Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gesetz über den Bürgerbeauftragten des Freistaates Bayern und den Beauftragten für die Bayerische Polizei (Drs. 17/20406) - Erste Lesung
Die Redezeit für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN beträgt zehn Minuten. Ich eröffne zugleich die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich dabei an der Redezeit der stärksten Fraktion. Ich erteile der ersten Rednerin, Frau Kollegin Katharina Schulze, das Wort. Bitte schön, Frau Schulze.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Innenpolitikerin freue ich mich, dass wir gleich in der zweiten Debatte wieder über die Themen Demokratie und Transparenz und über ein innenpolitisches Thema reden; denn wir GRÜNEN bringen heute in Erster Lesung unseren Gesetzentwurf für einen Bürgerbeauftragten des Freistaats Bayern und gleichzeitig für einen Beauftragten für die Bayerische Polizei ein.
Warum machen wir das? – Die Antwort ist relativ einfach. Es hat Sinn, und es ist zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger; denn wir alle wissen: Hier in Bayern haben Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit und das Recht, sich mit Petitionen an den Bayerischen Landtag zu wenden. Dieser ist bei der Bearbeitung der Eingaben auf die Zuarbeit der Staatsregierung und der ihr nachgeordneten Stellen angewiesen. Wir alle, die wir in den Ausschüssen sitzen, wissen, dass bei manchen Petentinnen und Petenten der Eindruck entsteht: Die zu kontrollierenden Stelle nimmt diese
Kontrolle selber vor. Auch gibt es Diskussionen, dauert das Verfahren den Bürgerinnen und Bürgern zu lange, und sie haben manchmal den Eindruck, dass der Petition nicht ordnungsgemäß nachgegangen wird – manchmal gerechtfertigt, sehr oft aber auch nicht.
Aus Sicht der GRÜNEN ist dieses System auf jeden Fall verbesserungswürdig. Deswegen schlagen wir in dieser Ersten Lesung vor, dass wir nach dem Vorbild des Landes Rheinland-Pfalz einen Bürgerbeauftragten vorsehen, also eine unabhängige Behörde einrichten, die für den Landtag die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger bearbeitet und Entscheidungsvorschläge vorlegt.
Vielleicht erinnern sich die Kolleginnen und Kollegen aus dem Innenausschuss noch an den 21.05.2015. Damals hatten wir im Landtag eine Expertenanhörung, zu der auch der Bürgerbeauftragte aus Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard, anwesend war. Dieter Burgard konnte uns sehr gut nahebringen, wie wichtig und sinnvoll solch eine Stelle ist. Er hat vor allem darauf hingewiesen, dass er für Petitionsverfahren viel mehr Zeit hat als wir Abgeordnete, für den Dialog und die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, also um die Akten anzufordern, um mit den Bürgerinnen und Bürgern ein persönliches Gespräch zu vereinbaren und die Petition in Ruhe durchzusprechen. Damit sucht er auch das persönliche Gespräch mit den Petentinnen und Petenten. Ferner hat er Zutritt zu den öffentlichen Einrichtungen. Außerdem bekommt er Akteneinsicht. Das wollen wir in unserem Gesetzentwurf ebenfalls. Ich fand es sehr eindrucksvoll, als der Bürgerbeauftragte aus Rheinland-Pfalz erklärt hat, wie schnell er mit Petitionen umgehen kann, weil er eben ausschließlich dafür zuständig ist. Das ist sein Fulltime-Job. Er ist der Fulltime-Bürgerbeauftragte und kann deswegen oftmals in kurzer Zeit Lösungen erarbeiten, zum Teil innerhalb weniger Tage. Das wäre doch für die Petentinnen und Petenten wunderbar; denn manchmal kann sich die Bearbeitung von Petitionen im Bayerischen Landtag etwas hinziehen.
Das Gleiche gilt für den Beauftragten der Bayerischen Polizei. Wir, die GRÜNEN, haben uns hier ebenfalls an Rheinland-Pfalz orientiert, weil wir deren Modell für sehr klug und ausgewogen halten.
Das Modell ist dort schon seit Jahren in guter Erprobung. Der Bürgerbeauftragte ist dort nämlich gleichzeitig für die Bearbeitung von Beschwerden im Polizeibereich zuständig. Genau das möchten wir auch für Bayern.
Zum einen können sich dann Polizistinnen und Polizisten an den Beauftragten für die Bayerische Polizei wenden, wenn es beispielsweise um innerdienstliche Angelegenheiten geht. Wichtig ist – bevor jetzt irgendjemand aufschreit –, dass von der Einrichtung eines solchen Beauftragten für die Bayerische Polizei natürlich die Möglichkeit der Dienst- sowie Fachaufsichtsbeschwerde unberührt bleibt. Das sind zwei verschiedene Zielsetzungen. Deswegen gibt es natürlich auch zwei Möglichkeiten und zwei Instrumente. Zum anderen können sich ebenso Bürgerinnen und Bürger an so einen Beauftragten für die Polizei wenden, wenn es Beschwerden oder Anregungen bezüglich der Bayerischen Polizei gibt. Bisher gibt es bei der Bayerischen Polizei keine wirklich unabhängige Beschwerdebearbeitung.
