Protokoll der Sitzung vom 15.05.2018

Herr Kollege Imhof, Sie müssten jetzt bitte zum Schluss kommen!

Gibt es nicht. – Also, meine Damen und meine Herren, das nehme ich hin und respektiere ich so. Wenn es diesen Weg nicht gibt, wie mir signalisiert wird, dann lehne ich die beiden Anträge so, wie sie vorliegen, ab. Ich dachte, da gäbe es einen Weg.

(Zuruf der Abgeordneten Ingrid Heckner (CSU) – Markus Rinderspacher (SPD): Sehr schön! Da lebt der Parlamentarismus!)

Herr Kollege Imhof, Sie haben jetzt drei Minuten lang auf die Zwischenbemerkung geantwortet. Sie müssen sie jetzt beenden. Fertig?

Fertig, gut. Okay.

Anträge abgelehnt.

Dann vielen Dank, Herr Kollege Imhof.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Vetter. Bitte schön.

(Markus Rinderspacher (SPD): Herr Imhof, Sie haben ja lauter Hardliner da vorne sitzen! Da kommen Sie nicht durch! – Unruhe – Glocke der Präsidentin – Anhaltende Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Dr. Vetter, ich glaube, ruhiger wird es nicht.

Herr Kollege Imhof, setz dich mal hin! – Nachdem ich den Kollegen Hermann Imhof persönlich ansprechen möchte, bitte ich um Aufmerksamkeit. Lieber Kollege Imhof, das, was Sie heute hier geboten haben, war für mich wieder einmal beeindruckend, weil ich Sie so kenne. Sie machen das hervorragend. Sie versuchen, Dinge aus den Problemen herauszureden. Man muss genau hinhören. Der Tenor Ihrer Rede war, Sie würden ja gerne, Sie haben die Expertenanhörung angehört, aber – und das haben Sie wortwörtlich gesagt – Sie müssen das erst noch in der Fraktion besprechen und mit ihr absprechen.

Das ist unser Problem, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das genau ist unser Problem bei diesem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz. Ich glaube, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten die Weichen für die Behandlung psychisch Kranker in Bayern stellen werden. Das vorgelegte Gesetz, und von dem muss man ausgehen, ist nach wie vor kein PsychischKranken-Hilfe-Gesetz, sondern ein Gesetz zur Gefahrenabwehr, Kolleginnen und Kollegen, und zur Bekämpfung von Gewalttätern. So möchte ich es einfach mal ausdrücken.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich spreche vom aktuell vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung. Ein Beispiel: Sie wollen mehr Sicherheit. Natürlich, jeder will mehr Sicherheit. Aber mit diesem Gesetzentwurf, wenn er so gekommen wäre, Kolleginnen und Kollegen, hätten wir in Bayern weniger Sicherheit erreicht. Warum? – Zum Beispiel die Unterbringungsdatei, die fünf Jahre gespeichert

werden sollte, hätte zweifellos zu einer noch größeren Stigmatisierung der psychisch Kranken beigetragen.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Durch Stigmatisierung psychisch kranker Menschen als potenziell Kriminelle werden diese letztendlich davon abgehalten, frühzeitig professionelle Hilfe zu suchen und anzunehmen. Das verstärkt die Sicherheit bei uns in Bayern nicht, sondern vermindert sie, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der GRÜNEN)

Vielleicht noch zwei oder drei grundsätzliche Bemerkungen: Erstens werden wir beiden Dringlichkeitsanträgen zustimmen. Ich wäre auch sehr dafür, das Ganze mit denen, die es letztendlich angeht, ein paar Monate, vielleicht bis in die nächste Legislatur hinein, zu besprechen. Kolleginnen und Kollegen, noch einmal: Psychiatrie ist eben kein Sammelbecken für potenziell Kriminelle, die ständig einer staatlichen Überwachung bedürfen. Psychisch Kranke sind auch keine Gruppe, die sich in moralischer Hinsicht von anderen Menschen unterscheidet oder abgrenzen lässt. Jede Frau, jeder Mann, Sie, ich kann psychisch krank werden. Vielen von uns wird es vielleicht passieren oder ist es in irgendeiner Form irgendwann einmal im Leben schon passiert.

Die Verantwortlichen, die beiden Damen Ministerinnen, haben reagiert und zumindest angekündigt, unter anderem die Verweise auf den Maßregelvollzug, der den Umgang mit psychisch kranken Straftätern regelt, zu streichen, weil gerade diese Passagen Menschen, die nie straffällig geworden sind, auf eine Stufe mit verurteilten Kriminellen gestellt haben. Das ist so einfach nicht gegangen.

