Protokoll der Sitzung vom 09.03.2017

Wir kritisieren, dass die Kostenbeteiligung des Freistaats in den angedachten Regelungen zunächst bis Ende 2018 befristet werden soll und dass eine Kostenpauschale – das ist mir jetzt noch etwas unklar; ich habe die gleiche Information bekommen wie die Kollegin Weikert – von 40 Euro pro Tag in 2017 und 30 Euro in 2018 anvisiert wird.

Wenn Sie nun sagen, Frau Sozialministerin, dass das in Wirklichkeit anders sei, müsste man möglicherweise gesetzgeberisch anders arbeiten und eine andere Informationspolitik an den Tag legen, als Sie es tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir kritisieren, dass durch die anvisierte Rechtsverordnung zur Kostenerstattung ein Regel-AusnahmeVerhältnis für erstattungsfähige Angebote und die Festlegung von pauschalen Erstattungsbeträgen ermöglicht werden soll.

Wir kritisieren ferner, dass damit letztendlich ein Zweiklassenrecht geschaffen wird. Das wären ein Klassenrecht für Jugendliche mit deutschem Pass und ein Klassenrecht für Jugendliche, die keinen deutschen Pass haben oder die den deutschen Pass haben,

aber als Flüchtlinge gekommen sind. Hier findet eine Differenzierung statt, die wir für nicht sachgerecht halten. Wir wollen, dass die Jugendhilfe konsequent nach dem Hilfebedarf arbeitet und nicht nach irgendwelchen Biografien junger Menschen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen ein Umdenken dahin, dass Sie sagen: Unsere Aufgabe ist es, den Jugendlichen schnellstens ein selbstgestaltetes Leben zu ermöglichen.

Wenn Sie Kosten sparen wollen, fordere ich Sie dazu auf, die Arbeitsverbote abzuschaffen. Damit spart man wesentlich mehr Geld, als Sie über die Jugendhilferegelungen irgendwie einsparen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Danke sehr. Es ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 b auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes und weiterer Rechtsvorschriften (Drs. 17/15590) - Erste Lesung

Eine Aussprache hierzu findet nicht statt. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Wirtschaft und Medien, Infrastruktur, Bau und Verkehr, Energie und Technologie als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Danke sehr. Das ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Katastrophenschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften (Drs. 17/13793) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Jürgen Mistol u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drs. 17/14771)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Paul Wengert, Klaus Adelt u. a. und Fraktion (SPD) (Drs. 17/15012)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Florian Herrmann, Josef Zellmeier, Norbert Dünkel u. a. (CSU) (Drs. 17/15015)

Ich eröffne die Aussprache und teile Ihnen mit, dass der Ältestenrat hierzu 24 Minuten Redezeit festgelegt hat. – Erster Redner ist der Kollege Tomaschko.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Wir beschließen heute einen Meilenstein, nämlich die umfassende Retterfreistellung, und bringen damit die Wertschätzung für dieses Ehrenamt bei uns in Bayern zum Ausdruck.

Wie ich bereits bei der Ersten Lesung und im Innenausschuss betont habe und immer wieder betone, ist Bayern Sicherheitsland Nummer eins. Das verdanken wir einerseits der hervorragenden Arbeit unserer Polizei, dem Verfassungsschutz und der Justiz, andererseits aber auch der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, die hier einen unverzichtbaren Beitrag leistet. Wir haben in Bayern Gott sei Dank einen sehr gut funktionierenden Rettungsdienst. Feuerwehren, Wasserwacht, Bergwacht und Technisches Hilfswerk mit insgesamt 470.000 Einsatzkräften leisten in Bayern eine großartige Arbeit. Noch bemerkenswerter ist, dass davon 450.000 Helfer ehrenamtlich tätig sind. Damit werden wirklich eine gigantische Unterstützung und ein großartiger Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft geleistet. Ich möchte mich an dieser Stelle insbesondere bei allen ehrenamtlichen Helfern ganz herzlich dafür bedanken.

(Beifall bei der CSU)

Dank dieser hervorragenden Zusammenarbeit von Polizei, Verfassungsschutz, Justiz, Kommunen und allen Ehrenamtlichen liegt Bayern bei der Sicherheit an der Spitze. Wir haben als CSU-Fraktion 2013 in Wertschätzung des Ehrenamtes erstmals die Retterfreistellung auf den Weg gebracht und so zahlreichen Helfern einen Anspruch auf Freistellung ermöglicht. Wir haben nun in zahlreichen Gesprächen, auch bei Einsätzen festgestellt, dass wir diesen Anspruch erweitern können und sollten. Unser Grundsatz als CSU-Fraktion ist immer: Wer alles stehen und liegen lässt, um Menschenleben zu retten, der muss freigestellt werden. Wir beschließen heute mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine umfassende Freistellung.

