Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 53. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer vorab erteilt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich heiße Sie sehr herzlich zur ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause willkommen. Wir haben in vielerlei Hinsicht bewegende Tage und Wochen hinter uns. Auf uns wird noch sehr viel mehr zukommen. Das heißt, dass wir auch hier im Haus vor gewaltigen Anstrengungen in fairen Debatten stehen werden, damit wir unserer Verantwortung gerecht werden.
Am 4. September verstarb im Alter von 54 Jahren Herr Markus Sackmann. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1990 bis 2013 an und vertrat für die CSU-Fraktion zunächst den Wahlkreis Oberpfalz und ab 1994 bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2013 den Stimmkreis Cham. Während seiner Parlamentszugehörigkeit war er Mitglied im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen, im Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie über lange Jahre im Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen. 2003 übernahm er die Funktion des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, bevor er im Jahr 2007 schließlich als Staatssekretär im Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie ins Kabinett berufen wurde. Nach der Landtagswahl 2008 wechselte er in gleicher Funktion ins Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen, wo er mit großem Ideenreichtum und einem untrüglichen Blick für das Machbare die Sozialpolitik im Freistaat maßgeblich mitgestaltet und das soziale Gesicht Bayerns in eindrucksvoller Weise geprägt hat.
Stets lag ihm die Förderung bürgerschaftlichen Engagements besonders am Herzen. Als "Vater der Bayerischen Ehrenamtskarte" setzte er sich dafür ein, dass Wirtschaft und Ehrenamt künftig stärker Hand in Hand gehen, wie er sagte. Er suchte nach Klammern, die unsere Gesellschaft zusammenhalten. Als Ehrenamtsbotschafter der Bayerischen Staatsregierung war er trotz seiner Krankheit unermüdlich aktiv und engagierte sich in dieser Eigenschaft unter anderem als wichtiger Berater der Jury zur Vergabe des Bürgerpreises des Landtags. Der Bürgerpreis des Bayerischen Landtags, den wir in wenigen Wochen verge
Seine politische Erfahrung, seine persönliche Integrität, seine Bereitschaft zum Ausgleich und sein Eintreten für Ziele, von denen er überzeugt war, brachten ihm über die Fraktionsgrenzen hinweg hohe Achtung und Anerkennung ein – und später auch die Art, wie er mit seinem schweren Schicksal umging. Der Bayerische Landtag trauert mit den Angehörigen und wird Markus Sackmann ein ehrendes Gedenken in Dankbarkeit bewahren. Ich möchte mich ganz herzlich bei allen Fraktionen bedanken; viele von Ihnen haben vor Ort Abschied genommen. – Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe schon eingangs nach der Begrüßung auf die Herausforderungen aufmerksam gemacht, die auf uns aufgrund der Flüchtlingsdramatik zukommen. Mir ist es ein ganz großes Anliegen, zu Beginn dieser Plenarsitzung dazu eine Erklärung abzugeben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den vergangenen Wochen sind Tausende Flüchtlinge zu uns nach Bayern gekommen. Sie haben sich aus Krisen- und Kriegsgebieten auf den Weg in Richtung Europa gemacht in der Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit und auf neue Perspektiven für sich selbst und ihre Familien. Viele begeben sich in die Hände von skrupellosen Schleppern, die die Notlage der Flüchtlinge ausnützen und sie in lebensgefährliche Situationen bringen. Wir alle kennen die unerträglichen Bilder.
Die Not der Flüchtlinge berührt die Menschen in Bayern, und ihr Mitgefühl hat zu einer großartigen Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft geführt, die weltweit größte Anerkennung gefunden hat. Im Namen des Bayerischen Landtags danke ich den vielen, vielen haupt- und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern überall im Freistaat für ihr außerordentliches Engagement bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen staatlichen und kommunalen Behörden, in den Wohlfahrtsverbänden, bei den Rettungsdiensten und insbesondere auch unsere Polizistinnen und Polizisten leisten hervorragende Arbeit. Sie engagieren sich weit über ihre Dienstpflichten und Dienstzeiten hinaus.
