Franz Schindler
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(Vom Redner nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere liebe Frau Guttenberger! All das, was Sie gesagt haben, war natürlich auch in den Jahren 2003, 2004 und 2005 richtig.
Nur, damals haben Sie es nicht beachtet. Meine Damen und Herren, zufälligerweise fällt die heutige Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts mit der Verkündung des Urteils des OLG München zum bereits seit fünf Jahren dauernden NSU-Prozess zusammen. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen und sagen, dass der NSU-Prozess trotz seiner langen Dauer zwar nicht alle Erwartungen erfüllen konnte, insbesondere nicht die der Angehörigen der Opfer, und nicht die Erwartung, dass auch die politischen Dimensionen des NSU-Verbrechens restlos aufgeklärt werden. Dennoch hat dieser Prozess Maßstäbe dafür gesetzt, wie ein freiheitlicher Rechtsstaat mit denen, die ihn bekämpft und bekriegt haben, umgeht.
Der Kritik an dem Aufwand, den das Gericht betrieben hat, um zu einem Urteil zu kommen, muss entgegengehalten werden, dass es keine Alternative zu dem akribischen Vorgehen des Gerichts geben konnte, die strafrechtlich relevante Schuld der Angeklagten nachzuweisen. Unsere Aufgabe und die Aufgabe anderer Landtage und des Bundestages bleibt es, den noch offenen Fragen weiterhin nachzugehen, zum Beispiel der Frage, ob es sich beim NSU tatsächlich nur um ein Trio gehandelt hat, wer die Unterstützer an den verschiedenen Tatorten waren und wie nahe V-Leute an den NSU-Tätern waren.
Meine Damen und Herren, hier gibt es einen Zusammenhang mit dem Bayerischen Obersten Landesgericht. Dieses Gericht hat sich in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts leider bei Weitem nicht die
gleiche Mühe bei der Beurteilung des Hitlerputsches gegeben und die Entlassung Adolf Hitlers wegen guter Führung aus der Festungshaft schon nach sechs Monaten angeordnet. Ich will ausdrücklich sagen: Das ist Geschichte.
Zum Gesetzentwurf darf ich auf meine Ausführungen in der Ersten Lesung und auf die Kritik an der völlig überraschenden und mit keinem sachlichen Argument zu begründenden Abschaffung des Gerichts durch die CSU-Mehrheit im Jahr 2004 verweisen. Ich bedaure, dass die Staatsregierung jetzt, 14 Jahre später, nicht die Größe hat, die damalige Abschaffung des Gerichts als Fehler einzugestehen, sondern einfach nur nach vorne schauen will. Ich weise darauf hin, dass die plötzliche Wiedererrichtung – darum geht es ja – eines Bayerischen Obersten Landesgerichts kurz vor einer Landtagswahl natürlich einen gewissen Geschmack hat. So geht man nicht mit einem Gericht um.
Kurz nach einer Wahl wurde dieses Gericht wegen angeblicher fiskalischer Zwänge ohne Not einfach mal abgeschafft, um es dann kurz vor einer anderen Wahl plötzlich wieder aus dem Hut zu zaubern, ohne zuzugeben, dass dies eine Wiedererrichtung nach einer Abschaffung ist.
Meine Damen und Herren, ich erinnere daran, dass Sie in der Begründung selbst schreiben, dass mit der erneuten Errichtung, also nicht der Wiedererrichtung, die Rechtskultur Bayerns gestärkt werde. Wohl wahr. Ebenso wahr ist, dass mit der Abschaffung des Bayerischen Obersten die Rechtskultur Bayerns geschwächt worden ist, was wir damals heftig kritisiert haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, jetzt kommen Sie daher und glauben allen Ernstes, wir sollten all das, was war, wieder vergessen und sollten Ihnen applaudieren, weil Sie gerade einen politischen Knaller brauchen und die Laune haben, ein Bayerisches Oberstes Landesgerichts wieder und nicht neu zu errichten.
Wir haben den Gesetzentwurf im Rechtsausschuss ausführlich und im Einzelnen beraten und sowohl dem Gesetzentwurf als auch dem Änderungsantrag der CSU-Fraktion trotz Kritik im Einzelnen einstimmig zugestimmt. Die Kritik im Einzelnen bezieht sich zum Beispiel auf die Art und Weise, wie der neue Präsident oder die neue Präsidentin dieses Obersten Landesgerichts ausgewählt werden soll, nämlich so, wie Sie es schon immer gemacht haben, klammheimlich und intransparent, ohne Ausschreibung. Die Kritik richtet sich auch dagegen, dass bei dem neuen Baye
rischen Obersten Landesgericht keine eigene Staatsanwaltschaft vorgesehen ist.
Das neue Bayerische Oberste Landesgericht kann nicht mehr die gleichen Zuständigkeiten wie das alte haben, weil in den letzten Jahren im Bundesrecht viele Änderungen in Kraft getreten sind. Die vorgesehene Struktur, in Bamberg und Nürnberg jeweils zwei Außensenate zu errichten, ist nachvollziehbar, weil an den Oberlandesgerichten in Bamberg und Nürnberg schon seit der Abschaffung des alten Bayerischen Obersten Aufgaben des damaligen Gerichts erledigt werden. Dies führt aber dazu, dass sich auf absehbare Zeit kein eigenständiger Gerichtskörper herausbilden kann, zumal noch nicht einmal geklärt ist, welche Aufgaben die Senate in München haben werden und wie viele Senatsvorsitzende es in München überhaupt geben kann und wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen sehr wohl, dass die bayerische Justiz größere und andere Sorgen als die erneute Errichtung eines Bayerischen Obersten Landesgerichts hat, zumal ausweislich der neuesten PEBB§Y-Zahlen immer noch mehr als 400 Stellen für Richter und Staatsanwälte fehlen, es auch an Rechtspflegern und nichtrichterlichem Personal fehlt, und die Aufgaben des früheren Bayerischen Obersten Landesgerichts auch nach dessen Abschaffung von den Oberlandesgerichten sehr gut erledigt worden sind.
Sie waren es, die das Gericht im Jahr 2004 abgeschafft haben. Jetzt stehen Sie in der Verpflichtung, Buße zu tun und Wiedergutmachung zu leisten, nicht wir. Wir stimmen dennoch aus Überzeugung sowohl dem Gesetzentwurf als auch dem Änderungsantrag der CSU zu, weil es hier um ein Stück bayerischer Rechtskultur geht. Wir sind gespannt, was die Staatsregierung aus dem Freibrief, den sie damit erhält, machen wird. Es geht darum, wieder ein Bayerisches Oberstes Landesgericht zu schaffen, das dieses Namens auch würdig ist. In diesem Sinne stimmen wir zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere liebe Frau Kollegin Guttenberger! Es freut mich, dass Sie einräumen, dass der Gesetzentwurf sehr spät kommt. Aber mit Verlaub, der Verweis auf andere Bundesländer war doch noch nie Maßstab für uns. Das können Sie nun wirklich nicht zur Begründung anführen.
So diffizil und kompliziert ist die Materie schließlich nicht, dass man zwölf Jahre braucht, um einen Gesetzentwurf vorzulegen, den wir jetzt beraten. Die Föderalismusreform ist immerhin 2006 in Kraft getreten. Die entsprechende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Vollzug des Jugendarrestes einer gesetzlichen Grundlage bedarf, erging auch schon 2006. Es war also allerhöchste Zeit, dass anstelle der wenigen Vorschriften im Jugendgerichtsgesetz und in der Jugendarrestvollzugsordnung sowie der Jugendarrestgeschäftsordnung nun endlich eine gesetzliche Grundlage für den Vollzug des Jugendarrestes geschaffen wird.
Ich darf daran erinnern, dass meine Fraktion schon vor Jahren darauf gedrängt hat, dass die Materie endlich geregelt wird. Wir haben Eckpunkte für ein Jugendarrestvollzugsgesetz vorgelegt. Nun ist es endlich so weit. Es liegt ein Gesetzentwurf vor, in dem die von uns damals formulierten Eckpunkte enthalten sind. Zum Beispiel wird die individuelle Ermittlung des Hilfebedarfs in Artikel 7 beschrieben. Die getrennte Unterbringung wird in Artikel 27 explizit genannt, ebenso die Notwendigkeit der Nachbetreuung. Allerdings werden in diesem Gesetzentwurf beiläufig auch ganz andere Fragen des Strafvollzugs und der Sicherungsverwahrung geregelt. Das reicht von der Überwachung des Schriftverkehrs über die opferbezogene Vollzugsgestaltung bis hin zur Fesselung von Gefangenen und zu Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsvorsorge.
Meine Damen und Herren, worum geht es denn beim Jugendarrestvollzug? – Es geht ausdrücklich nicht um den Vollzug einer Jugendstrafe. Es geht vielmehr um den Vollzug des in § 13 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes als sogenanntes Zuchtmittel bezeichneten Jugendarrests in Form von Freizeitarrest, Kurzarrest und Dauerarrest bis zu vier Wochen, was bereits angesprochen worden ist. Der Begriff Zuchtmittel, darauf habe ich bereits in der Ersten Lesung hingewiesen, stammt aus einem dunklen Kapitel unserer Geschichte und sollte unseres Erachtens auf Bundesebene allmählich durch eine etwas dem eigentlichen Zweck gerechter werdende Formulierung ersetzt werden.
Meine Damen und Herren, Jugendarrest ist kein Massenphänomen. Es ist allerdings so, dass bezogen auf alle in den Bundesländern nach Jugendstrafrecht Verurteilten in Bayern am häufigsten Jugendarrest verhängt wird. Diese Tendenz hat sich nach der Einführung des sogenannten Warnschussarrestes in § 16a des Jugendgerichtsgesetzes auch noch verstärkt. Derzeit haben wir in Bayern 195 Arrestplätze. Das zeigt bereits, dass es kein Massenphänomen ist. Diese Plätze werden allerdings meistens auch gebraucht. Die Plätze sind in sechs Jugendarrestanstalten, und zwar in Hof, Landau, Landshut, München, Nürnberg und Würzburg.
Die mit der Verhängung von Jugendarrest verbundenen Erwartungen, dass die Jugendlichen durch eine kurze Freiheitsentziehung dazu veranlasst werden, sich mit ihren Verfehlungen auseinanderzusetzen, und dass Hilfen zur Bewältigung deliktfördernder Umstände geleistet werden, werden nicht so richtig erfüllt. So ehrlich muss man sein. 75 % der Jugendlichen, die einen Arrest hinter sich gebracht haben, werden nämlich schon kurze Zeit später wieder rückfällig. Dafür gibt es viele Ursachen. Darüber habe ich schon in der Ersten Lesung geredet und auch in der
federführenden und in der Endberatung im Rechtsausschuss. Das hat insbesondere etwas mit der kurzen Verweildauer zu tun, während der es gar nicht möglich ist, Weichen so völlig neu zu stellen, dass die Jugendlichen befähigt werden, anschließend ein ganz anderes Leben zu führen, zumal sie regelmäßig in die Verhältnisse zurückkehren, aus denen sie gekommen sind; und die haben schließlich dazu geführt, dass sie Verfehlungen begangen haben. Gerade deshalb ist es wichtig und richtig, den Vollzug erzieherisch zu gestalten und zu versuchen, die Jugendlichen zu befähigen, künftig eigenverantwortlich und ohne Straftaten zu leben. Wir sollten aber ehrlich sein, zu sagen, dass es in der kurzen Zeit eigentlich nur darum gehen kann, Impulse zu setzen. Mehr kann wegen der Kürze der Zeit nicht erreicht werden. Deshalb ist es wichtig und auch richtig, dass es in dem Gesetzentwurf heißt, dass die Bediensteten in den Jugendarrestanstalten für diese erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein müssen und nicht mehr nur, wie es bisher in der Jugendarrestvollzugsordnung heißt, erzieherisch befähigt sein sollen. Nein, Sie müssen dafür geeignet sein.
