Protokoll der Sitzung vom 11.07.2018

Liebe Schülerinnen, liebe Schüler, wenn diese Handlungsempfehlung tatsächlich umgesetzt wird, wisst ihr, was auf euch zukommt. Es geht also nicht nur um die

Nationalhymne, sondern auch um die Bayernhymne. Wenn ich jetzt fragen würde, wer alles die Bayernhymne auswendig kann,

(Zurufe von der SPD: Zweite Strophe!)

fiele mehr als die Hälfte an dieser Stelle durch.

(Staatsminister Joachim Herrmann: Na, na, na! – Georg Rosenthal (SPD): Es gibt Wichtigeres!)

Konsens, das heißt übereinstimmende Meinungen, gab es sowohl bei konkreten als auch bei allgemeinen Handlungsmaßnahmen, die für die Migrantinnen und Migranten in Bayern eine große Hilfe darstellen. Konkrete Maßnahmen sind: Erstorientierungskurse sollen flächendeckend bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen angeboten werden. Die Aussetzung der Vorrangprüfung soll auf alle Arbeitsagenturbezirke in Bayern ausgeweitet werden.

Zu den allgemeinen Maßnahmen gehören zum Beispiel: Kleinere Gemeinschaftsunterkünfte sind grundsätzlich zu bevorzugen. Die Sensibilität für andere Kulturen und Religionen in allen gesellschaftlichen und staatlichen Bereichen ist zu fördern. Bürokratische Hürden, die ein großes Hemmnis bei der Arbeitsmarktintegration darstellen, sind abzubauen. Außerschulische Bildungsangebote, Umweltbildung, Kunstprojekte etc. für Zugewanderte sollen gestärkt und ausgebaut werden. In allen weiterführenden Schulen müssen Kinder mit Migrationshintergrund weiterhin und gezielt beim Spracherwerb gefördert werden.

(Der Redner hält den Bericht der Enquete-Kom- mission in die Höhe)

Jetzt fliegt mir alles um die Ohren; aber den Bericht der Enquete-Kommission, der 316 Seiten umfasst, weil wir auch viele Statistiken, Diagramme und Berichte der Staatsregierung aufgenommen haben, wollte ich Ihnen einmal gezeigt haben. Die Exemplare haben wir vor zweieinhalb Stunden druckfrisch bekommen.

Als SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag verstehen wir die im Abschlussbericht festgehaltenen Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen als einen zentralen Auftrag an den Bayerischen Landtag und die Staatsregierung. Wir erwarten, dass die Handlungsempfehlungen als Maßgabe die künftige Integrations- und Migrationspolitik in Bayern bestimmen und dass die Empfehlungen, auf die sich alle Fraktionen verständigt haben, schnellstmöglich umgesetzt werden. Auf der Basis der Erkenntnisse der Enquete-Kommission muss der Gesetzgeber folglich ein neues Partizipations- und Integrationsgesetz verabschieden, das

