Protokoll der Sitzung vom 12.04.2016

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie alle sehr herzlich begrüßen. Ich eröffne die 70. Vollsitzung des Bayerischen Landtags in dieser Legislaturperiode. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten, und diese wurde wie immer vorab erteilt.

Wir treten in die Tagesordnung ein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der CSU-Fraktion "In Bayern leben heißt sicherer leben Erfolgreiche Sicherheitspolitik für unser Land"

Ich darf als ersten Redner für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Kreuzer bitten. Bitte schön, Herr Kollege Kreuzer.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Es sind viele Faktoren, die die Lebensqualität in einem Land ausmachen. Ein ganz entscheidender ist aber die innere Sicherheit. Unsere Bürgerinnen und Bürger können sich darauf verlassen, dass der Satz gilt: In Bayern leben heißt sicherer leben. Bayern ist seit Jahren Spitzenreiter in puncto innere Sicherheit. Grundlage für diesen Erfolg ist zum einen die hoch professionelle und engagierte Arbeit unserer Sicherheitsbehörden, für die ich in diesem Zusammenhang ganz herzlich danke. Grundlage ist aber zum anderen auch die Unterstützung unserer Polizei durch eine konsequente und verantwortungsbewusste Sicherheitspolitik. Dafür steht die CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag gemeinsam mit der Staatsregierung.

(Beifall bei der CSU)

Wir verstärken nicht nur unsere Sicherheitsbehörden und versorgen sie mit modernster Ausstattung; wir kümmern uns auch um die Prävention von Straftaten und Radikalisierungstendenzen.

Die terroristischen Anschläge des letzten und dieses Jahres haben uns die sicherheitspolitischen Herausforderungen noch deutlicher vor Augen geführt. Deutschland liegt nach wie vor im Zielspektrum des islamistischen Terrorismus. In Deutschland leben derzeit nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden rund 11.000 gewaltbereite Islamisten. An die Frau Kollegin Bause gesagt, die heute nicht da ist – wir hatten eine heftige Auseinandersetzung, ob Flüchtlingsströme eventuell auch dazu führen können, dass Islamisten hier einsickern –: Inzwischen wird dies von den Ver

fassungsschutzbehörden allgemein anerkannt. Wir haben es ja auch in Paris beispielsweise gesehen.

Überhaupt ist es in dieser Situation verantwortungslos, wenn Teile der Opposition versuchen, unseren Sicherheitsbehörden die Arbeit zu erschweren. Ich nenne das Beispiel schärferer Sicherheitsgesetze. Die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger befürwortet dauerhaft höhere Sicherheitsmaßnahmen. Die GRÜNEN sind dagegen. "Wir brauchen keine schärferen Gesetze", so die GRÜNEN-Chefin Simone Peter am 20. November 2015, wenige Tage nach den Anschlägen von Paris in der "Saarbrücker Zeitung".

Beispiel: Ausweitung der Videoüberwachung auf öffentlichen Plätzen. Der Videoüberwachung von Kriminalitätsbrennpunkten kommt zur Abschreckung von Straftätern und zur Unterstützung bei der Aufklärung ein hoher Stellenwert zu. Die GRÜNEN sind dagegen. Ich zitiere wörtlich aus einer Pressemitteilung der Landtagsgrünen vom 8. März 2013: "Die BürgerInnen werden unter Generalverdacht gestellt, und mit der unaufhörlichen Erweiterung der Videoüberwachung wäre der gläserne Bürger frei nach George Orwell perfekt."

