Protokoll der Sitzung vom 08.03.2016

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 67. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben, um eines ehemaligen Kollegen zu gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 24. Februar verstarb im Alter von 87 Jahren Herr Walter Zeißner. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1966 bis 1986 an und vertrat für die CSU den Stimmkreis Main-Spessart in Unterfranken. Während seiner Zugehörigkeit zum Landesparlament konnten die Ausschüsse für Ernährung und Landwirtschaft, für Grenzlandfragen, für Bundesangelegenheiten und Europafragen sowie für Landesentwicklung und Umweltfragen auf seine kompetente Mitarbeit zählen.

Sein politisches Wirken sah Walter Zeißner als Dienst an den Menschen in seiner unterfränkischen Heimat. Von 1960 bis 1978 gehörte er dem Kreistag an. Von 1966 bis 1971 war er Gemeinderat in Gambach, später bis 1996 Stadtrat in Karlstadt. In seine Zeit fiel auch die schwierige Gemeinde- und Landkreisgebietsreform, die er mit dem Willen zum Ausgleich konstruktiv begleitete und gestaltete.

Die Verdienste, die er sich um unser Land erworben hat, wurden mit hohen Auszeichnungen gewürdigt, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande, dem Bayerischen Verdienstorden, der Kommunalen Verdienstmedaille in Bronze und der Ehrenbürgerwürde von Karlstadt.

Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren und trauert mit seinen Angehörigen. –

Sie haben sich zum Gedenken an den Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Am 2. März feierte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU, Herr Kollege Karl Freller, einen runden Geburtstag. Ich wünsche Ihnen, lieber Kollege, im Namen des gesamten Hohen Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben. Vor allen Dingen: Bleiben Sie gesund. Alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Agrarmarktkrise: Bauernhöfe retten!"

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Hat eine Fraktion das Benennungsrecht für mehrere Rednerinnen bzw. Redner, kann auf Wunsch der jeweiligen Fraktion eine ihrer Rednerinnen oder einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit erhalten; dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet.

Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.

Ich bitte als ersten Redner Herrn Kollegen Dr. Herz zum Rednerpult.

(Unruhe)

Ich bitte um etwas mehr Ruhe und Aufmerksamkeit. Sie können sich auch draußen unterhalten.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe selten im Vorfeld der Behandlung eines Themas, wie wir es heute gewählt haben, so viel Zuspruch von Verbänden und vor allen Dingen von Berufskollegen erfahren. Es geht um die Situation der bäuerlichen Betriebe. Bayern rühmt sich, dass wir immer noch eine gut funktionierende bäuerliche Struktur haben.

Im Vorfeld eine kurze Anmerkung: Alle drei Parteien – CSU, SPD und GRÜNE – haben sich massiv, besonders in Berlin, für den Mindestlohn eingesetzt. Ein solcher Mindestlohn sollte auch einem landwirtschaftlichen Unternehmer zustehen. Momentan haben wir eine klare Entwicklung dahin gehend, dass wir diesen Mindestlohn bei Unternehmern nicht mehr erreichen können.

Ich würde gerne kurz die Märkte durchgehen. Die Situation auf dem Milchmarkt ist bekannt. Vielleicht ist es aber dem einen oder anderen nicht bekannt – sonst wäre es nicht zu dieser Aktuellen Stunde gekommen –: Wir sind beim sogenannten Kieler Rohstoffwert momentan bei 22,1 Cent. Das ist der niedrigste Wert seit – ich möchte beinahe sagen – Menschen Gedenken. Das ist der Nettopreis für einen Liter Rohmilch ab Hof. Das bedingt dann Auszahlungspreise, die weit unter 30 Cent liegen. Von einem solchen Preis kann kein landwirtschaftlicher Betrieb existieren.

Die Märkte für Getreide erlauben kein kostendeckendes Produzieren. Die Situation auf den Fleischmärkten – ich beginne mit der Ferkelerzeugung – lässt es für einen Familienbetrieb nicht mehr als sinnvoll erscheinen, Ferkel zu erzeugen. Bei den Schweinen verzeichnen wir einen Preis von 1,25 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht. Das müssen Sie sich einmal vorstellen. Noch schlimmer ist es bei bestem Geflügelfleisch, das für 1,50 Euro verramscht wird.