Genauso wichtig wie die erzieherische Gestaltung ist es aber, dass nach Beendigung des Arrests für eine weitere Betreuung der Jugendlichen gesorgt wird, weil sie, wie bereits gesagt, in die gleichen Verhältnisse zurückkehren, aus denen sie kommen. Der Tag der Entlassung muss im Prinzip bereits am Tag des Beginns des Arrests geplant werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Änderungsanträge der GRÜNEN und der FREIEN WÄHLER sind nach unserer Überzeugung – ich habe das auch im Ausschuss mehrfach gesagt – zwar nicht zwingend, würden aber auch nicht schaden, weswegen wir sie mittragen, ebenso die Änderungsanträge der CSU, mit denen Vorgaben der EU bezüglich Datenschutz nachvollzogen und ansonsten redaktionelle Änderungen vorgeschlagen werden. Trotz einzelner Kritikpunkte, die wir natürlich haben und die ich auch für berechtigt halte, zum Beispiel die vielen Verweise auf das Strafvollzugsgesetz, die enthalten sind, obwohl es gerade nicht um den Vollzug einer Strafe geht, aber auch, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund überhaupt nicht in diesem Gesetz erwähnt werden, kann dem Gesetzentwurf zugestimmt werden. Das werden wir auch tun.
Meine Damen und Herren, die Aufgabe des Landtags bleibt es, dafür zu sorgen, dass in den Jugendarrestanstalten ausreichend qualifizierte Mitarbeiter als Voraussetzung für die Erreichung des Vollzugsziels zur Verfügung stehen. Da hat der Landtag noch eine große Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatsminister! Wenn Sie davon sprechen, dass die Neuerrichtung eines Bayerischen Obersten Landesgerichts zur Stärkung der dritten Gewalt beiträgt, stimme ich Ihnen zu. Dann müssen Sie aber bitte auch zugeben, dass die Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts im Jahr 2004 durch Ihre Fraktion eine Schwächung der bayerischen Justiz dargestellt hat.
Meine Damen und Herren, schon der Titel "Gesetzentwurf zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts" – nicht zur Neuerrichtung, auch nicht zur Wiedererrichtung, sondern zur Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts – kann nur als Frechheit, als Chuzpe, bezeichnet werden, weil es gerade nicht um die erstmalige Errichtung eines Bayerischen Obersten Landesgerichts geht. Das wurde nämlich in seinen Grundstrukturen schon im Jahr 1625, lange vor dieser Staatsregierung und vor der CSU, als sogenanntes Revisorium errichtet, im Jahr 1808 zum Oberappellationsgericht bzw. Obersten Gerichtshof weiterentwickelt und hatte auch nach dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze im Jahr 1879 unter der neuen Bezeichnung "Bayerisches Oberstes Landesgericht" weiter Bestand.
Es konnte auch nach Abschaffung der Monarchie, der Revolution und der Ausrufung des Freistaates Bayern unbeschadet weiter bestehen, meine Damen und Herren, bis es im Jahr 1935 zum ersten Mal von den Nazis aufgehoben worden ist. Nach dem Ende der Nazi-Herrschaft war es für die damals in Bayern poli
tisch Verantwortlichen eine Selbstverständlichkeit, das Gericht wieder zu errichten.
Wilhelm Hoegner, damals Justizminister und stellvertretender Ministerpräsident, hat in der Kabinettssitzung vom 12. November 1947 den Gesetzentwurf über die Wiedererrichtung – die haben damals ihre Gesetze ehrlich bezeichnet: Wiedererrichtung! – des Obersten Landesgerichts
damit begründet, dass das Gericht auf ungewöhnlicher Höhe gestanden und seine Aufgabe sehr gut erfüllt habe, bis es durch den Nationalsozialismus beseitigt worden sei. "Es sei eine dringende Notwendigkeit, wieder eine einheitliche Rechtsprechung zu haben", so Wilhelm Hoegner im Jahr 1947, und Ministerpräsident Hans Ehard hat ihm zugestimmt.
Wenige Monate später hat der Landtag – nach dem, was ich gelesen habe – einstimmig die Wiedererrichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts beschlossen.
Meine Damen und Herren, es waren dann noch einmal und schon wieder Nazis, die im Jahr 1969 als NPD-Fraktion hier im Landtag den Antrag gestellt haben, das Bayerische Oberste Landesgericht aufzulösen. Der Antrag stieß auf entschiedenen Widerstand der SPD und der CSU. Der damalige SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Rudolf Schöfberger, später Bundestagsabgeordneter und SPD-Landesvorsitzender, hat in der Debatte unter anderem ausgeführt, dass wir unsere Oberlandesgerichte zur Rechtsprechungsprovinz des BGH degradieren würden, wenn man der NPDForderung nachkäme.
Meine Damen und Herren, im Jahr 2000 hat der damalige Ministerpräsident Dr. Stoiber anlässlich des 375-jährigen Bestehens des Bayerischen Obersten Landesgerichts unter anderem ausgeführt – ich zitiere –:
Unterbrochen wurde die 375-jährige Geschichte … bezeichnenderweise nur in der Zeit des NSRegimes. Damit wurde nicht nur ein Symbol der Eigenstaatlichkeit Bayerns, sondern auch ein wichtiger Garant einer unabhängigen Justiz zerschlagen.
Was er hier kritisiert hat, hat er drei Jahre später dann selbst gemacht: Mit 124 von 180 Abgeordneten im Rücken hat er in seiner Regierungserklärung ange
kündigt, wörtlich: "Abgeschafft wird das Bayerische Oberste Landesgericht", meine Damen und Herren. Die CSU-Fraktion hat nach einigem Theaterdonner und bei wenigen Enthaltungen trotz großer Proteste in der Fachwelt der Zerschlagung des Bayerischen Obersten Landesgerichts zugestimmt. Dass Sie damit der Rechtskultur in Bayern und der ansonsten immer wieder und zu Recht eingeforderten Eigenstaatlichkeit Bayerns Schaden zugefügt haben, will ich hier nur am Rande erwähnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, jetzt kommen Sie – Herr Staatsminister, Sie haben die Gnade der späten Wahl – daher und glauben allen Ernstes, Applaus zu erhalten, wenn Sie gerade einen politischen Knaller brauchen und die Laune haben, ein Bayerisches Oberstes Landesgericht wieder – nicht erstmals! – zu errichten. Die CSU und die Staatsregierung, alle, die im Jahr 2003 schon dabei waren, sollten sich erstens schämen.
Die anderen, die im Jahr 2003 noch nicht dabei waren, sollen sich bitte fremdschämen für ihre Fraktion und sich zweitens dafür entschuldigen, dass sie trotz der historischen Fakten, die ich genannt habe, das Bayerische Oberste Landesgericht und die dazugehörige Staatsanwaltschaft aufgelöst
und im Jahr 2008 einen Antrag der SPD-Fraktion auf Wiederrichtung abgelehnt haben.
Drittens sollten Sie, bitte schön, zugeben, dass das, was jetzt als Errichtung des Bayerischen Obersten Landesgerichts bezeichnet wird, bei genauerem Hinsehen allenfalls als Light-Version eines solchen Gerichts bezeichnet werden kann, weil es keinen einheitlichen Gerichtskörper – weder in München noch in Nürnberg noch in Bamberg – geben soll. Der Sitz soll zwar in München sein, aber ansonsten soll es zwei Filialen geben und das Ganze auch noch unter "Heimatstrategie" verkauft werden.
Meine Damen und Herren, wenn es Ihnen um Heimatstrategie geht, dann hätten Sie 31 Zweigstellen der Amtsgerichte behalten sollen. Das wäre Bürgernähe gewesen. Das kann man doch jetzt nicht ernsthaft meinen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zwar ist im Himmel mehr Freude über einen reuigen Sünder als über 99 Gerechte, aber nicht hier im Landtag und schon gar nicht, wenn es sich um scheinheilige Sünder handelt. Dennoch werden wir diesen Gesetzentwurf mit großer Sympathie weiter beraten.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss zugeben, ich bin überrascht über diesen Geschäftsordnungsantrag der CSU-Fraktion, und kann mich eigentlich nur wundern. Ich war dabei, als 2003 der damalige Ministerpräsident ohne irgendeine Vorwarnung und nachdem in den Monaten zuvor der damalige Justizminister Weiß noch überall versprochen hatte, selbstverständlich denke niemand daran, das Bayerische Oberste Landesgericht abzuschaffen oder Zweigstellen von Amtsgerichten zu schließen, hier plötzlich dekretierte: Abgeschafft wird das Bayerische Oberste Landesgericht!
Die CSU-Fraktion saß still dabei, sie hat sich nicht gerührt. Wir haben anschließend einen riesigen Protest von wichtigen Vertretern der bayerischen Justiz erleben müssen. Wir haben mit den Präsidenten der Oberlandesgerichte eine Anhörung durchgeführt. Die CSU-Fraktion hat sich das nicht einmal angehört. Einige wenige aus der CSU-Fraktion haben dann dagegen gestimmt.
Wir haben gefragt: Warum wird es denn abgeschafft, nachdem es über 100 Jahre Bestand hatte? Es gab keine Begründung. Die Abschaffung ist einfach dekretiert und umgesetzt worden. Sie haben es damals beschlossen.
Wer so mit dem höchsten bayerischen Gericht, das wir einmal hatten, umgeht und 15 Jahre später, kurz vor einer Landtagswahl, plötzlich auf die Idee kommt, das Bayerische Oberste Landesgericht wieder zu errichten, der muss das schon erklären, meine ich, und kann nicht erwarten, dass wir dem Antrag zustimmen, dieses Verfahren quasi nebenbei durchlaufen zu lassen und abzunicken. Das mag Ihre Art sein; die unsrige ist es nicht.
Deswegen bitte ich um Verständnis. Wenn der Herr Justizminister am 6. Juni nicht dabei sein kann – na gut, dann halt ein bisschen später. So sehr pressiert es ja auch nicht. Nachdem es jahrelang – wegen Ihrer Entscheidung! – kein Bayerisches Oberstes Landesgericht gegeben hat, kommt es jetzt auf ein paar Wochen auch nicht an.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Staatsminister! Ich bin froh, dass heute endlich eingeräumt wird, dass die Kategorie drohende Gefahr etwas Neues und etwas anderes als konkrete Gefahr ist.
Als wir nämlich über den Gesetzentwurf zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen diskutiert haben, ist behauptet worden, das sei genau das Gleiche. Es ist eben nicht das Gleiche.
