Protokoll der Sitzung vom 25.01.2018

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Danke schön. – Als Nächste bitte ich Frau Staatsministerin Aigner zum Rednerpult.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eingangs noch eine grundsätzliche Anmerkung zum Markt machen. Das sei mir schon noch erlaubt zu sagen, dass der Markt nicht etwas ganz Falsches ist. Denken Sie an die Telekommunikation insgesamt und erinnern sich zurück an die Zeiten, in denen die Telekom genau ein Modell zum Telefonieren im Angebot hatte. Ich weiß nicht, ob das jemals überwunden worden wäre, wenn wir da nicht ein bisschen mehr Schwung ins Geschäft gebracht hätten. Heutzutage hat bei der Telefonie jeder die verschiedensten Modelle zur Auswahl. Insofern würde ich den Markt nicht grundsätzlich als etwas Negatives sehen, und als Wirtschaftsministerin schon mal überhaupt nicht.

(Beifall bei der CSU)

Im Zusammenhang mit diesem Thema sehe ich Redebedarf dahin gehend – lieber Bernhard Roos, das geschieht gerade auch bei den Sondierungsverhandlungen mit unseren potenziellen künftigen Kollegen –, wie wir neue Ausschreibungen so gestalten, dass die Flächendeckung automatisch gewährleistet wird.

Ja, es ist richtig: Man hat sich damals auf die Zahl von 97 % aller Haushalte geeinigt. Für meine Begriffe ist klar – und auch darauf haben wir uns geeinigt –, dass die Fläche die Grundlage sein muss. Es ist egal, ob das nun 97 % oder 98 % sind; wichtig ist, dass die Fläche das Entscheidende ist. Das ist insbesondere für ein Flächenland relevant. Das betrifft übrigens nicht nur Bayern, sondern dieses Problem gibt es in der gesamten Bundesrepublik Deutschland, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern. Da gibt es noch ganz andere weiße Flecken. Insofern ist es richtig, dass wir hier in Zukunft bei den Ausschreibungen für das viel beschriebene 5G-Netz noch etwas tun müssen.

Damit komme ich zum Thema Roaming. Wenn man von allen Betreibern eine Flächendeckung verlangt, dann erledigt sich das Problem des Roamings automatisch; denn dann hat nämlich jeder diese Flächendeckung zu gewährleisten. In dem Moment benötigt man im Grunde kein Roaming mehr, weil sich die Anbieter gegenseitig abstimmen können, ob sie gemeinsam einen Masten aufstellen wollen oder wie auch immer. Dann ist das Thema vom Tisch.

Nun stellt sich die Frage: Was macht man mit dem jetzigen Vertrag? Wir können noch drei Stunden darüber diskutieren, warum das so ist oder nicht. Die Verträge sind in der Welt. Es wurde ausgeschrieben, und daraus sind Erlöse erzielt worden – übrigens nicht zu knapp –, die auch dazu genutzt werden, das Breitband in Bayern auszubauen. Auch das gehört zur Wahrheit. Wir versuchen, die noch vorhandenen weißen Flecken so schnell wie möglich von der Landkarte verschwinden zu lassen. Das muss doch unser gemeinsamer Ansatz sein. Darüber sollte bei allen Parteien Konsens bestehen. Jetzt geht es nur noch um die Frage des Weges.

Ich bedanke mich dafür, dass ich von verschiedenen Seiten dafür gelobt worden bin, dass wir mit den Mobilfunkbetreibern noch einmal nachverhandelt haben, was zur Folge hatte, dass sie gerade in Bayern mehr machen als in anderen Bundesländern. Insbesondere ein Anbieter, nämlich die Telekom – das darf ich, glaube ich, sagen – macht deutlich mehr; man könnte es fast ein Bayernprogramm nennen: In Bayern werden nämlich 1.100 neue Masten aufgestellt. Das ist mehr als das, wozu die Telekom eigentlich verpflichtet wäre.

