Protokoll der Sitzung vom 27.11.2014

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 30. Vollsitzung des Bayerischen Landtags in dieser Legislaturperiode. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde wie immer vorab erteilt.

Ich darf Sie zunächst bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 22. November verstarb im Alter von 78 Jahren der ehemalige Kollege Herbert Hofmann. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1970 bis 1984 an und vertrat für die CSU-Fraktion den Stimmkreis Kulmbach/ Oberfranken.

Während seiner Abgeordnetentätigkeit war Herbert Hofmann unter anderem Mitglied im Ausschuss für kulturpolitische Fragen, im Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Kommunalfragen sowie über lange Jahre Mitglied im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft und von 1978 bis zu seinem Ausscheiden dessen Vorsitzender. In dieser Funktion hat er die bayerische Agrarpolitik maßgeblich mitgestaltet und sich in besonderer Weise für die Entwicklung des ländlichen Raumes eingesetzt.

Im Anschluss an seine Abgeordnetentätigkeit übernahm er im Jahr 1984 für zwölf Jahre das Amt des Landrates des Landkreises Kulmbach, wo er mit ganzer Kraft für seine Heimat gearbeitet hat und damit auch sehr viel Positives bewirken konnte.

Sein herausragendes Engagement wurde mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden und der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber.

Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren, und er trauert mit seiner Familie. - Ich bedanke mich.

Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich auf der Ehrentribüne des Hohen Hauses Gäste begrüßen. Ich freue mich, dass ich Frau Ankie Spitzer und Frau Ilana Romano, die heute als Gäste von Herrn Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle in München sind, hier begrüßen kann. In meinen Gruß schließe ich den Generalkonsul des Staates Israel, Herrn Dr. Shaham, ein, der unsere Gäste am heutigen Tage begleitet.

Kolleginnen und Kollegen, Frau Spitzer und Frau Romano sind die Witwen von Andre Spitzer und Yossef

Romano, zwei der Opfer des Attentats während der Olympischen Spiele in München 1972. Sie vertreten die Anliegen der Hinterbliebenen und Familienangehörigen der Opfer sowie der israelischen Zeugen des Attentats. Frau Ankie Spitzer und Frau Romano waren und sind in die Konzeption des geplanten Erinnerungsortes für das Olympia-Attentat in München eng eingebunden.

Ihr Besuch hier im Bayerischen Landtag sei ein Zeichen der engen bayerisch-israelischen Verbundenheit. Seien Sie uns in dieser Stunde herzlich gegrüßt! Wir danken Ihnen dafür, dass Sie sich engagiert hier auch für die Anliegen der Hinterbliebenen einsetzen. Vielen Dank, Herr Staatsminister, dass die Gäste heute zu Beginn der Plenarsitzung anwesend sind. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Bevor wir endgültig in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch zwei Geburtstagswünsche aussprechen. Am 13. November feierte Herr Kollege Bernhard Pohl einen runden Geburtstag. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der FREIEN WÄHLER. Herr Kollege, herzlichen Glückwunsch im Nachhinein.

(Allgemeiner Beifall)

Heute hat Herr Kollege Manfred Ländner Geburtstag. Ebenso herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Für den Ablauf unserer heutigen Sitzung darf ich noch bekannt geben, dass im Einvernehmen mit allen Fraktionen der Tagesordnungspunkt 13 – das ist der Antrag der Abgeordneten Dr. Strohmayr, Ruth Müller, Inge Aures und anderer (SPD) betreffend "Reform des Gesamtkonzepts für Frauenhäuser und Notrufe in Bayern; –Traumatisierten Kindern eine bessere Zukunft geben!" auf Drucksache 17/2526 – von der Tagesordnung abgesetzt wird. Außerdem werden im Einvernehmen mit allen Fraktionen die Nummern 6 bis 10 der Anlage zur Tagesordnung abgesetzt. Es handelt sich hierbei um die Anträge der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN betreffend "Frauenhäuser und Notrufe in Bayern I" bis "V" auf den Drucksachen 17/2111 mit 2115.

Die abgesetzten Tagesordnungspunkte sollen im nächsten Plenum am 2. Dezember 2014 gemeinsam beraten werden.

Außerdem weise ich darauf hin, dass der Tagesordnungspunkt 2 – das ist die Aktuelle Stunde – entfällt,

nachdem die CSU-Fraktion auf ihr Vorschlagsrecht verzichtet hat.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Regierungserklärung des Staatsministers der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat "Heimat Bayern 2020"

Herr Staatsminister, ich darf Ihnen das Wort erteilen. – Bitte schön.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier gab es schon viele Regierungserklärungen. Heute aber ist tatsächlich die allererste Regierungserklärung zum Thema Heimat und Heimatministerium. Insofern ist das tatsächlich eine echte nationale Premiere.