Zweitens. Herr Staatsminister, Sie haben behauptet, dass diese Begrifflichkeit auch in vielen anderen Ländern und im BKA-Gesetz sowieso gang und gäbe sei. Das ist grober Unfug, um in Ihrer Terminologie zu bleiben.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass der Begriff dort, wo er verwendet wird, in ganz spezifischer Weise verwendet wird und nur in Bezug auf bestimmte Befugnisse, nicht so wie in Bayern bei allen 39 neuen Befugnissen, die in diesem PAG-Neuordnungsgesetz stehen. Grober Unfug, um in Ihrer Terminologie zu bleiben.
Herr Staatsminister, aber auch Herr Kreuzer: Die Beispiele, die Sie konstruiert haben, um zu begründen, dass wir künftighin die neue Kategorie drohende Gefahr brauchen, sind erstens konstruiert – das werden Sie selber zugeben – und zweitens falsch; denn bei allen Beispielen, die Sie genannt haben, hätte die Polizei auch dann eingreifen können, wenn es bei der früheren Rechtslage geblieben wäre.
Zu dem Schüler, den Sie als Beispiel genannt haben, sage ich: Meine Güte! War es jemals verboten, dass so ein Schüler angesprochen wird? War die sogenannte Gefährderansprache jemals verboten? – Da brauche ich keine Änderung des PAG, kein PAG-Neuordnungsgesetz. Selbstverständlich wäre das möglich gewesen.
Was den Bombenbau betrifft, sage ich: Das ist eine Straftat; da kann ermittelt werden. Da brauche ich auch kein neues PAG.
Drittens. Herr Staatsminister, Sie fordern, wir sollen uns distanzieren. Wir nehmen das zur Kenntnis. Das dürfen Sie schon fordern. Aber es wäre gut, wenn auch Sie sich von anderen distanzieren würden, die Sie nach Banz einladen und die die Parole ausgeben, dass Europa vorbei ist, und die eine sogenannte illiberale Demokratie repräsentieren und in ganz Europa ausbreiten wollen.
Distanzieren Sie sich als Staatsregierung doch mal von dem Regierungschef eines EU-Mitgliedslandes, bevor Sie uns auffordern, uns von irgendeinem dahergelaufenen Demonstranten irgendeiner Organisation, die wir gar nicht kennen, zu distanzieren!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Der Protest der Opposition und der vielen Tausend, die auf die Straße gegangen sind, richtet sich ausdrücklich nicht gegen die Polizei.
Der Protest richtet sich ausdrücklich gegen diese Staatsregierung und ihr Gesetz,
das im Übrigen auch in Reihen der Polizei durchaus kritisch gesehen wird.
Zweitens. Meine Damen und Herren, wir – damit meine ich die Sozialdemokratische Partei – sind und waren immer für einen starken Staat und für eine wehrhafte Demokratie, und das schon immer und ewig.
Das müssen Sie uns nicht sagen. Schon viel länger als die CSU!
Drittens. Es geht wie immer – da hat der Herr Kollege Kreuzer natürlich recht – um die Frage, ob die Balance von Sicherheit und Freiheit durch dieses Gesetz gewahrt bleibt oder nicht. Darüber kann man streiten. Das tun wir.
Das ist auch okay. Wir werden es hier letztlich nicht ausstreiten können. Und ich kündige an, was Sie alle schon wissen: dass diese Frage ohnehin von den Verfassungsgerichten zu überprüfen sein wird. Ich bin gespannt, wie es dann endet.
Viertens, meine Damen und Herren, unterstellen Sie, wir würden hier Lügenpropaganda betreiben und darauf hoffen, dass die Menschen unbedarft sind. Ich empfehle einen Blick in den Pressespiegel von gestern. Dort finden Sie einen Artikel aus der "Süddeutschen Zeitung" von Heribert Prantl,
in dem er schreibt – immerhin Heribert Prantl; da jaulen Sie schon auf, wenn er schreibt –:
Am Dienstag wird die CSU im Bayerischen Landtag das neue Polizeirecht verabschieden. Das ist ein Fehler. Das Gesetz … schadet der Sicherheit im Recht. Das Gesetz ist ein Verstoß gegen das Übermaßverbot. … Das neue Polizeigesetz verstößt vorsätzlich gegen die Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht vor zwei Jahren in seinem Urteil zum BKA-G … gemacht hat.
Weiter schreibt er:
Der Ansatzpunkt für polizeiliche Eingriffsmaßnahmen wird mit diesem Gesetz weit nach vorn verlagert – weit vor den Beginn einer konkreten Gefahr, weiter nach vorn als in jedem anderen deutschen Polizeigesetz.
So weit Heribert Prantl. Er ist nicht der Einzige. Blättern Sie weiter. Es folgt ein Artikel von Constanze Kurz aus der "Frankfurter Allgemeine Zeitung", die nicht unbedingt verdächtig ist, auf der Seite der SPD oder der GRÜNEN zu stehen. Sie schreibt:
Das Gesetz sei kaum lesbar und auch für Experten schwer verstehbar.... An der Tendenz des Vorhabens hin zu immer mehr Befugnissen und zu mehr Überwachung änderte das
was die CSU an Änderungsanträgen eingebracht hat –
jedoch wenig.
Dann schreibt sie:
... gleichzeitig mit den geplanten neuen Befugnissen geht die Anzahl der Straftaten... zurück. Da fragen sich zu Recht immer mehr Menschen, warum nicht auch mal die Überwachung und Freiheitseinschränkung zurückgeschraubt statt ausgebaut werden kann.
Sie verweist darauf, was der Herr Innenminister gesagt haben soll, dass das subjektive Sicherheitsgefühl etwas anderes ist, und stellt dann die Frage – nicht ich, sondern Constanze Kurz in der "FAZ" –: "Wer von gestern: Wer schürt denn die Ängste und läuft rechter Rhetorik hinterher?", sodass das subjektive Sicherheitsgefühl immer schlechter wird?
Das sind nicht wir, das sind schon andere.
Dann blättern Sie weiter und kommen zur "Passauer Neuen Presse" – auch nicht unbedingt als linksrevolutionäres Blatt bekannt. Dort heißt es:
Dass quasi alles, was nach "drohender" und nicht wie bisher "konkreter Gefahr" aussieht, von der Polizei weggesperrt werden kann, dass Menschen leichter und länger präventiv inhaftiert werden …
Das ist gefährlich, und das wird der CSU noch auf die Füße fallen. – Das schreibt die "Passauer Neue Presse" von gestern.
Meine Damen und Herren, ich meine, es spricht Bände, dass das nicht nur böse Linksradikale oder die Opposition hier so sehen, sondern die bürgerliche Presse das genauso sieht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir werden es hier nicht ausstreiten können. Ich kündige deshalb für meine Fraktion an, dass eine verfassungsgerichtliche Überprüfung ansteht.
Wir werden eine Normenkontrolle im Wege der Meinungsverschiedenheit geltend machen, und ich rüge für meine Fraktion, dass wesentliche Bestimmungen des Entwurfs des Gesetzes gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit bzw. das Übermaßverbot und die Gebote der Bestimmtheit und Normenklarheit verstoßen. Im Einzelnen rüge ich insbesondere die Einführung der drohenden Gefahr als neuer Kategorie bei all den polizeilichen Befugnissen, bei denen diese Kategorie durch das Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen aus dem Jahr 2017 noch nicht
eingeführt worden ist. Das ist der Fall bei der zwangsweisen Durchsetzung einer Vorladung, bei der Sicherstellung von Sachen, bei der Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten, bei der Verwendung besonderer Mittel der Datenerhebung, beim Einsatz automatisierter Kennzeichen-Erkennungssysteme, beim Einsatz automatisierter Kfz-KennzeichenErkennungssysteme, bei der Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung, bei der TKÜ, bei der Überwachung räumlich getrennter Kommunikationssysteme, bei der Quellen-TKÜ, beim Einsatz von IMSI-Catchern, bei der Telekommunikationsüberwachung zu Schutzzwecken, bei der Unterbrechung, Verhinderung und Entziehung von Kommunikationsverbindungen, beim Auskunftsersuchen betreffend Telekommunikationsverkehrsdaten und Vorratsdaten und betreffend Telekommunikationsbestandsdaten bei der Online-Durchsuchung und beim Übermittlungsersuchen. Ich rüge außerdem die Meldeanordnung, die Durchsuchung räumlich getrennter Speichermedien und die Verwendung automatischer Mustererkennungssysteme als unverhältnismäßig und möglicherweise verfassungswidrig.
Es steht uns nicht zu, darüber zu entscheiden, sondern das ist Sache des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Möglicherweise wird es auch Überprüfungen beim Bundesverfassungsgericht geben. Danach sprechen wir weiter.
Das ist eine gute Idee, Frau Kollegin Guttenberger; vielleicht benennen wir beim
nächsten Mal Herrn Prof. Heribert Prantl als Sachverständigen.
Wir waren diesmal gut beraten, Herrn Dr. Markus Löffelmann als Sachverständigen zu benennen, der ein 100-seitiges Gutachten erstellt hat, von dem jetzt noch viele abschreiben und das sicherlich auch beim Verfassungsgericht viel Beachtung findet.
Also, lassen wir die Kirche im Dorf. Sie wissen es nicht, und die von Ihnen vorgeschlagenen und benannten Sachverständigen haben in der Tat etwas mehr zu Ihrer Sichtweise tendiert.
Das ist nichts Ungewöhnliches, sodass man auch den von uns vorgeschlagenen Sachverständigen nicht vorwerfen kann, eher zu unserer Seite tendiert zu haben. – Wie gesagt, überlassen wir das dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über diesen Gesetzentwurf ist sowohl bei der Anhörung, die wir am 21. März durchgeführt haben, als auch bei der Diskussion in den Ausschüssen sowohl im federführenden Ausschuss als auch bei der Endberatung im Rechtsausschuss deutlich zu kurz gekommen. Deswegen herzlichen Dank an Sie, Frau Dr. Merk, dass Sie sich jetzt mit unserem Änderungsantrag auseinandergesetzt haben. Das war nämlich bislang noch nicht der Fall. Ich bin zwar ganz anderer Meinung als Sie; aber dass man sich damit auseinandersetzt, erlebt man nicht immer. Also herzlichen Dank dafür, auch wenn ich ganz anderer Meinung bin.
Mit dem Gesetzentwurf versucht die Staatsregierung mehr zähneknirschend als aus innerster Überzeugung, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum BKA-Gesetz vom Frühjahr 2016 nachzuvollziehen. Das betrifft die bereits angesprochenen Materien, den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung und den Schutz von Berufsgeheimnisträgern, aber auch die Problematik der Zweckänderung der Nutzung einmal zu einem anderen Zweck erhobener Daten. Außerdem wird eine Anregung des Landesbeauftragten für den Datenschutz aufgegriffen und die längerfristige Observation außerhalb von Wohnungen explizit gesetzlich geregelt.
