Protokoll der Sitzung vom 07.05.2014

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 16. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Der Landeswahlleiter hat Herrn Joachim Hanisch aus Bruck in der Oberpfalz gemäß Artikel 58 des Landeswahlgesetzes als Listennachfolger für die ausgeschiedene Kollegin Tanja Schweiger festgestellt. Seit 1. Mai ist Herr Hanisch Mitglied des Bayerischen Landtags. Verehrter Herr Kollege Hanisch, nachdem Sie bereits in der 16. Legislaturperiode Mitglied des Hohen Hauses waren, darf ich Sie nun wieder herzlich in unserer Mitte begrüßen. Für Ihre parlamentarische Arbeit wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg.

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 a auf:

Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Dr. Paul Wengert u. a. und Fraktion (SPD) zur Änderung des Landeswahlgesetzes und des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes (Aufhebung der Vorschriften über den Ausschluss vom Stimmrecht nach Art. 2 Nrn. 2 und 3 LWG und vom Wahlrecht nach Art. 2 Nrn. 2 und 3 GLKrWG) (Drs. 17/1576) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Als Erster hat der Kollege Arnold das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Danke schön, Herr Präsident. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Demokratie ist jedenfalls nach unserer Ansicht das höchste Gut und auch das höchste Instrument, um über das Dasein zu entscheiden. Innerhalb dieser Demokratie wiederum ist das Wahlrecht das Urrecht und der Kernbestandteil, aber auch zugleich die Legitimation für das System Demokratie. Nicht zuletzt deswegen ist das preußische Drei-Klassen-Wahlrecht keine Legitimation für ein demokratisches System. Wir haben im letzten Jahrhundert intensiv, nachhaltig und mit Erfolg um das Frauenwahlrecht gekämpft; das ist ein Verdienst der Sozialdemokratie. Auch dieser Punkt betrifft die Demokratie und das Wahlrecht.

Im alten Athen durften im Prinzip nur Bürger abstimmen, aber keine Sklaven. Gerade wir, die wir letztendlich die Entrechteten und diejenigen verteidigen und vertreten wollen, die in einer sozialen Gesellschaft keine Vermögenswerte anhäufen, müssen uns für

diese Bürger einsetzen. Natürlich gibt es objektive und angemessene Gründe, Menschen von diesem Ur- oder Kernrecht auszuschließen. In Bayern besteht für Menschen, die unter Betreuung stehen oder die an einer psychischen Krankheit oder einer geistig-seelischen Behinderung leiden, in allen Angelegenheiten keine Wahlmöglichkeit. Dies gilt auch für Personen, für die eine strafrechtliche Anordnung im Maßregelvollzug ergangen ist oder die in Sicherungsverwahrung sind, weil sie im Zustand der Schuldunfähigkeit eine Straftat begangen haben.

Wir sind der Ansicht, dass hier eine Rasenmähermethode angewandt wird, die der Bedeutung des Wahlrechts nicht angemessen ist. Die Entscheidungen sind nicht an den Bedürfnissen einer funktionierenden Demokratie ausgerichtet, sondern sind, soweit es um das Strafrecht geht, Prognoseentscheidungen bezüglich der Begehung weiterer Straftaten. Da muss man sagen: Die Tatsache, dass jemand eine Straftat begangen hat, darf nicht dafür entscheidend sein, ob er wählen darf oder nicht.

Auch eine Entscheidung in Bezug auf die Betreuung darf nicht Maßstab dafür sein, ob jemand in der Lage ist, Einsicht in wahlrelevante Sachverhalte zu haben. Insbesondere dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es darum geht, Zeuginnen und Zeugen zu bemühen, die ihr Schicksal berichten, sind wir alle sehr aufgeschlossen. Der Bayerische Landtag hat es nicht verabsäumt, Herrn Mollath, der aufgrund der über ihn getroffenen Entscheidung nicht wahlberechtigt ist, im Untersuchungsausschuss zu hören. Das wurde von einigen als Sternstunde der Authentizität des Parlaments gefeiert.

Die derzeitige Rechtslage greift zu kurz, hat zu wenig Tiefenschärfe und ist unangemessen. Man muss bedenken, dass beispielsweise die Personen, die in allen Angelegenheiten betreut werden müssen, den Sachverhalt umgehen können, wenn in diesem Bereich eine Vorsorgevollmacht besteht. Da hängt die Wahlberechtigung vom Zufall oder von Maßnahmen ab, die im Prinzip der hohen Bedeutung des Wahlrechts nicht angemessen sind.