So viel zur Entwicklung auf den Märkten. Was kann nun die Politik tun? Die Politiker in Bayern und die Bayerische Staatsregierung können natürlich in Bezug auf den Milchsektor Vorschläge umsetzen, die sie bisher abgelehnt haben. Wir haben zu viel Menge am Markt, und deshalb fordern wir nochmals ganz klar, dass nach Möglichkeit eine künftige Reduzierung der Menge gegen Entschädigung angedacht wird. Wir fordern, dass die Programme konsequent umgesetzt werden. Sie haben unseren gut gemeinten Vorschlag zum Kulturlandschaftsprogramm abgelehnt. Sie haben jetzt – wie es sich darstellt – die Heumilch-Aktion für konventionelle Betriebe abgelehnt. Das sind Vorschläge, die von Bayern aus umgesetzt werden können.

Sie müssen vor allem auch einmal in Richtung Berlin schauen. Ich sehe weit und breit keine Aktion vonseiten des Bundeslandwirtschaftsministeriums. In Bezug auf die Spitze des seit Jahren artfremd besetzten Landwirtschaftsministeriums muss ich fragen: Wo ist Schmidt? – Liebe Kollegen der CSU: Das Bundeslandwirtschaftsministerium ist theoretisch in bayerischer Hand, aber in praktischer Hinsicht hat dieser Minister kürzlich wieder geäußert, er sehe keine Krise. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wann, wenn nicht jetzt, gibt es eine Krise in sämtlichen landwirtschaftlichen Produktionsbereichen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich fordere Sie dringend und sehr deutlich auf: Nehmen Sie sich Ihren Kollegen – – Wie heißt er denn mit Vornamen? Ich habe es vergessen.

(Zuruf)

Vielen Dank für die Information. – Fordern Sie ihn sehr deutlich auf!

Wir haben hier in Deutschland nicht nur Hobbylandwirtschaft, die wir bei vollen Märkten bedienen wollen, sondern wir sind nach wie vor auch für eine Landwirtschaft verantwortlich, die flächendeckend produzieren soll. Aber das ist mit diesem Minister auf Dauer nicht mehr möglich.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich möchte abschließend noch ganz kurz auf Brüssel eingehen; von dort kommen ja sehr viele Ungereimtheiten. Setzen Sie sich dafür ein, dass in Brüssel unsinnige Vorschriften abgeschafft werden, beispielsweise die NEC-Richtlinie, die einseitig für Deutschland fordert, die Methanausstöße mehr als andere Länder zu reduzieren! Das kann nicht sein. Setzen Sie sich dafür ein, dass die anderen Länder das in diesem Bereich ebenfalls machen müssen, was insgesamt natürlich keinen Sinn ergibt! Setzen Sie sich dafür ein, dass von Brüssel nicht nur eine Flut von Vorschriften kommt, sondern dass auch eine Umsetzung erfolgt, die den deutschen Landwirten ein verträgliches Wirtschaften ermöglicht!

Herr Dr. Herz, Ihre fünf Minuten sind um. Bitte kommen Sie zum Ende.

In dem Sinne vielen Dank.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Brendel-Fischer. Bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass die bayerische Agrar- und Ernährungswirtschaft nicht isoliert, sondern in das Weltgeschehen und die Weltwirtschaft eingebettet ist, zeigt sich aktuell in sehr unbefriedigender Weise. Insbesondere unsere nationalen und globalen Milchmärkte stehen unter einem enormen Druck. Warum? – Weil das weltweit hohe Milchangebot auf eine sehr schwache Nachfrage trifft. Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel braucht nur ein Drittel der Milchmenge. Der Rest geht in die Industrie und in den Export. Damit sind wir vom Weltmarkt abhängig.

Das Russland-Embargo setzt der Branche enorm zu. Allein 60 % des europäischen Käseexports gingen bislang nach Russland. Deshalb muss auch hier der Gesprächsfaden aufrechterhalten werden. Verschärft wird die schwierige Lage durch die nachlassende Abnahme aus China und die instabilen Verhältnisse im Nahen Osten.

