Psychische Erkrankungen sind in den letzten Jahren zu Recht mehr und mehr in den Fokus gerückt. Sie sind aus der Tabu-Ecke herausgeholt worden. Diesen Weg der Entstigmatisierung setzt das PsychischKranken-Hilfe-Gesetz fort.
Meine Damen und Herren, das Gesetz hat während der parlamentarischen Beratungen durchaus Veränderungen erfahren. Wir haben insgesamt zwölf Änderungsanträge und einen Entschließungsantrag gestellt und in den Ausschüssen beschlossen. Mit dem Entschließungsantrag geben wir Hinweise für all diejenigen, insbesondere Juristen, die den Willen des Gesetzgebers bei der Auslegung des Gesetzeswortlauts näher ergründen wollen. Zudem setzen wir der Staatsregierung einige Leitplanken bei der Umsetzung des neuen Gesetzes. Ziel des Gesetzes ist es, die Prävention von psychischen Krisen zu stärken und
Das Gesetz hat zwei Teile. Ein Teil ist mit vier Artikeln relativ kurz. Aber diese Artikel haben es in sich. Das ist der Hilfen-Teil. Dieser sieht erstmals die landesweite Einführung von Krisendiensten vor. Mit diesen wird eine seit Langem bestehende Versorgungslücke endlich geschlossen. Sie wissen, dass wir für die somatischen Notfälle den Rettungsdienst haben, der seit Jahrzehnten rund um die Uhr zur Verfügung steht. In psychischen Krisen konnten die betroffenen Menschen darauf nicht zurückgreifen; bisher gibt es nur in wenigen Regionen Bayerns darauf spezialisierte Krisendienste. Diese werden nunmehr flächendeckend von den bayerischen Bezirken aufgebaut und betrieben. Der Freistaat Bayern wendet hierfür knapp 8 Millionen Euro pro Jahr auf. Diese Krisendienste sollen Hilfebedürftige und Angehörige akut psychisch gestörter Menschen frühzeitig auffangen und, soweit erforderlich, freiwillig in weitere Versorgungsangebote vermitteln.
Ein weiterer wichtiger Bereich im Hilfen-Teil ist die Stärkung der organisierten psychiatrischen Selbsthilfe der Psychiatrie-Erfahrenen und der Angehörigen psychisch Kranker. Sie werden künftig in angemessener Weise an allen Planungen zur Versorgung von Menschen mit psychischen Störungen sowie an der Weiterentwicklung psychiatrischer Therapiekonzepte beteiligt. Erstmals wird es in Bayern eine speziell auf den Freistaat zugeschnittene Psychiatrie-Berichterstattung geben. Diese erfolgt alle drei Jahre und bildet eine Grundlage für die weitere Entwicklung der Versorgung. Ebenfalls erstmals wird die Stärkung der Prävention psychischer Störungen wie auch die Zusammenarbeit der Akteure der psychiatrischen Versorgung gesetzlich festgeschrieben. Damit wird ein bedeutender Schritt zur besseren Überwindung von sogenannten Schnittstellenproblemen gemacht.
Der zweite Teil umfasst die öffentlich-rechtliche Unterbringung. Diese wird ebenso neu geregelt wie die Anwendung von Zwangsmaßnahmen. Diese sollen die Ultima Ratio, das letzte Mittel, sein.
Beide Teile, der Hilfen-Teil und der Teil zur öffentlichrechtlichen Unterbringung, haben sich bisher relativ unversöhnlich gegenübergestanden. Deswegen haben wir durch einen Änderungsantrag eine Präambel eingefügt, die quasi als Klammer beide Teile verbindet und die noch einmal betont, was der Gesetzgeber möchte. Die Präambel betont zum Beispiel, dass die Würde, die Rechte und der Wille des psychisch Erkrankten stets zu achten sind. Behandlung und Hilfe stehen immer im Zentrum des Handelns.
Als Ziele der Unterbringung sieht das Gesetz nun gleichrangig einerseits die Heilung der untergebrachten Person und die Stabilisierung seines Zustandes sowie andererseits die Gefahrenabwehr vor. Eine Unterbringung ohne Zustimmung bzw. gegen den Willen des Betroffenen soll es nur geben, wenn seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt ist. Benachrichtigungspflichten werden auf Fälle der Unterbringung wegen Fremdgefährdung beschränkt.
