Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

Meine Damen und Herren, ich eröffne die 98. Vollsitzung des Bayerischen Landtages und darf Sie alle herzlich begrüßen. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese Genehmigung wurde erteilt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 22. Februar verstarb im Alter von 90 Jahren Georg Freiherr von Freyberg-Eisenberg in seinem Heimatort Haldenwang. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1970 bis 1982 an und vertrat für die CSU den Wahlkreis Schwaben. Während seiner Abgeordnetentätigkeit war er unter anderem Mitglied im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden, im Ausschuss für Geschäftsordnung und Wahlprüfung sowie insbesondere im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen, dessen Themen ihm zeitlebens besonders am Herzen lagen. Über lange Jahre hat er auch nach seinem Ausscheiden aus dem Parlament als Vorsitzender der Vereinigung ehemaliger Abgeordneter den Kontakt zu seiner alten Wirkungsstätte gehalten.

Bis ins hohe Alter war Georg Freiherr von FreybergEisenberg, der selbst Land- und Forstwirt war, ein unermüdlicher Kämpfer für die Anliegen der bayerischen Landwirte. Seinen Sachverstand und sein großes Engagement für seine schwäbische Heimat brachte er auch in der Kommunalpolitik ein, der er sich als Mitglied des Gemeinderates in Haldenwang sowie als Mitglied des Kreistages im Landkreis Günzburg widmete. Für seinen vielfältigen Einsatz wurde er mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden und dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Der Bayerische Landtag wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. –

Sie haben sich von Ihren Plätzen erhoben. Ich bedanke mich bei Ihnen.

Nun darf ich Ihnen noch Änderungen im Vorstand der CSU-Fraktion bekannt geben. Frau Kollegin Ingrid Heckner hat zum 1. März das Amt der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden angetreten. Im Namen des gesamten Hauses gratuliere ich Ihnen ganz, ganz herzlich zu Ihrer Wahl und wünsche Ihnen für Ihre neuen Aufgaben viel Erfolg.

(Allgemeiner Beifall)

Frau Kollegin Kerstin Schreyer, die bisher den stellvertretenden Fraktionsvorsitz innehatte und seit dem 1. März ihr neues Amt als Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung wahrnimmt, danke ich für die geleistete Arbeit. Auch ihr wünsche ich im Namen aller Kolleginnen und Kollegen für ihre neue Aufgabe alles Gute. Ich bitte, ihr das auszurichten.

Nun darf ich noch einige Glückwünsche aussprechen. Am 27. Februar hat der Kollege Dr. Christoph Rabenstein einen halbrunden Geburtstag gefeiert. Wir gratulieren ihm nachträglich ganz herzlich und wünschen ihm alles Gute.

(Allgemeiner Beifall)

Am heutigen Tag feiern zwei Kollegen ihren Geburtstag, zunächst einmal meine Kollegin Rosi Steinberger; sie sitzt gerade im Präsidium.

(Allgemeiner Beifall)

Zum anderen feiert mein oberfränkischer Kollege Jürgen Heike heute Geburtstag. Einen herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Heike, das Freibier nehmen wir hinterher in Empfang.

(Jürgen W. Heike (CSU): Das war gestern Abend!)

Einen herzlichen Glückwunsch noch einmal im Namen aller Kolleginnen und Kollegen. Bleiben Sie gesund, damit Sie Ihre Arbeit weiterhin in guter Harmonie ausüben können.

Ich komme jetzt zur Tagesordnung. Dazu darf ich bekannt geben, dass der Tagesordnungspunkt 1, "Aktuelle Stunde", entfällt. Die CSU-Fraktion hat auf ihr Vorschlagsrecht verzichtet.

Ich gebe den Kolleginnen und Kollegen auch noch bekannt, dass der Tagesordnungspunkt 2 – das ist die namentliche Abstimmung zum Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/15609 – am Ende der Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge, also am Schluss der heutigen Sitzung, aufgerufen wird.