Beispiel: digitale Spurensicherung. Auf Druck der CSU wurde die Speicherung von Verbindungsdaten gegen den erbitterten Widerstand der Opposition und zunächst auch großer Teile der SPD eingeführt. Dschihadisten agieren nicht nur mit Bomben und Schusswaffen; sie haben längst auch das Internet als Kampfgebiet entdeckt. Der Staat darf sich deshalb nicht blind und taub stellen. Die Aufklärung virtueller Spuren im Internet und in den sozialen Netzwerken darf kein Tabuthema sein. Aber die GRÜNEN sind dagegen. Sie schmähen es als Schnüffelstaat, wenn wir unseren Sicherheitskräften erlauben, ihre Arbeit zu machen. Katharina Schulze schreibt dazu am 18. Januar 2016 in einer Pressemitteilung: "Sicherheit im öffentlichen Raum kann nur eine personell und materiell gut ausgestattete Polizei gewährleisten und nicht ein überbordender Schnüffelstaat." Meine Damen und Herren, so etwas ist angesichts der Gefahren für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger nicht nur verantwortungslos; es ist auch ein ständig geäußertes Misstrauen und eine Beleidigung gegenüber unseren Sicherheitskräften.

(Beifall bei der CSU)

Was wäre denn in Paris und Brüssel heute aufgeklärt, wenn es nicht die Videoüberwachung gegeben hätte und wenn es nicht aufgrund der Verbindungsdaten möglich gewesen wäre, hinterher festzustellen, mit wem die Straftäter vor ihren Anschlägen Kontakt gehabt haben? Solche Maßnahmen sind also auch dazu

geeignet – die Menschen sind festgenommen worden –, zukünftige Straftaten zu verhindern.

Sie fordern immer nur fundierte Analysen, engmaschige Überwachung sowie intensive und effektive Kontrolle. Ich frage Sie: Wie soll das funktionieren? Wie soll denn analysiert und überwacht sowie kontrolliert werden, ohne brauchbares Bildmaterial, ohne technische Möglichkeiten für unsere Ermittler, ohne Daten und ohne funktionierenden Austausch? – Dies ist nicht möglich. Sie täuschen damit die Bevölkerung.

Wohin diese rot-grüne Blockadepolitik bei der inneren Sicherheit führt, sehen wir in Nordrhein-Westfalen. Jahrelang wurde alles vertagt, versäumt und abgelehnt. Erst nach den schrecklichen Ereignissen in der Silvesternacht in Köln ergreift Rot-Grün die sicherheitspolitischen Maßnahmen, die die bürgerliche Opposition schon längst gefordert hat.

(Beifall bei der CSU)

Die "FAZ" schreibt hierzu am 31.03.2016:

Lange hatte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gebraucht, um sich ausführlich zu den Silvesterereignissen von Köln zu äußern. Dann ließ Kraft ihren Apparat in aller Eile ein 15-PunkteMaßnahmenpaket zusammenstellen, das sie schließlich am 14. Januar im Landtag vorstellte. Es klang in weiten Teilen wie eine Zusammenschau der sicherheitspolitischen Forderungen der bürgerlichen Opposition.

Das ist rot-grüne Sicherheitspolitik. Besser gesagt: Das ist rot-grüne Unsicherheitspolitik für die Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CSU)

Wir sind uns bewusst, dass es absolute Sicherheit weder in Bezug auf Straftaten noch auf Terroranschläge geben kann. Aber Freiheit ohne Sicherheit ist nicht denkbar. Sie bedingen sich gegenseitig.

Deswegen ist ein wichtiger Baustein die Sicherung der bayerischen Grenzen, solange ein effektiver Schutz der EU-Außengrenzen nicht gewährleistet ist. Wir stehen für eine Verstärkung der Schleierfahndung. Sie spielt eine entscheidende Rolle für die Sicherheit in unserem Land. Wir stehen für die zügige Verabschiedung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes. Bayern setzt auf einen leistungsfähigen Verfassungsschutz. Mit dem novellierten Verfassungsschutzgesetz stellen wir die Handlungsfähigkeit unseres Dienstes auch in Zukunft sicher und treten der Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus entgegen, um der Situation Rechnung zu tragen. Zu

Recht enthält die Gesetzesnovelle die Befugnisse des Landesamts für Verfassungsschutz, auch künftig gespeicherte Kommunikationsdaten anzulegen und darauf zuzugreifen. Es kann nicht sein, dass die Nachrichtendienste weniger Erkenntnisse haben als Polizei und Strafverfolgungsbehörden.