Die Retterfreistellung ist sicherlich eine komplexe und rechtlich schwierige Materie. Betroffen sind auch die Arbeitgeber. Es ist uns gelungen, hier einen Gesetzentwurf vorzulegen, der alle Seiten zusammenführt und einen guten Ausgleich schafft. Dafür möchte ich mich auch bei der Staatsregierung bedanken. Mit der Neuregelung haben wir sehr umfassende Freistellungs- und Entgeltfortzahlungsansprüche auf den Weg gebracht. Wir haben bereits im Innenausschuss detailliert darüber diskutiert. Mit der Formulierung ist jeder Betroffene eingeschlossen, werden also schnelle Einsatzgruppen und all jene, die draußen helfen, freigestellt.

Die Änderungsanträge von SPD und GRÜNEN sind nicht praktikabel. Lieber Herr Kollege Wengert, ich habe mich spätestens bei der Beratung im Innenausschuss gefragt: Geht es da noch um die Sache, oder geht es nur darum, dass die CSU-Fraktion und die Staatsregierung nicht recht haben dürfen? Diese Frage können Sie nachher vielleicht noch beantworten.

Mit diesem Gesetzentwurf haben wir einen umfassenden Freistellungsanspruch geschaffen. Die Änderungsanträge von SPD und GRÜNEN sind nicht praktikabel, weil Sie Dinge vergleichen wollen, die nicht vergleichbar sind; denn wir werden im Rettungswesen und bei den Feuerwehren immer unterschiedliche Strukturen haben. Liebe Kollegen von den GRÜNEN, interessant ist auch: Wenn man die Freistellung auf alle beliebigen Ausbildungs- und Fortbildungsveranstaltungen ausdehnt, dann wäre auch der Kochkurs, dann wären alle Dinge dabei. Das ist nicht mehr greifbar und nicht mehr feststellbar. Wir haben hier einen konkreten Weg vorgeschlagen. Ich werbe wirklich um Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg dafür, dass wir heute dieses deutliche Zeichen in Bezug auf das Ehrenamt nach draußen setzen und sagen: Wir unterstützen das Ehrenamt und die hier erbrachten Leistungen.

Wir haben einen sehr guten Kompromiss vorgelegt. Ich kann bereits ankündigen, dass wir im Nachtragshaushalt 2018 einen weiteren Deckungstitel verankern werden. Damit wird einem privaten Arbeitgeber, der eine im Rettungsdienst oder Katastrophenschutz tätige ehrenamtliche Einsatzkraft unter Fortgewährung des Arbeitsentgelts ohne gesetzliche Verpflichtung für die Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung freistellt, das fortgezahlte Arbeitsentgelt ersetzt werden. Im aktuellen Gesetz ist es noch nicht möglich, das zu verankern, weil erst der entsprechende Deckungstitel im Nachtragshaushalt geschaffen werden muss. Wir haben aber unseren eindeutigen Willen bereits im Dringlichkeitsantrag dokumentiert und die Staatsregierung um Prüfung gebeten, wie sich

eine umfassende Retterfreistellung und die entsprechenden Ersatzleistungen für den privaten Arbeitgeber, der Einsatzkräfte für Fortbildungsveranstaltungen freistellt, gesetzlich verankern lassen. Das heißt, wir haben damit eindringlich ausgedrückt, dass wir hier das Ehrenamt unterstützen. Wir sagen aber auch ganz deutlich: Ohne die Hilfe dieser ehrenamtlichen Helfer würde in Bayern dieses System nicht so gut funktionieren. Auch das bringen wir heute zum Ausdruck.

Ich werbe hier nochmals eindringlich dafür, das ganze "Parteigeklüngel" der Opposition einmal beiseite zu stellen. Wir haben nicht zuletzt bei unserem BlaulichtFrühstück – da danke ich Florian Herrmann ausdrücklich – nochmals in sehr guten Gesprächen die Rückmeldungen, auch vom Roten Kreuz, bekommen, wonach hier Einvernehmen besteht, dass das genau der Weg ist, der mit den Rettungsdiensten vereinbart worden ist: Jeder, der alles stehen und liegen lässt, wird freigestellt. Auch die Fortbildungsveranstaltungen sind ab Herbst mit aufgenommen. Mit dieser Regelung haben wir wirklich ein ganz deutliches Zeichen gesetzt, dass das Ehrenamt von der Politik, der Staatsregierung und der CSU-Fraktion unterstützt wird.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Wengert.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, ich kann Ihnen und mir ersparen, nochmals auf den Gesetzentwurf im Detail einzugehen; denn angesichts der bisherigen Beratungen hier im Plenum zu den Anträgen der SPD-Fraktion vom vergangenen Jahr, die Rettungshelfergleichstellung endlich auf den Weg zu bringen, und der Beratung unseres Dringlichkeitsantrags vom 25. Oktober sowie der Ersten Lesung zum Gesetzentwurf im November 2016 darf ich den Sachverhalt als bekannt voraussetzen. Ich darf für die Öffentlichkeit nur noch einmal sagen: Es geht um die Gleichbehandlung von Rettungshelfern der Hilfsorganisationen, also zum Beispiel des Arbeiter-SamariterBundes oder des BRK, mit Feuerwehrleuten. Es geht darum – um mit einem Bild zu sprechen –: Wer als Rettungshelfer die durch einen Brand obdachlos gewordenen Hausbewohner in einem Zelt unterbringt und mit Essen und Trinken versorgt,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

