Protokoll der Sitzung vom 27.02.2018

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 125. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir mit der Tagesordnung beginnen, darf ich noch einen Geburtstagsglückwunsch aussprechen. Heute feiert Herr Kollege Dr. Christoph Rabenstein seinen Geburtstag.

(Allgemeiner Beifall)

Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg für Ihre parlamentarischen Aufgaben.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich habe noch eine Begrüßung vorzunehmen. Auf der Tribüne darf ich hochrangige Mitglieder der Assemblée Nationale du Québec unter der Leitung von Herrn Präsidenten Jacques Chagnon begrüßen. Mit ihm zu Gast im Bayerischen Landtag sind die Vizepräsidenten der Delegation der Nationalversammlung für die Beziehungen mit Bayern, Herr Stéphane Bergeron und Herr André Lamontagne, sowie die Abgeordneten Frau Nicole Ménard und Frau Filomena Rotiroti.

Québec und Bayern verbinden seit vielen Jahren eine enge Freundschaft und eine Partnerschaft, die auf parlamentarischer Ebene zurückreicht bis ins Jahr 1999 und sowohl auf dieser als auch auf Ebene der Exekutive regelmäßig intensiv gepflegt wird. Auf Regierungsebene unterzeichneten nach längeren bilateralen Beziehungen, die noch auf Franz Josef Strauß zurückgehen, im Jahr 1989 der damalige bayerische Ministerpräsident Max Streibl und der Premierminister von Québec Robert Bourassa ein Kooperationsabkommen, dessen 25-jähriges Bestehen 2014 mit gemeinsamen Aktionen und gegenseitigen Besuchen gefeiert werden konnte.

Deshalb freuen wir uns über die Anwesenheit unserer Gäste, die bereits am Wochenende in Bayern eingetroffen sind und in den vergangenen Tagen erste kulturelle und fachliche Programmpunkte im Allgäu absolvieren konnten. Heute Vormittag begannen nun die Arbeitsgespräche der 11. Sitzung der gemischten parlamentarischen Kommission Bayern – Québec, die morgen und übermorgen mit Mitgliedern des Präsidiums, Vertretern der Fraktionen und der Ausschüsse fortgesetzt werden. Ebenfalls heute Vormittag wurde im Übrigen der Präsident der Assemblée Nationale du Québec und Leiter der Delegation Jacques Chagnon für seine Verdienste um die Zusammenarbeit über die Kontinente hinweg mit der Bayerischen Verfassungs

medaille in Gold ausgezeichnet. Dazu dürfen wir auch von dieser Stelle aus noch einmal herzlich gratulieren.

(Allgemeiner Beifall)

Wir heißen Sie als Gäste der Plenarsitzung hier im Hohen Haus herzlich willkommen und freuen uns auf den weiteren intensiven freundschaftlichen Gedankenaustausch mit Ihnen. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen und erfolgreichen Aufenthalt in München und dann eine gute Heimreise am Wochenende nach Québec. Alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Wir kommen nun zur Tagesordnung.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Aus den Fehlern des GBW-Deals des Finanzministers lernen! Bayerische Verfassung ernst nehmen! Jeder muss sich ein Dach über dem Kopf leisten können!"

Die Regeln der Aktuellen Stunde sind bekannt. Die fraktionslosen Abgeordneten Claudia Stamm, Günther Felbinger und Alexander Muthmann können jeweils bis zu zwei Minuten sprechen. – Als erste Rednerin rufe ich die Frau Kollegin Kohnen von der SPD auf. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über Heimat. Heimat ist etwas sehr Persönliches. Für manche ist Heimat der Ort, an dem sie geboren sind. Für andere ist es der Ort, an dem sie Arbeit gefunden haben, an dem sie Schutz gefunden haben, an dem sie sich etwas aufgebaut haben. Aber eines gehört für uns alle zu unserer Vorstellung von Heimat: ein Dach über dem Kopf. Heimat heißt, dort leben zu können, wo man das möchte. Wer sich sein Dach über dem Kopf nicht mehr leisten kann, wer aus seinem Stadtviertel vertrieben wird, weil er bei den Mieten nicht mehr mithalten kann, der verliert seine Heimat.

(Beifall bei der SPD)

Jeder in unserem Land muss sich sein Dach über dem Kopf leisten können. Das gilt auch in Würzburg, in Regensburg, in Aschaffenburg oder in München. Das ist nicht nur eine Forderung der SPD; das steht in der Bayerischen Verfassung. Ich zitiere: "Jeder Bewohner Bayerns hat Anspruch auf eine angemessene Wohnung." Wohnen ist also ein Grundrecht. Die Väter und Mütter unserer Bayerischen Verfassung haben

auch festgelegt, wer dafür zu sorgen hat, dass jeder ein Dach über dem Kopf hat. In Artikel 106 steht geschrieben: "Die Förderung des Baues billiger Volkswohnungen ist Aufgabe des Staates und der Gemeinden." Viele Gemeinden in Bayern kommen dieser Verpflichtung nach. Wenn also in Bayern Wohnungen fehlen und der Freistaat nicht baut, dann verstößt die Staatsregierung gegen die Bayerische Verfassung.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Verstoß gegen die Verfassung ist Realität. Von 100 Wohnungen, die bei uns in Bayern gebaut werden, sind nur drei oder vier Sozialwohnungen. Nach dem Krieg war es jede zweite Wohnung. Der Bestand an Sozialwohnungen in Bayern hat sich seit 1999 halbiert. Die Landesmittel für den geförderten Wohnungsbau sind auf einem historischen Tiefstand angekommen. Beim Wohnungsbau in Bayern regieren schlichtweg die Kräfte des freien Marktes. Es gibt durchaus einen Teil der Bevölkerung, für den das gut funktioniert; aber das sind die obersten 10 %. Sie können sich die Wohnungen auf Höchstpreisniveau leisten, die auf dem freien Markt im Moment gebaut werden. Die große Mehrheit kann nicht mithalten.