Für uns in Bayern, wo jährlich in 32.000 bäuerlichen Familienbetrieben und 60 Molkereien knapp acht Millionen Tonnen Milch erzeugt werden, ist diese Tiefpreisszenerie natürlich mehr als belastend. Marktexperten rechnen mittelfristig nicht mit einer Besserung.

Muss also die Milchquote wieder her? Ich frage Sie: Waren unsere Bauern mit der Milchkontingentierung

zufriedener? – Nein; denn auch die staatlich verordnete Quote konnte starke Schwankungen nicht verhindern. Wir müssen ehrlich miteinander reden. Auf europäischer Ebene gibt es dafür keine Mehrheit.

Was können wir nun tun, damit alle Beteiligten bessere Perspektiven erhalten? – Natürlich sind es die Liquiditätshilfen. Wir haben diese frühzeitig gefordert. Unser Erfolg war auch die Erhöhung des Bundeszuschusses für die landwirtschaftliche Unfallversicherung. Das sind 20 bis 25 Millionen Euro mehr für Bayern. Über 90 % der Flächenzahlungen wurden frühzeitig ausgezahlt. Ich bitte, das alles einmal zur Kenntnis zu nehmen.

Wir haben ein 68 Millionen Euro schweres Liquiditätsprogramm, das natürlich bei Weitem nicht ausreicht. Alle Mittel der Superabgabe müssen durch die EU verfügbar werden. Das ist unsere Forderung, so wie auch seit Langem eine Erhöhung der Interventionspreise auf mindestens 25 Cent pro Kilogramm. Das würde eine bessere Berücksichtigung der Produktionssteigerung bedeuten und den Markt stabilisieren helfen. Aber auch hier zeigt die EU keine Bereitschaft.

Überlegenswert erscheinen auch Vorschläge, wie innerhalb der genossenschaftlichen Lieferbeziehungen zwischen den Molkereien und den Mitgliedern mehr Planungssicherheit bei der Menge und beim Preis erreicht werden kann.

(Horst Arnold (SPD): Wie denn?)

Die Molkereien können am ehesten abschätzen, ab wann ihre Kapazitäten ausgeschöpft sind und wie viel Milch sie zu einem angemessen Preis vermarkten können. Man muss aber auch wissen, dass sich an den global wirkenden Marktmächten dadurch nichts ändert.

Bei allen Herausforderungen braucht es die verantwortungsbewusste Entscheidung unserer Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter. Deshalb bildet die Vermittlung von Unternehmerkompetenzen in allen bayerischen Agrarausbildungsgängen einen Schwerpunkt.

Auf Bund-Länder-Ebene werden zurzeit weitere Maßnahmen geprüft. Ich danke hierfür auch unserem bayerischen Landwirtschaftsminister Brunner, der sich federführend einbringt, beispielsweise für eine Optimierung der Marktbeobachtungsstelle.

Wir brauchen ein Frühwarnsystem, um auf Veränderungen des Marktes rascher reagieren zu können. Auch wird geprüft, inwieweit Versicherungslösungen umsetzbar sind, wie sie in den USA bestehen, wo ver

sucht wird, Risiken volatiler Märkte besser abzufedern.

Auch die im Getreidesektor bewährten Warenterminmärkte, die von der Opposition immer sehr stark kritisiert wurden, wenn ich mich an manche Diskussion im Ausschuss erinnere, müssen in ganzheitliche Überlegungen bei der Milch einbezogen werden. Durch eine vertragliche Preisabsicherung können hierbei wirtschaftliche Risiken in jedem Fall gemindert werden. Dies wird von den Molkereiunternehmen und Milcherzeugergemeinschaften bislang zu wenig genutzt.

Dass höhere Preise durch Wertschöpfung erreicht werden können, ist kein Geheimnis. Ich möchte nur erwähnen, dass es im Haushalt des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 100 Millionen Euro Innovationskapital für Forschung und Entwicklung gibt. Hierfür braucht es aber natürlich ein engeres Zusammenrücken unserer gesamten Molkereistruktur und Molkereiwirtschaft.

Die Exportförderung ist und bleibt für Bayern weiterhin ein Thema. In vielen kaufkräftigen Drittländern warten die Menschen auf unsere Produkte. Deshalb müssen wir unsere Märkte pflegen – in guten wie in schlechten Zeiten.