(Vereinzelter Widerspruch)

So ist es nun einmal vereinbart.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 3 a auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze und des Aufnahmegesetzes (Drs. 17/15589) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird von Frau Staatsministerin Müller begründet. Ich darf sie bitten.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf löst der Freistaat sein Versprechen gegenüber seinen Kommunen ein. Der Freistaat übernimmt die Kosten für alle unbegleiteten Minderjährigen in voller Höhe unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Daneben schaffen wir zwei Verordnungsermächtigungen, um die landesrechtlichen Möglichkeiten zur Kostenerstattung und Angebotssteuerung auszuschöpfen. Der Freistaat steht eng an der Seite seiner Kommunen. Deswegen haben wir im Bund für eine erhebliche Entlastung gekämpft, und zwar mit Erfolg. Wir haben die bundesweite Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen durchgesetzt, und es war für uns alle enorm wichtig und entscheidend, dass wir unbegleitete Minderjährige auch richtig gut versorgen können. Die Abschaffung des komplizierten bundesweiten Kostenerstattungsverfahrens zum 1. November 2015 trägt auch erheblich zur Entlastung unserer Kommunen bei.

Mit den neuen bayerischen Regelungen zur Kostentragung entlasten wir unsere Kommunen jetzt in noch größerem Umfang als bisher. Das ist ein weiterer Meilenstein bei der Kostenerstattung für die unbegleiteten Minderjährigen. Wir haben uns aber nicht nur die kommunalfreundliche Ausgestaltung der Kostenerstattung zum Ziel gesetzt; genauso wichtig ist es, dass wir auf die Angebotsstrukturen vor Ort Einfluss nehmen können. Bisher lag der Schwerpunkt auf betreuungsintensiven heilpädagogischen Angeboten. Das ist aber nicht auf die Bedürfnisse vieler unbegleiteter Minderjähriger und junger Menschen zugeschnitten. Viele der jungen Menschen sind sehr selbstständig, und deswegen müssen wir unsere bisherigen Angebote um weniger betreuungsintensive, aber zielgerichtete Grundangebote erweitern. Das ist auf der einen Seite bedarfsgerechter und auf der anderen Seite natürlich auch kostengünstiger.

Diese Umorientierung werden wir mit den freien und öffentlichen Trägern auf der Grundlage des im Rahmen des "For.UM" gefundenen Ergebnisses verbindlich gestalten. Die Kosten für die jungen Volljährigen, die noch von der Jugendhilfe betreut werden, sind nicht Thema dieses Gesetzentwurfes; denn hier ist eine gesetzliche Regelung nicht nötig. Hierzu haben

wir im Dezember letzten Jahres eine Einigung mit den Kommunen erzielt. Der Freistaat beteiligt sich bis Ende 2018 mit bis zu 112 Millionen Euro an den Kosten. Zur Umsetzung schließen wir eine Vereinbarung mit den Bezirken. In der Verbändeanhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf haben die Kommunen, die kommunalen Spitzenverbände und die Trägerverbände der freien Wohlfahrt den Gesetzentwurf grundsätzlich begrüßt. Die beiden Verordnungen, die im Gesetz vorgesehen sind, werden jetzt in enger Abstimmung mit den Verbänden ausgearbeitet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf stellen wir die rechtlichen Weichen, damit wir unsere Zusagen zur Kostentragung sowie zur Unterstützung einer bedarfsgerechten und kostenbewussten Angebotsgestaltung einhalten können. Ich bitte hierfür um Unterstützung.

(Beifall bei der CSU)

Herzlichen Dank. – Ich eröffne die Aussprache und möchte darauf hinweisen, dass die Redezeit insgesamt 24 Minuten beträgt. Erste Rednerin ist die Kollegin Weikert.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal guten Morgen! Frau Staatsministerin Müller, die Euphorie, mit der Sie diesen Gesetzentwurf vorgetragen haben, können wir von der SPD-Fraktion so nicht teilen.

Ich möchte als Erstes festhalten, dass es, bevor es überhaupt zu diesem Gesetzentwurf kam, immer wieder eine ganze Reihe öffentlicher Proteste gab, von den Wohlfahrtsverbänden, den Städten, den Kommunen, den Bezirkstagen, also von allen, die letztlich in der kommunalen Versorgung mit Integrationsmaßnahmen beauftragt sind, dass es also eine riesige Protestwelle gab, bevor sich die Staatsregierung zu diesem Gesetzentwurf entschlossen hat.

Frau Staatsministerin, eines sollten Sie bei der Umsetzung – Sie haben es noch einmal betont –, also wenn dieses Gesetz in Kraft getreten ist, in den kommenden Wochen und Monaten vonseiten Ihres Ministeriums ernsthaft mitnehmen: Es ist einfach nicht richtig, dass die meisten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in heilpädagogischen Einrichtungen betreut werden. Das stimmt so nicht! Die Jugendämter führen immer ein Jugendhilfeplangespräch. Nach diesem Jugendhilfeplangespräch wird die adäquate Einrichtung gesucht, die dem Jugendlichen und seinen Bedürfnissen für seine Persönlichkeitsentwicklung am nächsten steht.