Ich darf daran erinnern, dass wir die allermeisten dieser jetzt im Gesetzentwurf der Staatsregierung vorgesehenen Neuerungen bereits im Frühjahr 2016, nachdem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bekannt geworden ist, in Form eines Änderungsantrags eingebracht haben und dass damals keine Bereitschaft bestanden hat, über diese Vorschläge auch nur ein bisschen zu diskutieren oder sie gar zu übernehmen. Insofern sind wir froh, dass es jetzt nach zwei Jahren so weit ist, dass die Staatsregierung im Prinzip das vorschlägt, was wir damals zum Kernbereichsschutz, aber auch zum Schutz der Berufsgeheimnisträger und zu längerfristigen Observationen vorgeschlagen haben. Es hat zwar zwei Jahre gedauert, aber immerhin ist es jetzt gekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, beim Schutz der Berufsgeheimnisträger stimme ich Frau Merk nicht zu. Ich meine, dass unser Änderungsantrag durchaus wohlüberlegt ist und den Anregungen des Bayerischen Journalisten-Verbandes, die Sie im Übrigen auch bekommen haben, gerecht wird. Dieser hat in einem durchaus beachtlichen mehrseitigen Papier dargelegt, warum es nicht nur um den Schutz der Journalisten als Berufsgruppe, sondern auch um den Schutz ihrer Quellen geht, den sie brauchen, um investigativ tätig werden zu können. Das war der Hintergrund unseres Änderungsantrags. Dass Sie den jetzt nicht akzeptieren, bedauern wir.
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die Zeit und aus den in der Ersten Lesung und insbesondere bei der Beratung über die Novellierung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes im Jahr 2016 genannten Gründen will ich es jetzt kürzer machen. Diejenigen, die dabei waren, werden sich daran erinnern, wie ich die Mitglieder des Innenausschusses mit einer Rede, die fast eine Stunde gedauert hat, genervt habe. Darauf verweise ich jetzt wieder. Weil eine Gesamtschau mit dem soeben verabschiedeten PAGNeuordnungsgesetz und mit dem Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen
erforderlich ist und weil Sie aus dem Landesamt für Verfassungsschutz eine Gefahrenabwehrbehörde machen möchten, welche das Recht zum Zugriff auf Vorratsdaten hat, anstatt es dabei zu belassen, dass das Landesamt für Verfassungsschutz wie über Jahrzehnte hinweg eine Behörde zur Sammlung und Auswertung von Informationen, ein, wie es neuerdings heißt, analytischer Informationsdienstleister ist und keine Gefahrenabwehrbehörde, aus diesen Gründen und um in der Konsequenz der bisherigen Argumentation zu bleiben, werden wir diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen.
Letze Bemerkung: Frau Dr. Merk, Sie haben es angesprochen. Der Notwendigkeit der Datenübermittlung zwischen verschiedenen Behörden nicht nur im Inland, sondern auch mit dem Ausland will ich gar nicht widersprechen. Aber ich darf schon daran erinnern, dass wir vor 15 Jahren, als die BAO Bosporus das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz angefragt hat, ob es Erkenntnisse über Rechtsextremisten im Raum Nürnberg hat, froh gewesen wären, wenn sich unser Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz nicht hinter Datenschutzproblemen versteckt, sondern die Informationen übermittelt hätte. Das war rechtlich auch damals schon zulässig. Es ist gut, wenn es jetzt perfektioniert wird. Aber die Fehler sind schon vor vielen Jahren gemacht worden. Das haben wir schmerzlich erfahren.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Schulze, ich hoffe, dass Ihre kraftvollen Ausdrücke auch in Baden-Württemberg gehört werden,
wo man auch dabei ist, eine Änderung des PAG ins Auge zu fassen. Ich hoffe es zumindest. – Meine Damen und Herren, für jemanden, der die hundert Seiten dieses Gesetzentwurfs aufmerksam durchliest – und das beanspruche ich jetzt mal für mich –, ist die Bewertung ambivalent – das gestehe ich zu –, weil dieser Gesetzentwurf und im Übrigen auch der Gesetzentwurf zur erneuten Änderung des Verfassungsschutzgesetzes Regelungen enthalten, die gut sind und die richtig sind. Wenn es darum geht, die Vorgaben der EU-Richtlinie umzusetzen, und wenn es darum geht, infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bundeskriminalamtsgesetz den Schutz der Berufsgeheimnisträger zu verbessern und den Kernbereichsschutz zu verbessern, dann ist das gut und richtig und muss gemacht werden. Da haben wir und hat wohl niemand etwas dagegen.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz dieser guten, wichtigen und richtigen Neuregelungen darf der Blick darauf nicht getrübt werden, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf und mit den bereits beschlossenen genannten Gesetzen die Sicherheitsarchitektur in Bayern, also die Frage, welche Behörde wofür zuständig ist und welche Behörde in Abgrenzung zu anderen was darf, um Gefahren abzuwehren und Straftaten zu verhindern und gegebenenfalls in welcher Weise, doch in erheblicher Weise verändert wird und dass mit diesem Gesetzentwurf Abschied vom Polizeirecht des liberalen Rechtsstaats genommen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine damit insbesondere die neuen Befugnisse, die in das PAG aufgenommen werden sollen, und das sind nicht wenige. Es geht um die Ausweitung der polizeilichen Befugnisse im Gefahrenvorfeld, es geht um die neue Möglichkeit der Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters als Mittel der erkennungsdienstlichen Behandlung. Das gibt es bislang nicht. Das darf im Übrigen in dieser Schärfe auch kein Staatsanwalt dann, wenn schon eine Straftat begangen worden ist. Es geht um die neue Möglichkeit der zwangsweisen Durchsetzung des Erscheinens einer Person bei der Polizei, um Angaben entgegenzunehmen, die für die Abwehr einer drohenden Gefahr erforderlich sind. Es geht um die neu geschaffene Meldeanordnung. Es geht um die Absenkung der Eingriffsschwelle für die Sicherstellung insbesondere auch von Vermögensrechten. Es geht um die Zulässigkeit von Bildaufnahmen wegen Größe oder Unübersichtlichkeit der Örtlichkeit, und es geht um die Ermöglichung der Verwendung automatischer Erkennungs- und Auswertungssysteme und die Erweiterung der Verwendungsmöglichkeiten, also eine elektronische Aufenthaltsüberwachung. Es geht um die Schaffung einer Befugnis zur Postbeschlagnahme in Fällen drohender Gefahr. Es geht um die heimliche Überwachung des gesprochenen Worts außerhalb von Wohnräumen und um die Datenerhebung bei Kontakt- und Begleitpersonen. Es geht um die automatisierte Kennzeichenerfassung, die Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung, die Erweiterung der Voraussetzungen für Wohnraumüberwachung und Telekommunikationsüberwachung und, und, und, meine Damen und Herren. Es geht letztlich auch um den Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern; das wird jetzt als rechtspolitische Großtat hingestellt, weil man nicht einräumen will, dass jahrzehntelang V-Leute im Bereich der Gefahrenabwehr ohne Rechtsgrundlage eingesetzt worden sind.
Es wird allerhöchste Zeit, dass dafür mal eine Rechtsgrundlage geschaffen wird.
Meine Damen und Herren, all das, worüber ich geredet habe, betrifft den präventiven Bereich. Es geht gerade nicht darum, diese Befugnisse zu nutzen, um Mörder zu fassen oder irgendwelche Straftaten aufzuklären, sondern im präventiven Bereich geht es um die Kernaufgabe der Polizei, nämlich Gefahren abzuwehren lange, bevor eine Straftat vollendet worden ist, und nicht nur um die Abwehr einer konkreten, unmittelbar bevorstehenden Gefahr, für die, wie ich vor mittlerweile fast 40 Jahren an der Universität Regens
burg noch gelernt habe, die Polizei zuständig ist. Es geht vielmehr auch um die Abwehr sogenannter drohender Gefahren für jetzt sogenannte bedeutende Rechtsgüter.
Dann fragt man sich: Was sind denn drohende Gefahren, meine Damen und Herren? – Man blättert und blättert und findet dann die Definition, wonach die Polizei berechtigt sein soll, notwendige Maßnahmen treffen zu können, um den Sachverhalt aufzuklären und die Entstehung einer Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut zu verhindern, wenn – jetzt kommt die drohende Gefahr – im Einzelfall das individuelle Verhalten einer Person – ja, was denn sonst? Eine Person kann sich nur individuell verhalten – die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet oder Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen zulassen, wonach in absehbarer Zeit Gewalttaten von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind, Klammer auf: Ist gleich drohende Gefahr. Allen Praktikern vor Ort wünsche ich viel Glück dabei, diese Situationen ausfindig zu machen, in denen sie eingreifen dürfen, wie es hier beschrieben wird.
Und, meine Damen und Herren: Die Eingriffsmöglichkeiten bestehen nicht nur dann, wenn es um die Bekämpfung terroristischer Bedrohungslagen geht. Nein, es geht um sogenannte bedeutende Rechtsgüter, und das sind letztlich auch Sachen, deren Erhalt im besonderen öffentlichen Interesse liegt.
Die Eingriffsschwelle wird nicht nur zur Bekämpfung des Terrorismus abgesenkt, sondern immer, wenn es um sogenannte bedeutende Rechtsgüter geht, und sie wird weit in das Gefahrenvorfeld hinein dorthin ausgedehnt, wo die Polizei nach klassischem Polizeirecht, meine Damen und Herren, eigentlich nichts zu suchen hat, wo allenfalls der Verfassungsschutz beobachten darf. Eingriffe in Grundrechtspositionen, meine Damen und Herren, nicht nur von Gefährdern oder vermuteten Terroristen sollen bereits dann möglich werden, wenn Gefahren oder kriminelle Absichten noch nicht vorhanden sind, sondern erst keimen. Und ist schon für das Erkennen einer Gefahr eine Prognose erforderlich, dann zwingt das Erkennen einer drohenden Gefahr nicht nur zur Prognose, sondern zur Spekulation, und das Risiko falscher Prognosen und Spekulationen ist hoch.
Meine Damen und Herren, man kann natürlich argumentieren – das habe ich auch von Professoren in der Anhörung oft gehört –, dass die Abwehr von Gefahren
viel wichtiger sei als die Verfolgung begangener Straftaten. Das ist auch logisch; denn man darf nicht zuschauen, bis eine Straftat begangen wird, und dann den Täter suchen. Viel wichtiger ist es, rechtzeitig zu verhindern, dass eine Straftat begangen wird. Das ist völlig unstrittig.
Meine Damen und Herren, das kann man für richtig halten, man muss es dann aber zu Ende denken. Wenn man es zu Ende denkt, kann man nur zu dem Ergebnis kommen: Eine 100-prozentige Gefahrenabwehr ist nur in einem totalitären Staat denkbar und selbst dort nicht möglich.
Das unterstelle ich hier nicht, aber das ist denknotwendig so. Gefahrenabwehr kann nie 100-prozentig sein, es sei denn, in einem totalitären Staat. Den haben wir nicht, den wollen wir nicht – den wollen auch Sie nicht, das unterstelle ich auch nicht.
Meine Damen und Herren, wie bereits gesagt, kann der vorliegende Gesetzentwurf nicht für sich allein beurteilt werden, sondern man muss schon einen Blick zurück auf das Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen vom Sommer 2017 und das ebenfalls beschlossene neue Bayerische Verfassungsschutzgesetz vom Frühjahr 2016 werfen. Auch mit diesen Gesetzen sind Befugnisse ausgeweitet und Eingriffsschwellen abgesenkt worden, sodass sich die Frage geradezu aufdrängt, die auch bei der Anhörung von einigen Professoren gestellt worden ist, ob die Überwachungsgesamtrechnung insgesamt noch stimmt, wenn man alles zusammen betrachtet.
Meine Damen und Herren, zum Verhältnis zwischen Landesamt für Verfassungsschutz und Polizei: Wir haben die Situation, dass die Polizei immer öfter und immer mehr geheim operieren darf und es bestimmte Teilbereiche gibt, in denen sich die Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz überschneiden.
