Protokoll der Sitzung vom 30.01.2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Pannenmeiler Gundremmingen gehört abgeschaltet – je früher, desto besser! Der letzte Fall in einer langen Kette von Unregelmäßigkeiten in Gundremmingen ist der Einsatz von Brennelementen, die die atomrechtlichen Anforderungen nicht erfüllen. Was war denn passiert? – Die französische Herstellerfirma hatte aufgrund eines Computerfehlers jahrelang fehlerhafte Brennelemente ausgeliefert und fehlerfreie aussortiert – und keiner hat es gemerkt: ein Skandal!

Es ist schon peinlich genug, dass die Atomaufsichtsbehörde erst durch eine Recherche des Schweizer Fernsehens auf diesen Vorfall aufmerksam gemacht wurde. Noch peinlicher aber ist das unterschiedliche Verhalten der Atomaufsichtsbehörden. In der Schweiz wurden während einer Revision diese Brennelemente umgehend ausgetauscht. Die Revision wurde deutlich verlängert, und der Reaktor ging erst nach drei Monaten wieder in Betrieb – mit korrekten Brennelementen.

Und was ist in Bayern passiert? – Keine auch nur annähernd konsequente Aktion! Im Gegenteil: Der Einsatz der nicht geeigneten Brennelemente wird bis heute geduldet. Der Reaktor läuft in nicht genehmigtem Zustand. Es kann natürlich sein, dass das wieder keine Folgen haben wird. Mit Glück passiert wieder nichts. Aber wollen wir dieses Glück wirklich schon wieder herausfordern? Wir sagen Nein!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Ministerium gilt aber offensichtlich die Devise: nur keine Konsequenzen, die dem Betreiber einen wirtschaftlichen Nachteil bringen könnten! Das scheint die Richtschnur im Ministerium zu sein. Wir halten den Umgang des zuständigen Referats der bayerischen Atomaufsicht mit dem Reaktor in Gundremmingen für sehr fahrlässig – sowohl bei den vielen Ereignissen im Betrieb als auch bei der grundsätzlichen Bewertung des Reaktors, insbesondere was die Sicherheit bei Angriffen von außen und beim Notkühlsystem angeht. Wir halten darum eine externe und interne Überprüfung der Vorgänge in diesem Referat für sinnvoll und notwendig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir halten das für so notwendig, wie wir es in unserem Antrag ausgeführt haben. Wir bitten deshalb um Ihre Zustimmung zu Sicherheit für die bayerische Bevölkerung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was den Antrag der SPD angeht, so stimmen wir dem gerne zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Woerlein für die SPD-Fraktion. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Am 31. Dezember 2017 wurde Block B des AKW Gundremmingen planmäßig vom Netz genommen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Okay!)

Wir haben aber keinen Grund und kein Recht, uns erleichtert zurückzulehnen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Oje!)

Nach der bisherigen Planung soll Block C erst zum Jahresende 2021 abgeschaltet werden. Wenn wir an dieser Planung festhalten wollen, muss die Sicherheit der Bevölkerung für den noch ausstehenden Zeitraum gewährleistet sein.

Ich will Ihnen gerne erläutern, warum ich die Sicherheit gefährdet sehe. Es sind in erster Linie drei Faktoren: Erstens, der aktuell zu diskutierende Fall der defekten Hüllrohre der Firma Areva. Zweitens, die enorme Häufung von sicherheitsrelevanten Vorkommnissen in der laufenden Legislaturperiode. Drittens, das Krisenmanagement und die mangelhafte Informationspolitik der Betreiber sowie die ausgesprochen betreiberfreundliche Ausübung der Atomaufsicht.

Erstens, zu den defekten Hüllrohren: Am 21. November 2017 wurden erstmals Mängel an einigen Brennstäben bekannt. Laut dem Schweizer Sender SRF wurden bei der Firma Areva undichte Hüllrohre für Brennelemente hergestellt, die in den Produktionsprozess gelangten, statt ausgemustert zu werden. Die fehlerhaften Hüllrohre wurden unter anderem auch im Kernkraftwerk Gundremmingen verbaut. Während das schweizerische AKW Leibstadt abgeschaltet wurde – Kollegin Steinberger hat das bereits erläutert –, sieht man dazu beim Betreiber des AKW Gundremmingen keine Veranlassung; auch nicht zum Austausch.