Wir, die GRÜNEN, sind fest davon überzeugt, dass das bereits hohe Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Polizei noch weiter gestärkt wird, wenn die Stelle für einen unabhängigen Beauftragten geschaffen wird. Deswegen bringen wir diesen Gesetzentwurf ein. Wir freuen uns sehr auf die Debatte in den Ausschüssen. Wir sind auf die Anregungen der anderen Fraktionen gespannt. Wir freuen uns noch mehr, wenn das Gesetz in der Zweiten Lesung auch verabschiedet wird.
Danke schön, Frau Schulze. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Guttenberger. Bitte schön, Frau Guttenberger.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In Artikel 115 Absatz 1 unserer Verfassung steht: Alle Bewohner Bayerns können sich schriftlich mit Bitten und Beschwerden an die zuständige Behörde oder an den Landtag wenden. Sie schlagen mit Ihrem Gesetzentwurf einen Bürgerbeauftragten vor. Auch wir, die CSU, halten das Amt eines Bürgerbeauftragten für ein ganz wichtiges Amt, um die Stellung der Bürgerinnen und Bürger zu stärken. Wir haben bereits einen Bürgerbeauftragten; er sitzt dort hinten und heißt Klaus Holetschek. In all Ihren Ausführungen ist völlig negiert worden, dass unser Kollege Holetschek inzwischen der Bürgerbeauftragte ist.
Ich sage es einmal ganz direkt: Wir würden ein Konzept dann unterstützen, wenn es dem Bürger einen Mehrwert bringt. Frau Schulze, Sie erzählen uns hier, dass den Angelegenheiten der Petitionen nicht ordentlich nachgegangen würde. Ich halte das offen gesagt für absolut nicht nachvollziehbar. Ich halte es
Wenn die Fakten Ihre Meinung nicht decken, dann muss man diese Fakten letztlich akzeptieren. Sie behaupten hingegen, den Petitionen werde nicht richtig nachgegangen.
(Thomas Gehring (GRÜNE): Das hat sie nicht gesagt! – Katharina Schulze (GRÜNE): Das stimmt doch gar nicht!)
So kann man sicher nicht miteinander umgehen. Sie möchten also in Ihrem Konzept einen Bürgerbeauftragten, der direkt auf die Behörden aller Ebenen, bis zur kleinsten Gemeinde, zugreifen kann, sofern sich das im Kontrollbereich des Landtags befindet. Wie soll denn ein einheitlicher Vollzug gewährleistet werden? Wie soll gewährleistet werden, dass einheitliche Entscheidungen getroffen werden es keine Ungerechtigkeiten gibt? Des Weiteren beinhaltet Ihr Konzept nichts darüber, dass wir in dem Bereich bereits heute eine Repräsentationsfunktion der bayerischen Landtagsabgeordneten haben. Die Bürgerinnen und Bürger Bayerns können sich schon heute via Petitionen oder die Abgeordneten in den Bürgerbüros an alle Stellen dieses Landes wenden. Das erwähnen Sie auch nicht. Sie wollen eine unabhängige Behörde. Damit behaupten Sie indirekt, obwohl Sie ihn herzlos verschwiegen haben, dass unser Bürgerbeauftragter Klaus Holetschek nicht dasselbe Spektrum wie eine Behörde erreichen kann.
Herr Wengert, lassen Sie mir das Wort. – Sie wollen eine Behörde. Wir, die CSU, sagen: Der beste Bürgerbeauftragte ist der, der als aktiver Abgeordneter die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger kraftvoll vertreten und via Staatsregierung kraftvoll auf die jeweiligen Behörden einwirken kann. Das halten wir für das richtige Konzept. Deshalb gibt es den Bürgerbeauftragten, der bei der Staatskanzlei angesiedelt ist und aktiver Abgeordneter ist. Er sitzt bei uns im Plenum. Sie halten eine Behörde für den besseren Weg. Wir halten eine Behörde für den schlechteren Weg. Es ist schon witzig: Einerseits wird zu viel Bürokratie beklagt, andererseits will man neue Behörden schaffen.
Gleiches gilt für den Polizeibeauftragten. Man gewinnt den Eindruck, dass sich weder der Bürger noch der Polizist intern gegen eine polizeiliche Maßnahme wenden könne. Beides ist schlicht falsch. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, sei es über eine Aufsichtsbeschwerde, eine Dienstaufsichtsbeschwerde oder das Klagerecht usw. Das steht im Innenverhältnis sowohl den einzelnen Bediensteten als auch im Außenverhältnis den Bürgerinnen und Bürgern zu. Auch das scheinen Sie mit Ihrem Entwurf zu negieren. Wir haben in Ihrem Gesetzentwurf nichts gefunden, was die jetzige Stellung des Bürgers in irgendeiner Weise so nachhaltig unterstützen würde wie die momentane Konzeption des Bürgerbeauftragten. Ich greife jetzt einfach vor: Deshalb sehen wir derzeit keine Möglichkeit, einem solchen Konzept zuzustimmen. Der Gesetzentwurf genügt in keiner Weise der Stärkung der Stellung der Bürgerinnen und Bürger.