Die Jugendämter arbeiten hier sehr verantwortungsvoll, und keineswegs werden sie alle in sehr kostenträchtigen heilpädagogischen Maßnahmen untergebracht. Es gibt ambulante Betreuung, es gibt Teilzeitbetreuung, und es gibt eine sehr lockere Betreuung. Sie sollten also sehr sachgerecht argumentieren und zielbewusst hinschauen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Staatsministerin, Kolleginnen und Kollegen der CSU, es wäre fatal, wenn man die gesamte Förderung dieser Jugendlichen nur unter dem Kostengesichtspunkt sehen würde; denn Ziel der Jugendhilfe ist eine selbstständige Lebensführung.

Sie sagen, Sie hätten Ihr Versprechen eingelöst und seien eng bei den Kommunen. Da muss ich Ihnen einen kleinen Zahn ziehen. Erst in der jüngsten Presseerklärung des Bayerischen Städtetages vom 16. Februar 2017 – sie ist also nicht sehr alt – sagt dessen Vorsitzender, die nun gefundene Lösung bezüglich der Kostenübernahme für junge Volljährige sei nur eine halbwegs befriedigende Lösung.

Das ist zwar besser als nichts, und es ist auch vollkommen klar, dass der Städtetag und die Gemeindeverbände natürlich Geld vom Freistaat Bayern nicht ausschlagen, aber der Städtetag und der Gemeindetag betonen nochmals, dass das nur eine halbwegs befriedigende Lösung sei.

Sie haben für den Freistaat Bayern – zumindest ist es bei uns so angekommen – auch zugesagt, dass Sie sich im Laufe dieses Jahres die tatsächliche Kostenentwicklung noch einmal anschauen und gegebenenfalls nachbessern werden. Auf diese Nachbesserung möchte ich heute schon hinweisen. Es ist Ihre Verantwortung, dies wirklich eng mit den Kommunen zu machen, und zwar sowohl was die Qualität und die Ausstattung als auch was die Freiheit der Jugendämter betrifft, sachgerecht entsprechende Unterbringungsmöglichkeiten für die Jugendlichen zu suchen und diese dann letztlich auch zu finanzieren. Nur dann, wenn Sie das im Laufe dieses Jahres einhalten, werden Sie eng bei den Kommunen sein und Ihr Versprechen einlösen.

(Beifall bei der SPD)

Auch der Bayerische Gemeindetag – um noch kurz die Zahlen anzusprechen – weist in seiner letzten bzw. vorletzten Ausgabe seiner Zeitschrift darauf hin, dass nur im letzten Jahr 40 Euro pro Tag für die jungen Volljährigen bezahlt wurden. In diesem Jahr sind es nur noch 30 Euro pro Tag. Der Gemeindetag führt weiter aus, dass die tatsächlichen Kosten aber bei 120 Euro liegen. Das ist eine deutliche Absage an

das, was Sie in Ihren einleitenden Ausführungen zum Gesetz gesagt haben. Sie sind bisher noch nicht eng bei den Kommunen, haben aber die Chance, das im ersten Halbjahr nachzubessern.

Ich fordere Sie und auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion auf, dies in verantwortungsvoller Weise für die betroffenen Jugendlichen zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. – Der nächste Redner ist Kollege Unterländer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Gesetz zur Ausführung der Sozialgesetze – AGSG – in Bayern ist eine gute Sache, weil es Verfahren und Vorschriften im Sozialbereich bündelt und den Sozialstaat im Freistaat Bayern insgesamt organisiert.

Wir befassen uns heute mit dem Vollzug der Neuregelung der Kostenerstattung für unbegleitete Minderjährige. Wir werden uns in diesem Zusammenhang, Frau Staatsministerin, noch mit anderen wichtigen sozialpolitischen Maßnahmen dieses Gesetzes in den kommenden Monaten zu befassen haben. Deswegen ist es gut, dass wir hier einen solchen Rahmen haben, wenn ich das vorab einmal so sagen darf.

Liebe und geschätzte Frau Kollegin Weikert, Sie sollten schon auch die Kirche beim Dorf lassen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Eben! Haben wir ja! – Zuruf von der SPD: Nicht beim Dorf, sondern im Dorf!)