Viele Bürgerinnen und Bürger helfen freiwillig in dieser humanitären Ausnahmesituation in eindrucksvoller Weise: Sie leisten Geld- und Sachspenden und nehmen sich für die Flüchtlinge Zeit, für Sprachunterricht oder die Begleitung bei Behördengängen. Ohne ihren Einsatz wären die vielfältigen Aufgaben nicht zu be
wältigen. Ob Haupt- oder Ehrenamtliche, sie alle sind in den letzten Wochen bis an ihre Grenzen gegangen und oft auch darüber hinaus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch darauf möchte ich aufmerksam machen: Es ist unsere Pflicht, diejenigen, die jetzt diese schwierige Aufgabe bewältigen müssen, vor allen Dingen in der Aufnahmesituation, nicht zu überfordern, ob im hauptamtlichen oder im ehrenamtlichen Bereich. Das bitte ich bei allen Diskussionen mit zu beachten.
Ihnen allen gilt zunächst ein ganz herzlicher Dank. Die beeindruckende Hilfsbereitschaft setzt den beschämenden Ausschreitungen einer Minderheit ein kraftvolles Zeichen entgegen. Gewalt gegen Flüchtlinge und Polizisten, Anschläge auf Unterkünfte, Einschüchterung von Menschen, die sich um eine Willkommenskultur bemühen, all diesen Tendenzen müssen und werden wir auch weiterhin mit der gebotenen Entschlossenheit begegnen. Intoleranz und Fremdenhass haben bei uns keinen Platz. Die Menschenwürde gilt für alle, die in unserem Land leben, und dabei spielt es keine Rolle, wie lange jemand bei uns bleibt oder bleiben darf.
Allerdings ist klar zu unterscheiden: Diese unerträglichen Ausschreitungen haben nichts zu tun mit den Sorgen und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger, ob und wie wir in den Kommunen die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen stemmen. Haben wir ausreichend Unterkünfte und später auch genug Wohnraum? Brauchen unsere Lehrer und Pädagogen in den Schulen mehr Unterstützung? Gibt es genügend Angebote für den Sprachunterricht? Können wir die Erwartungen der Flüchtlinge erfüllen? - Das alles sind berechtigte Fragen. Auf sie gilt es Antworten zu finden. Antworten finden bedeutet, dass wir eine erfolgreiche Integration brauchen.
Wer aus einer völlig anderen Kultur zu uns kommt, muss die Möglichkeit haben, sich zu orientieren, unseren Alltag mit zu erleben und teilzuhaben an unserer Gemeinschaft. Dafür brauchen wir Integrationsangebote, insbesondere im niederschwelligen Bereich; denn sie schaffen die unabdingbaren Voraussetzungen für eine gelingende Integration. Aber ich betone ganz bewusst in dieser Stunde: Eine gelingende Integration ist eine Gemeinschaftsleistung.
Sie waren in den vergangenen 70 Jahren Garant für unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und die Stabilität unseres Landes. Sie werden und müssen es auch in Zukunft sein; denn nur auf diesem Fundament sind wir in der Lage, die Integration letztlich zu bewerkstelligen.
Wir sind uns einig: Zur Lösung der Aufgaben bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten auf kommunaler, auf Landes-, auf Bundesebene sowie aller Nationalstaaten in der Europäischen Union; ich würde heute sagen: Dazu bedarf es weltweiter Anstrengungen.