Am 28. November 2017 habe ich den heute auf der Tagesordnung stehenden Dringlichkeitsantrag gestellt, um sicherzustellen, dass die fehlerhaften Hüllrohre ausgetauscht werden. Dieser Antrag wurde am 30.11.2017 im Umweltausschuss abgelehnt. Ich hätte auf jeden Fall erwartet, dass der Betreiber die defek

ten Hüllrohre für Brennelemente austauscht. Wenn der Betreiber hierzu nicht bereit ist, ist es die ureigene Aufgabe der bayerischen Aufsicht, die das Umweltministerium ausübt, für einen Austausch zu sorgen.

Zweitens, zur Häufung sicherheitsrelevanter Vorkommnisse: Sicher ist nur das Risiko – so können die Ereignisse der letzten Jahre zusammengefasst werden. In der laufenden Legislaturperiode beschäftigte sich der Landtag ständig mit sicherheitsrelevanten Vorkommnissen im AKW Gundremmingen. Im März 2015 bauten Handwerker bei Instandhaltungsarbeiten nicht die Armatur am abgeschalteten Reaktor, sondern die Armatur am laufenden Reaktor aus – und lösten eine Schnellabschaltung aus. Im November 2015 stürzte bei einer Umlagerung im Abklingbecken ein Brennstabbündel circa 4 Meter ab. Purer Zufall verhinderte Schlimmstes. Im April 2016 wurden Computerviren auf einem ungeschützten Computer und auf 18 Wechseldatenträgern entdeckt. Die IT-Sicherheitsvorkehrungen waren dilettantisch. Im Juni 2017 stellten Prof. Manfred MertinsundObergutachter Lothar Hahn, ehemaliger Vorsitzender der Reaktorsicherheitskommission, fest, dass in Gundremmingen ein Zwischenkühlkreislauf fehle und dass das AKW damit nicht den geltenden Sicherheitsbestimmungen entspreche.

Drittens, zur Informationspolitik der Betreiber und der Atomaufsicht: Beim aktuellen Fall der Hüllrohre war es der 21. November 2017, an dem die Öffentlichkeit durch den Schweizer Fernsehsender von diesem Mangel erfuhr. Im Umweltausschuss räumte Ministerialrat Ludwig Wiedenmann vom Umweltministerium ein, bereits Anfang November von dem Mangel gewusst zu haben.

Dies ist kein Einzelfall, sondern leider ist es die Regel, dass wir Abgeordnete von den Medien über Missstände informiert werden. Erst dann findet auf Antrag der Oppositionsparteien eine Aussprache im Umweltausschuss statt. Auch kann ich als Mitglied des Umweltausschusses die in der Begründung ihres Antrags getroffene Einschätzung durch die Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vollumfänglich bestätigen, dass das Verhalten der zuständigen Referenten im Bayerischen Umweltministerium durchaus als betreiberfreundlich eingestuft werden kann. Dass die defekten Hüllrohre im AKW Gundremmingen ausgetauscht werden müssen, ist völlig unstrittig. Die Reaktion der Schweizer Atomaufsicht muss für Bayern Maßstab sein. Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag und zum Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, und ich appelliere an den designierten Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern: Herr Söder, machen Sie doch diese Sache zur Chefsache, und sorgen Sie für ein sicheres AKW Gundremmin

gen! Sorgen Sie für einen Austausch der defekten Hüllrohre, oder noch besser: Schalten Sie den verbliebenen Block C ab, und ziehen Sie den Schlussstrich unter das Kapitel "Atomkraft in Bayern"!

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön, Kollege Woerlein. – Die nächste Wortmeldung kommt vom Kollegen Ritt. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Vier Wochen ist es her, dass der Block B, einer der beiden aktiven Reaktoren im Kernkraftwerk Gundremmingen, endgültig abgeschaltet worden ist.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Ein grüner Erfolg!)

