(Volkmar Halbleib (SPD): Eben! Haben wir ja! – Zuruf von der SPD: Nicht beim Dorf, sondern im Dorf!)
Wenn Sie die Kommunen in Fragen der Unterstützung der Flüchtlinge und der Asylbewerber hier kritisieren, dann muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen: Im Bundesvergleich – das werden Ihnen auch Ihre Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern sagen – hat der Freistaat Bayern und damit auch die Staatsregierung und die Regierungsmehrheit, was die Entlastung der Kommunen anbelangt, eine Vorbildfunktion. Das lassen wir uns nicht nehmen.
Frau Kollegin Weikert, dass es natürlich immer zu weiteren Verbesserungen kommen kann und muss, darüber müssen wir miteinander diskutieren. Das ist unsere Aufgabe.
Noch eine weitere Vorbemerkung zu den Inhalten der Arbeit. Wir sind immer wieder in Diskussionen, was
die Situation junger Volljähriger und die heilpädagogischen Angebote für die unbegleiteten Minderjährigen anbelangt. Diese muss man in der Tat – das hat die Frau Staatsministerin gesagt, und das ist auch die Politik der Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion – differenziert sehen. Darin sind wir uns eigentlich einig.
Diese Differenzierung ist notwendig, weil nicht jede Situation und nicht jeder Betroffene nach Schema F gleichbehandelt werden kann und weil nicht jede Maßnahme mit Ausgaben nach SGB VIII in gleicher Weise berücksichtigt werden muss. Auf der einen Seite haben wir Wohngemeinschaften für junge Leute, die auf die Volljährigkeit zugehen, und auf der anderen Seite haben wir, gerade in Fällen mit Traumatisierung, auch andere und vertiefende Angebote. Deswegen werbe ich dafür, auch von Ihrer Seite aus die Differenzierung so vorzunehmen, dass es passgenau ist und nicht immer automatisch zu Kostenmehrungen führt, meine Damen und Herren.
Die Veränderungen, die nunmehr in diesem Gesetzentwurf vorgesehen sind, sind notwendig, weil die Regelung für die Erstattung durch den Freistaat Bayern gegenüber den Bezirken im Bereich des SGB VIII derzeit ausdrücklich und ausschließlich auf den Status und somit auf diejenigen bezogen ist, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigt sind. Dies umfasst nicht den gesamten Leistungsbereich, wie wir wissen. Deshalb sind Veränderungen erforderlich. Ich glaube, man kann sich ihnen nicht entziehen.
Ich habe eingangs gesagt, dass wir einen Rahmen, ein Gerüst im Sozialstaat Bayern brauchen. Das AGSG bietet diesen Rahmen. Konsequenzen werden gezogen. Es ist gut – da werden Sie mir sicherlich auch recht geben –, dass hinsichtlich des ausländerrechtlichen Status bei der Leistungsberechtigung keine Differenzierungen mehr vorgenommen werden. Für das gesamte Verfahren ist ja auch das Einvernehmen erforderlich. Die Frau Staatsministerin hat in der Begründung des Gesetzentwurfs bereits angesprochen, dass die kommunalen Spitzenverbände dem Gesetzentwurf und auch dem Verfahren ausdrücklich zugestimmt haben. Ich meine, dass es auch immer möglich ist, in den weiteren Beratungen, bei denen es um differenzierte Inhalte geht, miteinander im Gespräch zu bleiben und die notwendigen Maßnahmen zu treffen.
