … gemeinsam mit der lagfa bayern e.V. ins Leben gerufen haben. Denn wie kann Integration besser gelingen, als gemeinsam aktiv zu sein und Zeit miteinander zu verbringen! Bürgerschaftliches Engagement bringt Menschen zueinander, sie lernen voneinander…
Sie schreiben weiter: "Das ist eine glanzvolle Leistung", und dass Sie sich freuen würden, wenn es weitergehen könne, nach dem Motto: "Gute Ideen sollen fortgeführt werden!" Damit haben Sie recht, Herr Staatssekretär. Genau so ist es.
Die wissenschaftliche Evaluation, durchgeführt von der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, kommt zu dem Ergebnis: Die Wirkungen des Engagements sind ausgesprochen hervorragend. Dies gilt sogar, wenn man von den aktuell Betroffenen weggeht und in die gesamte Gesellschaft hineinblickt. Es geht um interkulturelle Öffnung, beispielsweise von Sportvereinen. Migranten können nicht nur als Nehmer, sondern auch als Geber von Engagement auftreten. Öffentliche Anerkennung, Aufmerksamkeit, Verbundenheit mit dem Landkreis, mit der Stadt, mit der bayerischen Heimat werden durch nichts so stark gefördert wie durch solche Projekte.
Angesichts dessen finde ich es merkwürdig, dass Sie ausgerechnet an dieser Stelle 170.000 Euro einsparen wollen. Die in den Projekten engagierten Menschen wissen nicht, wie es weitergeht. Sie haben keine Planungssicherheit. Ich halte das Agieren der Staatsregierung – noch dazu an dieser entscheidenden Stelle – nicht für verantwortungsvoll.
Das zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass das Ehrenamt in Bayern, die vielen bürgerschaftlich engagierten Projekte ein angemessenes Mitspracherecht auf Augenhöhe haben. Der Runde Tisch ist eine wunderbare Institution – ich gehe gern dort hin –, aber er ist völlig unverbindlich. Es fehlt ein fest verankerter Beirat. Vorbilder könnten der Wirtschaftsbeirat oder der Datenschutzbeauftragte sein; denn diese können unabhängig ihre Stimme erheben. Der Runde Tisch müsste in die Lage versetzt werden, das, was wir hier vorschlagen, auf seine Tauglichkeit für das Ehrenamt zu untersuchen und auf etwaige Gefahren – im Sinne der Behinderung des Ehrenamtes – hinzuweisen. Das alles fehlt uns. Mit diesen Vorschlägen sind Sie leider nicht mitgegangen.
Es bleibt uns, noch einmal darauf hinzuweisen, wie wichtig dieses Engagement für uns alle ist. Wir in Bayern, auch die Politik, wären ohne die vielen freiwil
lig Engagierten, die wir in unserem Land haben, völlig aufgeschmissen. Wir müssen ihnen die Hand reichen. Wir müssen sie aber auch ernst nehmen; sie sind Experten auf den Gebieten, auf denen sie sich engagieren. Wir wären gut beraten, auf sie zu hören. Das alles, was an Kompetenz und Potenz in unserem Land vorhanden ist, können wir nicht allein durch ministerielle oder sonstige Zirkel heben. Wir müssen unterstützen, aber nicht nur durch lobende Worte. Diese sind auch wichtig – insofern haben Sie recht, Herr Kollege Jörg –, reichen aber nicht aus. Die Worte müssen zusammenpassen mit dem, was wir hier tun.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auf die Lage bei der Pflege ist sehr eindrucksvoll hingewiesen worden. Wir haben derzeit eine dramatische Entwicklung zu verzeichnen und vor allem für die Zukunft zu erwarten, was die Bedarfe in der Pflege angeht. Wir alle wissen, dass wir wegen des Pflegekräftemangels ein Riesenproblem haben. Wir wissen, dass die Belastung der pflegenden Angehörigen ebenso wie die der Mitarbeiter in der Pflege groß ist und größer wird. Das alles weist darauf hin, dass wir einen dringenden Handlungsbedarf haben.
Herr Kollege Imhof, Sie haben am Anfang den pflegenden Angehörigen Ihr Lob ausgesprochen. Das gehört sich natürlich so. Diesem Lob möchte ich mich vollumfänglich anschließen. Dieses Lob gebührt natürlich auch den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der ambulanten und stationären Pflege. Sie haben gesagt, in einigen Jahren sei mit einer Verdoppelung des Bedarfs zu rechnen. Die Pflegestärkungsgesetze auf Bundesebene haben den Anspruch auf Kurzzeitpflege mit bis zu acht Wochen im Jahr erheblich ausgeweitet. Dieser Anspruch besteht derzeit aber nur auf dem Papier. Sie haben Fälle in Ihrer Anlaufstelle beschrieben, in denen sich Angehörige bis zu 15 Absagen eingefangen haben, als sie einen sol
chen Platz in Anspruch nehmen wollten. Das ist ein unhaltbarer Zustand, weil hier die Politik ein Versprechen gegeben hat und deshalb für dessen Einhaltbarkeit und Umsetzung sorgen muss.
Mit Blick auf den Dringlichkeitsantrag der CSU wird deutlich, dass Sie zunächst die Zahlen und den Bedarf geklärt haben wollen. Das ist selbstverständlich, dürfte aber sehr schnell erledigt werden können, da im Ministerium verlässliche Zahlen vorliegen. Wir haben ebenso wie die anderen Oppositionsfraktionen regelmäßig Anfragen gestellt, die detailliert beantwortet wurden. Insofern liegen alle Bedarfszahlen vor. Das ist keine große Aufgabe und dürfte sehr schnell gehen.
Auch den im zweiten Punkt des Antrags geforderten Schritt, die Handlungsfähigkeit festzustellen, also die Frage zu klären, ob zur Refinanzierung auf Bundesebene etwas getan werden muss, können wir eigentlich überspringen, weil wir erst im Mai dieses Jahres im Ausschuss für Gesundheit und Pflege einen einstimmigen Beschluss dahin gehend gefasst haben, genau dieses zu überprüfen. Wir waren uns einig, dass wir eigentlich bereits wissen, wie das Ergebnis aussehen wird. Selbstverständlich muss man sich auch auf Bundesebene um die Refinanzierung bemühen. Auch dieser Punkt kann sozusagen als halberledigt betrachtet werden. Auch das ist nichts, was uns weiter aufhalten sollte.