Die Verfasser des Gesetzentwurfs argumentieren, es sei nicht schlimm, wenn der Verfassungsschutz Telefone abhört, den Wohnraum überwacht etc., weil er keine Eingriffsbefugnisse hat. Das kann man so sehen. Wenn die Polizei aber das Gleiche macht, dann hat sie Eingriffsbefugnisse, und dann ist es schon schlimm, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Logik Ihrer eigenen Argumentation.
Es trifft zu, was behauptet wird, dass wir es mit einer Verpolizeilichung des Verfassungsschutzes und einer Vernachrichtendienstlichung der Polizei zu tun haben.
Zur Klarstellung, weil ich die Unterstellungen natürlich kenne: Wir Sozialdemokraten sind seit 150 Jahren – länger als jede andere Partei in diesem Haus – für einen starken Rechtsstaat. Wir sind seit 150 Jahren für das Gewaltmonopol des Staates und dafür, dass sich unsere Demokratie verteidigen und auch wehren kann. Wir wissen, dass die Sicherheitsbehörden die rechtlichen und technischen Möglichkeiten brauchen, um Gefahren abzuwehren, Kriminalität zu unterbinden, Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu erkennen und Straftaten verfolgen zu können. Das muss uns niemand sagen.
Wir wissen auch, meine Damen und Herren, dass der Staat schon aufgrund von Artikel 99 der Bayerischen Verfassung verpflichtet ist, seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Wir sind froh, dass das in Bayern meistens besser gelungen ist als in anderen Bundesländern und dass die Kriminalitätshäufigkeit so gering ist wie seit 30 Jahren nicht mehr. Wir sind auch froh, dass die Aufklärungsquote in den meisten Deliktbereichen außerordentlich hoch ist, obwohl die Polizei noch nicht über die Befugnisse verfügt, die jetzt als zwingend erforderlich bezeichnet werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn die Polizei und der Verfassungsschutz in einem freiheitlichen Rechtsstaat neue Befugnisse bekommen sollen, dann kann man erwarten, dass die Notwendigkeit jeder einzelnen Maßnahme begründet wird. Daran fehlt es. Es gibt überhaupt keinen rechtstatsächlichen Nachweis, dass die vielen neuen Befugnisse erforderlich sind und unsere Polizei ansonsten hilflos wäre. Das ist sie nicht – Gott sei Dank.
Alles, was Sie zur Begründung vorbringen, ist der Verweis auf den Verfasser des Kommentars zum Polizeiaufgabengesetz, Herrn Prof. Schmidbauer. Er verweist in der Begründung zum Gesetzentwurf im Regelfall auf sich selbst und sagt: Weil Schmidbauer das in seinem Kommentar schreibt, ist das richtig. – Meine Damen und Herren, das reicht nicht aus, um Eingriffe zu rechtfertigen.
Eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren. Ein Innenminister hat nicht nur die Aufgabe, die Sicherheit, so gut es geht, zu gewährleisten. Selbstverständlich hat er diese Aufgabe. Da muss er gelegentlich auch den Schwarzen Sheriff machen. Dagegen habe ich nichts. Ein Innenminister hat aber auch die Aufgabe, die Verfassung und die Freiheit zu verteidigen. Er ist auch Verfassungsminister, meine Damen und Herren.
Wir hätten von Ihnen schon erwartet, dass Sie nicht bei jedem dieser Polizeigesetze
bis an den Rand der Verfassung gehen; ich behaupte, in einigen Teilbereichen sogar darüber hinaus. Aber das werden wir noch sehen, weil dieses Gesetz ganz sicher einer verfassungsgerichtlichen Kontrolle unterworfen wird. Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. Der Gesetzentwurf wird in der vorliegenden Form nicht unsere Zustimmung finden.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist nicht das erste Mal, dass sich dieses Haus mit einem Vorschlag befassen muss, in Bayern einen Bürgerbeauftragten einzurichten. Ich darf an einen Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER erinnern, über den wir ebenfalls diskutiert haben. Jeder Fraktion steht es natürlich zu, einen derartigen Vorschlag einzubringen. Wer aber einen solchen Vorschlag einbringt, muss schon auch zugeben, dass es sich hierbei um einen wesentlichen Eingriff in die Parlamentsarbeit handelt. Wenn der Landtag nur noch dafür zuständig sein soll, Petitionen weiterzureichen, dann ist das ein ganz anderes Vorgehen, als wir es bisher haben. Das bisherige Verfahren hat sich seit Jahrzehnten durchaus bewährt. Wer eine so grundstürzende Neufassung unseres Parlamentsbetriebs haben will, der sollte vorher bitte gefälligst mit den anderen Fraktionen reden, ob die das auch wollen.
Keine einzelne Fraktion sollte das einfach so einbringen. Das geht nicht.
Was den Beauftragten für die Bayerische Polizei betrifft, so wollen Sie diese Aufgaben nun derselben Person überantworten. Darüber kann man natürlich diskutieren. Ich weise darauf hin, dass sich in den letzten Jahren doch einiges bewegt hat. Mittlerweile werden Beschwerden über das Fehlverhalten einzelner Polizeibeamten in transparenterer und unabhängiger Weise geprüft und verbeschieden als noch vor 10
oder 20 Jahren. Nun kann man sagen, dass das nicht reicht und wir eine unabhängige Stelle brauchen. Dafür spricht in der Tat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Darüber kann man reden. Worüber man mit uns aber nicht reden kann, ist die Schaffung der Stelle eines Bürgerbeauftragten. Dies sage ich bei aller Wertschätzung für den rheinlandpfälzischen Bürgerbeauftragten Dieter Burgard, den ich noch aus meiner Zeit als Vorsitzender des Petitionsausschusses kenne. Das war zum Ende des letzten Jahrtausends.
Damals waren er und ich bereits im Amt. Bei aller Wertschätzung für den lieben Dieter Burgard in Rheinland-Pfalz und seine Behörde mit ihren damals 19 Mitarbeitern, darunter sechs Volljuristen, bin ich dennoch der Meinung, dass unser System, wie wir im Bayerischen Landtag Eingaben und Beschwerden bearbeiten und behandeln können – nicht immer tun, aber können –, durchaus vorzugswürdig ist.
Wir wollen in Bayern eben nicht nur einen Bürgerbeauftragten, der, wie die GRÜNEN das wollen, nach der Besoldungsgruppe B 9 bezahlt wird. Ich weiß gar nicht, wie viele Beamte es gibt, die in dieser Besoldungsgruppe sind. Einige, die in B 9 sind, sitzen zwar hier, so richtig viele sind das aber nicht. Herr Schmidbauer, ich weiß, für Sie ist das keine Kategorie.
Die GRÜNEN schlagen jedenfalls vor, dass der einzige Bürgerbeauftragte Bayerns in der Besoldungsgruppe B 9 bezahlt werden soll. Die FREIEN WÄHLER waren vor ein paar Jahren noch etwas bescheidener. Sie haben damals B 6 vorgeschlagen. Die GRÜNEN sind großzügig, sie sagen: B 9. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin der Meinung, wir haben 180 Bürgerbeauftragte, und das sind wir alle miteinander.
Und da es jetzt auch noch einen Bürgerbeauftragten der Staatsregierung gibt, dann soll der bitte die Administrativpetitionen bearbeiten, aber die Legislativpetitionen, die bleiben beim Landtag. Dann schadet es überhaupt nicht, wenn es auch noch einen Bürgerbeauftragten der Staatsregierung gibt. Meine Damen und Herren, die Bearbeitung von Petitionen ist ein
Wesensmerkmal der Tätigkeit eines bayerischen Abgeordneten.
Das gilt zumindest für einen Abgeordneten, der seinen Job ernst nimmt. Dann muss man es schon einmal hinnehmen, dass an einem Sonntagnachmittag Bürgerinnen und Bürger mit drei Leitz-Ordnern unangemeldet vor der Tür stehen, weil sie ein großes Problem haben. Und dieses große Problem soll man an diesem Sonntagnachmittag lösen. Man muss auch hinnehmen, dass man angerufen wird. Schließlich muss man auch hinnehmen, dass man nicht immer gelobt wird für das Ergebnis. Das gehört aber dazu, wenn man Bürgernähe nicht nur spielen, sondern tatsächlich praktizieren will. Ich möchte darauf nicht verzichten, meine Damen und Herren.
Wenn es an der einen oder anderen Stelle hakt, dann liegt es doch an uns. Wir müssen die Stellungnahmen der Staatsregierung doch nicht glauben.
Dazu neigen Sie aus bestimmten Gründen. Ich neige nicht so sehr dazu.
Ich verlange deshalb gelegentlich eine ergänzende Stellungnahme, oder der Vertreter der Staatsregierung wird noch einmal gefragt. Es liegt doch an uns, ob wir akzeptieren, was uns die Staatsregierung vorlegt. Es liegt an uns, ob wir dann beschließen: § 80 Nummer 4 der Geschäftsordnung – aufgrund der Stellungnahme der Staatsregierung erledigt. Das liegt doch an uns, das liegt doch nicht am System.
Noch eine letzte Bemerkung:
Sie haben das Gesetz aus Rheinland-Pfalz wörtlich abgeschrieben und gegendert. – Respekt!
Dabei haben Sie allerdings einen Begriff übersehen, und zwar den Begriff des Einbringers. Das ist ein eigenartiger Begriff. Im Gesetz von Rheinland-Pfalz steht aber, dass der Einbringer einer Beschwerde irgendwann einmal Bescheid bekommt. Bei Ihnen muss es dann doch bitte heißen: Einbringer/in, sonst ist der Gesetzentwurf nämlich unvollkommen.
Es wäre auch schön gewesen, wenn Sie eine klare Begrifflichkeit verwendet hätten. Seit ich damit befasst bin, war der Oberbegriff immer die Petition. Unter diesem Oberbegriff steht die Beschwerde über ein bestimmtes Vorkommnis, und ich habe eine Eingabe, wenn ich irgendetwas will, obwohl noch gar nichts passiert ist. Oberbegriff ist also die Petition, darunter die Beschwerde oder die Eingabe. Das sollten Sie bitte berücksichtigen. Bitte schauen Sie in ihre Begründung, da halten Sie das nämlich nicht mehr auseinander.
Meine Damen und Herren, wir wollen auch nicht, dass der Landtag ein Hilfsorgan bekommt. Wir wollen kein Hilfsorgan in Form eines in B 9 bezahlten Bürgerbeauftragten. Bürgerbeauftragte sind wir schon selbst, und das sollten wir auch bleiben.
Wir werden diesem Gesetzentwurf deshalb nicht nähertreten.
Lieber Herr Kollege Streibl, was Frau Kollegin Guttenberger vorgelesen hat, war vielleicht nicht die richtige Passage des Gesetzentwurfs.
Ich will Ihnen jetzt die richtige Passage vorlesen. In Artikel 1 Absatz 3 des Gesetzentwurfs der GRÜNEN heißt es: "Eingaben an den Landtag sind der oder dem Bürgerbeauftragten zuzuleiten." Hier steht: Sie sind dem Bürgerbeauftragten zuzuleiten. Das heißt, der Landtag bearbeitet sie nicht. Das macht vielmehr die Behörde mit ihrem Leiter in B 9. Der bearbeitet dann die Bürgeranliegen. Das will ich aber nicht. Ich will, dass wir weiterhin erfahren, was die Bürgerinnen und Bürger drückt. Ich will das erfahren, damit wir darauf reagieren können.
