Protokoll der Sitzung vom 30.01.2018

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Wo stehen wir? – Frauen können wählen, Frauen können gewählt werden, und wir haben hier einige Frauen im Präsidium des Landtags, auf der Regierungsbank, wenn sie denn mal da wären. Das heißt: Prinzipiell gibt es eine Gleichberechtigung. Wenn wir uns aber im Plenum umschauen, stellen wir fest: Auf jede Frau, die hier sitzt, kommen, wenn sie sich nach links und rechts umguckt, im Schnitt zweieinhalb Männer. Das hat mit Gleichberechtigung nicht wirklich etwas zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nur 28 % der Abgeordneten hier sind weiblich. Im Bundestag schaut es ähnlich trist aus: Dort sind 30,7 % der Abgeordneten weiblich. Das war schon mal wesentlich besser. In den Kommunen sind nicht mal 10 % aller kommunalen Wahlbeamten Frauen. Diese Zahlen zeigen nach hundert Jahren Frauenwahlrecht: Der Fortschritt ist eine Schnecke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der politischen Mitbestimmung durch Frauen geht es sogar wieder rückwärts, wenn wir betrachten, dass der Anteil von Frauen im Bundestag schon einmal viel größer war.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Das ist beunruhigend!)

Ich finde die Bilanz nach hundert Jahren Frauenwahlrecht wirklich erschreckend, und bei der Unruhe hier im Plenum muss ich sagen: Als die Neandertaler noch

in ihren Höhlen der Fränkischen Schweiz lebten, galt es vielleicht als okay, dass man im Hinblick auf das Frauenwahlrecht so reagiert hat. Heutzutage sollte das aber nicht mehr der Fall sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir reden über ein ganz wichtiges Grundrecht. Wir brauchen gar nicht bei "#Me Too" und solchen Dingen anzufangen, wir brauchen uns bloß zu überlegen, wo die realen Benachteiligungen für Parlamentarierinnen hier im Landtag sind, wenn sie immer die Minderheit stellen und ihre Lebenswirklichkeit in den Abstimmungen marginalisiert wird. Wie hart die letzten Jahre waren, sehen wir auch in der Ausstellung "Parlamentarierinnen" hier im Landtag. Der Weg ist wirklich noch ganz, ganz weit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei optimistischer Betrachtung des Frauenanteils in Parlamenten sind Frauen in hundert Jahren vielleicht so weit, dass sie endlich einen Anteil von fifty–fifty in den Parlamenten stellen. Es geht also nicht mit freiwilligen Maßnahmen. Wir brauchen endlich ein faires Wahlrecht, das Frauen nicht strukturell benachteiligt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da muss ich sagen: Mir reicht’s – und nicht nur mir. Es reicht auch vielen anderen Frauen im Landesfrauenrat, in allen wichtigen Frauenorganisationen, dem Aktionsbündnis Parité in den Parlamenten und vor allem allen wichtigen politischen Kommentatorinnen und Kommentatoren in den Leitmedien. Sie haben alle nach der Bundestagswahl wirksame Maßnahmen zur Steigerung des Frauenanteils gefordert. Und das sollten wir hier im Parlament endlich würdigen und uns damit auseinandersetzen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich finde, es ist eine Schande, dass das Parlament mit dem höchsten Frauenanteil nicht hier ist, sondern in Ruanda. In Ruanda gab es nach dem schrecklichen Genozid in den Neunzigerjahren Versuche, die Demokratie wirklich neu zu etablieren, neu zu ordnen. Da war eine Frauenquote ganz selbstverständlich. Mittlerweile gibt es dort sehr viel mehr Frauen, als die Quote fordert – weil die Frauenquote dazu geführt hat, dass Frauen in der Politik einfach als selbstverständlich wahrgenommen wurden. Der Generalsekretär der Interparlamentarischen Union sagt dazu: Die Mentalität hat sich verändert. – Das würde ich mir auch für den Landtag hier wünschen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frankreich arbeitet auf allen politischen Ebenen auch sehr erfolgreich mit dem Parité-Gesetz. Wir brauchen gar nicht so weit zu gehen wie bis nach Ruanda. Es gibt auch andere Bundesländer, in denen das Thema angegangen wird. Thüringen hat zum Beispiel entsprechende Initiativen ergriffen. Schauen wir nach Baden-Württemberg; da war es sogar im Koalitionsvertrag. Es ist wirklich eine Schande, wie dort damit umgegangen wird. Ihre Schwesterpartei, die CDU, lässt lieber eine Koalitionskrise zu, als den Frauenanteil im Parlament endlich anzuheben.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Frauen sind dort doch ganz oben, an der Spitze!)