Ein Problem habe ich mit dem dritten Spiegelstrich, der sich darauf bezieht, dass sich alles nur im Rahmen vorhandener Stellen und Mittel abspielen soll. Herr Kollege, ich habe Ihre Botschaft gehört, dass Sie in Ihrer Fraktion Unterstützung erfahren haben, dass Sie – das haben Sie wörtlich so gesagt – den Ruf der Träger "Bayern, helft uns" gehört haben und ernst nehmen und dass Stellen und Förderprogramme, also auch Mittel, in Aussicht gestellt sind. So konnte man das allgemein sagen. Das ist sicher erfreulich, steht aber so noch nicht im Antrag. Wenn das so kommt, ist es in Bayern für alle – für die Familien und die in der Branche Beschäftigten – eine gute Botschaft. Dann sind wir sofort dabei. Da dies aber definitiv nicht im Antrag steht, sondern unter Haushaltsvorbehalt steht, können wir dem Ruf noch nicht folgen.
Sie haben auch gesagt, es gehe jetzt darum, mit einem möglichst einstimmigen Beschluss ein kräftiges Signal an den Freistaat zu senden. Aber ich stelle leider fest, dass von diesem Antrag kein kräftiges Signal ausgeht. Auch damit haben wir ein kleines Problem. Übrigens wäre es schön und notwendig gewesen, dass sich die Ministerin Zeit nimmt, an dieser wichti
gen Debatte teilzunehmen, um bei diesem wichtigen Thema ein Zeichen auszusenden.
Zu den Finanzierungsproblemen, die die Kurzzeitpflege in der momentanen Form mit sich bringt, ist vieles gesagt worden. Insofern kann ich mir etwas Redezeit sparen und auf die Vorredner verweisen. Wenn wir in Bayern tatsächlich Geld in die Hand nehmen und in die Finanzierung einsteigen wollen, dann sind wir sofort dabei. Dann stellt sich aber die Frage, wie das geschieht. Da wir nur indirekt fördern können und eine direkte Zuständigkeit nicht besteht, müssten wir wissen, ob dann auf jeden Fall eine Kofinanzierung zu 50 % durch die im Feuer stehenden Kommunen zu erwarten ist. Diese Nebenbedingungen interessieren uns etwas näher, bevor wir dem Antrag mit wehenden Fahnen zustimmen können, auch wenn wir uns darauf freuen, dass sich hier in der Mehrheitsfraktion tatsächlich etwas bewegt.
Was unseren eigenen Antrag betrifft, ist in § 75 SGB XI ausdrücklich vorgesehen, dass Rahmenvereinbarungen für die Pflege getroffen werden. Diese Rahmenvereinbarungen sind für den stationären und den ambulanten Bereich bereits getroffen worden. Allerdings fehlen die Kurzzeitpflege und die teilstationäre Pflege, also die Tages- und Nachtpflege. Es ist sehr wichtig, diese Pflegeform bei der Kurzzeitpflege nicht zu vergessen, sodass die Angehörigen nachts oder am Tag einige Stunden in einer qualifizierten Pflege, etwa einer Tagespflege, abgegeben werden können. Das ist genauso wichtig wie die Kurzzeitpflege. Das sollte, wenn sich auf diesem Gebiet etwas bewegt, von Anfang an unbedingt berücksichtigt werden. Das SGB XI nennt also ausdrücklich das Ziel, durch Rahmenverträge die wirksame, wirtschaftliche pflegerische Versorgung sicherzustellen. Das wollen wir erreichen.
Gerade wenn es dazu kommt, dass wir auch in die indirekte Form der Förderung einsteigen, brauchen wir Landesrahmenverträge als Grundlage für eine künftige Finanzierung. Das ist eine Ermunterung an die Kostenträger, sich um Kurzzeitpflegeplätze zu bemühen.
Deswegen brauchen wir diese Rahmenverträge. Da stehen wir der Selbstverwaltung nicht im Weg.
Solche Anträge haben wir vor Kurzem gemeinsam beschlossen. Dass die Kostenträger und Leistungserbringer diese Verträge aushandeln müssen, ist klar. Aber wir haben erst kürzlich im gesundheitspolitischen Ausschuss einen gemeinsamen Appell zum
Thema "Barrierefreiheit bei den Arztpraxen" beschlossen. Wir haben die Ministerin darin unterstützt, dass sie einen Appell an die Selbstverwaltung schicken solle. Das kann auch ein Brief sein. Sie haben gesagt, Sie hätten mit allen wichtigen Vertretern Hintergrundgespräche geführt und alle an einen Tisch geholt. Da kann man den Einfluss und den politischen Willen des Landtags und der Staatsregierung kundtun, dass man zu solchen Rahmenverträgen kommen möge.
Damit kommen wir der Selbstverwaltung in keiner Weise in die Quere. Deswegen bitten wir, das Ganze nochmals zu überdenken.
Was den Antrag der FREIEN WÄHLER angeht, haben Sie erwähnt, dass die Finanzierung im Einzelnen noch ungeklärt ist. Wir stimmen in der Zielrichtung überein, müssen uns aber im Moment enthalten, weil wir dies noch etwas genauer wissen wollen.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Ich will es ganz kurz machen. Ich muss den Vorwurf von mir weisen, eine unsachgemäße Kritik geäußert zu haben. Wenn die Ministerin auf dem Bundestreffen der Fachminister ist und sich dort für die Belange Bayerns einsetzt, unterstützen wir dies selbstverständlich. Wir hätten dies aber gerne gewusst. Eigentlich hätte es sich gehört, dass sich die Ministerin abmeldet und entschuldigt. Dann hätten wir das auch alle gewusst.
In der Tat ist es unser Anliegen, dass sie sich auf Bundesebene – darauf zielen ja auch die verschiedenen Anträge – für dieses Thema einsetzt.
Da müsste man die Kommunikation vielleicht noch etwas verbessern.