Die Kontrolle liegt nicht beim Bürgerbeauftragten, sondern bei den Wählerinnen und Wählern. Deshalb wollen wir das nicht ändern.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Inhalt der Petition ist eine Beschwerde darüber, dass Strafanzeigen des Petenten gegen zwei Personen wegen des Vorwurfs der falschen Verdächtigung, der Verleumdung und der üblen Nachrede keine Folge geleistet wurde bzw. dass Ermittlungsverfahren gegen diese zwei Personen gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt und Beschwerden gegen die Einstellungsverfügungen zurückgewiesen worden sind.
Zum Hintergrund, meine Damen und Herren. Haben Sie ein Glück, dass meine Redezeit begrenzt ist, sonst würde ich nämlich so wie im Rechtsausschuss eine gute halbe Stunde lang versuchen, den Hintergrund zu erläutern. Ich kann aber darauf verweisen, dass das Ganze wunderschön in der "ZEIT" vom 16. März 2017 beschrieben worden ist. Ich möchte das jetzt in dürren Worten zusammenfassen.
Im Sommer 2012 hat die Staatsanwaltschaft München I Ermittlungsverfahren gegen zwei leitende Beamte des Landeskriminalamtes und den Petenten, einen Journalisten, der den allermeisten von uns als Polizeireporter gut bekannt ist, wegen des Verdachts der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit eingeleitet, weil der Verdacht im Raum stand, der Petent habe von den beiden LKA-Beamten oder mit den beiden LKA-Beamten geheime und brisante Unterlagen im Zusammenhang mit dem damals aktuellen Skandal des Erwerbs der Hypo Alpe Adria durch die Bayerische Landesbank beziehen und gegen Bezahlung an Presseorgane weiterleiten wollen.
Der Tipp kam von einem durchaus bekannten sogenannten Privatermittler. Der hat wiederum auf einen sogenannten Mitteiler verwiesen. Bis heute ist fraglich, ob sich der Privatermittler an den damaligen Leitenden Oberstaatsanwalt München I gewandt hat oder umgekehrt und ob der Leitende Oberstaatsanwalt intensive Beziehungen zu dem Privatermittler unterhalten hat oder nicht. Jedenfalls hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungsverfahren eingeleitet und mit richterlichem Beschluss Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gegen die LKA-Beamten erwirkt. Diese sind vom Bundeskriminalamt ausgeführt worden. Jedoch haben sie kein verwertbares Ergebnis erbracht, worauf die Ermittlungsverfahren eingestellt worden sind. Dann gab es eine sogenannte eidesstattliche Versicherung des Mitteilers, also nicht des Informanten, an die Staatsanwaltschaft, indem er die Vorwürfe des Informanten wiederholt und verstärkt und eine Vielzahl von Räuberpistolen hinzugepackt hat.
Daraufhin sind die Ermittlungen wieder aufgenommen worden, und der Mitteiler ist vernommen worden. Er hat gesagt, er sei falsch verstanden worden, so sei es eigentlich gar nicht gewesen, die Vorwürfe, die gegen den Polizeireporter und die Beamten im Raum stehen, stimmten ja gar nicht. Daraufhin sind die Ermittlungen wieder eingestellt worden. Meine Damen und Herren, das ist der Hintergrund.
Daraufhin erstattete der Petent Strafanzeigen, zunächst gegen den Mitteiler, später auch gegen den Informanten wegen falscher Verdächtigung, Verleumdung und übler Nachrede. Er hat aber leider
versäumt, Strafantrag zu stellen. Die Ermittlungen verliefen zunächst schleppend. Die Akten lagen monatelang herum. Dann wurden die Ermittlungen eingestellt, weil dem Mitteiler angeblich kein Vorsatz nachgewiesen werden konnte und im Übrigen auch nicht geklärt sei, ob die Ausgangsbehauptung falsch war oder nicht.
Auf die Beschwerde des Petenten verfasste die Generalstaatsanwaltschaft einen Absichtsbericht an das Justizministerium, dass sie der Beschwerde gegen die Einstellungsverfügung keine Folge geben wolle. Dann lagen die Akten beim Ministerium herum. Irgendwann einmal hat das Ministerium entschieden, das sei so brisant, dass die Sache zur Generalstaatsanwaltschaft nach Bamberg müsse und nicht mehr in München erledigt werden könne; dann wurde nach Bamberg abgegeben, und dort wurde die Sache eingestellt. Die Beschwerden wurden zurückgewiesen.
Dann gab es noch einen offenen Brief des Petenten an den Minister und schließlich eine Petition. Meine Damen und Herren, Kern der Petition ist die Behauptung, diesem Mitteiler und dem Informanten seien zu Unrecht Vertraulichkeitszusagen gegeben worden, und zwar deshalb, weil die Voraussetzungen gemäß der Richtlinie aus dem Jahr 1986 gar nicht vorlagen, und selbst dann, wenn sie vorgelegen haben sollten, jedenfalls jetzt nicht mehr wirken könnten, weil sich der Informant selbst im "SPIEGEL" und in der "ZEIT" geoutet hat. Ich verrate Ihnen jetzt ein Geheimnis, das längst keines mehr ist. Bei dem Informanten handelt es sich um den bekannten Herrn Werner Mauss und beim Mitteiler um den in der Szene nicht weniger bekannten Herrn Wilhelm Dietl, der früher beim "FOCUS" und beim "SPIEGEL" war und immer Räuberpistolen in die Welt gesetzt hat. Er ist wegen übler Nachrede usw. verurteilt worden.
Mit diesen Herrschaften hat nun die Staatsanwaltschaft München I offensichtlich Verabredungen getroffen und ihnen Vertraulichkeitszusagen gemacht. Meine Damen und Herren, das Ziel dieser Petition ist es, dies aufzuklären. Das ist uns nicht ganz gelungen. Ich gehe davon aus, dass ich noch weitere fünf Minuten sprechen darf und schließe deshalb hiermit die Berichterstattung ab. Ich werde mich anschließend noch einmal melden, um diese Petition zu bewerten.
Frau Präsidentin, lieber Herr Kollege Dr. Rieger! Ich habe den Eindruck, dass Sie das Wesen unseres Petitionsrechts nicht verstanden haben. Kein Petent muss nachweisen, dass er den Rechtsweg bis zum Jüngsten Gericht ausgenutzt hat, um eine Petition einreichen zu dürfen.
Selbstverständlich geht es hier nicht um die Überprüfung der Justiz oder gar eines unabhängigen Ge
richts. Sie haben selbst kritisiert, dass es keine gerichtliche Entscheidung gibt. Es geht um die Kontrolle der Staatsanwaltschaft. Zwar ist die Staatsanwaltschaft jetzt im Titel des Richtergesetzes genannt, aber gleichwohl ist sie nach unserer Verfassung immer noch eine weisungsabhängige Behörde, die zu kontrollieren vornehmste Aufgabe des Landtags ist. Mit Ihrer Argumentation, dass der Petent zunächst ein Klageerzwingungsverfahren hätte betreiben müssen, liegen Sie völlig daneben. Die Ausführungen zur Prozesskostenhilfe hätten Sie sich auch sparen können.
Ich habe viel Verständnis dafür, dass sich der damalige Leitende Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft München I furchtbar darüber geärgert hat, dass immer wieder Akten der Staatsanwaltschaft und der Polizei an die Öffentlichkeit gelangt sind, und dass er alle Versuche unternommen hat, um das Leck ausfindig zu machen. Dafür habe ich viel Verständnis, weil mich das in anderer Funktion auch geärgert hat. Ich muss immer informiert werden, wenn sich ein Verfahren zur Aufhebung der Immunität entwickelt und dann anhängig gemacht wird. In den letzten Jahren war es meistens so, dass in der Minute, in der die Unterlagen bei mir gelandet sind, schon die Presse angerufen und gefragt hat, ob das denn stimmt. Da gab es ein Leck. Möglicherweise gibt es das bis heute, und das muss geschlossen werden. Deshalb habe ich dafür Verständnis, was Herr Nötzel damals gemacht hat, um das Leck aufzudecken.
Ich habe größten Respekt vor der Arbeit der Staatsanwaltschaft München I gerade zur Zeit des dieses Leitenden Oberstaatsanwalts und späteren Generalstaatsanwalts. Ich denke dabei nur an die vielen Verfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität, die er eingeleitet und auch erfolgreich durchgeführt hat. Da sind durchaus Größen der bayerischen Wirtschaft vor dem Kadi gestanden.
Dennoch und gerade deshalb muss man bei der Inanspruchnahme von Informanten, von V-Personen und so weiter außerordentlich vorsichtig sein. Deswegen gibt es auch die Richtlinie, in der es heißt, die Inanspruchnahme von Informanten und V-Personen gebiete eine Abwägung zwischen den strafprozessualen Erfordernissen der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme und der vollständigen Sachverhaltserforschung einerseits und der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch Zusicherung der Vertraulichkeit bzw. Geheimhaltung andererseits. Weiter heißt es in der Richtlinie, dass der Grundsatz des rechtsstaatlich fairen Verfahrens zu beachten sei.
Die Verwendung von Informationen von Informanten oder Mitteilern, vor allem dann, wenn es sich um Personen handelt, wie sie mehrfach jetzt genannt worden sind, ist immer kritisch. Eine Abwägung ist immer erforderlich. Immer muss der Grundsatz des rechtsstaatlich fairen Verfahrens beachtet werden, und immer bedarf es im Bereich der mittleren Kriminalität – über die reden wir und nicht über Schwerkriminalität –
einer besonders sorgfältigen Prüfung des Einzelfalles. Dass eine solche besonders sorgfältige Prüfung des Einzelfalles in diesem ganz konkreten Fall bei diesen beiden Informanten stattgefunden hat, kann man nicht erkennen, sodass die Frage, ob es rechtmäßig war, diesen Herrschaften Vertraulichkeit zuzusichern, doch gestellt werden muss.
Eine letzte Bemerkung, meine Damen und Herren: Die Stellungnahme von heute beschränkt sich auf die Darstellung der bekannten nackten Fakten. Sie geht auf die Vorwürfe, die vom Petenten erhoben worden sind, über die auch im Rechtsausschuss ausführlich diskutiert worden ist, nicht im Einzelnen ein. Sie geht lediglich auf die Verweildauer bei der Staatsanwaltschaft München I ein. Die Stellungnahme bleibt nach wie vor Antworten auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Vertraulichkeitszusage schuldig. Deswegen muss es auch bei dem ursprünglichen Votum im Rechtsausschuss bleiben.
Das Ergebnis des Ganzen ist, dass der Ruf eines hoch angesehenen Polizeireporters mit besten Beziehungen bis ins Ministerium hinein angekratzt worden ist, dass aber auf der anderen Seite Personen, die unser Vertrauen eher nicht unbedingt verdienen, völlig unbehelligt davonkommen, als sei überhaupt nichts geschehen. Das, meine ich, ist eine Missachtung des Grundsatzes des fairen Verfahrens. Deswegen war es gut, dass wir diese Petition bekommen und behandelt haben.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Staatsminister, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf kommt etwas sehr spät. Seit der Föderalismusreform I vom August 2006, also seit fast zwölf Jahren, steht dem Freistaat Bayern die Gesetzgebungskompetenz für den Jugendarrestvollzug zu. Ebenfalls im Jahr 2006, also auch schon vor zwölf Jahren, hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit dem Vollzug der Jugendstrafe entschieden, dass für alle mit Freiheitsentziehungen verbundenen Grundrechtseingriffe eine ausreichende gesetzliche Grundlage erforderlich ist. Das gilt natürlich auch für den Jugendarrest. Es ist also allerhöchste Zeit, dass anstelle der bisherigen wenigen Vorschriften im Jugendgerichtsgesetz, in der Jugendarrestvollzugsordnung und der Jugendarrestgeschäftsordnung endlich eine gesetzliche Grundlage für den Vollzug des Jugendarrests geschaffen wird.
