Protokoll der Sitzung vom 20.05.2014

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, die Plätze einzunehmen, damit wir mit der Plenarsitzung beginnen können – nachdem alle gemessenen Schrittes ihre Plätze eingenommen haben.

(Natascha Kohnen (SPD): Ich werde auch nicht jünger!)

Ich eröffne die 18. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Die Genehmigung wurde erteilt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Vorschlag der SPD-Fraktion "Europa besser machen: für ein Europa der Bürger, der Demokratie, der Chancen und des Wachstums!"

Für die heutige Sitzung ist die SPD-Fraktion vorschlagsberechtigt.

Ich erinnere noch an die Spielregeln der Aktuellen Stunde: In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen.

Nun hat als erster Redner der Kollege Dr. Förster das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bevor ich mit meiner Rede beginne, möchte ich mich an dieser Stelle entschuldigen. Ich möchte mich bei den Kollegen und Kolleginnen der CSU entschuldigen, denen ich in der letzten Plenarsitzung mit meinem Crystal-Meth-Vergleich zu nahe getreten bin oder die ich damit verletzt habe. Zu keinem Zeitpunkt wollte ich Sie als Drogenjunkies diskreditieren oder beleidigen.

(Beifall bei der CSU)

Aber ich bitte Sie um Verständnis, dass das Temperament auch bei einem wie mir, der sonst in solcher Hinsicht eher zurückhaltend ist, durchgehen kann.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): In einer vorgeschriebenen Rede! Genau!)

Ein Vergleich mit Drogenjunkies ist unter dem Niveau der parlamentarischen Auseinandersetzung; das gebe ich zu. Aber es fällt mir leichter, dies zuzugeben, weil einige Kolleginnen und Kollegen der CSU, die mir hinterher ihre Meinung gesagt und ihre Empörung geäußert haben, gesagt haben, dass ich mich mit diesem Vergleich genau auf das Niveau von Markus Ferber begeben habe, dessen Nürnberger Vergleich mit Martin Schulz als Geschäftsführer der Schlepperbanden das war, was mich so erzürnt hatte. Das war in ihren Augen genauso niveaulos und unterste Schublade wie mein Beitrag.

Ich betone das ebenso. Aber ich entschuldige mich hier und hoffe, Frau Wittmann, dass wir damit das gute Klima im Europaausschuss vielleicht wiederherstellen können und künftig wieder gemeinsam für das Wohl Bayerns in Europa und das Wohl Europas in Bayern streiten können.

(Beifall bei der SPD)

Ich hoffe, dass Herr Ferber ebenso die Größe hat, sich für seinen Ausfall gegenüber Martin Schulz zu entschuldigen,

(Beifall bei der SPD)

zumal er als Vorsitzender einer proeuropäischen und überparteilichen Organisation wie der Europa-Union mehr als alle anderen an einem guten, gemeinsamen proeuropäischen Stil interessiert sein müsste. Ohne eine Entschuldigung ist er meiner Meinung nach als Landesvorsitzender nicht mehr tragbar.

(Beifall bei der SPD – Jürgen W. Heike (CSU): Das sagt der Richtige!)

- Ich habe mich entschuldigt.

In dem proeuropäischen Geiste der Europa-Union – ich erlaube mir, das in dieser Runde zu sagen; in der letzten Legislaturperiode waren immerhin 78 von 187 Abgeordneten Mitglied der Europa-Union – bitte ich Sie, heute in der Aktuellen Stunde ein Zeichen für Europa zu setzen, ein Zeichen, dass wir das EU-Europa mit all seinen Risiken, den vorhandenen Fehlern und den dringend korrekturbedürftigen Regelungen schätzen und wollen. In der Tat ist Europa teilweise in keinem guten Zustand. Es ist in vielen Teilen zu bürokratisch, zu ineffektiv und zu unsozial.

Somit ist die Europawahl 2014 die wichtigste Europawahl seit Langem und vielleicht die wichtigste überhaupt; denn es geht darum, Vertrauen in die europä

ische Idee zurückzugewinnen. Die anstehende Frage, wie sich Europa entwickeln soll, ist somit eine Richtungsentscheidung. Es geht für die Bürgerinnen und Bürger um ihr Einkommen, ihre Arbeitsbedingungen, ihre Bildung und ihre Umwelt.