Das bedeutet, dass wir uns auch hier im Bayerischen Landtag intensiv weiterhin mit diesem brennenden Thema beschäftigen. Lassen Sie uns - darum bitte ich in dieser Stunde ganz eindringlich - bei allen Unterschieden in einzelnen Sachfragen konstruktiv und fair miteinander umgehen im Interesse aller, die unsere Hilfe brauchen, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Bayerns und damit auch im Interesse des Ansehens unseres Parlaments.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Situation ist für uns eine ungeheure Herausforderung. Ich habe gestern im Bayerischen Landtag anlässlich des Jubiläums "25 Jahre Deutsche Einheit" zum Ausdruck gebracht, dass wir die deutsche Einheit in einer Gemeinschaftsleistung geschafft haben. Das war schwierig, und das war eine Herausforderung; aber ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Herausforderung, die wir jetzt gemeinsam zu meistern haben, weitaus größer ist als die Wiedervereinigung.
Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich freue mich natürlich, dass Sie alle gesund und wohlbehalten aus der Sommerpause zurückgekehrt sind. Denjenigen Kolleginnen und Kollegen, die wegen Krankheit nicht anwesend sein können, wünschen wir gute Genesung, damit sie bald wieder unter uns sind und wir sie hier im Parlament begrüßen können.
Zu guter Letzt, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich noch den Geburtstagskindern der vergangenen Wochen gratulieren. Einen halbrunden Geburtstag feierten Frau Kollegin Ingrid Heckner und Herr Kollege Alfred Sauter. Einen runden Geburtstag feierten Herr Kollege Sandro Kirchner, Herr Kollege Dr. Linus Förster, Herr Kollege Nikolaus Kraus, Herr Kollege Dr. Christian Magerl sowie Frau Ministerin Melanie Huml, der wir an dieser Stelle auch noch herzlich zur Geburt ihres Sohnes gratulieren dürfen.
Ich darf Ihnen allen im Namen des gesamten Hauses und auch noch persönlich nachträglich alles Gute wünschen.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (Drs. 17/7806) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf soll ohne Aussprache an den Ausschuss für Bildung und Kultus überwiesen werden. Wer mit der Überweisung an den zur Federführung vorgeschlagenen Ausschuss für Bildung und Kultus einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Keine. Dann ist das so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Ruth Waldmann, Angelika Weikert u. a. und Fraktion (SPD) eines Gesetzes zur Stärkung und Unterstützung des ehrenamtlichen Engagements in Bayern und eines Gesetzes zur Errichtung der "Stiftung Bürgerschaftliches Engagement Bayern" sowie zur Änderung des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Drs. 17/7764) - Erste Lesung
Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich darf hierzu Frau Kollegin Waldmann das Wort erteilen. Frau Kollegin, Begründung und Aussprache zusammen? – Gut; ich wollte es nur wegen der Zeit wissen. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Niemand hat wissen können, dass wir ausgerechnet heute als Allererstes unseres ehemaligen Kollegen Markus Sackmann gedenken würden. Vielleicht ist das aber auch ein besonderes Zeichen; ich weiß es nicht. Ich hatte mit Kollegen Sackmann keine intensiven persönlichen Begegnungen. Das lag einfach daran, dass sich die Zeiten unserer Mitgliedschaft im Landtag nicht überschnitten. Ich bin aber viel im Land unterwegs gewesen, um über unseren Gesetzentwurf mit der Fachwelt und den ehrenamtlich Engagierten zu diskutieren und ihn weiterzuentwickeln. Während der Gespräche habe ich immer wieder festgestellt, dass
unserem ehemaligen Kollegen Sackmann große Hochachtung entgegengebracht worden ist. Er war sehr präsent und hat viel für das Ehrenamt getan; die Einführung der Ehrenamtskarte ist nur ein Beispiel. Er hat das Thema des bürgerschaftlichen Engagements auch auf politischer Ebene vorangebracht.
Es ist durchaus ein Glücksfall, dass er auch in den Reihen der Regierungsfraktion und der Regierung viel Gehör gefunden hat. Darauf können wir aufbauen. Sein Einfluss hatte übrigens viel mit seiner Glaubwürdigkeit und seiner angenehmen Art, auf Menschen zuzugehen, zu tun. Das hat uns auch in der Sache viel geholfen. Dafür sind sicherlich wir alle ihm sehr dankbar.