Sehr geehrte Frau Präsiden tin, sehr geehrte Damen und Herren! Ich hatte letzte Woche Besuch von einer Frau, die aufgrund einer Conterganschädigung von Geburt an stark behindert ist. Ihre Hände beginnen bereits auf Höhe der Schul tern. Ihr fehlen die Arme. Dies beeinträchtigt sie natür lich wesentlich. Diese Frau hat berichtet, wie sie trotz dem zurechtkommt. Sie möchte gerne selbstständig zu Hause leben. Das ist bei vielen Menschen mit Be hinderung oder mit chronischen und schweren Er krankungen der Fall. Sie hat einen Assistenzhund. Dieser kann ihr bei wesentlichen Aufgaben des All tags helfen. Er hilft ihr beim An und Ausziehen. Er kann Türen öffnen und sogar die Waschmaschine ausräumen. Er kann ihr das Telefon bringen, welches sie alleine nicht greifen kann.
Außerdem leidet sie an Diabetes und an Allergien. Der Hund kann riechen, wenn sich der Blutzucker spiegel dramatisch absenkt. Dies ist noch wichtiger als die Hilfe bei den täglichen Aufgaben. Er kann sie warnen. Sie ist bereits dreimal bewusstlos in ihrer Wohnung zusammengebrochen. Der Hund konnte dann einen Notruf absetzen. Darauf war er ebenfalls
trainiert. Dieser Notruf hat sofort einen Rettungsdienst alarmiert. Dieser Hund ist auch auf ein Codewort trai niert, welches der Rettungsdienst verwendet, damit die Tür von innen geöffnet wird. So hat ihr der Hund bereits dreimal das Leben gerettet. Ohne diesen As sistenzhund müsste diese Frau in einer Pflegeeinrich tung leben. Sie könnte nicht selbstständig zu Hause leben. Mit dem Assistenzhund ist dies jedoch gut möglich.
Wenn wir die Kosten entsprechend den Kosten für Blindenhunde berechnen, dann kommt man auf 75.000 Euro in zehn Jahren. Darin sind die Anschaf fung, der Unterhalt, das Futter und die Tierarztkosten enthalten. Eine Rundumbetreuung durch menschliche Assistenz wäre viel teurer. Das können Sie sich si cherlich vorstellen. Außerdem stellt sich die Frage, ob man für jeden Handgriff einen noch so netten Men schen bitten will, oder ob man lieber einen Hund hat, der das erledigt. Bislang sind Assistenzhunde im Ge gensatz zu den Blindenführhunden nicht im Hilfsmit telverzeichnis enthalten.
Krankenkassen verweigern die Anerkennung, weil sie in den Assistenzhunden keinen hinreichenden Beitrag zur Befriedigung der Grundbedürfnisse des täglichen Lebens sehen. Außerdem sehen die Krankenkassen wirtschaftliche Alternativen zu den Kosten. Zu den Kosten habe ich gerade schon etwas gesagt. Diese Regelung ist sehr weit von der Realität der betroffe nen Menschen entfernt. Beispielsweise bedarf es auch einer Klärung der Begriffe. Was genau ist eigent lich ein Assistenzhund? Was muss er können? Wie kann man ihn kennzeichnen? Dazu haben wir einen umfassenden Antrag vorgelegt. Im ersten Punkt des Antrags soll geklärt werden, dass es nicht nur Blin denführhunde, sondern auch Signalhunde, Therapie hunde und Assistenzhunde gibt.
Dies bringt uns zum nächsten Hauptthema: Wie bildet man einen Assistenzhund aus? Wer kann das? Im Moment ist die Ausbildung überhaupt nicht geregelt. Theoretisch kann jede Privatperson oder auch jede Hundeschule einem Hund ein paar Tricks beibringen und diesen als Assistenzhund bezeichnen. Bislang sind die Begriffe in keiner Weise geregelt.
Wir schlagen vor, einen Ausbildungsberuf zu schaffen. Hierzu könnten umfassende Regelungen für Umfang, Inhalt und die Überprüfung der Prüfungsverfahren einer derartigen Ausbildung getroffen werden. Damit könnten die Grundvoraussetzungen geschaffen wer den, um eine Finanzierung zu erhalten. Die Entschei dung über einen Ausbildungsberuf kann nur auf Bun desebene getroffen werden. Das müsste im Bundeswirtschaftsministerium auf den Weg gebracht werden. Aus diesem Grund haben wir keinen eigenen
Gesetzentwurf vorgelegt, sondern den Antrag. In die sem Antrag bitten wir darum, dass sich die Baye rische Staatsregierung auf Bundesebene dafür einset zen möge.
Auf Initiative Niedersachsens hat es bereits im Bun desrat eine erste einstimmige Entschließung gege ben. Danach ist eine Aufnahme der Assistenzhunde analog zu den Blindenführhunden in den Katalog der Hilfsmittel vorgesehen. Diese Entschließung wird nun der Bundesregierung zugeleitet. Diese entscheidet dann, ob sie die Initiative aufgreifen möchte oder nicht. Fristen gibt es nicht. Die Entscheidung darüber kann also sehr lange dauern. Deswegen wünschen wir uns eine Unterstützung der Staatsregierung auf Bundesebene. Bislang gibt es für die Assistenzhun deausbilder keine Berufsbezeichnung. Im Moment muss überhaupt kein Sachkundenachweis vorgelegt werden. Unser Antrag geht also deutlich weiter als das, was bisher im Bundesrat schon vorgelegt worden ist.
Wir wollen das Ganze auch nicht ausschließlich auf Menschen mit Behinderung und eine Eintragung im Schwerbehindertenausweis reduzieren, weil es viel leicht auch für viele Menschen mit schweren und chronischen Erkrankungen wichtig ist, dass sie eine Unterstützung durch einen solchen Hund bekommen können.
Schließlich wollen wir, dass der Tierschutz beachtet wird, dass auf jeden Fall eine artgerechte Haltung er folgen kann und dies in geeigneter Form überprüft wird. Ich habe nicht so viel Redezeit, deswegen muss ich Sie leider bitten, das in unserem Antrag nachzule sen.
Landesrechtlich soll der umfassende Zugang zu öf fentlichen Einrichtungen geregelt werden. Auch für private Einrichtungen muss das geregelt werden, so weit sie für die Öffentlichkeit wichtig sind, zum Bei spiel für Einkaufsmöglichkeiten, Schwimmbäder usw. Das ist zwar auch bislang schon möglich, hängt aber immer noch davon ab, ob der Hausherr das zulassen will. Da müssen wir weiterkommen, auch bei Regelun gen zur kostenfreien Mitnahme von Assistenzhunden im öffentlichen Personennahverkehr.