Nachdem das neue Verteilungsverfahren eingeführt worden ist, bleibt uns noch das Thema Kostenerstattung, wenn keine Gesetzesänderung erfolgt. Die Kostenerstattung stellt den richtigen Weg dar, weil es sich per se nicht um eine kommunale Aufgabe handelt; das muss man in diesem Zusammenhang auch deutlich sagen. Darüber hinaus liegt die Kostentragung für
unbegleitete Minderjährige bei den Ländern. Durch die Abschaffung der früher total komplizierten Verfahren – wenn Sie mit den Bezirken sprechen, werden Sie hören, wie schwierig das gewesen ist – entsteht, glaube ich, eine wirkliche Entlastung. Was gesetzlicherseits sowohl vom Bundesgesetzgeber vorgenommen worden ist als auch jetzt hier erfolgt, ist der richtige Weg, um in den Finanzbeziehungen und bei den Inhalten weiterzukommen.
Wir dürfen diese Verfahren nicht mit Meinungsunterschieden vermischen, die es möglicherweise generell gibt, was die Flüchtlings- und Asylbewerberpolitik anbelangt. Verfahren, die sich als notwendig erweisen und eine Konsequenz der Gesetzeslage sind, müssen vollzogen werden. Entsprechend sollten wir als Parlament handeln. Insofern freue ich mich auf die Beratungen in unserem federführenden sozialpolitischen Ausschuss und dann in den weiteren Gremien sowie in der Zweiten und Dritten Lesung im Plenum und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Kollege Unterländer, ich kann es Ihnen einfach nicht ersparen. Klar ist, dass die Unterscheidung nach Aufenthaltsstatus ein Unsinn ist; da stimme ich Ihnen zu. Ich bitte Sie aber doch, endlich einmal anzuerkennen, dass die fachliche Aufsicht und die fachliche Entscheidung darüber, welche Entwicklungsmöglichkeiten und welche Formen der Betreuung die jugendlichen Flüchtlinge brauchen, ausschließlich bei den Jugendämtern liegt. Das ist ein Grundsatz, der in den letzten Jahren und schon immer gegolten hat. Dieser muss auch zukünftig gelten. Ich bitte Sie, endlich einmal anzuerkennen, dass das der Kern der Jugendhilfe ist und dass die Jugendämter darüber letztlich die fachliche Aufsicht haben. Dann können wir zielgerichtet weiterdiskutieren. Wenn Sie diesen Grundsatz nicht anerkennen, haben wir da aber ein großes Problem.
Liebe Frau Kollegin Weikert, ich bin der Letzte, der nicht anerkennt, was nach dem SGB VIII die Zuständigkeit der Jugendämter ist. Wir sind ja eigentlich froh, dass wir diese Konstruktion insgesamt haben. Ich muss Ihnen aber schon sagen, dass es trotzdem notwendig ist, da auch genau hinzuschauen. Hören Sie sich die Diskussionen innerhalb der Landeshauptstadt München um erhöhte Entgelte für manche Bewerber für Einrichtun
gen an. Es ist notwendig, von der öffentlichen und von der politischen Kontrolle nicht Abstand zu nehmen, sondern genau hinzuschauen. Das ist auch unsere Aufgabe und Aufgabe der Sozialpolitik und der Verwaltung. Deshalb sage ich: Wir brauchen ein vernünftiges, stringentes Vorgehen. Wir werden uns hierzu im Zusammenhang mit den Beratungen zum AGSG einbringen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Frau Ministerin hat gesagt, der Gesetzentwurf ist ein Meilenstein, und Herr Unterländer hat gesagt, er ist eine gute Sache. Ich meine, er ist ein kleiner Fortschritt, aber noch lange kein Meilenstein. Wir haben da schon noch viele Baustellen. Das vielleicht als Einstieg.
Dass wir immer an der Spitze aller Bundesländer sind, so wie Herr Unterländer gesagt hat, stimmt gar nicht. Bei der Finanzierung der jungen Volljährigen sind wir in Deutschland an letzter Stelle. Das wissen Sie aber. Ich sage das nur am Rande.