Das ist doch schon mal ein Wort. Dass sich daraufhin auch die beiden anderen Betreiber committed haben, entsprechende Masten aufzustellen, finde ich ebenfalls gut. Das nützt den Bürgern, und das nützt den Menschen in den ländlichen Regionen. Dafür habe ich mich eingesetzt. Das war gut so, und das war auch richtig so. Dabei habe ich die Unterstützung von allen hier im Hause gespürt. Vielen herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CSU)

Wir werden aber noch ein Weiteres machen. Selbstverständlich werden wir die BOS-Masten nutzen. Ich bedanke mich beim Innenministerium, dass wir bessere Verträge abschließen können und dadurch das Ganze attraktiver wird. Es bleibt aber dabei: Selbst wenn man alle Masten nutzen könnte, was funktechnisch gar nicht möglich ist – da will ich gar nicht in die Tiefe gehen –, blieben immer noch weiße Flecken übrig. Jetzt können wir uns lange darüber unterhalten und uns gegenseitig vorwerfen, wer wann was gemacht hat. Für mich ist entscheidend, wie wir diese weißen Flecken möglichst schnell verschwinden lassen können.

Ein Modell hätte darin bestehen können, einen Zuschuss an die Betreiber zu leisten, wie das übrigens auch beim Breitbandausbau der Fall ist. So etwas ist aber nicht ganz einfach; das kann ich auch zum Kollegen Roos mit seinem Antrag – Stichwort: Wirtschaftlichkeitslücke – sagen. Es ist ein Unterschied, ob man eine Wirtschaftlichkeitslücke feststellen kann, weil

man weiß: An der Leitung hängen fünf Anschlüsse, und die Leitung kostet soundso viel. Dann kann man das schnell ausrechnen. Beim Mobilfunk jedoch eine Wirtschaftlichkeitslücke auszurechnen, ist nicht so einfach. Die Angelegenheit ist auch beihilferechtlich relevant und muss daher notifiziert werden. Dann aber werden wir wahrscheinlich noch in fünf Jahren darüber diskutieren, ob das beihilferechtlich möglich ist oder nicht. Das will ich nicht.

Genau aus diesem Grund habe ich die Frage gestellt: Wie können wir vorgehen, damit das Ganze möglichst schnell europarechtlich machbar ist und wir ein beihilferechtlich neutrales Instrument hinbekommen? Das geht letztlich nur über die Gemeinden, auf gut Deutsch: Den Beton hinstellen, ein Leerrohr rein, Ende – und dann vermieten. Jeder kann dann zu gleichen Konditionen mitnutzen.

(Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER): Das hätten wir auch selbst machen können!)

Nein, das geht eben nicht, weil das ganz andere Dimensionen sind. Hören Sie doch einfach mal zu!

Die Kommunen sagen natürlich: Wir haben nicht die Kompetenz, wir können das funktechnische Gutachten usw. nicht machen. – Ja, das nehmen wir auf. Deswegen haben wir gemeinsam mit den Mobilfunkbetreibern und den Kommunen vereinbart, dass wir ihnen alle Hilfestellung geben. Letztendlich sollen sie nur sagen müssen: Ich will dahin einen Mast. Den Rest versuchen wir so zu gestalten, dass die Gemeinde nichts mehr damit zu tun hat. Ich glaube, das kann man mit praktischer Politik möglichst schnell umsetzen. Ich sehe sehr gute Chancen, dass wir das möglichst schnell auf europarechtlich notifizieren können und damit schnell ins Programm kommen.