Wir hatten das Thema schon im Ausschuss für Ge sundheit und Pflege, und alle Fraktionen haben mir signalisiert, dass das eine gute Initiative ist. Da sich aber eine wesentliche Fraktion nicht zur Zustimmung durchringen konnte mit der Argumentation, dass es sich doch um eine bundespolitische Angelegenheit handele und man sich deswegen nicht einmischen wolle, habe ich jetzt einfach einmal die beiden Dring lichkeitsanträge der CSUFraktion aus der letzten Sit
zung vor den Ferien mitgebracht. Darin wird die Staatsregierung aufgefordert, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass alle Jagdscheininhaber wei terhin Wasserstoffperoxid beziehen können. Ähnli ches haben Sie gefordert, als es um die AdBlueEmu latoren in Lkw ging. So zimperlich sind Sie also normalerweise nicht, wenn es darum geht, Initiativen auch auf Bundesebene zu unterstützen.
Ich werde das kurz halten. – Ich möchte nur noch einmal darauf hinweisen, dass die Forderung in unserem Antrag sehr weit über das hinausgeht, was im Bundesrat bereits behandelt wurde. Da ist zum Beispiel von der Schaffung eines Ausbildungsberufes "Assistenzhundetrainer" oder "Assistenzhundeausbilder" überhaupt nicht die Rede. Dort ist auch nur die Rede davon, eine Möglichkeit zur Eintragung im Schwerbehindertenausweis zu schaf fen. Das ist nur eine Möglichkeit, schließt aber nicht diejenigen ein, die nicht behindert sind, sondern die einfach aufgrund einer sonstigen schweren Erkran kung darauf angewiesen sind. Uns ist das wichtig.
Sie haben gesagt, man könne das nicht schon regeln, bevor die anderen Punkte geregelt sind. Deshalb haben wir umfassend in den Nummern 1 bis 6 ein ver nünftiges Vorgehen vorgeschlagen. Ich hoffe, dass Sie vielleicht beim nächsten Vorstoß mitmachen; es würde der Sache guttun.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wie gerade dargelegt wurde, werden mit dem heutigen Gesetzentwurf redaktionelle Anpassungen vorgenommen, die aufgrund der Berliner Gesetzgebung nötig geworden sind. Der Pflegebedürftigkeitsbegriff ist neu definiert worden. Somit kann man sagen: Es werden Hausaufgaben gemacht, die dringend nötig sind. Uns verwundert es deshalb sehr, dass Sie in diesem Rahmen nicht alle anstehenden Aufgaben erledigen. Wir haben wiederholt im Plenum und in den Ausschüssen über die Anpassung des Blindengelds diskutiert. Für die hochgradig Sehbehinderten, die sehr stark auf Hilfen angewiesen sind, muss eine Abstufung ermöglicht werden. Außerdem muss auch noch die kleine Gruppe derjenigen berücksichtigt werden, die zusätzlich zu ihrer sehr starken Sehbehinderung nahezu taub sind.
Wir wissen doch, dass die Ausgaben für das Blindengeld aufgrund des medizinischen Fortschritts seit Jahren massiv zurückgehen. Das ist sehr erfreulich. Das zeigt zum einen, dass Geld und Handlungsspielraum da sind. Zum anderen rücken die hochgradig Sehbehinderten stärker in den Fokus. Jetzt im Rahmen der Anpassung des Blindengeldgesetzes wäre der richtige Zeitpunkt, das endlich umzusetzen.
Wir als SPD haben schon im letzten Jahr einen detailliert ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorgelegt, den Sie erst vor wenigen Monaten mit dem Ausdruck des Bedauerns abgelehnt haben. Dabei haben Sie Ihren
grundsätzlichen Willen zum Ausdruck gebracht, eine Regelung zu finden. Schließlich kam die Kabinettsklausur. Anfang August erreichte uns die frohe Kunde aus St. Quirin. Es ist eine erfreuliche Absichtserklärung, diese Anpassung vorzunehmen. Sie haben sich öffentlich sehr dafür loben lassen. Auch ich habe mich darüber gefreut und mich positiv geäußert. Seither ist jedoch wieder nichts passiert. Das verstehe ich nicht. Jetzt legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der das Thema nicht aufgreift.
In der letzten Sitzung des sozialpolitischen Ausschusses hat Ihre Fraktion noch einen Antrag zur Erinnerung eingebracht. Der Antrag lautet:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, einen Gesetzentwurf für ein Blindengeld für hochgradig sehbehinderte Menschen vorzulegen und damit die Beschlüsse der Klausurtagung des Bayerischen Kabinetts in St. Quirin umzusetzen.
Offenbar haben Sie es für notwendig erachtet, Ihre Regierung an ihren eigenen Beschluss zu erinnern. Ich weiß nicht, ob diese Kalendererinnerung die primäre Aufgabe Ihrer Fraktion ist. Ich glaube, die Staatsregierung verfügt über Smartphones, die an unerledigte Aufgaben erinnern.
Wir hätten uns gewünscht, dass Sie tatsächlich handeln. Wir haben das geschafft. Wir sind eine erheblich kleinere Oppositionsfraktion. Wir haben erheblich weniger Personal und erheblich weniger Mittel. Wir haben es jedoch auch geschafft, einen detaillierten und gut ausgearbeiteten Gesetzentwurf vorzulegen. Außerdem haben wir einen geeigneten Änderungsantrag zu Ihrem Gesetzentwurf vorgelegt. Sie haben unseren Gesetzentwurf sogar immer wieder lobend erwähnt. Sie haben gesagt: Im Prinzip ist das alles richtig, Sie wollen jedoch dies und das abwarten. Diese Möglichkeit haben Sie als CSU-Fraktion auch. Wenn Ihnen das so wichtig ist, bringen Sie doch selber einen eigenen Gesetzentwurf ein! Zur Erleichterung mache ich Ihnen das großzügige Angebot: Nehmen Sie unseren Gesetzentwurf.
Eben haben Sie noch einmal erklärt, dass Sie diesen Weg gehen wollen. Inzwischen sind sich Ihre Fachpolitiker, Ihre Fraktionsführung, Ihre Haushaltspolitiker und die Staatsregierung einig. Kein Mensch versteht, warum das wieder länger dauern soll, obwohl der geeignete Antrag heute auf dem Tisch liegt. Der Antrag wird von Ihnen deshalb abgelehnt, weil unser Name
darauf steht. Das versteht eigentlich kein Mensch mehr.