(Beifall bei der CSU)

Ich darf Ihnen versprechen: Es wird eine inhaltliche Regierungserklärung. Damit sage ich "Guten Morgen" an das Hohe Haus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Bayern ist ein wundervolles Land. Für viele Menschen bedeutet der Freistaat die Hoffnung auf ein besseres Leben. Daher wächst unser Land immer weiter. Laut Statistischem Landesamt werden bis zum Jahr 2030 fast 13 Millionen Menschen bei uns sein. Das ist eine Abstimmung mit den Füßen und ein gutes Zeugnis für die Zukunftsfähigkeit Bayerns.

(Beifall bei der CSU)

Doch die Geschwindigkeit des Wachstums ist nicht überall gleich. Die Ballungsräume und die Entwicklungsachsen weisen einerseits eine hohe Dynamik aus. Auf der anderen Seite haben wir jedoch ländliche und strukturschwache Räume, die um den Anschluss kämpfen. Die eigentliche landespolitische Herausforderung liegt darin, dass Bayern nicht dauerhaft ein Land der zwei Geschwindigkeiten werden darf; denn nach der Verfassung soll die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen eine Kernaufgabe des Staates sein.

Gleichwertigkeit heißt aber nicht Gleichartigkeit. Wir wollen in ländlichen Räumen keine Mieten wie in München oder Nürnberg, aber Perspektiven für ein gutes Leben. Unser Augenmerk gilt daher ganz besonders den ländlichen Regionen. Die Städte pulsieren, aber der ländliche Raum ist die Seele Bayerns. Er sorgt für die kulturelle Stabilität unseres Landes.

(Beifall bei der CSU)

Bayern soll Heimat für alle sein – für die alteingesessenen Bayern und auch für Neubürger, egal, ob sie aus Deutschland oder aus anderen Teilen der Welt nach Bayern ziehen und hier dauerhaft bleiben. Heimat heißt: zu Hause sein, zu Hause bleiben und vor allen Dingen, sich zu Hause fühlen. Genau dafür haben wir die Heimatstrategie mit einer Reihe von Maßnahmen entwickelt.

Unter dem Motto "Heimat Bayern 2020" wollen wir bis zum Jahr 2020 das Land gleichmäßig entwickeln. Am Anfang steht jedoch die Analyse. Man kann nur Maßnahmen ergreifen, wenn man vorher eine richtige Analyse durchgeführt hat. Der ländliche Raum ist viel besser als das Image, das manchmal in den Medien gezeichnet wird. Über die Hälfte der Einwohner des Freistaats sind im ländlichen Raum daheim und leben auch gerne dort. Mit dem neu erstellten Heimatbericht, der erstmals in dieser Form vorgelegt wird, haben wir jetzt eine umfangreiche Datenbasis für den ländlichen Raum zusammengetragen. Daran lassen sich positive Trends ablesen.

So hat sich zum Beispiel die Arbeitslosenquote im ländlichen Raum im Zeitraum von 2006 bis 2013 halbiert. Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im ländlichen Raum ist sogar um über 14 % gewachsen. Auch die Zahl der Studierenden an staatlichen Fachhochschulen im ländlichen Raum hat sich in diesem Zeitraum um 70 % erhöht. Sogar der Zuzug in ländliche Räume hat sich stabilisiert und wieder verbessert. In den Jahren 2012 und 2013 gab es im gesamten ländlichen Raum in Bayern einen positiven Wanderungssaldo von über 80.000 Menschen. Das heißt: Manchen Unkenrufen zum Trotz ist und bleibt der ländliche Raum attraktiv.

(Beifall bei der CSU)

Doch täuschen wir uns nicht: Es gibt eine echte demografische Herausforderung. 2013 verzeichneten 20 Landkreise in Bayern einen Rückgang der Bevölkerung. Sechs davon – Lichtenfels, Kronach, Hof, Wunsiedel, Tirschenreuth und Neustadt an der Waldnaab – hatten sogar einen negativen Wanderungssaldo. Wie reagieren wir darauf? – In anderen Bundesländern wird mit den Schultern gezuckt, wir erarbeiten ein Konzept. Uns muss aber klar sein, dass wir nicht auf einen Schlag alles verändern können. Es handelt sich um einen Prozess und eine Daueraufgabe. Wir brauchen dafür eine flexible und moderne Landesentwicklung. Sie soll nicht statisch oder gar dirigistisch sein. Vorsorge und Reaktion müssen die Parameter einer nachhaltigen Landesentwicklung sein. Wir brauchen Pragmatismus statt Prinzipienreiterei.