Wir bekämpfen auch extremistische Entwicklungen. Gefahren drohen unserem Rechtsstaat nicht nur von Islamisten. Wir bekämpfen jede Art von Extremismus. Mit dem Verbot des Freien Netzes Süd ist ein wichtiger Schlag gegen die rechtsextremen Ziele in Bayern gelungen. Ein weiterer großer Schritt wäre das gerade von Bayern angestoßene NPD-Verbot. Aber auch die Gewalt, die von linken Extremisten ausgeht, muss wirksam bekämpft werden.

(Beifall bei der CSU)

Es ist nicht hinzunehmen, dass auch 2015 wieder bundesweit eine erhebliche Zahl von Polizeibeamten im Rahmen linksextremer Gewaltausbrüche verletzt worden ist. Das betrifft auch viele bayerische Beamte im Rahmen der Amtshilfe in anderen Bundesländern. Wir stehen für ein konsequentes Vorgehen gegen eine dschihadistische Gefährdung und für eine wirksame Prävention gegen Radikalisierung. Ich fordere den Bundesjustizminister auf, endlich das Werbeverbot für extremistische Organisationen ins Strafgesetzbuch aufzunehmen.

(Beifall bei der CSU)

Es kann doch nicht sein, dass man in Deutschland straflos im Netz für den Beitritt zum IS werben darf. Dies ist eine vollkommene Fehlleistung, und insofern muss schleunigst gehandelt werden. Nulltoleranz gegenüber Kriminalität, aber auch Nulltoleranz gegenüber jeder Art von Extremismus!

Wer in der politischen Verantwortung steht, muss alles technisch und rechtlich Mögliche tun, um unsere Bürgerinnen und Bürger sowie unsere freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen. Das machen wir in Bayern mit dem höchsten Personalstand bei der bayerischen Polizei aller Zeiten und mit einem starken politischen Rückhalt unserer Sicherheitskräfte. Denn es gilt: Nur wer in Sicherheit lebt, kann auch in Freiheit leben. Das wollen wir für die Menschen in Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank – Jetzt hat Professor Dr. Gantzer für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Sicherheitslage ist unbestritten gut. Das wird auch von niemandem bestritten. Man muss auch sagen: Das ist die Arbeit der Polizei. Wir bedanken uns ausdrücklich bei den Polizeibeamtinnen und –beamten für die gute Arbeit, die wir mit einer 2+ bewerten können.

(Beifall bei der SPD)

Demgegenüber steht aber die personelle Lage. Herr Minister, da bin ich leider bei einer 4-. Ich habe zwar gelesen, dass der Herr Innenminister gestern noch gesagt hat – es wurde von Herrn Kreuzer gerade wiederholt –: Die Polizei hat so viele Stellen, wie sie nie zuvor gehabt hat. – Das ist richtig.

Aber, erstens: Die Bevölkerung in Bayern ist um 1,5 Millionen Einwohner gestiegen. Schon das muss berücksichtigt werden. Zweitens: Die Polizei hat so viele neue Belastungen wie noch nie zuvor.

(Beifall bei der SPD)

Das ist nicht auf den G-7-Gipfel oder die Flüchtlingskrise zurückzuführen, sondern das ist vor allem auf den Terrorismus, die Cyberkriminalität, die neue Kriminalitätsfelder bis hin zum Darknet eröffnet hat, die Großveranstaltungen – wenn ich sehe, was allein bei Fußballspielen an Polizeieinsatz geleistet werden muss! – und, und, und zurückzuführen. Da frage ich natürlich: Wird das der Polizei wirklich gedankt?