Sehr wichtig ist, dass wir das Maßregelvollzugsgesetz und das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz trennen, das heißt, dass es zwei eigenständige Gesetze gibt, um Irritationen und Missverständnisse zu vermeiden. Psychisch Kranke sollen nicht in die Nähe von Straftätern gerückt werden. Wir haben die Unterbringungsdatei abgeschafft. Die Besuchskommissionen werden fortgeführt. Unterbringungsbeiräte wird es nicht geben. Wir schaffen besondere Regelungen in Bezug auf Kinder und Jugendliche. Schließlich übertragen wir den Teilhabegedanken auch auf psychisch Kranke.
Zusammenfassend kann ich feststellen: Mit diesem Gesetz wird ein Beitrag zur Entstigmatisierung psychisch kranker Menschen geleistet. Mit diesem neuen Gesetz, dem wir gerne zustimmen, wird ein großer Schritt für alle Menschen in psychischen Krisen in Bayern getan. Herzlichen Dank. Ich bitte um Ihre Zustimmung.
Frau Präsidentin, Kollegen und Kolleginnen! Angesichts der knappen Redezeit verweise ich hinsichtlich der unstrittigen inhaltlichen Beschreibungen zu dem jetzt geänderten Gesetzentwurf auf die Ausführungen meines Vorredners, möchte aber doch noch auf die Geschichte, auf die in Teilen leider unrühmliche Geschichte dieses Gesetzes zurückkommen.
Richtig ist auch, Herr Kollege Seidenath, dass dies mindestens gesundheitspolitisch das wichtigste Gesetzesvorhaben dieser Legislaturperiode ist. Ich persönlich bin als jemand, der sich seit 15 Jahren für die Verbesserung der psychiatrischen Versorgung eingesetzt hat, sehr froh, dass es jetzt noch in dieser Legislaturperiode zu einem vernünftigen Abschluss kommt.
Ich darf daran erinnern, dass wir schon im Juni 2014 eine Anhörung zu den Anforderungen an ein Bayeri
sches Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz durchgeführt haben und dass ich damals noch nicht überzeugt war, dass sich die CSU tatsächlich auf diesen Weg macht; denn damals hatten schon 14 von 16 Bundesländern ein solches Gesetz, während Sie aber immer noch im Zweifel waren, ob wir das brauchen. Wir haben es dann in einem gemeinsamen Antrag von CSU, SPD und FREIEN WÄHLERN am 3. Juli 2014, also ziemlich genau vor vier Jahren, aber tatsächlich geschafft, das Prozedere zu beschreiben und die Staatsregierung aufzufordern, die Eckpunkte vorzulegen und einen Runden Tisch anzuschließen. Ich glaube, dass das tatsächlich immer noch richtungweisend war und dass wir zu einem wirklich guten Verfahren gekommen sind, weil alle Beteiligten mit ihren unterschiedlichsten Vorstellungen in einem demokratischen Verfahren in Respekt voreinander diskutiert haben und in langen und guten Debatten zu einem Konsens gekommen sind. Ich glaube, damals war allen klar – das muss es heute auch sein –, dass das notwendigerweise bedeutet, dass es Kompromisse geben muss; denn den einen ist das Gesetz nicht weit genug gegangen, während es den anderen zu weit ging. Wir hatten uns aber darauf verständigt.
Im Übrigen darf ich auch sagen, dass sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als einzige Fraktion diesem Konsens zum Gesetzentwurf entzogen hatten und schon da nicht mitgemacht haben. Die SPD hatte ebenso wie viele andere Gruppierungen über die Eckpunkte des Gesetzes hinausgehende Vorstellungen, aber wir haben uns aus den genannten Gründen hinter dieser gemeinsamen Positionierung versammelt.
Dann hat es fast zwei Jahre gedauert. Dies hat wegen der unsäglichen Seehoferschen Paragrafenbremse so lange gedauert. Ich kann Ihnen, Kollegen und Kolleginnen von der CSU, den Vorwurf nicht ersparen, dass es die totale Selbstentmachtung des Parlaments bedeutet, wenn man sich in der wichtigsten Aufgabe, nämlich der Gesetzgebung, von einem Ministerpräsidenten so beschneiden lässt.