Ihren Ankündigungen zufolge werden wir wahrscheinlich im neuen Jahr einen mehr oder weniger wortgleichen Antrag vorliegen haben. Übrigens gibt es das Teil-Blindengeld für hochgradig Sehbehinderte in anderen Bundesländern. Dazu zählen Berlin, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dort gibt es bereits das abgestufte Blindengeld. Offenbar ist das dort möglich gewesen, ohne erst alles Mögliche abzuwarten.
Wir bitten Sie, noch einmal in sich zu gehen. Sie könnten sich eine Menge Arbeit ersparen und Unsicherheit bei den Menschen vermeiden. Wir wollen verhindern, dass aus den Beschlüssen von St. Quirin die Beschlüsse von St. Nimmerlein werden. Jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, um das anzugehen.
Ich sehe die namentliche Abstimmung als ein Zeichen dafür, dass diesem Thema eine sehr große Bedeutung zugemessen wird. – Herr Staatssekretär, ich habe eine Frage: Darf ich davon ausgehen, dass in Ihrem Hause alle Gesetzentwürfe und auch alle Änderungsanträge zu Gesetzentwürfen aufmerksam gelesen, bewertet und eingeschätzt werden? Wir haben jetzt Ihre Absichtsbekundungen gehört, dass Sie im kommenden Jahr das Blindengeldgesetz ändern wollen, um Leistungen für hochgradig Sehbehinderte einzuführen. Genau das steht in unserem Gesetzentwurf, den Sie erst vor ein paar Monaten abgelehnt haben, und jetzt auch in unserem vorliegenden Änderungsantrag.
Daher meine Frage: Warum können Sie diesem Änderungsantrag nicht zustimmen, wenn Ihr Haus ihn aufmerksam gelesen hat? In diesem Änderungsantrag steht nichts anderes als das, was Sie uns jetzt als Absichtserklärung abgegeben haben. Sie kommen zu keiner grundsätzlich anderen Einschätzung.
Über die Zahlen, die Sie eben genannt haben, können wir uns gerne streiten. Das bringt aber gar nichts; denn in keinem derartigen Gesetz steht, um wie viele betroffene Personen es geht. Es geht um die Einführung eines neuen Leistungstatbestandes, bei dem wir dann sehen werden, wie viele Menschen je nach Definition des Grades der Sehbehinderung davon betroffen sein werden. Ihr Kernziel ist aber nichts anderes als das, was wir hier vorschlagen. Deshalb müsste doch auch Ihr Haus zu der Einschätzung kommen, dass es der einfachste Weg wäre, diesem Änderungsantrag zuzustimmen. Dann können Sie sich nämlich für das nächste Jahr viel Arbeit sparen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin! Heute ist ja immer wieder auf die große Bedeutung der Aufgabe der Integration hingewiesen worden und auf die vielfältigen Aufgabenstellungen, die für uns daraus resultieren.
Bei dem Artikel zur deutschen Sprache haben wir eine andere Auffassung davon, was in ein solches Gesetz eigentlich hineingehört. Das beginnt schon mit dem allerersten Satz: "Nur wer deutsch spricht, kann sich vollumfänglich in das öffentliche Leben und Arbeiten einfügen." Das ist so nicht richtig. Wir sind uns zwar alle einig, dass das Erlernen der deutschen Sprache sehr wichtig und ein Schlüssel zu Bildung und Integration ist. Es ist aber nicht so, dass man mit einem solchen Satz etwas gewinnen würde; denn auch Leute, die Englisch sprechen, können sich bei uns vollumfänglich integrieren. Das gilt auch für Menschen, die aufgrund einer Behinderung gar nicht sprechen können. Auch diese können sich bei uns Gott sei Dank vollumfänglich integrieren.
Jetzt ist die Frage: Warum schreibt man dann einen solchen Satz in das Gesetz hinein? Wenn man in die Begründung zu diesem Gesetzestext schaut, liest man, dass es sich dabei nur um einen Programmsatz handelt. Das heißt auf gut Deutsch: Das haben wir nur einmal so gesagt. Ich frage mich: Wir reden doch hier über einen Gesetzestext. Muss das denn sein? Mit dieser Rhetorik geht es in diesem Gesetz leider weiter.
Wir haben im sozialpolitischen Ausschuss eine umfangreiche Anhörung durchgeführt. Die Vertreter aller Fachverbände, die dort zu Wort kamen, waren sich einig und haben moniert, dass die Formulierung eines "mindestens erwartbaren Sprachniveaus" zumindest schwurbelig ist; denn wir alle wissen, dass Ausdrucksweisen sehr individuell sind. Das hilft uns nicht wirklich weiter. Auch in der Begründung zum Gesetzentwurf steht, dass sich die Sprache rein faktisch der unmittelbaren staatlichen Regelung entzieht. Deswegen wird auch keine Verpflichtung ausgesprochen.
Das "mindestens erwartbare Sprachniveau" ist eine ausgesprochen unklare Formulierung. Auch in der langen Debatte, die wir mit Herrn Dr. Gruber im sozialpolitischen Ausschuss geführt haben, ist nicht wirklich klarer geworden, was ein "mindestens erwartbares Sprachniveau" ist. Sie nehmen diesen Begriff immerhin als Grundlage zur Erstattung von Förderkosten. Dann muss das schon ein belastbarer Begriff sein.
Der Artikel 4 befasst sich des Weiteren damit, dass notwendige Kosten zur Heranziehung eines Dolmetschers durch Behörden dann auferlegt werden können, wenn wegen fehlerhafter Übersetzung gegen die Behörden Haftungsansprüche bestehen. Also sollen Haftungsansprüche ausgeschlossen werden. Das hat einen sehr stark repressiven Charakter; schließlich handelt es sich um notwendige Kosten. Schließlich ist es die Behörde, die den Dolmetscher in eigenem Er
messen heranzieht. Wenn die Behörde der Meinung ist, der Migrant könne nicht gut genug Deutsch, zieht sie einen Dolmetscher heran. Dann hat die Behörde aber auch die Verpflichtung und die Verantwortung, einen Dolmetscher heranzuziehen, der das auch kann und in der Lage ist, den vielleicht gar nicht so einfachen deutschen Gesetzestext inhaltlich zu übermitteln.