Und kaum vier Wochen später starten Kollegen der GRÜNEN und der SPD wieder einen Versuch, das Kernkraftwerk Gundremmingen als Teufelswerk zu verunglimpfen

(Thomas Gehring (GRÜNE): C folgt auf B! Das springt dann über!)

und damit unsere Bürgerinnen und Bürger bis ins Mark zu verunsichern. Und wieder, jetzt schon zum dritten Mal, darf ich vor diesem Hohen Hause festhalten: Das KKW Gundremmingen erfüllt alle sicherheitstechnischen Anforderungen und trifft ausreichende Maßnahmen zur Einhaltung der Sicherheitsziele. Insbesondere im internationalen Vergleich werden höchste Sicherheitsstandards eingehalten und ausländische Anlagen oftmals weit übertroffen; denn die Sicherheit ist oberstes Gebot für die bayerische Atomaufsicht. Und so gibt es bei der atomrechtlichen Aufsicht über das KKW Gundremmingen keine Sicherheitsrabatte. Das gilt selbstverständlich auch für den Einsatz von Brennelementen. Für den Betrieb von Kernkraftwerken muss jederzeit die erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen werden. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, war und ist für uns jederzeit gegeben. Unmittelbar nach Bekanntwerden des besagten Qualitätsfalls hat die bayerische atomrechtliche Aufsichtsbehörde unverzüglich eine sicherheitstechnische Bewertung veranlasst und selbst vorgenommen. Das Ergebnis: Die vier im Block C des Kernkraftwerks eingesetzten, vom Qualitätsfall beim Hersteller betroffenen Brennstäbe sind absolut befundfrei, sowohl hinsichtlich der an den Hüllrohren durchgeführten Wirbelstromprüfung als auch hinsichtlich der am fertigen Brennstab durchgeführten Dichtheitsprüfung.

Auch für die bei der Ultraschallprüfung aufgetretenen Abweichungen hat die Aufsichtsbehörde unverzüglich

eine sicherheitstechnische Bewertung vom Betreiber bzw. Hersteller eingeholt. Die Bewertungen wurden dann augenblicklich durch den vom Ministerium beauftragten Sachverständigen – TÜV Süd – geprüft. Das Ergebnis: Gegen den weiteren Einsatz der betroffenen Brennelemente bestehen keine Bedenken, und Brennstabdefekte sind aufgrund des beschriebenen Qualitätsfalls nicht zu befürchten. Gegen den Betrieb des Blocks C mit dem derzeitigen Kern bestehen somit keine sicherheitstechnischen Bedenken. Eine aufsichtliche Anordnung zum Abfahren des Blocks C ist in keinster Weise zu rechtfertigen, zumal das Kernkraftwerk Gundremmingen für den Betrieb mit Brennstabhüllrohrschäden ausgelegt ist. Im Gegenteil, sie wäre sogar rechtswidrig. Die eben dargestellte Vorgehensweise ist nach Atomgesetz ausschließlich unter gesetzlichem ferntechnischem Regelwerk zulässig. Die Vorwürfe gegen die bayerische Atomaufsicht, so geschehen im Antrag der GRÜNEN, entbehren jeglicher Grundlage. Zudem handelt es sich bei den angeführten Vorkommnissen im Kernkraftwerk Gundremmingen durchweg um Ereignisse der INES-Stufe null, das heißt mit keiner oder nur sehr geringer sicherheitstechnischer Bedeutung.

Nun zum Antrag der SPD: Bei der beim Brennelementehersteller Areva in den vergangenen Jahren vereinzelt aufgetretenen fehlerhaften Zuordnung von Prüfdatensätzen bei der Hüllrohrfertigung handelt es sich um einen anlagenunspezifischen Qualitätssicherungsfall der Firma Areva. Im Kernkraftwerk Gundremmingen sind nur vier der circa 70.000 im Kern des Blocks C eingesetzten Brennstäbe betroffen. Diese vier Brennstäbe waren und sind dicht. Im Gegensatz zu Leibstadt, das Sie vorher aufgezählt haben, Frau Kollegin Steinberger, reden wir hier von 28 Brennstäben, nicht von 4 wie in Gundremmingen. Außerdem, Herr Kollege Woerlein, ist Leibstadt nicht abgeschaltet worden, wie Sie vorher ausgeführt haben,

(Herbert Woerlein (SPD): Nein, das war eine Revision!)

sondern Leibstadt ist in die Revision gegangen.

(Herbert Woerlein (SPD): Ja, genau!)