Dann sagen Sie, es bleibt immer noch Geld übrig. Ja, das ist der Eigenanteil. Aber deswegen dürfen auch Mieten eingenommen werden. Dann muss ich sagen: Das ist doch irgendwie zumutbar. Das ist übrigens nichts Unübliches. Wie viele Programme habe alleine ich in meinem Haus, bei denen die Gemeinde selbst Geld in die Hand nimmt und auch in die Hand nehmen will! Ich sage jetzt nur ein Beispiel: Tourismus. Da zwinge ich auch niemanden, dass er touristische Infrastruktur über RÖFE aufbaut. Wir unterstützen das aber trotzdem, und es wird kofinanziert. Das ist eigentlich selbstverständlich. Wir tun alles, damit das möglichst einfach und vor allem schnell geht. Es ist mir ganz besonders wichtig, möglichst 2020 den Bürgerinnen und Bürgern in Bayern sagen zu können: Wir haben mehrere weiße Flecken gerade in den ländlichen Gebieten geschlossen, damit wir in Zukunft überall in Bayern mobil telefonieren können. Das ist

mein Ziel, und dafür bitte ich schlicht und ergreifend um Unterstützung.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der CSU: Bravo!)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/20308 – das ist der Antrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Das sind die CSU-Fraktion, SPD-Fraktion. Gegenstimmen! – FREIE WÄHLER, der Kollege Muthmann (fraktionslos), der Kollege Felbinger (fraktionslos) und der Kollege Dr. Runge. Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltungen aus den Reihen der GRÜNEN ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Jetzt rufe ich den Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/20330 – das ist der Antrag der Fraktion FREIE WÄHLER – zur Abstimmung auf. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. – SPD, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Kollege Muthmann (frak- tionslos), Kollege Felbinger (fraktionslos). – Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Dann ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Nun rufe ich auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Martin Güll, Margit Wild u. a. und Fraktion (SPD) Zeit für Gerechtigkeit - Bildungsqualität erhöhen, Familien stärken (Drs. 17/20309)

Ich eröffne die Aussprache. Erste Rednerin ist die Kollegin Dr. Strohmayr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor wenigen Tagen konnten wir der Presse entnehmen, bei welchen zehn Punkten die Mehrheitsfraktion und die Mehrheitspartei hier in Bayern Handlungsbedarf für Bayern sehen.

Ich muss auf der einen Seite zunächst einmal feststellen, dass eine ganze Reihe von Punkten von unseren Vorschlägen abgeschrieben wurde. Das finde ich zunächst einmal gut. Ich muss aber auf der anderen Seite feststellen, dass ganze Themenfelder, zum Beispiel das Themenfeld Familie, das Themenfeld Bil

dung, nahezu überhaupt nicht vorkommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das finde ich sehr schlecht.

(Beifall bei der SPD)

Außer Beweihräucherungen kann ich zu diesen Themenfeldern überhaupt nichts finden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, derzeit tagt in Davos der Weltwirtschaftsgipfel. In allen Talkshows landauf und landab wird über Chancengleichheit debattiert. Eine der wichtigsten Forderungen, die dort immer wieder gestellt wird, ist die nach der Investition in Bildung. Da frage ich mich schon, wie es denn sein kann, dass dieses Thema total ausgeklammert ist.

Bildung hängt in Bayern – das zeigen viele Studien – ganz stark vom Geldbeutel und von der Herkunft ab. Selbst unser Minister Spaenle musste schon zugeben, dass in Bayern Defizite bei den Risikoschülern bestehen. Ich finde, das ist im reichen Bayern ein Skandal; denn gerade bei uns wäre genug für alle da.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, längst ist unter Fachleuten unstrittig, dass ein Bildungssystem nur dann nachhaltig und gut ist, wenn es sich um die Bildungsgerechtigkeit kümmert. Viele Studien zeigen uns auch den Weg dahin auf. Um Bildungsgerechtigkeit zu schaffen, wird immer wieder das Gleiche gefordert. Wir brauchen für alle Kinder Zugang zu gutem Ganztag. Wir brauchen kostenfreie Bildung für die Eltern. Wir brauchen qualitativ hochwertige Bildung, und unser Bildungssystem muss durchlässig sein.