Dabei ist Teamarbeit gefragt. Landesentwicklung ist keine One-Man-Show, sondern eine Gesamtaufgabe der Staatsregierung, wenn es um Arbeitsplätze, Infrastruktur, Bildungsregionen, medizinische Versorgung für ältere Menschen oder den Erhalt einer leistungsfähigen Landwirtschaft als Rückgrat des ländlichen Raums geht. Landesentwicklung ist aber nicht nur eine Aufgabe von Staatsregierung und Landtag. Landesentwicklung funktioniert nur in Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort. Staat und Kommunen sind eine Aktionseinheit. Es geht nur gemeinsam Hand in Hand. Geht es Bürgermeistern und Landräten gut, dann auch dem Land.

Um Staatsregierung und Kommunen zu koordinieren und in die gleiche Richtung zu bewegen, braucht es ein Scharnier. Das ist das Heimatministerium.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Das Heimatministerium wurde als einziges Ministerium dieser Art in Deutschland auf den Weg gebracht. Ein Heimatministerium gibt es nur in Bayern. Wir sind in dieser Situation einzigartig. Kein anderes Land bekennt sich so zum ländlichen Raum wie der Freistaat Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Wir sehen uns als Anwalt und Motor der Landesentwicklung in Bayern. Das ist vielleicht die anspruchsvollste landespolitische Herausforderung überhaupt.

Basis für das Ganze ist Geld. Der kommunale Finanzausgleich ist das wichtigste Element, um Initiativen vor Ort zu stärken. Im Jahr 2015 wächst der kommunale Finanzausgleich erneut auf insgesamt rund 8,3 Milliarden Euro. Wenn man das aktuelle Rekordniveau des kommunalen Finanzausgleichs für die nächsten Jahre fortschreibt und zusammenzählt, würde dies bedeuten, dass der Freistaat Bayern bis zum Jahr 2020 50 Milliarden Euro für seine Kommunen ausgibt. Das gibt es nirgendwo in Deutschland; das ist ein ganz klares Signal.

(Beifall bei der CSU)

Es geht aber nicht nur um die Höhe. Wir wollen das System gerechter und effizienter gestalten. Der kommunale Finanzausgleich muss ein atmendes System sein. Dazu werden wir im Frühjahr mit den kommunalen Spitzenverbänden Vorschläge erarbeiten. Was ist uns dabei wichtig? - Vor allem die Veränderung der Einwohnergewichtung zugunsten strukturschwacher Kommunen und eine faire Bemessung der Steuerkraft stehen im Mittelpunkt. Es kann nicht sein, dass manche Milliarden einnehmen, ohne dass dies angerech

net wird. Es braucht mehr Fairness im kommunalen Finanzausgleich.

(Beifall bei der CSU)

Ein besonderes Augenmerk richten wir auf die schwächsten Kommunen in Bayern, die kaum mehr einen eigenen Haushalt aufstellen können. Für sie haben wir im Jahr 2012 erstmals Stabilisierungshilfen eingeführt. Zu Beginn waren es nur 25 Millionen Euro. 2013 haben wir den Betrag auf 100 Millionen Euro vervierfacht, und 2015, also im nächsten Jahr, wird dieser Betrag erneut erhöht, auf insgesamt 120 Millionen Euro. Dies ist ein nahezu einmaliges Instrument. Einige sagen, das sei nur ein Almosen. Die sollten einmal mit Bürgermeistern reden. Für viele Bürgermeister ist das eine ganz wichtige Unterstützung.

(Beifall bei der CSU)

Letzten Freitag fiel die Entscheidung. 169 Kommunen profitieren davon. Rund 91 % dieser Nothilfen gehen nach Nord- und Ostbayern. Allein in den Regierungsbezirk Oberfranken fließen fast 50 Millionen Euro. Der höchste Einzelbetrag geht dabei mit 5 Millionen Euro an die Stadt Hof, und der gesamte Landkreis Wunsiedel mit all seinen Gemeinden erhält über 20 Millionen Euro. Die Oberpfalz erhält fast 21 Millionen, Niederbayern über 13 Millionen. Meine Damen und Herren, es gibt kaum eine Möglichkeit, so schnell, so direkt und so effizient zu helfen. Ich denke, dieses Geld ist gut angelegt.