Aber ich bin überzeugt, dass die Menschen das EUEuropa wollen. Sie wissen, wie wichtig ein geeintes und starkes Europa ist. Doch sie haben nun einmal das Gefühl, dass einiges falsch läuft. Die Leute sind es leid, dass die EU regelt, wie hoch der Wasserverbrauch bei der Toilettenspülung und die Wattzahlen des Staubsaugers und der Glühbirne sind. Sie sind es leid, dass mit ihren Steuergeldern marode Banken gerettet werden, wenn andererseits Geld fehlt, um etwas gegen die fürchterliche Jugendarbeitslosigkeit zu tun. Sie sind es leid, dass sich Vermögende und Großunternehmer durch Steuerhinterziehung oder Steuerflucht ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit entziehen, und sie sind es leid, dass der freie Wettbewerb oft mehr zählt als ihre Löhne und Arbeitnehmerrechte.

Wir, liebe Kollegen und Kolleginnen, sollten deshalb die Europawahl nutzen, um mit möglichst vielen Menschen darüber zu sprechen, was ihnen am heutigen Zustand der EU Sorgen bereitet, wo sie Veränderungsbedarf sehen und welche Zukunftshoffnung sie mit Europa verbinden. Dazu gehört, dass wir den Blick nicht primär auf wirtschaftliches Wachstum und Gewinnmaximierung richten und unsere Sorgen nicht primär dem Erhalt von Banken und der Absicherung von Finanzgeschäften gelten. Der Mensch muss im Fokus unseres Handelns stehen. Wir müssen von einer reinen europäischen Wirtschaftsunion weg und hin zu einem sozialen Europa kommen.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin überzeugt, dass wir in diesem Haus in der Sache gar nicht so weit auseinanderliegen. Natürlich haben wir unterschiedliche Schwerpunkte und Konzepte, und ich bin der Überzeugung, dass das sozialdemokratische Programm für das Europa der Zukunft das Richtige ist.

Doch ich bin der Meinung, dass wir uns bei aller unterschiedlichen Auffassung in einer Sache einig sind, nämlich dass am 25. Mai nationalistische und offen antidemokratische Kräfte im Europäischen Parlament nicht stärker werden dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Laut einer Studie des Thinktanks Deutsche Bank könnte uns das nämlich drohen; diese Kräfte könnten in Europa auf 27 % kommen. Um das zu verhindern, sind wir alle aufgefordert, im Endspurt des Wahl

kampfs nicht mit Schlamm- und Beschimpfungskampagnen zu arbeiten, sondern für Europa zu werben. Darum bitte ich Sie.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Förster. Als Nächster hat der Kollege Dr. Franz Rieger von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die Europäische Union hat in den gut fünfeinhalb Jahrzehnten ihrer Existenz viel erreicht. Sie ist zweifelsohne eine der großen Erfolgsgeschichten des 20. Jahrhunderts, eines Jahrhunderts, das mit zwei Weltkriegen unsägliches Leid und Zerstörung über unseren Kontinent gebracht hat. Die europäische Einigung ist das größte Friedenswerk der Nachkriegsgeschichte und hat viel zu Wohlstand und Erfolg auch in Bayern beigetragen.

Das führt uns auch und gerade das historische Jahr 2014 vor Augen, das Jahr, in dem sich der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum 100. Mal jährt, das Jahr, in dem sich der Beginn des Zweiten Weltkriegs zum 75. Mal jährt und das Jahr, in dem der Fall der Berliner Mauer genau 25 Jahre her ist. Allein diese drei Ereignisse sind uns Mahnung und Ansporn zugleich. Meine Damen und Herren, deshalb steht auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung: "Das europäische Einigungswerk bleibt die wichtigste Aufgabe Deutschlands." Diese Aufgabe hatten wir als CSU genauso wie die Bayerische Staatsregierung seit jeher im Blick. Wir haben die europäische Einigung seit Bestehen der EU konstruktiv und positiv mitgestaltet und werden dies auch weiterhin tun.