Die Realität in Bayern sieht leider ganz anders aus. Mein Kollege Martin Güll ist in den letzten Monaten durch ganz Bayern gereist. Wir haben eine Vielzahl von Schulkonferenzen gemacht. Überall wird uns gesagt: Es klemmt im Schulsystem an allen Ecken und Enden. Es gibt zu wenige Lehrer, zu große Klassen. Die Schulen werden mit allen Problemen und Herausforderungen alleine gelassen. Es gibt viel zu wenige Hilfssysteme für die vielen Kinder, die mehr Unterstützung brauchen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich konkret werden: Beispiel Ganztag – wo stehen wir denn in Bayern, wenn es um Ganztag geht? – Ich kann Ihnen sagen: Nach wie vor ist es so, dass viele Eltern verzweifelt und ohne Erfolg einen guten Ganztagsplatz suchen. Ich bekomme dazu immer wieder Zuschriften. Ich kann nur feststellen: Wir sind weit davon entfernt, den Bedarf abzudecken.

(Beifall bei der SPD)

Was wir brauchen, ist ein Rechtsanspruch auf guten Ganztag. Ich meine, wir brauchen noch mehr. Wir brauchen guten Ganztag, wir brauchen gute Ganztagsschulen; denn nur gute Ganztagsschulen ersetzen tatsächlich den Nachhilfeunterricht.

Da sind wir beim Punkt. Zum Beispiel für Kinder mit Migrationshintergrund ist gerade das wichtig. Eine Vielzahl von Studien hat festgestellt, dass Kinder mit Migrationshintergrund immer noch Defizite etwa in Lesekompetenz oder Mathe haben. Was also brauchen diese Kinder? – Sie brauchen zusätzliche Hilfssysteme. Da muss ich einfach feststellen: Guter Ganztag kann genau diese Hilfe geben, kann Kinder da auffangen. Also, mehr guter Ganztag!

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was brauchen wir weiter? – Wir brauchen kostenfreie Bildung für die Eltern. Es kann nicht sein, dass Familien Unsummen für Schulmaterialien ausgeben müssen.

Wir haben am Anfang des Schuljahres eine Pressekonferenz gemacht. Mein Kollege Martin Güll hat mal zusammengerechnet: Familien zahlen am Schuljahresanfang über 300 Euro für die Schulutensilien. Dazu kommt noch eine Menge weiterer Dinge, die man im Laufe des Jahres braucht. Für Alleinerziehende ist das viel Geld. Ich bin der Meinung, wir brauchen Lernmittelfreiheit.

Gleiches gilt für den Schulweg. Der Schulweg muss für die Eltern kostenfrei sein. Es kann nicht sein, dass die Schüler ab der 11. Klasse und die Berufsschüler für ihre Tickets selber zahlen müssen. Ich bin davon gerade selbst betroffen, und ich kann Ihnen sagen: 50 Euro im Monat sind da schnell mal zusammen. Das ist für Familien viel Geld. Das ist für Alleinerziehende viel Geld. Liebe Kolleginnen und Kollegen, deswegen müssen wir hier etwas ändern.

(Beifall bei der SPD)

Beim Mittagessen geht es weiter. Ich persönlich halte es für einen Skandal, dass bei uns in Bayern nicht alle Kinder ein gesundes Mittagessen bekommen. Ich bin mit meiner Kollegin in den letzten Sommerferien durch ganz Bayern gereist, und wir haben uns die Verpflegung an den Schulen angeschaut. Ich kann Ihnen sagen: Da gibt es noch wahnsinnig viel Nachholbedarf. Es klappt eben nicht allerorts, dass die Kinder, die sich das nicht leisten können, automatisch am Schulessen teilnehmen. Das klappt eben nicht. Wir haben hier Nachholbedarf. Ich kann Ihnen nur raten, den Blick nach Rheinland-Pfalz oder NRW zu richten. Dort gibt es Programme für Kinder, sodass alle Kinder teilnehmen können. In NRW gibt es

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

zum Beispiel das Projekt "Alle Kinder essen mit", und entsprechende Programme brauchen wir auch in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Es geht damit weiter, dass Schule qualitativ hochwertig sein muss und Schulen nicht alleingelassen werden dürfen; dazu habe ich schon eine Menge gesagt.