Herr Minister, es gibt zwei klare Kriterien, an denen diese Frage gemessen werden muss. Das ist nicht die Zahl der Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen. Das erste Kriterium ist die Überstundensituation. Die Überstundensituation ist überbordend. Früher hatte jeder Schichtdienstbeamte im Durchschnitt 25 Überstunden. Das war normal. Heute haben wir nach den letzten Zahlen eine Überstundenbelastung von mindestens 50, meistens jedoch 90 bis 100 Überstunden pro Beamtem. Das zeigt, dass die innere Sicherheit auf dem Rücken der Polizeibeamten funktioniert. Sie funktioniert zwar gut, aber sie funktioniert nur auf dem Rücken der Polizeibeamten und zulasten der Polizeibeamten.

Das zweite Kriterium ist die Bezahlung, Herr Minister. Das geht schon im Kleinen los. Wir fordern nicht, dass das Gehalt verdoppelt wird. Ich erinnere nur an unsere Haushaltsanträge, die wir in einem Zeitraum von mehreren Jahren immer wieder in den Landtag eingebracht haben. Das betrifft zum Beispiel die DuZ-Zulage, die seit Jahrzehnten nicht erhöht worden ist. Das betrifft auch die Polizeizulage, die auf einem niedrigen Niveau stagniert. Das betrifft aber auch die Ballungsraum- bzw. Münchenzulage für Polizeibeamte. Ich

denke in diesem Zusammenhang an meinen Antrag, den vielleicht jetzt der Herr Ministerpräsident zur Chefsache macht: Seit vielen Jahren beantragen wir, dass für Kuren von Polizeibeamten, die Schichtdienst leisten, ein Betrag von zwei Millionen zur Verfügung gestellt wird. Der wird immer abgelehnt. Man könnte also mit kleinen Sachen viel für die Polizeibeamten tun. Aber es heißt immer wieder, es sei kein Geld dafür da.

Was soll ein Polizeibeamter denken, wenn er beispielsweise sieht, dass die Bayerische Staatsregierung bei der Landesbank Milliarden versenkt hat? – Damit könnten wir 20 Jahre lang alle diese Zulagen ohne Weiteres bezahlen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CSU)

Ich frage weiter: Was soll ein Polizeibeamter denken, wenn er im Fachbereich Wirtschaftskriminalität tätig ist, wenn er sieht, dass die Landesbank über die LBLux Steuerverhinderungsgeschäfte abwickelt? – Die Brüsseler Kommission hat gerade festgestellt, dass die EU-Staaten insgesamt durch Steuerhinterziehung in Offshore-Zentren jährlich eine Billion Euro verlieren. Wir aber gehen mit diesen Dingen halbherzig um. Ich erinnere nur an die Diskussion zu den Panama-Papieren in der letzten Woche. Es schien doch wirklich so, als ob sie von Ihnen als Kavaliersdelikte angesehen würden.

(Peter Winter (CSU): Falsche Wahrnehmung!)

Ich kann dazu nur sagen: Polizeibeamte haben keine Briefkastenfirmen.

(Beifall bei der SPD)

Drittens. Was soll ein Polizeibeamter denken, wenn es heißt, es ist nicht genug Geld da, er aber gleichzeitig über den Fall Engelhorn lesen muss? Das sind Milliardärstöchter, die straffrei ausgehen. Sie bekommen Milliarden von ihrem Vater geschenkt, zahlen dafür aber nur einen ganz geringen Betrag an Erbschaftund Schenkungsteuer und verschwinden anschließend in die Schweiz, melden sich um und legen die deutsche Staatsbürgerschaft ab.

Was soll sich ein Polizeibeamter, der Wirtschaftskriminalität verfolgt, denken, wenn er des Weiteren liest, dass der Herr Ministerpräsident die Reform der Erbschaftsteuer torpediert? Ich kann nur sagen: Polizeibeamte werden durch die Erbschaftsteuer nicht begünstigt; denn Polizeibeamte haben gar nicht so viel zu vererben. Sie verdienen nämlich nicht so viel, Herr Innenminister. Darüber sollten Sie einmal nachdenken.