Ich darf daran erinnern, dass die SPD-Fraktion schon vor Jahren mehrfach darauf gedrängt hat, diese Mate
rie endlich zu regeln, und dass sie bereits Eckpunkte für ein Jugendarrestvollzugsgesetz vorgelegt hat. Nun liegt endlich ein Gesetzentwurf vor, in dem nach vorläufiger Einschätzung die von uns formulierten Eckpunkte, wie zum Beispiel die Notwendigkeit der Ermittlung des Hilfebedarfs, die getrennte Unterbringung oder die Nachbetreuung, im Grundsatz erfüllt werden. Der Gesetzentwurf enthält aber auch über 40 Verweisungen auf das Strafvollzugsgesetz, wodurch er zwar schlank, aber auch unlesbar wird. Ganz beiläufig werden mit dem Gesetzentwurf auch noch ganz andere Fragen des Strafvollzugs und der Sicherungsverwahrung geregelt, von der Überwachung des Schriftverkehrs über die opferbezogene Vollzugsgestaltung bis hin zur Fesselung von Gefangenen und Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge.
Worum geht es beim Jugendarrestvollzug? – Es geht um den Vollzug des in § 13 Absatz 2 des Jugendgerichtsgesetzes als sogenanntes Zuchtmittel bezeichneten Jugendarrests in Form von Freizeitarrest, Kurzarrest oder Dauerarrest bis zu vier Wochen. Schon der Begriff "Zuchtmittel" lässt die Herkunft erahnen. Der Jugendarrest als Zuchtmittel wurde 1940, also von den Nazis, durch Verordnung des Reichsverteidigungsrates eingeführt und diente dazu, Jugendliche für den Arbeits- und auch militärischen Einsatz zu disziplinieren, aber auch nur die Jugendlichen, die im Grunde gut geartet waren, bei denen ein Appell an das Ehrgefühl noch erfolgversprechend erschien. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn es heute darum geht, ein Gesetz zum Vollzug dieser Zuchtmittel zu beurteilen.
Meine Damen und Herren, der Vollzug des Jugendarrests ist kein Massenphänomen. Allerdings wird, gemessen an der Zahl der in der Bundesrepublik nach Jugendstrafrecht verurteilten Jugendlichen, in Bayern am häufigsten Jugendarrest verhängt, eine Tendenz, die sich nach Einführung des sogenannten Warnschussarrests noch verstärkt hat. Die mit der Verhängung von Jugendarrest verbundenen Erwartungen, nämlich die Jugendlichen durch eine kurze Freiheitsentziehung dazu zu veranlassen, sich mit ihren Verfehlungen und sich selbst auseinanderzusetzen, und Hilfen zur Bewältigung deliktsförderlicher Umstände zu leisten, werden nicht so richtig erfüllt, da 75 % der Jugendlichen, die einen Arrest hinter sich bringen, schon kurze Zeit später rückfällig werden. Höher ist die Rückfallquote nach dem Vollzug von Jugendstrafe im Übrigen auch nicht.
Dafür gibt es natürlich viele Ursachen. Die wichtigste scheint mir zu sein, dass die Verweildauer beim Dauerarrest nicht und beim Freizeit- und Kurzzeitarrest schon gleich gar nicht ausreicht, um einem Jugendlichen tatsächlich wirkungsvoll und nachhaltig zu hel
fen. Es ist richtig, wenn es in Artikel 3 des Gesetzentwurfs heißt, dass den Jugendlichen in geeigneter Weise zu vermitteln ist, dass sie Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen und die notwendigen Folgerungen aus ihren Verfehlungen ziehen müssen. Meistens werden aber die Ursachen für Verfehlungen von Jugendlichen nicht nur bei ihnen selbst zu suchen sein, sondern auch in ihrem sozialen Umfeld und in ihrer Lebenssituation. Dennoch ist es richtig, den Vollzug erzieherisch zu gestalten und auf die Erreichung des Vollzugsziels auszurichten, nämlich darauf, die Jugendlichen zu befähigen, künftig eigenverantwortlich und ohne Straftaten zu leben.
Die Grundvoraussetzung hierfür ist aber, dass genügend qualifizierte Mitarbeiter vorhanden sind, und zwar nicht nur Vollzugsbeamte, sondern auch Sozialpädagogen, Sozialarbeiter und Psychologen. Deshalb ist es richtig, wenn es im Gesetzentwurf heißt, dass die Bediensteten für die erzieherische Gestaltung des Vollzugs geeignet und qualifiziert sein müssen und nicht mehr nur sollen, wie es bisher in der Justizvollzugsordnung heißt. Ob die entsprechenden Mitarbeiter tatsächlich vorhanden sind, ist eine ganz andere Frage.
Genauso wichtig wie die erzieherische Gestaltung des Vollzugs ist es, dass nach Beendigung des Arrests für eine weitere Betreuung der Jugendlichen gesorgt wird, weil sie doch in die gleichen Verhältnisse zurückkehren, aus denen sie gekommen sind. Der Tag der Entlassung muss im Prinzip am Tag des Beginns des Arrests bereits geplant werden.
Meine Damen und Herren, auf den ersten Blick nicht einleuchtend ist, warum nun von der jahrzehntelang im Jugendgerichtsgesetz vorgeschriebenen Praxis abgewichen werden soll, wonach der Vollzugsleiter stets ein Jugendrichter sein musste. Völlig unerwähnt bleiben in dem Gesetzentwurf auch Jugendliche mit Migrationshintergrund. Bei ihnen ist die pädagogische Herausforderung wohl noch größer als bei anderen Jugendlichen. Auf weitere Details wie zum Beispiel die strikte Trennung des Jugendarrests von Strafgefangenen kann ich jetzt nicht eingehen. Auf die Frage, ob in allen Jugendarrestanstalten die räumlichen Voraussetzungen für eine wirklich pädagogische Freizeitgestaltung gegeben sind und wo nachgebessert werden muss, werden wir in den Ausschussberatungen sicherlich noch eingehen können. Ich versichere, dass wir diesen Gesetzentwurf mit großem Interesse und unvoreingenommen sorgfältig beraten werden.
Herr Präsident, sehr geehrter Herr Staatsminister, meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf Ihre Kritik am Bundesverfassungsgericht will ich nicht weiter eingehen. Das scheint ja um sich zu greifen. Es kommt immer öfter vor, dass man von der Überschreitung der Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts spricht. Darauf kann und will ich in der Kürze der Zeit nicht eingehen.
Der Freistaat rüstet auf. Ich erinnere an das soeben angesprochene Verfassungsschutzgesetz vom Juli 2016. Dieses enthält eine Vielzahl neuer Befugnisse für das Landesamt für Verfassungsschutz wie zum Beispiel das Recht auf den Zugriff auf sogenannte Vorratsdaten. Ich erinnere an das Gesetz zur effektiveren Bekämpfung gefährlicher Personen. Dort wird eine völlig neue Begriffskategorie, nämlich die "drohende Gefahr", eingeführt. Diese Kategorie war bisher nur bei Nachrichtendiensten gebräuchlich. Selbst wohlmeinende Sachverständige haben das als experi
mentelle Gesetzgebung bezeichnet. Ich erinnere an den aktuellen und in der Beratung befindlichen Gesetzentwurf zur Neuordnung des bayerischen Polizeirechts. Dieser enthält im präventiven Bereich neue Befugnisse für die Polizei, die über das hinausgehen, was die Polizei, die Staatsanwaltschaft und die Ermittlungsrichter dann tun können und dürfen, wenn eine Straftat bereits begangen worden ist. Jetzt gibt es auch noch eine Novelle zum Bayerischen Verfassungsschutzgesetz. Zur Novelle soll eine Anhörung stattfinden. Es ist also nicht angebracht, nur über den jetzt vorgelegten Gesetzentwurf zu reden, vielmehr erscheint eine Gesamtschau erforderlich.
Die Gesamtschau ergibt, dass mit den verschiedenen Gesetzen nicht nur zähneknirschend versucht wird, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nachzuvollziehen. Vielmehr wurden die Eingriffsschwellen nicht nur dann, wenn es um die Bekämpfung und Verfolgung von Terrorismus geht, deutlich abgesenkt. Unter Hinweis auf die Gefahren des Terrorismus sind sowohl der Polizei als auch dem Verfassungsschutz eine Vielzahl neuer Befugnisse übertragen worden. Zudem wird auch die Gelegenheit genutzt, so lange es noch geht, früher vorhandene Befugnisse zu Begleitmaßnahmen, die in der kurzen Ära der CSU-FDP-Koalition abgeschafft worden sind, wieder einzuführen. Dabei wird ständig bis an die Grenze des verfassungsrechtlich womöglich nicht mehr Zulässigen gegangen. Wir dürfen gespannt sein, wie über die anhängigen Verfassungsbeschwerden zur Novelle des Verfassungsschutzgesetzes und des Gesetzes zur effektiveren Bekämpfung gefährlicher Personen entschieden werden wird.
In der heutigen Ersten Lesung und noch bevor die Sachverständigenanhörung stattgefunden hat, sei nur so viel gesagt: Meine Damen und Herren, wir, die SPD, sind natürlich für einen starken Rechtsstaat und für die wehrhafte Demokratie. Das muss man uns doch nicht sagen. Deshalb sind wir auch bereit, den Sicherheitsbehörden die rechtlichen und technischen Möglichkeiten an die Hand zu geben, um Kriminalität und Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung erkennen und bekämpfen zu können. Das ist kein Problem und völlig unstrittig.
Das eigentliche Problem liegt ganz woanders. Das Problem ist, dass die Zuständigkeiten, Aufgaben und Befugnisse der verschiedenen Behörden immer mehr verschwimmen und sich annähern. Zwar heißt es in der Begründung zur jetzigen Gesetzesnovelle, dass die Verfassungsschutzbehörden, die Inlandsnachrichtendienste als analytische Informationsdienstleister für
gefahrenintervenierende Sicherheitsbehörden wie die Polizei tätig werden. Die Begrifflichkeit "Dienstleister" ist schon etwas gewöhnungsbedürftig. Es obliegt ihnen, unabhängig von konkreten Gefahren Erkenntnisse über Bestrebungen und Tätigkeiten zu sammeln, zu analysieren und so zu verdichten, dass sie schließlich an die Polizei oder andere mit exekutiven Befugnissen ausgestattete Behörden übermittelt werden können.
Jedoch werden aus dieser zutreffenden Aufgabenbeschreibung der unterschiedlichen Behörden genau die falschen Schlüsse gezogen. Es wird behauptet, dass erst die Kumulation von Datenerhebung und operativ polizeilicher Zugriffsmöglichkeit in derselben Behörde der Datenerhebung eine erhöhte Eingriffsintensität verleihe. Es wird behauptet, dass es sich bei den Inlandsgeheimdiensten grundlegend anders verhalte, weil sie eben nicht über operativ polizeiliche Zugriffsmöglichkeiten verfügen, sodass das kumulierte Grundrechtsgefährdungspotenzial mithin nicht bestehe, wie es in der Begründung heißt.