soll im Hinblick auf seine Freistellung von der Arbeit, die Fortzahlung seines Lohnes und eventuelle Schadensersatzansprüche nicht anders behandelt werden

als etwa ein Feuerwehrmann, der den Verkehr vor dem Brandort umleitet.

(Beifall bei der SPD)

Für diese Selbstverständlichkeit hätten wir keine jahrelange Diskussion gebraucht, die dadurch entstanden ist, dass Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, das Verfahren immer wieder verzögert haben. Ihr schlechtes Gewissen offenbart sich in einem fünfseitigen Informationspapier zur "umfassenden Erweiterung der Helfergleichstellung", das Sie in den letzten Wochen verteilt haben. Dieses Papier strotzt geradezu vor Eigenlob und versucht, den Gang der Dinge schönzuschreiben,

(Anhaltende Unruhe)

Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ich bitte um etwas Ruhe.

wie auch Sie, Herr Kollege Tomaschko, das heute schönreden wollen. Sie haben gesagt, die Helfergleichstellung von 2013 und ihre aktuelle Erweiterung seien von der CSU-Fraktion gemeinsam mit der Staatsregierung initiiert worden. So heißt es auch im Papier. Die Einführung dieser Freistellung im Rettungsdienst beruhe auf einer Initiative der CSU-Fraktion und der Staatsregierung und sei keine Erfindung der SPD. Diese namentliche Erwähnung unserer Partei ehrt uns ja fast schon. Tatsache ist aber, dass die CSU sowohl im Hinblick auf die Einführung des Artikels 33a des Rettungsdienstgesetzes vor vier Jahren als auch jetzt bei der Rettungshelfergleichstellung erst auf massiven Druck der Hilfsorganisationen hin, insbesondere des Bayerischen Roten Kreuzes, und, was die Rettungshelfergleichstellung betrifft, auf ebenso massiven Druck der SPD-Fraktion aktiv wurde.

(Beifall bei der SPD – Lachen des Abgeordneten Thomas Kreuzer (CSU))

Da können Sie lachen, solange Sie wollen, Herr Kollege Kreuzer. Schon in der abschließenden Plenardebatte zur Einführung des Artikels 33a im Jahr 2012 habe ich deutlich gemacht, dass das erst der erste Schritt sein kann und wir an der Rettungshelfergleichstellung festhalten und dafür kämpfen werden. Das hat die CSU wohl aus ihrem Gedächtnis verdrängt. Wir haben dann 2015 einen Antrag gestellt, dass die Staatsregierung einen Gesetzentwurf vorlegen soll. Dieser Antrag ist von der CSU als "Schnellschuss" abgeschmettert worden,

(Volkmar Halbleib (SPD): Hört, hört!)

obwohl zwischenzeitlich drei Jahre vergangen waren. Im April 2016 haben wir mit einem weiteren Antrag endlich Bewegung in die Sache gebracht, was allerdings zunächst am Votum der CSU-Vertreter im Haushaltsausschuss zu scheitern drohte. Es war so, wie ich es in der Sitzung des Kommunal- und Innenausschusses am 25. Januar gesagt habe: Wir mussten die CSU zum Jagen tragen. Daher sollten Sie sich mit Kritik an der SPD vornehm zurückhalten.

(Beifall bei der SPD)

Leider wurden zahlreiche Forderungen der Arbeitsgemeinschaft für Bevölkerungsschutz nicht umgesetzt. Die wichtigste Forderung – nur auf diese will ich heute noch mal eingehen –, nämlich die nach der Freistellung auch für Ausbildungsveranstaltungen, wird nach wie vor nicht umgesetzt. Da geht es nicht um jede beliebige Ausbildung oder Kochkurse, Herr Kollege Tomaschko. Das ist eine Beleidung für die Helferinnen und Helfer.

(Beifall bei der SPD)

Die Gleichbehandlung mit Feuerwehrleuten ist absolut gerechtfertigt.