Natürlich sind auch ein paar positive Aspekte dabei, die wir nicht verschweigen wollen. Seit dem 01.11.2015 trägt der Freistaat die Kosten für unbegleitete Minderjährige, die in Bayern versorgt werden. Für das Jahr 2016 wurden für die Kostenerstattung rund 632 Millionen Euro im Haushalt eingestellt; für das Jahr 2017 sind es circa 364 Millionen Euro. Seit dem 01.01.2015 übernimmt der Freistaat die Jugendhilfekosten für die als asylberechtigt anerkannten unbegleiteten Jugendlichen.
Die vorliegende Neuregelung der Kostentragung stellt sicher, dass den Bezirken im gleichen Umfang wie den Jugendämtern, die bisher erstattungsberechtigt waren, Kosten erstattet werden. Die künftige Kostentragung durch den Freistaat erfolgt somit entsprechend den Regelungen des SGB VIII unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Das wurde auch schon gesagt. Das begrüßen wir. Wir begrüßen die Vereinheitlichung der Erstattung von Jugendhilfekosten und dass dies konkret umgesetzt wird. Wir begrüßen dies, sagen aber auch gleich, dass dies eine staatliche Aufgabe und keine kommunale Aufgabe ist. Deswegen ist das eine logische Sache, die auch umgesetzt werden muss.
Für den Freistaat entstehen durch die Gesetzesänderung zunächst Mehrkosten von unter 5 %. Wahrscheinlich stellen aber viele Jugendliche vor Erreichen
der Volljährigkeit keinen oder erst mit einer großen Zeitverzögerung einen Asylantrag, sodass die Kostenbelastung wahrscheinlich noch viel geringer ausfallen wird. Immerhin ist von den Bezirksregierungen der Aufenthaltsstatus nicht mehr zu überprüfen, sodass auch bei den Bezirken der Verwaltungsaufwand geringer wird.
Ich ziehe ein Zwischenfazit: An diesem Gesetzentwurf gibt es zunächst nichts zu kritisieren. Die Änderungen sind richtig und notwendig. Trotzdem gibt es einige Schwachpunkte. Ich nenne zuerst die Seite 3, wo klar und deutlich zu lesen ist, dass der Freistaat den Bezirken auf der Grundlage dieses Gesetzes die Kosten nur bis zum Erreichen der Volljährigkeit erstattet. Genau hier setzt unsere Kritik an. Es ist nicht das Ergebnis, das wir uns gewünscht haben; denn alle anderen Bundesländer haben dafür eine bessere Regelung. Die zu zahlenden Beträge von 120 Euro pro Tag werden in allen anderen Bundesländern komplett vom Staat übernommen. In Bayern sind es nur 30 oder 40 Euro. Das heißt, der Freistaat Bayern übernimmt leider nur ein Drittel der Gesamtkosten. Wir meinen, dass der Freistaat auch noch für die restlichen zwei Drittel gefordert ist; denn es ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, auch diese Kosten zu übernehmen.
Natürlich stellt sich irgendwann die Frage, ob statt einer pauschalen Kostenerstattung eine bedarfsgerechte, zielgerichtete Steuerung erfolgen sollte, um die Kosten zu senken. Das ist uns durchaus bewusst. Aber das ist letztendlich auch eine Aufgabe des Bundes, der dazu konkrete Vorschläge machen muss.
Aber auch andere Punkte haben wir zu kritisieren. Ich nenne die Personalkosten. Die Kommunen müssen die Personalkosten tragen. Sie bleiben darauf sitzen. Auch das ist ein Schwachpunkt des Gesetzentwurfs. Die Kommunen bleiben damit im Regen stehen.
So gesehen hat das Gesamtkonzept der Erstattung der Kosten für die Asylberechtigten gute und schlechte Seiten. Dass der Freistaat nur 112 Millionen Euro für junge Volljährige erstattet, ist – das sagen alle kommunalen Spitzenverbände – nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Begeisterung über dieses Vorgehen des Freistaates hält sich da in sehr engen Grenzen. Das können Sie sicherlich nachverfolgen. Die vom Freistaat gegebenen Gelder – das sagen alle kommunalen Spitzenverbände – reichen bei Weitem nicht aus. Das hat sogar dazu geführt, dass in Unterfranken die Bezirksumlage erhöht werden musste, wo doch immer darauf abgezielt wird, dass die Umlage gesenkt wird, wenn Kosten erstattet werden. In Unterfranken also wurde sie, wie gesagt, erhöht.