Frau Sozialministerin, Sie sagen jetzt – ich habe es vernommen –, so wolle man nun "hervorheben, dass Heilung gleichrangig ist mit Sicherheit"; so hat das, glaube ich, in der Presse gestanden. – Kolleginnen und Kollegen, ich erwarte bei diesem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz nach wie vor eine klare Trennung zwischen Psychiatrie und Forensik. Das ist das Mindeste, das man vom Gesetzgeber erwarten darf, Frau Ministerin.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Mit Ihrer Aussage "Heilung gleichrangig mit Sicherheit" zeigen Sie aber erneut, dass der Fokus nicht auf der Heilung Erkrankter liegt, sondern auf der Annahme, man müsse die Allgemeinheit – ich sage es jetzt einmal überspitzt – vor unberechenbaren Irren schützen. So ist es aber eben nicht, und so geht es auch

nicht. Kolleginnen und Kollegen, ich füge einen ernsten Satz hinzu: Das sind genau die Assoziationen, die sich in eine lange dunkle Tradition der Psychiatrie einreihen, in der psychisch Kranke stigmatisiert, ausgegrenzt, vernachlässigt und verfolgt wurden.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, vom Bild des potenziell gefährlichen Irren rücken Sie durch ein paar geänderte Formulierungen des Gesetzestextes nicht ab. Wir FREIEN WÄHLER erwarten substanzielle Verbesserungen und Veränderungen, um dem Ganzen überhaupt zustimmen zu können.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich frage mich auch, warum diese Diskussion so dringend ist und unmittelbar vor der Landtagswahl kommt. Wir haben fünf Jahre gebraucht, um das jetzt auf diese paar Wochen zu fokussieren. Natürlich ist es die Landtagswahl. 2008 war die absolute Mehrheit dahin. 2013 hat man sie wieder zurückgewonnen, und zwar vor allem mit dem Slogan "Maut gegen Ausländer" oder "Maut für Ausländer". Wo ist die Maut für Ausländer, Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Seit zwei Jahren werden jetzt – so sehe ich es – Ängste geschürt. Es wurde von einer Asylantenflut und von einer "Herrschaft des Unrechts" gesprochen. Aus Ihrer Denke heraus ist das alles eigentlich logisch. Jetzt kommt die Sicherheitshysterie, und gleichzeitig Ängste schüren und Lösungen anbieten heißt, Landtagswahlen gewinnen. Kolleginnen und Kollegen, das ist das, was ich Ihnen ankreide, und der Grund, warum man dieses Psychisch-Kranken-HilfeGesetz in dieser Form auf keinen Fall durchgehen lassen kann. Ihre Argumentation ist schlüssig, aber Sie sollten sich nicht täuschen. Die Menschen in Bayern haben das Ganze mittlerweile erkannt und werden das sehr wohl zu werten wissen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Kolleginnen und Kollegen, wenn das, was angekündigt ist, jetzt so kommt, werden wir das dann vorliegende Gesetz trotzdem weiter konstruktiv begleiten. Am liebsten würden aber auch wir sehen, dass es zurückgezogen wird. Deshalb werden wir den Anträgen von SPD und GRÜNEN zustimmen. Der Gesetzentwurf, vorgelegt vom – ich sage jetzt einmal – Geist einer alten Partei, hat den alten repressiven Geist der Psychiatrie geatmet. Wir FREIEN WÄHLER werden dem so nicht zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zurufe von den FREIEN WÄHLERN: Bravo!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Vetter. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ich gebe bekannt, dass die SPD zu ihrem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/22067 – das ist der Antrag, der gerade debattiert wird – namentliche Abstimmung beantragt hat. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Stamm. Bitte schön, Frau Stamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das von der CSU vorgelegte Psychiatriegesetz – ich weigere mich, in diesem Zusammenhang von einem Hilfegesetz zu sprechen – ist definitiv nicht akzeptabel. Es braucht eine Reform des Psychiatrieunterbringungsgesetzes; das stimmt. Das ist jedoch weder ein Wurf noch ein Entwurf gewesen. Es braucht ein ausgewogenes Gesetz, das den Schutz der Bürgerinnen und Bürger und vor allem das Wohl der Patientinnen und Patienten in den Blick nimmt. Es darf auf keinen Fall eine Stigmatisierung von psychisch Kranken geben, und die schon gegebene Stigmatisierung psychisch Kranker darf jene nicht daran hindern, sich Hilfe zu holen.

Es gilt nicht, Freiheiten noch mehr einzuschränken, sondern die Einrichtungen und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter endlich vernünftig auszustatten. Hilfe für psychisch Kranke heißt eine frühe und qualitativ gute Therapie. Damit sieht es in Bayern mau aus. Wer für jemanden schon einmal einen Platz gebraucht hat, weiß, wie lange die Wartezeiten teilweise sind.