Wenn die Behörde einen Dolmetscher erwischt, der das nicht kann, der also auf Deutsch einen "Schmarrn" erzählt, dann können doch nicht die Kosten für die Folgen, die daraus resultieren, dass etwas Unzutreffendes gesagt wurde, dem Migranten in Rechnung gestellt werden. Schließlich geht es hier oft um Förderbescheide, also um Geld. Der Migrant, wegen dem der Dolmetscher da ist, kann nicht gut genug Deutsch. Er versteht gar nicht, dass ihm Unsinn erzählt worden ist. Wie soll dieser Migrant überprüfen, ob er mit der richtigen Darstellung bedient worden ist? Das ist ein logischer Fehler in diesem Gesetzestext. Hier geht es darum, Haftungsansprüche gegen eine Behörde in Fällen auszuschließen, wo das offenbar noch nicht lückenlos geregelt ist. So steht es auch in der Begründung zum Gesetz.
Es ist aber nicht die Aufgabe eines Integrationsgesetzes, Haftungsansprüche gegen eine Behörde auszuschließen, sondern es geht vielmehr darum, die Grundlagen zu schaffen, damit die Integration gelingen kann und dass der Erwerb der deutschen Sprache gelingen kann. An dieser Stelle wäre es die Aufgabe, für eine Infrastruktur zu sorgen, damit wir genügend geeignete Dolmetscher haben. Wir brauchen viele Dolmetscher, die sehr unterschiedliche Sprachen gut können. Dabei geht es nicht nur um ein Alltagssprachniveau. Für einen Behördengang brauchen wir Leute, die Rechtsbegriffe verstehen, übersetzen und verständlich machen können. Das ist ein ziemlich hohes Niveau. Wir müssten erst einmal anfangen, eine geeignete Infrastruktur aufzubauen.
Aus dem Alltag der Behörden wissen wir doch, wie schwer es ist, geeignete Dolmetscher heranzuziehen. Das ist schwer. Ich verstehe, dass daraus Schwierigkeiten für die Behörden resultieren. Noch mehr Schwierigkeiten resultieren daraus aber für die betroffenen Migranten. Wir können die Ursache des Problems nicht umkehren, indem wir am Ende ihnen die Kosten aufbürden und in das Gesetz einen Haftungsausschluss aufnehmen. Ich halte das jedenfalls für ausgesprochen bedenklich. Wenn man einen Fehler macht, dann haftet man halt dafür. Wir dürfen nicht einfach in das Gesetz schreiben, dass dieser Grundsatz im vorliegenden Fall nicht gelten soll. Das wäre zumindest gesetzeslogisch außerordentlich schwierig. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Alle, die sich mit dem Thema Integration befassen, auch alle Kollegen hier im Haus, betonen immer wieder die hohe Bedeutung der deutschen Sprache für das Gelingen von Integration. Das haben wir alle quer durch die Fraktionen immer wieder in den Vordergrund gerückt.
Die Frage lautet jetzt: Was steht zu diesem wichtigen Thema in diesem Integrationsgesetz? – Man würde doch erwarten, dass darin konkrete Maßnahmen für die Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache formuliert werden, dass Aufgaben definiert, Zuständigkeiten festgelegt und Finanzierungsfragen geklärt werden. Von all dem steht aber leider in diesem Gesetzentwurf nichts, übrigens im Unterschied zu den Vorschlägen, die wir vorgelegt haben.
Stattdessen ist in dem Gesetzentwurf die Rede von einem mindestens erwartbaren Sprachniveau. Das haben wir schon im Ausschuss und in den vorhergehenden Beratungen im Plenum angesprochen. Diese Formulierung konnte uns nicht näher erklärt werden. Das wird übrigens in der Begründung des Gesetzentwurfs ausdrücklich zugegeben: Menschliche Sprache
entzieht sich der staatlichen Regelung. – Wenn also wer auch immer wie auch immer und warum auch immer erkennt, dass das Niveau, das nicht näher definiert werden kann, nicht erreicht wird, können Kosten für Kurse in Rechnung gestellt werden. Wie das mit Leben gefüllt werden soll, können jetzt die Behörden, die Kommunen und die Gerichte in Einzelfällen feststellen, weil sie ja sonst nichts zu tun haben.
Sie haben auch bei der großen Anhörung, die wir durchgeführt haben, mitbekommen, dass alle kommunalen Spitzenverbände – Städtetag, Landkreistag, Bezirketag – alle ihre Bedenken dahingehend formuliert haben, was aufgrund der unklaren Formulierung erstens an unklaren Aufgaben und zweitens an Rechtsstreitigkeiten auf sie zukommen könnte. Das ist unverantwortlich. In der ersten Runde, als Sie noch mitdiskutiert haben, hat der Kollege Huber ausdrücklich erwähnt, dass die Integration und der Erwerb der Sprache gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind, für die ausdrücklich alle in die Mitverantwortung genommen wurden. Dann ist es doch unverantwortlich, diese Partner mit so einem unausgegorenen und schwammigen Gesetz alleinzulassen.
Im zweiten Teil des Artikels, in Absatz 4, wird dazu Stellung genommen. Darin geht es um die Dolmetscherkosten. Weder bei den Debatten in den Ausschüssen noch bei der Lesung hier im Plenum oder sonst wo konnten die dabei strittigen und offenen Fragen geklärt werden. Dolmetscherkosten können auferlegt werden, wenn dieses beliebige, nicht definierte Niveau nicht erreicht wird. Auch da können sich Behörden, Kommunen und Gerichte darauf einstellen, dass sie sich mit jeder Menge mühseliger Einzelfälle herumschlagen werden können. Herzlichen Dank dafür.
Noch krasser aber erscheint der Widerspruch, dass bei diesem Verfahren – ich habe das vorhin, in der ersten Runde, schon angesprochen – ein Fehler unterlaufen kann, der möglicherweise von Behörden begangen werden wird. In der Praxis ist das ausgesprochen wahrscheinlich. Man könnte nämlich einen Dolmetscher erwischen, der möglicherweise nicht ganz korrekt übersetzt. Bei der Übersetzung geht es ja nicht nur darum, Wörter aneinanderzureihen, sondern auch darum, Rechtsbegrifflichkeiten verständlich zu machen, unsere Behördensprache zu verstehen und das jemandem nahezubringen, der vielleicht aus einem Land mit ganz anderem Rechtsverständnis gekommen ist. Da gibt es viele Missverständnismöglichkeiten.