Wenn man lieber die Koalition beinahe platzen lässt, um Frauen aus dem Parlament rauszuhalten, als den Frauenanteil anzuheben, muss ich sagen: Das spricht an dieser Stelle wirklich Bände.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kolleginnen und Kollegen, es geht um sinnvolle Repräsentanz für die Hälfte der Bevölkerung. Wir leben nun mal in einer repräsentativen Demokratie. – Frau Guttenberger, Sie haben im Verfassungsausschuss gesagt: Die Abgeordneten sind verpflichtet, dem ganzen Volk zu dienen. – Aber ich habe das Gefühl, wenn ich das so anschaue: Für Ihre Partei besteht das ganze bayerische Volk zu vier Fünfteln aus Männern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auf anderer Ebene haben Sie schließlich auch kein Problem mit Quoten. In Oberbayern gibt es 29 Stimmkreise; mein Bezirk Mittelfranken hat 12 Stimmkreise. Kein Mensch regt sich darüber auf, dass es einen Regionalproporz und Regionalquoten gibt – im Gegenteil: Alle erkennen an, dass wir zusehen müssen, dass alle ordentlich repräsentiert sind. Offensichtlich ist der Regionalproporz wichtig, der Frauenanteil aber nicht.

Ich fasse zusammen. Wir brauchen endlich ein faires Wahlrecht, und dazu braucht es keine komplette Neuordnung. Beispielsweise würde es reichen, Listen zu quotieren, wie es bei GRÜNEN und bei der SPD gemacht wird. Über die Frage, wie das verfassungsmäßig gemacht werden kann, können wir gerne diskutieren; da finden wir sicherlich einen Weg.

Frau Kollegin!

Damit wir effektive Mittel finden, um Frauen angemessen an der Politik zu beteiligen – das müssen wir alle wollen –, bitte ich Sie: Stimmen Sie unserem Antrag zu; es ist wirklich nicht schwer. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Osgyan. – Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Kollegin Guttenberger. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die geltenden Bestimmungen über die Aufstellung der Wahlvorschläge sind verfassungskonform. Bei den formalen Anforderungen wird nicht danach unterschieden, ob Männer oder Frauen kandidieren, und niemand wird seines Geschlechtes wegen benachteiligt oder bevorzugt. Vielmehr wird in unserem Wahlsystem die Möglichkeit, sich zu bewerben und aufgestellt zu werden, geschlechtsunabhängig geregelt. Auch wenn Sie hier etwas anderes suggerieren wollen, verletzt das derzeit geltende Wahlrecht weder die Wahlrechtsgleichheit noch die Wahlvorschlagsfreiheit. Es besteht auch keine verfassungsrechtliche Pflicht, eine sogenannte Parité-Regelung einzuführen. Ich würde sogar sagen, dass eine Regelung, wie Sie sie fordern, in hohem Maße verfassungsrechtlich bedenklich ist. Das Grundgesetz bestimmt neben den Grundsätzen der freien und gleichen Wahl, dass Parteien und Wählervereinigungen im Vorfeld die Bewerberinnen und Bewerber frei aufstellen können. Es gibt diese Parteienfreiheit. Zu einer Partei gehört es, dass sie an Wahlen und Abstimmungen teilnimmt, dass sie dabei auch frei ist, wen sie in diese Positionen entsendet. Ob sie hierbei einem Regionalproporz oder was auch immer folgt, entscheidet die Partei. So weit zur Parteienfreiheit.

Die Partei entscheidet auch neutral und geschlechtsunabhängig. Was Sie hier fordern, wäre ein sehr starker Eingriff in diese Parteienfreiheit. Es wäre auch eine Einschränkung und eine Benachteiligung. Betrachten wir unser Wahlsystem: Es gibt Direktkandidaten, es gibt Stimmkreiskandidaten. Wenn Sie sagen würden, in einem Stimmkreis darf nur der Bewerber X kandidieren, sonst wäre eine Frau zu viel, oder es darf nur die Bewerberin Y kandidieren, sonst wäre ein Mann zu viel, wäre das mit der Freiheit und der Chancengleichheit und mit dem Diskriminierungsverbot nicht in Einklang zu bringen.

Auch die sogenannte binomiale Lösung, die immer wieder genannt wird, also ein Zwang, auf eine Position für ein Direktmandat sowohl einen Mann als auch eine Frau zu nominieren, wie das in Frankreich der Fall ist, ist unserem Wahlsystem fremd. Vielmehr haben wir hier eine Aufgliederung nach Direktwahl und Listenwahl. Die Stimmen aus der Direktwahl entscheiden bei der Liste wiederum darüber, welche Rangfolge die Bewerber einnehmen. Dieses soge

nannte Reißverschlussverfahren ist somit auch nicht zielführend.