Und noch ein Weiteres: Ab Inkrafttreten dieses Gesetzentwurfes werden die Jugendhilfekosten vom Freistaat den Bezirken unabhängig vom Aufenthaltsstatus bezahlt. Das ist zunächst gut. Die Bezahlung erfolgt aber leider nicht bei den Volljährigen. Wir setzen in diesem Punkt auf den Nachtragshaushalt.
Ich meine, nur mit der Zeit! – Es gibt also, wie gesagt, den Nachtragshaushalt, und bei dessen Beratung haben wir noch viel zu tun. Packen wir es an.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Transparenz, Klarheit und Sachgerechtigkeit gehen unserer Meinung nach anders. Ihr kommunales Entlastungsversprechen steht auf sehr wackligen Beinen. Gleichzeitig ist Ihr Gesetzentwurf ein Sparprogramm zulasten der Betreuung junger Flüchtlinge.
Statt bedarfsgerechter Betreuung und sachgerechter Einschätzung der Jugendämter, welche Maßnahmen erforderlich und richtig sind, soll eine möglichst preisgünstige und billige Betreuung vorgegeben werden.
Wir sagen, dass es sinnvoll ist, möglichst schnell die Grundlagen für ein selbstverantwortetes Leben der Jugendlichen zu schaffen. Die Jugendämter haben die Aufgabe, sachgerechte Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu finden. Richtiges Sparen aber, Frau Sozialministerin, geht anders.
Je schneller Jugendliche in der Lage sind, eine Ausbildung zu beginnen oder in Arbeit zu kommen, desto eher fallen sie aus dem Leistungsbezug heraus. Denn nichts ist teurer, liebe Kolleginnen und Kollegen, als die Integration zu verzögern, auf die lange Bank zu
Sie sprechen von erforderlicher Differenzierung der Maßnahmen, aber ich erkenne in der im Gesetzentwurf angekündigten Verwaltungsvorgabe, dass der Entscheidungsspielraum der Jugendämter durch Ihre Vorgaben eingeschränkt werden soll. Die staatlichen Ausgaben – zumindest die kommunalen – sollen gedeckelt werden.
Wir kritisieren, dass die Beteiligung des Freistaates an den Kosten für die Volljährigen nur durch Verwaltungsvereinbarung geregelt werden soll. Verwaltungsvereinbarungen können sehr schnell in Kraft gesetzt werden. Es ist sehr intransparent, was da passiert, und jetzt schon ist absehbar, dass die 112 Millionen Euro, die hierfür für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis zum 31.12.2018 vorgesehen sind, nicht einmal für 50 % der angefallenen Kosten reichen werden.
Wir meinen deshalb, dass die hier vorgesehenen Regelungen überdacht werden müssen. Wir wünschen uns, dass das, was in dieser Verwaltungsvereinbarung geregelt werden soll, sachgerecht im Landtag vordiskutiert wird, um diese Mauscheleien, denen die Kommunen letztendlich zustimmen, weil sie froh sind, überhaupt etwas zu bekommen, auf ein Minimum zu reduzieren.
Wir kritisieren, dass die Kostenbeteiligung des Freistaats in den angedachten Regelungen zunächst bis Ende 2018 befristet werden soll und dass eine Kostenpauschale – das ist mir jetzt noch etwas unklar; ich habe die gleiche Information bekommen wie die Kollegin Weikert – von 40 Euro pro Tag in 2017 und 30 Euro in 2018 anvisiert wird.