Meine Damen und Herren, bei einer derartigen Argumentation wird darüber hinweggesehen, dass sowohl bei der Polizei als auch beim Landesamt jeweils ein Grundrechtsgefährdungspotenzial besteht und dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das Vertrauen in die Integrität informationstechnischer Systeme auch dann ihren Wert haben müssen und zu beachten sind, wenn sie "nur" Gegenstand nachrichtendienstlicher Tätigkeit sind. Wenn die Argumentation der Staatsregierung stimmen würde, dann müssten die Befugnisse der Polizei zu verdeckten Maßnahmen eingeschränkt werden.
Richtiger wäre es, aus den unterschiedlichen Aufgaben von Polizei und Inlandsgeheimdiensten den Schluss zu ziehen, dass es ein Abstandsgebot gibt und unterschiedlichen Aufgaben auch unterschiedliche Befugnisse zuzuweisen sind. Stattdessen werden im PAG-Neuordnungsgesetz, im Verfassungsschutzgesetz und nun auch in der Novelle verschiedene Maßstäbe angelegt, um jeweils eine Ausdehnung der Befugnisse zu rechtfertigen. Ich bin auf die Aussagen der Sachverständigen zu dieser Grundsatzproblematik gespannt.
Ich erinnere daran, dass wir als SPD-Landtagsfraktion im Jahre 2016 einen sehr umfangreichen Änderungsantrag mit Themen eingebracht haben, die Sie nun, fast zwei Jahre später, auch regeln wollen, nämlich einen besseren Kernbereichsschutz und einen besseren Schutz von Berufsgeheimnisträgern.
Die Anträge sind, wie es in diesem Hause üblich ist, natürlich abgelehnt worden. Deshalb freut es uns,
dass nun auch die Staatsregierung die angesprochenen Probleme regeln will. Wir werden uns das ganz genau anschauen. Wir werden uns auch die Kritik des Journalisten-Verbandes ganz genau anschauen, der befürchtet, dass der Informantenschutz nicht mehr gewährleistet werde. All das werden wir uns genau anschauen. Ich bin darauf gespannt, was die Sachverständigen in der Gesamtschau zu diesem neuen Gesetzentwurf sagen werden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es wäre ein gutes Signal, wenn das neue Bayerische Richter- und Staatsanwaltsgesetz gemeinsam von allen Fraktionen getragen und beschlossen würde. Leider gibt es keinerlei Bereitschaft seitens der CSU-Fraktion, sich unseren Änderungsanträgen auch nur ein bisschen anzunähern, sodass das leider ein frommer Wunsch bleiben wird.
Wir haben den Gesetzentwurf und die Änderungsanträge meiner Fraktion und die der Fraktion der FREIEN WÄHLER ausführlich im Rechtsausschuss und anschließend auch im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes beraten. Aber es bleibt bei dem schon in der Ersten Lesung abgegebenen Befund, dass dieses neue Gesetz kein großer Wurf ist.
Richtig ist, dass das Gesetz eine klarere Struktur erhält und dass Regelungsdubletten beseitigt werden. Neben neuen, detaillierten Vorschriften zur Besetzung und Zuständigkeit von Dienstgerichten, was die Kollegin ausgeführt hat, sind aber eigentlich nur die Überschrift und die Vorschriften zu Neutralität und Amtstracht, über die Schaffung eines IT-Rats und die erstmals im Gesetz genannte Fortbildungspflicht neu. Der in der Problembeschreibung genannte hohe Anspruch, meine Damen und Herren, "das Gesetz in die Zeit zu stellen, um auch weiterhin eine starke, bürgernahe und effiziente Dritte Gewalt zu gewährleisten", kann mittels eines neuen Richter- und Staatsanwaltsgesetzes natürlich nicht erfüllt werden. Ich verweise diesbezüglich auf die Ausführungen in der Ersten Lesung.
Was die Stärke der Dritten Gewalt betrifft, bedarf es keines neuen Richtergesetzes; denn mehr an Unabhängigkeit der Dritten Gewalt, als das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung bereits verbürgen, kann auch ein Bayerisches Richter- und Staatsanwaltsgesetz nicht bieten. Die Bürgernähe ist in erster Linie eine Frage der Gerichtsorganisation und nicht eines Richtergesetzes. Allerdings hat genau diese Staatsregierung Bürgernähe in den letzten Jahrzehnten abgebaut; ich erinnere an die Schließung der amtsgerichtlichen Zweigstellen. Und was die Effizienz der Dritten Gewalt betrifft, so hat diese etwas mit der personellen und technischen Ausstattung unserer Gerichte und Staatsanwaltschaften zu tun, aber nichts mit einem Richtergesetz.
Die bayerischen Gerichte und Staatsanwaltschaften arbeiten alles in allem effektiv und schnell. Dennoch
fehlen trotz der neu bewilligten Stellen insbesondere an den Amtsgerichten und bei den Staatsanwaltschaften, aber derzeit gerade an den Verwaltungsgerichten immer noch Hunderte von Richtern und Staatsanwälten und noch mehr Mitarbeiter in den Geschäftsstellen. Eine Folge davon ist zum Beispiel, dass in umfangreichen Strafsachen immer öfter nichts anderes übrig bleibt, als Deals zulasten der Wahrheitsfindung einzugehen, weil die Menge der Verfahren anders nicht zu bewältigen ist. Das mag unter dem Gesichtspunkt der Effizienz gut sein. So richtig gerecht ist es aber nicht, meine Damen und Herren.
Die richterliche Unabhängigkeit ist das wichtigste Wesensmerkmal eines aufgeklärten Rechtsstaats. Ihr Wert zeigt sich gerade jetzt, in Zeiten, in denen die Unabhängigkeit der Justiz in anderen Mitgliedstaaten der EU massiv eingeschränkt wird. Die richterliche Unabhängigkeit ist aber kein Privileg einer kleinen Kaste von Mandarinen und keine Lizenz zur Willkür. Die Richterinnen und Richter sind nur dem Gesetz unterworfen. Ihre Entscheidungen dürfen nur von Gerichten korrigiert werden, nicht von der Politik. Weil aber auch bayerische Richterinnen und Richter irren und Fehlurteile fällen können, ist ein effizienter Instanzenzug von herausragender Bedeutung. Und gerade da hat es in den letzten Jahren durchaus erhebliche Einschränkungen gegeben. Ich meine, das sollte gesagt werden, wenn es um ein neues Richtergesetz geht, meine Damen und Herren.
Ansonsten unterscheidet sich das neue Gesetz im Wesentlichen vom alten nur dadurch, dass es anders heißt, nämlich nicht mehr nur "Bayerisches Richtergesetz", sondern "Bayerisches Richter- und Staatsanwaltsgesetz", ohne dass an den Inhalten viel geändert worden wäre. Die Formulierung in Artikel 1 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzentwurfs, dass Staatsanwälte und Staatsanwältinnen als Beamte mit ihrer Verpflichtung zur Objektivität rechtsstaatliche Verfahrensabläufe im Strafverfahren garantieren, ist der Versuch, dem Anliegen des Richtervereins entgegenzukommen, der die besondere Stellung der Staatsanwaltschaft auch besonders herausgehoben haben möchte. Dieser Versuch ist aber nicht so richtig gelungen. Natürlich sind Staatsanwälte bedeutende Organe der Rechtspflege, wie es in der Begründung heißt. Dennoch sind sie an Weisungen ihrer vorgesetzten Behörde gebunden. Eine ganz andere Frage ist, ob und wie umfangreich von dem externen Weisungsrecht des Justizministers im Einzelfall Gebrauch gemacht werden soll.
Die Staatsanwaltschaft ist keine Kavallerie der Justiz, die gegen das Böse in der Welt in die Schlacht zieht, auch wenn sich manche Staatsanwälte gerne in dieser Rolle sehen und sich hierbei gelegentlich vergaloppieren, wie das Landgericht München I vor Kurzem in erstaunlicher Deutlichkeit in dem Amtshaftungsverfahren eines Beamten der Soko Labor festgestellt hat.
Meine Damen und Herren, richtigerweise heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs, dass die Trennung zwischen Staatsanwaltschaft und Gericht eine wesentliche Errungenschaft des Rechtsstaats ist. Dabei bleibt es auch. Abgesehen von den bereits angesprochenen neuen Regelungen soll mit dem neuen Gesetz im Grundsatz aber alles so bleiben, wie es seit Jahrzehnten ist, dass nämlich die Elitenbildung sowohl in der ordentlichen Justiz als auch in den Fachgerichtsbarkeiten intransparent und für die Betroffenen eigentlich unwürdig ist – siehe ganz aktuell das Beispiel der Besetzung der Position des Präsidenten des Finanzgerichts München –, dass das Ministerium, nicht die Richterschaft selbst über Beförderungen entscheidet und dass keine Bereitschaft besteht, dem Präsidialrat mehr Befugnisse zu geben.
Schritte in Richtung hin zu mehr Selbstverwaltung der Dritten Gewalt sind nicht erkennbar; eine stärkere Beteiligung der Richter und Staatsanwälte selbst auch nicht. Eine Beteiligung des Parlaments bei der Anstellung und der Zuweisung höher dotierter Stellen, wie sie in anderen Ländern durchaus üblich und nicht zum Schaden der Justiz ist, soll es auch weiterhin nicht geben. Wir begrüßen die Schaffung eines IT-Rats und halten die Regelungen über die Neutralitätspflicht für richtig und sind der Meinung, dass Glaubens- und Bekenntnisfreiheit eines Richters notwendigerweise dahinter zurückstehen müssen.
Da sich die CSU-Fraktion nicht in der Lage gesehen hat, auch nur einen einzigen unserer – wie ich meine: durchaus begründeten – Änderungsanträge ernsthaft zu diskutieren oder gar anzunehmen, und es offensichtlich keine Bereitschaft gibt, gemeinsam ein neues Richter- und Staatsanwaltsgesetz zu beschließen, was ich bedaure, können Sie nicht erwarten, dass wir dem Gesetzentwurf zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf umfasst 110 Seiten. Deswegen wird er gar nicht verteilt. Er ist sehr umfangreich, und Sie sollen offensichtlich nicht mit 110 Seiten eines PAG-Neuordnungsgesetzes belästigt werden. Es ist nicht möglich, innerhalb der sechs Minuten, die mir zur Verfügung stehen, zu diesem Riesengesetzentwurf auch nur einigermaßen umfassend Stellung zu nehmen. Deswegen möchte ich in der Ersten Lesung nur folgende Anmerkungen machen:
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll eine EURichtlinie umgesetzt werden; das ist ausgeführt worden. Zudem soll die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den verfassungsgerichtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung polizeilicher Eingriffsbefugnisse aus dem sogenannten BKA-GesetzUrteil in das Polizeiaufgabengesetz implementiert werden. Das betrifft neben dem, was der Herr Staatsminister schon angesprochen hat, auch Fragen des Kernbereichs der privaten Lebensgestaltung und Fragen des Schutzes von Berufsgeheimnisträgern und Richtervorbehalten usw. So weit, so gut.