(Beifall bei der SPD)

Es wird argumentiert, der Verfassungsgerichtshof habe den Sachverhalt als positiv anerkannt. Der Verfassungsgerichtshof hat sich dahin gehend geäußert, dass im groben Durchschnitt davon auszugehen ist, dass Menschen, die unter Totalbetreuung stehen, nicht in der Lage sind, ihr Wahlrecht auszuüben. Das wurde vor einigen Jahren formuliert. Aber im Jahr 2014 kann das so nicht mehr formuliert werden. Denn seit 2009 gibt es die UN-Behindertenrechtskon

vention, die massiv fordert, Ungerechtigkeiten gegenüber Menschen mit Behinderungen auszuschalten. Wir haben das Recht auf Gleichbehandlung, und da gibt es keinen Grund für solche Ausnahmen. So kann man 2014 nicht mehr an die Sache herangehen. Das Ur- und Kernrecht muss etwas wert sein und darf nicht nur die pauschale Feststellung eines Verfassungsgerichtsurteils sein, dass nach groben Maßstäben in diesem Zusammenhang keine Ungerechtigkeit vorhanden sei.

(Beifall bei der SPD)

Wir verkennen nicht die objektive Notwendigkeit, dass teilweise Einschränkungen des Wahlrechts gegeben sein müssen. Aber sie müssen auf den Erfordernissen des Wahlrechts basieren. Die von mir angeführten Entscheidungen, ob sie die Betreuung oder die Sicherungsverwahrung betreffen, sind rückwärts gerichtet. Aber das Wahlrecht ist so wichtig, dass sich eine Richterin oder ein Richter auch über diesen Punkt Gedanken machen muss.

Unser Gesetzentwurf sieht vor, dass das Wahlrecht nur dann aberkannt wird, wenn ein Richterspruch dies dezidiert beschreibt, und das Wahlrecht nicht sozusagen als Annex einer Totalbetreuung oder einer Sicherungsverwahrung in Abrede gestellt wird. Uns kommt es auf den Einzelfall an, auf die Entscheidung durch ein Gericht. Es ist auch ein signifikantes Merkmal der Demokratie, dass die dritte Gewalt unabhängig darüber entscheidet, ob das Individuum in unserem Staat wählen darf oder nicht.

(Beifall bei der SPD)

Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie argumentieren, es sei abzuwarten, was der Bund macht. Im Übrigen haben Sie in der letzten Legislaturperiode im Bundesrat einstimmig beantragt, dass eine Revision der Rechtslage stattfinden möge. Diese Punkte sind auch im Koalitionsvertrag niedergelegt, nur ist bislang noch nichts geschehen. Das Argument, es sei abzuwarten, ist angesichts der Personen, angesichts der Notwendigkeiten sowie angesichts der Situation, dass in dieser Zeit drei, vier wichtige Wahlen stattfanden beziehungsweise stattfinden, einfach ein Hohn und nahezu Zynismus. Dieses Argument kann in diesem Zusammenhang nicht gelten,

(Beifall bei der SPD)

genauso wenig wie das Argument, dass eine einheitliche Bundesregelung notwendig ist. In sieben Bundesländern gibt es bereits eine Regelung, und zwar nicht nur in, wie Sie vielleicht sagen, roten Bundesländern. Herr Bouffier aus Hessen, der mit Sicherheit nicht als liberaler Geist im rechtsstaatlichen Sinne zu betrach

ten ist, hat nichts dagegen, auch von solchen Leuten gewählt zu werden, wenn sie denn die Einsicht hätten, ihn zu wählen. Einen solchen Kollateralschaden muss man natürlich hinnehmen.

Das Argument, das wäre zu kostenaufwendig, weil jeder Einzelfall zu prüfen ist, entlarvt diejenigen, die so argumentieren, als demokratische Kleinkrämerseelen.

(Beifall bei der SPD)

Wir kommen trotz dieses Kleinkrämertums angesichts der Notwendigkeit, in der Öffentlichkeit um Wahlbeteiligung zu ringen und um Akzeptanz für die Demokratie und das System zu werben, nicht umhin, für alle Kreise die Option zu eröffnen, wählen zu gehen. Wenn wir diese Option verschließen, darf dies nicht pauschal geschehen. Sie verweisen im Zusammenhang mit der UN-Behindertenrechtskonvention darauf, dass diese ein Zivilpakt und insoweit eine Deklaration ist, ohne dass damit politische Rechte für einzelne begründet werden und dass dies in diesem Bereich gar nicht notwendig ist. Diese Argumentation verkennt die Wahrnehmung der Gesamtproblematik der Inklusion und zerfasert auch die Ernsthaftigkeit der Wahrnehmung dieser Thematik in der Öffentlichkeit; sie wird der gesamten Sache damit nicht gerecht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kein Mensch darf verloren gehen. Das ist auch Ausdruck von Solidarität im Sozialstaat. Wir dürfen uns nicht erlauben, jemanden bei der Bildung von Parlamenten durch Wahlen verloren gehen zu lassen. Deswegen müssen wir uns ganz genau ansehen, weshalb Menschen in diesem Zusammenhang möglicherweise verloren gehen. Das, was bisher Sach- und Rechtslage ist, wird diesem Erfordernis nicht mehr gerecht.