Neben der Paragrafenbremse sind aber auch inhaltliche Vorstellungen wohl aus dem Innenministerium in dieses Gesetz eingeflossen. Am 01.08.2017 gab es den Beschluss des Ministerrats wiederum zu Eckpunkten für ein künftiges Bayerisches PsychischKranken-Hilfe-Gesetz. Wir als Parlamentarier haben diesen Vorschlag damals noch gar nicht gekannt. Aus den Verbänden ist uns aber eine empörte Ablehnung, und zwar unisono, wie ich es in 15 Jahren fast nie erlebt habe, entgegengeschlagen. In der Sommerpause haben wir gerüchteweise gehört, was alles in dem Vorschlag steht. Ich habe dann in Rücksprache auch
mit Ihnen, Herr Seidenath, für die erste Sitzung des Ausschusses ein Fachgespräch vereinbart, in dem alles präzisiert wurde und in dem wiederum alle gesagt haben: So geht das nicht. In der Verbände-Anhörung sind massivste Bedenken geäußert worden. Trotzdem ist dieser Gesetzentwurf im April 2018 dem Landtag unverändert, also in der Fassung der Staatsregierung, zugeleitet worden.
Zwischenzeitlich hat sich das sogenannte Aktionsbündnis aus allen Akteuren in der Psychiatrie gebildet, das versucht hat, gemeinsam zu einer Änderung zu kommen. Am 14. April dieses Jahres haben wir erneut eine Anhörung durchgeführt. Auch das war wieder ein Tiefpunkt des Parlamentarismus; denn zeitgleich mit dem Beginn dieser Anhörung hat der Ministerpräsident in einer Pressekonferenz verkündet, dass er jetzt die Big Points, also die Unterbringungsdatei, die Bezüge zum Maßregelvollzug und anderes abräumt. Die Sozialministerin, die im Gegensatz zum Ministerpräsidenten hier anwesend ist, hat dann noch gesagt: Die Betroffenen müssen Tränen der Dankbarkeit in den Augen haben. Das hatten sie aber nicht; denn die zeitgleich stattfindende Anhörung hat in gut drei Stunden gezeigt, dass noch ganz, ganz viele andere Punkte der Verbesserung bedürfen.
Kollegen und Kolleginnen, Sie haben dann die Änderungsanträge eingebracht. Ich darf für dieses Haus und für die Öffentlichkeit aber schon noch einmal sagen, dass das samt und sonders keine Änderungsanträge der CSU waren, sondern Sie haben die Formulierungen der Stellungnahmen übernommen und den Gesetzentwurf auf den Stand des 15. Dezember 2015 zurückgebracht, nämlich dem Ende der Runden Tische. Das heißt, dass eigentlich zweieinhalb Jahre vergangen sind, ohne dass etwas passiert ist.
Ich finde nach wie vor, dass es skandalös ist, dass die zuständige Ministerinnen, Frau Huml und Frau Müller, nichts getan haben, um die Vorschläge, die aus dem Innenministerium und der Staatskanzlei eingebracht wurden, ohne dass diese im Bereich der Psychiatrie etwas zu suchen hätten, zu verhindern. Frau Huml, diesen Vorwurf kann ich speziell Ihnen als Ärztin nicht ersparen. Dieser Gesetzentwurf hätte ein Gesundheitsministerium so nie verlassen dürfen; denn es geht um psychisch kranke Menschen, nicht um Sicherheitspolitik.
Auch die Fraktion hat bis zu dem massiven Prozess im März/April dieses Jahres keine konkreten Änderungswünsche eingebracht. Wenn es nicht den Regie
rungswechsel gegeben hätte, bei dem der Ministerpräsident und eine neue Sozialministerin haben sagen können: Wir waren nicht dabei; wir machen das anders; wir machen das besser, würde dieses Gesetz in diesen Tagen von der Mehrheit des Landtags, vulgo der CSU, unverändert so beschlossen werden, wie es als Gesetzentwurf der Staatsregierung vorgelegt wurde.