Es waren im Gegensatz zu Gundremmingen 28 Brennstäbe. Die Brennstäbe sind in zwei Brennelementen eingesetzt und bereits im fünften Zyklusjahr, das heißt betriebsbewährt ohne Hinweis auf einen Defekt im Einsatz. Gegen den weiteren Einsatz der vier Brennstäbe bestehen somit keine sicherheitstechnischen Bedenken.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die bayerische atomrechtliche Aufsicht im Ministerium hat durchweg alle Ereignisse unter Hinzuziehung des

Sachverständigen TÜV Süd sofort einer sicherheitstechnischen Bewertung unterzogen. Alle erforderlichen Sofortmaßnahmen wurden ergriffen. Es wurden unverzüglich Untersuchungen zu den Ursachen aufgenommen und die entsprechenden Maßnahmen gegen Wiederholung veranlasst. Zudem ist das Kernkraftwerk Gundremmingen wie bereits erwähnt für den Betrieb mit Brennstabhüllrohrschäden ausgelegt, da solche beim Betrieb von Kernkraftwerken grundsätzlich nicht auszuschließen sind. Hierfür bestehen entsprechende Rückhalteüberwachungseinrichtungen und ein Mehrfachbarrierenkonzept. Entscheidend ist die Einhaltung der im Betriebshandbuch und in der Betriebsgenehmigung festgelegten Grenzwerte. Dies wird laufend überwacht, insbesondere auch behördlich durch das Landesamt für Umwelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, anstatt Hysterie und kurzsichtigen Denkens empfehle ich Ihnen den "Welt"Artikel "Am 15. Januar 2020 droht Deutschland der Strom auszugehen". Dieser Artikel ist erst vor wenigen Tagen in der "Welt" veröffentlicht worden. Die vier großen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW haben in ihrem Bericht der deutschen Übertragungsnetzbetreiber zur Leistungsbilanz von 2016 bis 2020 voraussichtliche Stromeinspeisungen und den Stromverbrauch gegenübergestellt und einen Stichtag und eine Uhrzeit gewählt, zu dem bzw. zu der erwartungsgemäß der höchste Deckungsbedarf und der niedrigste Speicherwert im Stromnetz herrschen. Sie prognostizieren, dass am 15. Januar 2020 um 19.00 Uhr Deutschland nicht mehr in der Lage sein könnte, Extremsituationen im Stromnetz selbst zu bewältigen. Derzeit kann die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet werden. Noch erzeugen konventionelle Energieträger zwei Drittel des Stroms hierzulande und sorgen dafür, dass die Lichter an bleiben. Ich frage Sie also: Wie wollen Sie unseren Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass sie zu gegebenen Zeiten auf Strom verzichten und damit ihren Lebensstandard stark einschränken müssen?

(Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER): Das ist völlig unseriös, was Sie da machen! So ein Schmarrn! Da spielen Sie mit der Angst der Menschen! So ein Blödsinn! Fachlich total daneben!)

Und all dies nur, weil Sie die unüberlegte, fachlichsachlich komplett unbegründete und zudem rechtswidrige Abschaltung von Gundremmingen fordern.

Wir werden dem Antrag nicht zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU – Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER): Nichts gelernt!)

Moment, Herr Kollege Ritt! – Wir haben zwei angemeldete Zwischenbemerkungen. Zunächst Frau Kollegin Kamm, dann Herr Kollege Scheuenstuhl. Frau Kamm, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Rüth, zu meinem großen Erstaunen höre ich aus Ihren Wortmeldungen, dass Sie den beschlossenen Atomausstieg offenbar rückgängig machen wollen und ein Plädoyer für das Weiterlaufen der Atomkraftwerke in Bayern halten. Ist das wirklich Ihre Meinung? Ist das die Meinung der CSU-Fraktion? Ist das die Meinung der Umweltministerin des Freistaates Bayern? Das hätte ich gern als Erstes gewusst.

Das Zweite: Sie berufen sich immer wieder auf eine zu Recht als relativ betreiberfreundlich bezeichnete Atomaufsicht und auf irgendwelche Sicherheitsüberprüfungen der Betreiber. Ich denke, gerade bei so etwas Hochriskantem wie der Atomenergie muss man ein drittes Auge haben. Vor diesem Hintergrund frage ich Sie einfach, ob Sie sich in Ihrem Leben schon einmal auch mit kritischen Studien auseinandergesetzt haben. Haben Sie zum Beispiel die Kinderkrebsstudie in Bezug auf das Atomkraftwerk Gundremmingen gelesen bzw. zur Kenntnis genommen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Kamm, das sollte nicht – wie Sie mir unterstellen – ein Plädoyer für den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke sein.