(Beifall bei der SPD)

Mit Rasenmähermethoden, wie Sie sie anwenden und weiterhin anwenden wollen, und der Absicht, sich hinter etwas zu verschanzen, was möglicherweise noch kommt, zeigen Sie Passivität. Sie zeigen, dass es Ihnen gar nicht darum geht, derartige Minderheiten – das sind Minderheiten, die für eine Demokratie und für einen Sozialstaat sehr wichtig sind – rechtzeitig zu bedienen und Ihnen die Achtung zukommen und den Anspruch gelten zu lassen, der in unser aller Verfassung an oberster Stelle steht, dass nämlich die Würde des Menschen unantastbar ist und dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Was nützt es in diesem Bereich, wenn Sie jemanden, der unter Betreuung steht, ohne weiteres Ansehen der Umstände als ungleich betrachten, weswegen er nicht wählen darf, über die Gesetze nicht mitbestimmen darf und keine politischen Entscheidungen treffen darf? Dies

ist auch ein Stück weit armselig. Sie verschließen sich damit vor den gesellschaftlichen Notwendigkeiten unserer Zeit. - Bitte stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER und der GRÜNEN)

Als Nächster hat Kollege Andreas Lorenz von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Damen und Herren, werte Kollegen, werter Kollege Arnold! In Ihrem Antrag behaupten Sie einfach, dass das bestehende Wahlrecht der Behindertenrechtskonvention widerspricht. Sie gehen sogar noch weiter: Sie verwenden Wörter wie "menschenrechtswidrig". Ich sage Ihnen: Diese Wortwahl ist unangemessen, wenn man bedenkt, dass sich nicht nur der Deutsche Bundestag, sondern auch höchste Gerichte schon mehrmals mit diesem Thema beschäftigt haben und zu einem anderen Schluss gekommen sind, nämlich dazu, dass dies rechtmäßig ist.

Ich gehe ein wenig auf die Vorgeschichte auf Bundesebene ein. Auf Bundesebene gab es diverse Anträge, wie Sie erwähnt haben. Alle entsprechenden Anträge sind abgelehnt worden. Der Bundestag hat sich mit diesem Thema beschäftigt. Er hat am 3. Juni 2013 sogar eine eigene Expertenanhörung zu diesem Thema durchgeführt. Auch die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass es sinnvoll ist, die Ergebnisse einer von der Bundesregierung beschlossenen Studie abzuwarten. Sie haben erwähnt, dass eine Studie in Auftrag gegeben worden ist, mit der die Partizipationsmöglichkeiten und Rechte von Behinderten grundsätzlich überprüft werden sollen, auch in wahlrechtlicher Hinsicht. Diese Studie ist 2013 gestartet und wird im Jahr 2015 fertig sein. Es ist durchaus möglich, dass es in dem einen oder anderen Fall, was Behinderungen angeht, grundsätzlich zu Erleichterungen, Verbesserungen und auch Änderungen kommt. Ob die von Ihnen angesprochenen Bereiche enthalten sind, vermag ich nicht zu sagen.

Grundsätzlich ist es, wie ich glaube, schon sinnvoll, dass jemand, der an den Wahlen teilnimmt, ein gewisses Maß an Urteilsvermögen hat. Das Verfassungsgericht hat in seiner Entscheidung auch bestätigt, dass bei einem Ausschluss vom Wahlrecht ganz objektive Kriterien vorliegen müssen. Es handelt sich um Personen, denen die Lebensgestaltung in allen Lebenslagen nicht mehr selbstständig möglich ist, die sich in Totalbetreuung befinden. Darunter fallen beispielsweise Komapatienten, dauerhaft Hirngeschädigte und Personen mit schwerster Demenz. Dass bei

diesen die Einsicht und die Wahlfähigkeit nicht unbedingt gegeben sind, erschließt sich, glaube ich, jedem von selbst. Insofern ist, wie ich glaube, die bestehende Regelung absolut objektiv und natürlich auch mit der Behindertenrechtskonvention vereinbar.

Also kurzum: Was die Teilnahmerechte Behinderter an Wahlen grundsätzlich angeht, haben wir eine Studie in Auftrag gegeben. Es kann sein, dass es hinsichtlich technischer Hilfen bei Wahlen zu Veränderungen kommt. Ob der von Ihnen gewünschte Aspekt dabei ist, kann ich nicht sagen – ich glaube das eher nicht. Zunächst einmal macht es aber keinen Sinn, dieses Gesetz, das von höchsten Gerichten bestätigt wurde, im Schnellschuss zu ändern. Insofern müssen wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächster hat Kollege Florian Streibl von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns heute in der Ersten Lesung. Insofern, Kollege Lorenz, wird heute noch gar nichts abgelehnt. Der Gesetzentwurf kommt zunächst in die Ausschüsse, und dann werden wir uns darüber unterhalten, und dann sehen wir, wie es weitergeht.