Diese Entwicklung zeichnete sich schon vor Jahren, wenn nicht schon vor Jahrzehnten ab. Deshalb haben wir auch bereits vor Jahren eine staatliche Wohnbaugesellschaft gefordert, damit der Freistaat gemeinsam mit den Kommunen und dem Bund den Wohnungsbau ankurbelt und sich der krassen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt entgegenstellt.

(Beifall bei der SPD)

Denn klar ist: Nur wer Wohnraum schafft, bekommt die Wohnungsnot in den Griff. In dieser dramatischen Entwicklung des Wohnungsmarktes hat die Staatsregierung 2013 wohl die größte Fehlentscheidung der letzten Jahrzehnte getroffen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN – Zuruf von der SPD: Jawohl!)

Die BayernLB musste damals, nach der Finanzkrise, die Wohnbaugesellschaft GBW veräußern. Es ging um die Zukunft von 85.000 Mieterinnen und Mietern in 33.000 Wohnungen. Der Freistaat Bayern hätte diese Wohnungen kaufen können. – Der Freistaat Bayern hätte diese 33.000 Wohnungen kaufen müssen!

(Widerspruch bei der CSU)

(Beifall bei der SPD)

Das wäre unter sozialen Gesichtspunkten richtig gewesen.

(Zuruf des Abgeordneten Ernst Weidenbusch (CSU))

Ruhig Blut, Herr Weidenbusch, sonst kriegen Sie noch einen Herzkasper. – Das wäre unter sozialen Gesichtspunkten richtig gewesen; denn es hätte bezahlbare Mieten für 85.000 Menschen bedeutet.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Lieber Herr Weidenbusch, das wäre auch ökonomisch das Richtige gewesen; denn der Wert dieser Wohnungen ist seither gestiegen, und ein hohes Nachverdichtungspotenzial existiert. Die GBW-Wohnungen wären auch der Grundstock für eine staatliche Wohnbaugesellschaft gewesen. Das war unser Ziel.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Ja- wohl!)

Die Staatsregierung wäre dem Auftrag der Bayerischen Verfassung gerecht geworden. Aber der Finanzminister hat es abgelehnt, die GBW-Wohnungen zu erwerben. Und jetzt kommt es: Er hat dabei die Mieterinnen und Mieter belogen. Er hat dabei die bayerische Öffentlichkeit belogen,

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Gar nicht wahr!)

indem er behauptet hat, der Freistaat dürfe die Wohnungen nicht kaufen. Er hat damals die Europäische Union vorgeschoben, und das war erwiesenermaßen die Unwahrheit.

(Beifall bei der SPD)

Und jetzt zu dem Zwischenruf: Der Finanzmister hat es auch abgelehnt, die Wohnungen an die Kommunen zu verkaufen. Ein Zusammenschluss von Kommunen wäre nämlich bereit gewesen zu kaufen. Damit wären die Wohnungen in öffentlicher Hand und die Mieterinnen und Mieter geschützt geblieben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Stattdessen hat der Finanzminister die Wohnungen verscherbelt, und zwar fürs höchste Gebot. Es war ihm schlichtweg wurscht, wer die Wohnungen bekommt und was mit den Mieterinnen und Mietern passiert.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb ging der Zuschlag an ein steuerrechtlich undurchsichtiges Konsortium unter der Führung des Im

mobilienunternehmens PATRIZIA. Bis heute weiß niemand, wer hinter dem Käuferkonsortium steckt. Seinen Sitz hat es wohl immerhin in Luxemburg versteckt. Der Finanzminister ist schlichtweg seiner Sorgfaltspflicht damals nicht nachgekommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage Ihnen eines: Das holt ihn heute ein.

(Zuruf der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU))

Nach wie vor stehen viele Fragen im Raum, und neue sind hinzugekommen. Die Antworten fehlen bisher. Es gibt aus heutiger Sicht zwei Möglichkeiten: Entweder antworten Sie, Herr Finanzminister, oder wir müssen gemeinsam den Fall untersuchen; sonst bleibt ja wohl nichts übrig.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN – Widerspruch bei der CSU)

Wir stehen darüber hinaus heute vor einer grotesken Situation: Derselbe Finanzminister, der 2013 die Wohnungen verscherbelt hat, will jetzt, fünf Jahre später, eine staatliche Wohnbaugesellschaft gründen. Ich sage Ihnen eines: Das ist aus zwei Gründen grotesk. Wer 33.000 Wohnungen verscherbelt und dann angeblich 4.000 neue bauen will,