Frau Osgyan, ich sage es jetzt einmal ganz spitz: Alle Parteien, die ein Reißverschlussverfahren anwenden, müssen letztlich damit leben, wenn die Bürgerinnen und Bürger eine andere Entscheidung treffen und sich nicht an das Reißverschlussverfahren halten. Die Ergebnisse weichen im Rahmen einer freien und gleichen Wahl davon ab; sie gehen vom Träger aller Staatsgewalt aus, nämlich den Bürgerinnen und Bürgern, den Trägern unserer Demokratie. Das muss auch in Zukunft so möglich sein.

Auch wir möchten mehr Frauen in den Parlamenten. Gerade mir als Funktionärin der Frauen-Union ist es ein wichtiges Anliegen, Frauen verstärkt in diese Positionen zu bringen. Der Weg, den Sie vorschlagen, ist, gelinde gesagt, schlecht oder – sagen wir es noch drastischer – völlig ungeeignet. Wir werden Ihren Antrag deshalb ablehnen, weil wir die Vorschläge erstens nicht für verfassungsgemäß halten und weil wir zweitens der Ansicht sind, dass wir zwar mehr Frauen wollen, das aber nicht der richtige Weg dorthin ist.

Was dem Fass den Boden ausschlägt, ist die Tatsache, dass die Staatsregierung aufgefordert werden soll, darauf hinzuwirken, dass die Wahlchancen von Frauen verbessert werden. Also bitte! Was geht es denn in einem Land, das die Freiheit der Parteien, sich an Wahlen und Abstimmungen zu beteiligen, bestimmt, die Staatsregierung an, wer wen wann wo und wie aufstellt? Dieser Weg ist überhaupt nicht gangbar, dass sozusagen die Exekutive der Legislative vorschreibt, wie sie sich nach den Wahlen zusammensetzen soll. Auch das ist ein Grund, warum wir diesen Antrag ablehnen.

Ich sage es noch einmal, damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Auch wir wollen mehr Frauen. Wir versuchen, dies auf den verschiedensten Wegen zu erreichen. Der von Ihnen vorgeschlagene Weg ist aber der absolut falsche. Im Übrigen hat auch der Bayerische Landtag – –

(Katharina Schulze (GRÜNE): Was sind Ihre konkreten Vorschläge?)

Jetzt habe ich das Wort!

(Beifall bei der CSU)

Der Bayerische Landtag hat im Rahmen seiner Beschlussfassung zu der Frage, ob er sich an der Popularklage für mehr Parité in den Parlamenten beteiligt, klargestellt, dass er sich zwar beteiligt, dies aber nicht unterstützt, sondern für den falschen Weg hält. Der Landtag wird, wenn er konsequent ist, also nicht be

grüßen können, dass diese Aktivitäten zu unterstützen sind. Das ist noch ein Grund, warum wir Ihrem Antrag nicht Folge leisten werden.

Einen kleinen Moment bitte, Frau Kollegin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, die CSU-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Das ist hiermit bekannt gegeben.

(Horst Arnold (SPD): Aber paritätisch!)

Frau Kollegin Guttenberger, die Kollegin Osgyan hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Bitte sehr.

Frau Kollegin Guttenberger, Sie haben ganz viel über die Verfassungsmäßigkeit einer Popularklage gesagt. Darüber haben wir an anderer Stelle ausführlich debattiert. Darum geht es in unserem Antrag gar nicht.

Ich möchte Sie Folgendes fragen: Bestreiten Sie, dass die Staatsregierung ein Recht hat, zum Beispiel einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem das Wahlrecht geändert wird? Sie sagen ständig, man könne sich nicht einmischen, wie die Parteien ihre Kandidaten aufstellen. Es ist doch gang und gäbe, dass die Richtlinien für ein Wahlrecht von der Regierung mit einem Gesetzentwurf geändert werden können. Das kann auch der Landtag machen. Ich musste mich über Ihre Äußerung gerade sehr wundern.

Der andere Punkt ist: Haben Sie denn irgendwelche Vorschläge, wie man die Benachteiligung von Frauen an dieser Stelle beenden könnte? Man begrüßt zwar, dass mehr Frauen in die Parlamente kommen, aber geht ordnungsrechtlich an der Stelle nicht vor. Mich würde interessieren, welchen konkreten Vorschlag Sie haben, wie man das anders lösen könnte.

Sie sagen, es sei nicht verfassungsgemäß. Wir können uns doch nicht darüber streiten, ob es verfassungsgemäß ist, Vorschläge vorzulegen, wie das Wahlrecht geändert werden soll, damit mehr Chancengerechtigkeit erreicht wird. Nichts anderes wollen wir mit unserem Antrag. Natürlich können die Bürgerinnen und Bürger die Wahllisten verändern. Das ist in allen Ländern der Welt so, in denen es Parité-Gesetze gibt. Das will gar niemand bestreiten. Ich bitte Sie: Machen Sie einmal einen konstruktiven Vorschlag, und nehmen Sie zum Thema Stellung. Ich würde mich darüber freuen.

(Beifall bei den GRÜNEN)