Jetzt geht es darum, den Einsatz für bürgerschaftliches Engagement und damit für das Ehrenamt fortzuführen. Den Einfluss, den dieses Thema hat, gilt es zu stabilisieren.
Im Jahr 2013 haben die Bürgerinnen und Bürger Bayerns die "Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl" per Volksentscheid als Staatsziel in die Verfassung aufgenommen. Das Hohe Haus hat bislang noch nicht mit entsprechenden Initiativen darauf reagiert. Ich betone: Es ging nicht nur darum, die Verfassung um einige Sätze anzureichern, sondern ein Staatsziel ist neu formuliert worden.
Bayern ist deswegen stark, weil wir hier eine sehr aktive Bürgerschaft haben. Zahlreiche junge, aber auch viele ältere Menschen engagieren sich in ihrer Freizeit unentgeltlich auf vielfältige Weise und übernehmen Verantwortung. Ein Großteil unserer Aufgaben könnte ohne das Ehrenamt nicht erfüllt werden. In dieser Einschätzung sind wir uns sicherlich alle einig. Etwa 36 % der Bürger, die über 14 Jahre alt sind, sind in Bayern freiwillig engagiert.
Sehr wichtig ist uns der Hinweis darauf, dass das bürgerschaftliche Engagement eine Form gelebter demokratischer Alltagskultur ist. Mündige Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, sich aktiv an der Gestaltung des Gemeinwesens zu beteiligen und sich in die öffentlichen Angelegenheiten einzumischen. Dazu gehört aber auch eine geeignete Möglichkeit der Mitsprache. Heutzutage erwarten die Bürgerinnen und Bürger, auf Augenhöhe eingebunden zu werden. Wir als Politiker sind gut beraten, den Erfahrungsschatz und das Wissen der freiwillig Engagierten, die alle auch Experten in eigener Sache sind, zur Kenntnis zu nehmen und in unsere politischen Beratungen aufzunehmen.
Bislang ist in Artikel 121 der Bayerischen Verfassung lediglich die Pflicht zur Übernahme von klassischen Ehrenämtern, zum Beispiel als Geschworener, Vormund oder Schöffe, normiert. Weiteres dazu ist bislang nicht formuliert. Deswegen wollen wir einen Gesetzentwurf auf den Weg bringen und auch in diesem Hohen Haus zur Diskussion stellen, um das Ehrenamt zu stärken und ein demokratisches Mitspracherecht zu verankern. Im Rahmen der Vorbereitung unseres Entwurfs haben wir Studien analysiert und sind zu interessanten Erkenntnissen gekommen.
Um die Dimension des Ehrenamtes in Bayern aufzuzeigen, möchte ich Ihnen einige Zahlen nennen. In Bayern werden von Freiwilligen pro Jahr etwa 710 Millionen Arbeitsstunden erbracht. Diese Zahl bezieht sich übrigens noch auf die Zeit, bevor der große Zuzug durch die Flüchtlinge einsetzte; seitdem sind sicherlich viele Stunden dazugekommen. Das entspricht etwa 7 % der Gesamtarbeitszeit in Bayern im Wert von 6,1 Milliarden Euro. Man kann zwar nicht alles monetär fassen, aber diese Zahlen zeigen auf, mit welcher Größenordnung wir es zu tun haben.
Wir haben festgestellt, dass in Teilen des Landes schon entsprechende Strukturen vorhanden sind, zum Beispiel die Koordinierungszentren für Bürgerschaftliches Engagement. Diese gibt es aber nicht überall. Sie sind auch nicht überall stetig finanziert. Insoweit müssen wir nachbessern. Die Aufgabe, die bestehenden Koordinierungszentren auszubauen und finanziell zu verstetigen, ist einer der ersten Punkte in unserem Gesetzentwurf. Dort, wo es solche Koordinierungszentren noch nicht gibt, das heißt in den noch nicht versorgten Regionen, sollen sie unter Beteiligung der Verbände und Initiativen aufgebaut werden.