Danke schön, Frau Guttenberger. – Der nächste Redner ist der Kollege Schindler. Bitte schön, Herr Schindler.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass sich dieses Haus mit einem Vorschlag befassen muss, in Bayern einen Bürgerbeauftragten einzurichten. Ich darf an einen Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER erinnern, über den wir ebenfalls diskutiert haben. Jeder Fraktion steht es natürlich zu, einen derartigen Vorschlag einzubringen. Wer aber einen solchen Vorschlag einbringt, muss schon auch zugeben, dass es sich hierbei um einen wesentlichen Eingriff in die Parlamentsarbeit handelt. Wenn der Landtag nur noch dafür zuständig sein soll, Petitionen weiterzureichen, dann ist das ein ganz anderes Vorgehen, als wir es bisher haben. Das bisherige Verfahren hat sich seit Jahrzehnten durchaus bewährt. Wer eine so grundstürzende Neufassung unseres Parlamentsbetriebs haben will, der sollte vorher bitte gefälligst mit den anderen Fraktionen reden, ob die das auch wollen.
Was den Beauftragten für die Bayerische Polizei betrifft, so wollen Sie diese Aufgaben nun derselben Person überantworten. Darüber kann man natürlich diskutieren. Ich weise darauf hin, dass sich in den letzten Jahren doch einiges bewegt hat. Mittlerweile werden Beschwerden über das Fehlverhalten einzelner Polizeibeamten in transparenterer und unabhängiger Weise geprüft und verbeschieden als noch vor 10
oder 20 Jahren. Nun kann man sagen, dass das nicht reicht und wir eine unabhängige Stelle brauchen. Dafür spricht in der Tat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Darüber kann man reden. Worüber man mit uns aber nicht reden kann, ist die Schaffung der Stelle eines Bürgerbeauftragten. Dies sage ich bei aller Wertschätzung für den rheinlandpfälzischen Bürgerbeauftragten Dieter Burgard, den ich noch aus meiner Zeit als Vorsitzender des Petitionsausschusses kenne. Das war zum Ende des letzten Jahrtausends.
Damals waren er und ich bereits im Amt. Bei aller Wertschätzung für den lieben Dieter Burgard in Rheinland-Pfalz und seine Behörde mit ihren damals 19 Mitarbeitern, darunter sechs Volljuristen, bin ich dennoch der Meinung, dass unser System, wie wir im Bayerischen Landtag Eingaben und Beschwerden bearbeiten und behandeln können – nicht immer tun, aber können –, durchaus vorzugswürdig ist.
Wir wollen in Bayern eben nicht nur einen Bürgerbeauftragten, der, wie die GRÜNEN das wollen, nach der Besoldungsgruppe B 9 bezahlt wird. Ich weiß gar nicht, wie viele Beamte es gibt, die in dieser Besoldungsgruppe sind. Einige, die in B 9 sind, sitzen zwar hier, so richtig viele sind das aber nicht. Herr Schmidbauer, ich weiß, für Sie ist das keine Kategorie.
(Heiterkeit bei der SPD und der CSU – Staatsmi- nister Joachim Herrmann: Die machen das gerne! Bisher hat es noch keiner bereut!)
Die GRÜNEN schlagen jedenfalls vor, dass der einzige Bürgerbeauftragte Bayerns in der Besoldungsgruppe B 9 bezahlt werden soll. Die FREIEN WÄHLER waren vor ein paar Jahren noch etwas bescheidener. Sie haben damals B 6 vorgeschlagen. Die GRÜNEN sind großzügig, sie sagen: B 9. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Meinung, wir haben 180 Bürgerbeauftragte, und das sind wir alle miteinander.
Und da es jetzt auch noch einen Bürgerbeauftragten der Staatsregierung gibt, dann soll der bitte die Administrativpetitionen bearbeiten, aber die Legislativpetitionen, die bleiben beim Landtag. Dann schadet es überhaupt nicht, wenn es auch noch einen Bürgerbeauftragten der Staatsregierung gibt. Meine Damen und Herren, die Bearbeitung von Petitionen ist ein
Das gilt zumindest für einen Abgeordneten, der seinen Job ernst nimmt. Dann muss man es schon einmal hinnehmen, dass an einem Sonntagnachmittag Bürgerinnen und Bürger mit drei Leitz-Ordnern unangemeldet vor der Tür stehen, weil sie ein großes Problem haben. Und dieses große Problem soll man an diesem Sonntagnachmittag lösen. Man muss auch hinnehmen, dass man angerufen wird. Schließlich muss man auch hinnehmen, dass man nicht immer gelobt wird für das Ergebnis. Das gehört aber dazu, wenn man Bürgernähe nicht nur spielen, sondern tatsächlich praktizieren will. Ich möchte darauf nicht verzichten, meine Damen und Herren.
Wenn es an der einen oder anderen Stelle hakt, dann liegt es doch an uns. Wir müssen die Stellungnahmen der Staatsregierung doch nicht glauben.