Ich muss gleich von vornherein sagen: Wir haben für diesen Gesetzentwurf eine gewisse Sympathie; denn im Grundgesetz heißt es: Die Staatsgewalt geht vom Volke aus. Das Volk sind grundsätzlich erst einmal alle, auch Kranke und auch Minderheiten. Die Qualität einer Gesellschaft zeigt sich immer erst dann, wenn klar ist, wie wir mit Kranken und mit Minderheiten umgehen, welchen Schutz und welchen Stellenwert sie bei uns genießen.

Deshalb müssen wir das auch beim Wahlrecht in den Blick nehmen; denn das allgemeine Wahlrecht ist eine der großen Errungenschaften der Demokratie. Es ist die einfachste Form der politischen Willensbildung und der politischen Beteiligung. Allgemeine, gleiche, unmittelbare und geheime Wahlen sind das große Moment, die große Errungenschaft und Sternstunde der Menschheit in der Demokratie; denn Demokratie lebt nicht nur davon, dass sie ein Ordnungsprinzip ist, sondern sie lebt davon, dass sie auch Werte beinhaltet, nämlich den Wert der Gleichheit.

Die Gleichheit von uns allen basiert auf unserer gleichen Würde, darauf, dass der kranke Mensch, der demente Mensch die gleiche Würde hat wie der gesunde Mensch, dass auch der Einfältige die gleiche Würde hat wie der Intellektuelle, dass der unerfahrene

junge Mensch die gleiche Würde hat wie der an Lebenserfahrung reiche Mensch. Der Arbeitslose hat die gleiche Würde wie der Unternehmer oder Leiter eines Weltkonzerns. Der Kranke hat die gleiche Würde wie der Gesunde, der Drogenabhängige die gleiche Würde wie der Sportler. Auch der Unaufrichtige hat immer noch die gleiche Würde wie der Rechtschaffene. Das ist Demokratie: Alle werden gleich einbezogen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Wenn jemandem sein Wahlrecht entzogen wird, dann müssen gute Gründe vorliegen. Dass im Einzelfall auf den Richterspruch abgestellt werden muss, ist klar. Dem muss aber eine genaue Prüfung vorausgehen. Eine Rasenmähermethode, von der vorhin gesprochen wurde, darf es nicht geben. Genau an dieser Stelle hat unser Kollege von der SPD-Fraktion eine Gerechtigkeitslücke aufgezeigt: Derjenige, für den von Gesetzes wegen eine Betreuung angeordnet worden ist, verliert sein Wahlrecht, während derjenige, der eine Vorsorgevollmacht erteilt hat – in diesem Fall darf eine Betreuung nicht angeordnet werden -, weiterhin wählen darf. Insoweit muss genau hingeschaut werden.

Gleiches gilt für die Anwendung von § 63 des Strafgesetzbuches. Das Gericht befindet über die Schuldunfähigkeit nur bezogen auf den in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt der Tat. Die Prognoseentscheidung bezieht sich ausschließlich auf die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit, nicht aber darauf, ob der Betreffende an einer Wahl teilnehmen kann, das heißt, ob er einsichtsfähig ist und die Bedeutung der Wahlentscheidung erkennt. Ein psychisch Kranker, der freiwillig im psychiatrischen Krankenhaus ist und das gleiche Krankheitsbild aufweist wie jemand, für den auf der Grundlage von § 63 des Strafgesetzbuches die Unterbringung angeordnet worden ist, darf im Gegensatz zu Letzterem wählen.

Das waren Beispiele für Unterschiede in der Behandlung gleich gelagerter Fälle; wir müssen darauf hinwirken, dass diese Unterschiede beseitigt werden. Alle Menschen, die ein Schicksal wie das geschilderte erleiden, sind gleich zu behandeln. Das darf auch keine Frage der Finanzen, der Kosten sein. Demokratie muss uns etwas wert sein. Demokratie kostet auch Geld.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Wenn ich einen Einzelfall prüfen muss, dann habe ich ihn zu prüfen und darf nicht pauschal Menschen ihr Recht auf Wahl aberkennen bzw. wegnehmen.

Wir müssen schauen, dass wir gerecht vorgehen. Wir dürfen diese Minderheit – es ist sehr wohl eine Minderheit – nicht vergessen, sondern müssen sie an Wahlen teilnehmen lassen. Ich gehe davon aus, dass Wahlergebnisse sich dadurch nicht fundamental ändern werden, sondern dass genauso vernünftige Ergebnisse zustande kommen wie – manchmal – bisher.