Dieses Gesetz hat, wie auch das Polizeiaufgabengesetz, bei der Anhörung im Landtag und im Vorfeld sehr hohe Wellen geschlagen. Aufgrund dieses Drucks, aber auch aufgrund der Expertise der CSUMitglieder auf der Bezirksebene hat die Staatsregierung verkündet – übrigens zeitgleich zur Expertenanhörung; wahrscheinlich ebenfalls ein Novum in diesem Hause – nachzubessern. Unter anderem hatte Ministerpräsident Markus Söder ankündigen lassen, dass die Datei wegkommen solle. Wie aber vorhin schon angesprochen, frage auch ich mich, wo diese Änderungen bleiben. Waren diese Ankündigungen nur dafür da, um – genauso wie beim Polizeiaufgabengesetz – die Wogen zu glätten, indem eben einmal eine Kommission nach Verabschiedung des Gesetzes angekündigt wird?

Innerhalb kurzer Zeit legen Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dem Landtag hier Gesetzentwürfe auf den Tisch, die nicht durchdacht und wahrscheinlich sogar verfassungsfeindlich sind, und kündigen bei all diesen Gesetzen Änderungen an, die jetzt nicht kommen. Psychiatriegesetz und PAG atmen den gleichen Geist – der Kollege Vetter

hat das auch gerade gesagt –: den Geist von Repression, Bevormundung und Überwachung. Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und Dialogbereitschaft signalisieren, sollten Sie den Ankündigungen aber einfach einmal Taten folgen lassen. Ich halte den Antrag der SPD für absolut zustimmungsfähig; mehr oder weniger verschwurbelt haben Sie, Kollege Imhof, das auch gesagt. Vielleicht entkräften Sie die Skepsis an Ihrer Glaubwürdigkeit dadurch, dass Sie dem Antrag der SPD zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Danke schön, Frau Kollegin Stamm. – Unsere nächste Rednerin ist für die Staatsregierung Frau Staatsministerin Schreyer. Bitte schön, Frau Schreyer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Wochen hätte ich Herrn Vetter mit seiner Rede verstanden. Die Punkte, die er aber jetzt anspricht, sind eigentlich schon abgeräumt. Herr Vetter, ich verstehe das noch nicht genau. Wir haben gesagt, wir wollen auf die Unterbringungsdatei verzichten.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER))

Wir haben klar formuliert, dass wir keinen Verweis aus dem Maßregelvollzug in das Psychisch-Kranken-HilfeGesetz wollen. Auch die sprachliche Ausgestaltung war deutlich formuliert, wonach die Hilfe, genauso wie der Bereich, den wir zu regeln haben, voranstehen muss. Außerdem haben wir gesagt, dass wir die Besuchskommissionen weiterhin wollen. Insofern sind die Punkte eigentlich enthalten.

Ich möchte deutlich sagen – der Kollege Imhof hat es auch schon ausformuliert –: Wir befinden uns jetzt im parlamentarischen Verfahren, und dabei ist es klug, miteinander zu überlegen, wie man die Wege so geht, dass man eine entsprechende Gesetzesänderung vornimmt. Ich vertraue dabei darauf, dass die Gesundheits- und Sozialpolitiker die Dinge, die es abzuarbeiten gibt, mit Verstand abarbeiten.

Herr Vetter, Sie hatten formuliert, Sie würden das Verfahren gerne noch etwas in die Länge ziehen. Ich sage Ihnen ehrlich, dass das genau der Punkt ist. Es war wichtig, das jetzt hineinzubringen, damit das Parlament handeln kann. Wir haben irgendwann ein Ende der Legislatur, und bei einem Hinauszögern würden alle Hilfeformen, die das Gesundheitsministerium unter Federführung von Melanie Huml entwickelt hat, hinten herunterkippen und könnten nicht starten. Das wäre sehr schade, und deshalb ist es wichtig,

das zunächst hineinzubringen. Danach muss man sehen, welche Bereiche man noch einmal abarbeiten oder verändern möchte.

Das Ziel beim Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz muss sein, die psychiatrische Versorgung der Menschen zu verbessern. Das ist das zentrale Anliegen. Dennoch haben wir seit 1992 die Situation, dass die öffentlichrechtliche Unterbringung angepasst werden muss. Dazu gibt es Rechtsprechung. Es hilft alles nichts, wir können uns um diesen Bereich nicht drücken, sondern müssen ihn abarbeiten. Wichtig ist, das einerseits gesetzeskonform und anhand der vorhandenen Rechtsprechung zu machen, andererseits trotzdem den Menschen gerecht zu werden. Diese Hilfeformen müssen kommen, und es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass in dieser Legislatur noch ein gutes PsychischKranken-Hilfe-Gesetz entsteht. Es ist auch klug, das mit allen Fraktionen gemeinsam zu entwickeln.

Diese Anträge enthalten sehr viele Punkte, und ich verstehe den Kollegen Imhof gut; er kann nicht alle innerhalb von ein paar Minuten abwägen oder abfedern. Deswegen bitte Sie, sich zu überlegen, wie Sie mit Ihren Anträgen umgehen: Wollen Sie sie heute durchziehen, oder wollen Sie ins Gespräch mit allen Fraktionen gehen, damit parteiübergreifend etwas entstehen kann, was dem Ganzen noch mehr Rechnung trägt, als es jetzt der Fall ist.

(Beifall bei der CSU)