Die Einheit Europas ist aber heute nicht mehr nur eine Frage von Krieg und Frieden. Wir dürfen die Europäische Union heute nicht mehr allein historisch, sondern müssen sie auch mit der Zukunft begründen. Vom europäischen Staatenbund wird erwartet, dass er in der Lage ist, den Herausforderungen der Zukunft, vor allem und gerade auch der Globalisierung zu begegnen. Deshalb geht es bei der Weiterentwicklung der Europäischen Union in den nächsten Jahren darum, das hohe Wohlstandsniveau Europas auf sozialem, ökologischem und kulturellem Gebiet durch gemeinsames Wirtschaften, Forschen sowie durch eine starke Währungs- und Handelsunion zu sichern.

Bayern befindet sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und spätestens seit dem Beitritt der osteuropäischen Staaten zur Europäischen Union im Jahre 2004 im Herzen Europas und ist zur Drehscheibe Europas geworden. Die bayerischen Außenhandelsdaten zei

gen, dass der Handel mit den EU-Staaten mehr als die Hälfte, letztes Jahr 55 %, des gesamten bayerischen Handelsvolumens ausmacht. Unter den zehn wichtigsten bayerischen Handelspartnern in Europa sind drei Länder aus dem früheren Ostblock, die erst seit 2004 dabei sind und für Bayern ganz neue Märkte eröffnen – das sind die Tschechische Republik, Polen und Ungarn. Mit den zehn Staaten, die 2004 beigetreten sind, hat sich das Handelsvolumen in den letzten zehn Jahren von 22 Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro erhöht und damit fast verdoppelt. Wir wollen und brauchen daher die europäische Integration.

Wir wollen aber ein Europa der Regionen und keinen europäischen Zentralstaat. Nationen und Regionen gehören zur Identität Europas und müssen in einem Europa der Zukunft einen festen Platz haben. Das Europa der Zukunft braucht starke und eigenständige Regionen. Nur so wird Europa wieder zu einem echten Anliegen der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CSU)

Damit Europa und seine Regionen stark bleiben, meine Damen und Herren, lehnen wir eine Aufweichung der Euro-Stabilitätskriterien strikt und nachdrücklich ab. Europa darf keine Schuldenunion werden,

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist es schon!)

sondern muss seinen Weg in Richtung einer Stabilitätsunion fortsetzen.

(Beifall bei der CSU)

Nur so sichern wir die Chancen und das Wachstum auch für unsere zukünftigen Generationen. Wir wollen ein Europa, das wirtschaftliche Stärke befördert, Arbeitsplätze schützt und Zukunftstechnologien gemeinsam voranbringt. Die Sanierung der Staatshaushalte in den Schuldenstaaten hat oberste Priorität. Krisenstaaten dürfen auch künftig nur Hilfe bekommen, wenn sie im Gegenzug dazu Reformen durchführen und ihre Schulden abbauen.

(Beifall bei der CSU)

Jedes Mitglied der Euro-Zone muss Haushaltsdisziplin zeigen und die Staatsverschuldung nachhaltig reduzieren, und vor allem müssen die bestehenden Stabilitätsregeln, die ja vorhanden sind, unangetastet bleiben. Die vorhandenen Instrumente vor allem des verschärften Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie des Fiskalpaktes müssen von der EU-Kommission und dem Rat konsequent angewendet werden. Eurobonds und eine Vergemeinschaftung der Staatsschul

den, meine Damen und Herren, sind strikt abzulehnen und gibt es mit uns nicht.

(Beifall bei der CSU)

Auch die Europäische Zentralbank muss sich künftig wieder allein dem Ziel der Geldwertstabilität widmen. Eine Finanzierung der Krisenstaaten über die Notenpresse lehnen wir strikt ab. Deutsche Sparer und deutsche Banken dürfen auch nicht zur Haftung für andere europäische Banken herangezogen werden.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Kön- nen Sie einmal ausführen, wofür Sie sind?)