Das heißt in einem Satz: Dass wir heute einen vergleichsweise guten Entwurf für ein Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz beschließen können, ist dem Zufall eines Regierungswechsels geschuldet,
Der Ministerpräsident hat letzte Woche in Passau in einer Videobotschaft beim Bezirketag verkündet: Ich habe festgestellt, dass dieses Gesetz schlecht ist, und ich habe es geändert. Wir haben sehr darüber diskutiert, auch mit dem Bezirkstagspräsidenten, ob sich der Ministerpräsident abends an seinen Schreibtisch gesetzt hat und ein neues PsychKHG geschrieben hat. – Nein, Herr Dr. Söder, Sie haben das nicht gemacht. Sie waren auch vorher schon im Kabinett verantwortlich. Sie hätten das auch schon vorher verhindern können, als sie noch Finanzminister waren.
Erfolgreich waren die Oppositionsfraktionen im Bayerischen Landtag und die Experten und Expertinnen mit ihrem massiven Protest, die 200 Psychiatrieerfahrenen und Expertinnen und Experten, die zu der Anhörung in den Ausschuss gekommen sind und gesagt haben: Das darf so nicht sein. Ihnen danke ich an dieser Stelle noch einmal ganz besonders für die Unterstützung auch hier im Parlament.
Ich muss schon noch einen Vorwurf an BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN richten. Sie haben sich als einzige von Anfang an verweigert. Hier geht es nicht um die vermeintliche Profilierung einer einzelnen Partei, sondern es geht um die Versorgung psychisch kranker Menschen in Bayern. Es zeigte sich, dass der gesundheitspolitische Sprecher, der auch jetzt wieder nicht anwesend ist, im Gesundheitsausschuss anders abgestimmt hat als der Rest. Sie haben sich da auf einen Irrweg begeben.
Die SPD-Fraktion wird bei den Änderungsanträgen wie im Ausschuss votieren und zustimmen. Wir sehen das Gesetz als im ersten Schritt akzeptabel an, und wir werden das Thema in der nächsten Legislaturpe
riode – das versprechen wir all denen, die noch weitergehenden Änderungsbedarf haben – wieder auf die Tagesordnung bringen und für mehr Verbesserungen für die Psychiatrieerfahrenen und in anderen Bereichen kämpfen. Als erster Schritt ist dieses Gesetz aber gut und richtig. Die SPD-Fraktion stimmt heute zu.
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER: Herr Kollege Dr. Vetter, bitte. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, vielen Dank. – Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch wir werden der jetzigen Fassung des PsychKHG so zustimmen. Aber ich möchte den Tenor meiner Vorrednerin aufgreifen. Ich glaube, dass durch die gesamte Diskussion der letzten zwei, drei oder vier Jahre leider sehr viel Vertrauen in die Politik und die Politiker zerstört wurde,
auch durch dieses Gesetzgebungsverfahren, um das gleich am Anfang zu sagen. Die Entwicklung dieses PsychKHG reiht sich aus meiner Sicht – ich bin jetzt zehn Jahre im Bayerischen Landtag – absolut in die letzten Wochen und Monate ein. Ich habe in den letzten Wochen und Monaten den Tiefpunkt meiner parlamentarischen Tätigkeit hier erlebt. Ich erwähne kurz noch das Polizeiaufgabengesetz und die unsägliche Asyldiskussion der letzten zwei oder drei Wochen, ausgelöst von der Bayerischen Staatsregierung und vom Bundesinnenminister. Ich erwähne die Grenzpolizei. Das war für mich ein Tiefpunkt der parlamentarischen Arbeit in den letzten zehn Jahren.
Angesichts der Abstimmung letzte Woche, wo wir gezwungen worden sind, über einen 63-Punkte-Plan abzustimmen, den keiner kannte, kann man, glaube ich, sehr wohl vom Tiefpunkt der parlamentarischen Arbeit hier in Bayern sprechen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nehmen Sie es mir bitte nicht übel; wir FREIE WÄHLER könnten uns nämlich eigentlich zurücklehnen. Mit Ihrer Vorgehensweise seit Wochen und Monaten stärken Sie die Rechtspopulisten. Sie stärken die Rechtspopulisten!
Das ist auch der Grund, warum Sie in den Umfragen massiv verlieren. Wir als FREIE WÄHLER freuen uns, dann die bürgerliche Mitte bei uns aufnehmen zu können.