Daher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Übermittlungsfehlern kommt, in der Praxis gar nicht so gering. Deswegen ist es in diesem Fall nicht zulässig, dass die Behörde einseitig zulasten der Migranten abspatzen kann und Haftungsansprüche einfach par ordre du mufti ausgeschlossen werden können. Dabei können wir noch gar nicht sagen, wie hoch die Beträge sind, mit denen wir es zu tun haben können. Die Beträge werden den Migranten dann finanziell angelastet. Sie wissen dann erst recht nicht mehr, wie ihnen geschieht.
Auch das zeigt, dass dieses Gesetz noch unausgereift ist. Es ist noch nicht genügend abgestimmt und deswegen in dieser Form leider noch nicht zustimmungsfähig. Wir werden leider mit den genannten offenen Punkten noch viel zu tun haben.
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich
möchte mich erst mal für die Initiative dieser Interpellation und die umfangreiche Beantwortung bedanken. Ich glaube, es ist gut, dass wir eine gemeinsame Bestandsaufnahme haben, über die wir reden können.
In einer solchen Aussprache besteht aber gleichzeitig auch ein gewisses Dilemma; denn es geht um alles. Auch wenn die Redezeiten ein wenig verlängert worden sind, ist es natürlich in einer Debatte schwierig, im Schweinsgalopp durch alle wichtigen Punkte des Zukunftsthemas Pflege durchzukommen. Ich glaube, von diesem Anspruch müssen wir uns alle wahrscheinlich verabschieden und stattdessen die wichtigsten Punkte herausgreifen. Wir haben ja die Interpellation und die Antworten als Material.
Bei den Wünschen, die die Menschen zur Zukunft der Gesellschaft haben und die sie auch für ihre persönliche Zukunft benennen, steht ein Thema immer ganz oben: Die meisten Menschen wünschen sich, im Alter möglichst lange selbstbestimmt zu Hause leben zu können. Außerdem möchten sie auch, dass ihre Eltern und später auch sie selber einmal in gute Hände geraten, wenn sie pflegebedürftig sind. Sie wünschen sich auch in Pflegeeinrichtungen möglichst lange möglichst viel Selbstbestimmung und Freiräume. Das ist einer der zentralen Lebenswünsche und eine der Erwartungen, die die Bürger an uns haben, und deswegen auch eine unserer wichtigsten Aufgaben, die wir politisch zu lösen haben.
Gleichzeitig besteht aber kein Zweifel daran, dass der Aufwand und die Kosten für die Pflegeleistungen in der Zukunft deutlich ansteigen werden. Immer mehr Pflegebedürftige erwarten zu Recht eine gute Versorgung in Würde und Selbstbestimmung. Das heißt, dass die Politik in Land und Bund gemeinsam Lösungen schaffen muss und auch, dass es dabei gerecht zugehen muss.
Nur wenn der Pflegeberuf deutlich attraktiver wird, werden auch mehr junge Menschen diesen Beruf ergreifen. Wir stellen aber fest, dass die Verweildauer im Beruf leider sehr kurz ist. Viele Menschen haben sich auf den Weg gemacht, haben die schwierige und langwierige Ausbildung auf sich genommen, haben Erfahrungen gesammelt und entscheiden sich dann nach einiger Zeit doch dafür, aus diesem Beruf auszusteigen, weil sie es nicht mehr schaffen, weil ihnen die Belastung zu hoch wird. Oft ist dies auch eine Doppelund Mehrfachbelastung, weil hauptsächlich Frauen als Pflegende in diesen Berufen tätig sind, die gleichzeitig daheim eine Familie mit kleinen Kindern und/ oder vielleicht pflegebedürftig werdende Eltern und sonstige Angehörige haben. Dieser Beruf ist auch noch zusätzlich belastend durch die Schichtarbeit,
durch die Zunahme der Arbeitsdichte und der Aufgaben.
In der Interpellation ist bislang nur zu den Abbrüchen in den Ausbildungen Stellung genommen worden. Diese wurden für vergleichsweise unauffällig erklärt, weil es auch in anderen Ausbildungsberufen Abbrüche gibt. Das Thema der Verweildauer im Beruf ist aber noch nicht ausreichend abgebildet.
Neben der Tatsache, dass wir junge Menschen aktiv ansprechen müssen, dass wir Patenschaften zwischen Schulen und Pflegeeinrichtungen brauchen, wollen wir auch der Generation mittleren Alters, besonders Frauen nach der Familienphase, nach der Kindererziehungsphase, den Einstieg in die Pflege als zweiten Berufsweg eröffnen. Ich meine, hierin liegt ein großes Potenzial.
Gleichzeitig ist klar: An der Fachkraftquote von 50 % im stationären Bereich und von 80 % im ambulanten Bereich dürfen wir nicht rütteln; denn eine gute Pflege bekommen wir nur mit mehr Personal, nicht mit weniger. Deswegen müssen wir auch darauf achten, dass die Pflegehilfskräfte nicht durch weniger Fachkräfte kompensiert werden. Das ist auch ein ganz zentraler Punkt.
Meine Kollegin Kathi Petersen wird gleich noch etwas zu dem Themenbereich Ausbildung, Pflegeberuf und Bezahlung sagen. Etwas ist aber ganz eindeutig; das kann man nicht weglassen: Entscheidend ist die Aufwertung des Pflegeberufes hinsichtlich der Lohn- und Arbeitsbedingungen. Das gilt sowohl für die Krankenals auch für die Altenpflege. Natürlich brauchen wir auch die gebührenfreie Aus- und Weiterbildung.
Bislang werden zwei Drittel aller Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, etwa 50 % davon von den Familienangehörigen allein. Das heißt, dass die Familien in Bayern und auch in Deutschland bislang den größten Teil der Pflegearbeit leisten. Deswegen können wir auch auf die familiäre Pflege in Zukunft keineswegs verzichten. Wir müssen die Angehörigen spürbar entlasten, zum Beispiel durch einen verlässlichen Kündigungsschutz während der Zeit der Pflege in der Familie, eine Anrechnung von Pflegezeiten bei der Rente und auch durch die Möglichkeit von flexiblen Arbeitszeiten; denn sonst ist das nicht zu bewerkstelligen.
Wir brauchen den Ausbau der wohnortnahen und auch quartierbezogenen Pflegeberatung, eine aufsuchende Beratung, die in die Familien geht, und natürlich die flächendeckende Erweiterung von Pflegestützpunkten nach bundesweit anerkannten Standards. Weil den Kommunen durch das Pflegestärkungsgesetz eine größere Rolle zugewiesen wird, was auch sinnvoll ist und auch von uns und von Bayern aus
ausdrücklich erwünscht war, weil die Kommunen einfach näher an den Menschen dran sind, dürfen wir die Kommunen mit dieser Aufgabe finanziell nicht alleine lassen. Dies wird ganz entscheidend sein, wenn wir die neuen Pflegestärkungsgesetze umsetzen; denn sonst wird es nichts.
Um die pflegenden Angehörigen zu entlasten, können wir auch die Selbsthilfe verbindlich fördern und künftig auf sichere Füße stellen und einen gesonderten Freistellungsanspruch, zum Beispiel zur Begleitung eines sterbenden Angehörigen, schaffen. Das ist eine Ausnahmesituation. Dafür müssen wir auch extra Freiräume schaffen.
Ich habe schon die bessere Anerkennung von Pflegezeiten bei der Rentenberechnung ähnlich wie bei der Kindererziehungszeit genannt. Das betrifft auch die Betreuung demenzkranker Angehöriger; denn das macht die Sache sehr intensiv und auch sehr zeitintensiv. Schließlich müssen wir gesetzliche Regelungen für die häusliche 24-Stunden-Pflege im Privathaushalt durch dann eben sozialversicherungspflichtig Beschäftigte statt Arbeitskräften von einem grauen Arbeitsmarkt finden. Diesbezüglich kann man sich zum Beispiel auch das österreichische Hausbetreuungsgesetz ansehen.
Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die ambulanten Pflegedienste. Wenn die ambulante Pflege Priorität haben soll, weil man möglichst lange daheim bleiben will, dann müssen die ambulanten Dienste auch qualifiziert und kostendeckend arbeiten können. Das Entgelt ist aber derzeit nach Pflegestufen festgelegt. Künftig werden es Pflegegrade sein. Es gibt einige Verbesserungen, gerade im Bereich der Demenzbetreuung, aber es bleibt dabei, dass wir den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und das neue BewertungsAssessment der Pflegegrade aufmerksam daraufhin beobachten müssen, ob es am Ende auch zu dem gewünschten Effekt führt, nämlich zu einer deutlichen Verbesserung.
Trotz Stärkung der ambulanten Versorgung wird natürlich nach wie vor ein Drittel der Pflege in stationären Einrichtungen erbracht. Auch wenn innovative Wohn- und Pflegeformen in Mehr-Generationen-Projekten, in ambulant betreuten Wohngemeinschaften an Bedeutung gewinnen, werden wir auch in Zukunft Pflegeheime für die Schwerstpflegebedürftigen brauchen. Deswegen müssen wir die Pflegeheime angemessen ausstatten.
Es besteht kein Zweifel, dass der wirtschaftliche Aufwand für Pflegeleistungen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten ansteigen wird. Am Ende geht es natürlich ums Geld. Ich möchte grundsätzlich anspre
chen, dass es uns wichtig ist und wir es für unerlässlich halten, durch die Zusammenführung von privater und sozialer Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung Pflege zu kommen.
Eine Umstellung der Pflegeversicherung auf ein Kapitaldeckungsverfahren lehnen wir ab, weil sie eine Doppelbelastung der jetzt erwerbstätigen Generationen bedeutet und weil sie wegen der Risiken auf dem Kapitalmarkt auch deutlich zu unsicher erscheint. Die Pflege der künftigen Generationen muss genauso sicher finanziert werden wie die Rente. Das geht nur durch ein Umlageverfahren. In diese Bürgerversicherung Pflege müssen dann alle gerecht einzahlen, das heißt, auch die Beamten und die Selbstständigen müssen entsprechend ihrer Einkommen beteiligt werden. Die Arbeitgeber müssen sich daran paritätisch beteiligen.
Die staatliche Förderung privater kapitalgedeckter Pflegezusatzversicherungen lehnen wir ab, weil dies eine indirekte Beitragserhöhung bedeuten und einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand nach sich ziehen kann. Vor allem ist klar, dass Leute, die eher gering verdienen, sich selbst bei einer staatlichen Bezuschussung nicht noch eine zusätzliche private Versicherung leisten können. So besteht die Gefahr einer ungerechten Zwei-Klassen-Situation fort.
Ich übergebe jetzt gerne das Wort an meine Kollegin Kathi Petersen, die zu dem Thema Pflegeberufe und Pflegeausbildung noch ein paar Worte sagen will. – Machst du das gleich oder im Anschluss?
Das wäre halt sehr elegant gewesen.
Ich spare ihr jetzt noch etwas Redezeit auf.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie haben die Bedeutung des Blindengeldes sehr gut dargelegt, und Sie schlagen auch wirklich notwendige Anpassungen in dem Gesetzentwurf zur Änderung des Blindengeldgesetzes vor. Aber wenn wir gerade dabei sind, die wirklich notwendigen Änderungen am Blindengeldgesetz vorzunehmen, wäre das doch der richtige Zeitpunkt, um auch anteilige Leistungen für die hochgradig Sehbehinderten und für die Menschen aufzunehmen, die hochgradig sehbehindert sind und dazu noch taub sind oder eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit haben.
Wir haben dazu schon vor einem Jahr einen Gesetzentwurf eingebracht. Diesen haben wir in den Sitzungen des Sozialausschusses und auch hier in Plenarsitzungen in zwei Lesungen diskutiert und sind uns in wesentlichen Teilen inhaltlich über die Fraktionen hinweg einig gewesen. Ich zitiere einmal die eine oder andere Einlassung seitens der CSU-Fraktion.
Grundsätzlich wird die Notwendigkeit gesehen. – Ich muss die Argumentation nicht noch einmal von vorn schildern; das haben wir bei der Lesung des Gesetzentwurfs bereits gemacht. – Es gibt also keine prinzi