nicht reine Symbolpolitik ist. Wir brauchen ein Gesetz, das nicht spaltet, sondern das Menschen zusammenführt.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, abschließend möchte ich, weil meine Redezeit zu Ende ist und Frau Weikert weitere Ausführungen machen wird, eine persönliche Bemerkung zu den aktuellen Diskussionen loswerden. Ich bin der Meinung, dass wir über das Thema Integration und Migration und alles, was dazugehört, hier im Hohen Haus diskutieren sollten und dass wir auf Äußerungen, die die Presselandschaft draußen bestimmen und die in der Bevölkerung teilweise Ängste und Unverständnis schüren, verzichten sollten. Dieses Parlament ist der richtige Ort, wo wir diese für alle in Bayern wichtigen Fragen zu beantworten haben. Ich lade Sie alle ein, diese Diskussionen nur in diesem Hohen Haus zu führen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Taşdelen. – Nun erteile ich nochmals Herrn Kollegen Thomas Huber das Wort. Bitte schön, Herr Huber.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wie Sie wissen, hat uns in dieser Legislaturperiode wohl kein Thema so intensiv beschäftigt wie die Integration der Menschen, die in den vergangenen Jahren aus zahlreichen Ländern Asiens, Afrikas und Europas zu uns gekommen sind, und zwar in einer Größenordnung, die sich zu Beginn dieser Legislaturperiode wohl niemand auch nur annähernd vorstellen konnte. Die intensiven und sehr kontroversen Diskussionen, die wir in diesem Plenarsaal, aber auch in der Enquete-Kommission geführt haben, waren wichtig und notwendig, weil das Thema Flüchtlinge, Migration und Integration die Menschen in Bayern seit dem Jahr 2015 ganz besonders bewegt. Die Menschen erwarten daher von uns, dass wir überzeugende Antworten geben. Genau das tun wir, und zwar – das sage ich auch in Richtung meiner CSU-Fraktion – von Anfang an, nicht erst seit Einsetzung der Kommission.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte nur stichpunktartig die vier Säulen unserer CSU-Flüchtlingspolitik wiedergeben: Säule 1 – Humanität. Säule 2 – Integration. Säule 3 – Begrenzung, um Säule 2 möglich zu machen. Säule 4 – Bekämpfung der Fluchtursachen.

Ich beziehe mich jetzt auf Säule 2, weil es heute um dieses Thema geht.

Wir in Bayern können auf eine jahrzehntelange, außerordentlich erfolgreiche Integration zurückblicken. Lieber Kollege Arif Taşdelen, dies ist uns auch ohne Integrationsfahrplan gelungen, den ihr vor zwei Jahren – ich weiß nicht mehr genau, wann – vorgeschlagen habt. Das beweist, dass wir diesen nicht brauchten.

Zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in unsere Gesellschaft eingebracht. Deshalb ist Bayern das Bundesland mit der höchsten Erwerbstätigenquote von Menschen mit Migrationshintergrund. Im Jahresdurchschnitt 2016 waren es 71,5 %; der Bundesdurchschnitt lag bei 64,5 %. Bayernweit hat mehr als jeder Fünfte einen Migrationshintergrund. Das sind insgesamt rund drei Millionen Menschen. Damit gehört Bayern im Vergleich zu den Ländern mit einem durchschnittlichen Migrationsanteil. In Bayern beträgt dieser 22,9 %, in Deutschland insgesamt 22,5 %. Mit ihren Begabungen und ihrer Leistungsbereitschaft haben sie unser Land, unsere Gemeinschaft, unsere Gesellschaft enorm bereichert. Dafür möchte ich allen sehr herzlich danken.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit dem Jahr 2015 stehen wir allerdings vor der enormen Herausforderung, diese großen Leistungen zu wiederholen – freilich unter ganz anderen Rahmenbedingungen, unter ganz anderem Zeitdruck und in einer ganz anderen Größenordnung. Wir haben aber den festen Willen, auch diejenigen Menschen, die erst vor Kurzem zu uns gekommen sind, bei uns erfolgreich zu integrieren. Gleiches gilt für diejenigen, die noch zu uns kommen werden und bei denen absehbar ist, dass sie dauerhaft bleiben dürfen. Wir müssen die Integration dieser Menschen erfolgreich bewältigen, um unser Land vor tiefen gesellschaftlichen Gräben und sozialen Konflikten zu bewahren. Das schaffen wir nur mit einer Flüchtlingspolitik, die die Realitäten anerkennt und das eigene Leistungsvermögen realistisch einschätzt. Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, weltweit sind 65 Millionen bis 70 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie alle können wir unmöglich aufnehmen, schon gar nicht diejenigen, die keinen Anspruch auf unseren Schutz haben.

Damit Bayern das Land der gelingenden Integration bleibt, ist eine Begrenzung der Zuwanderung – ich verweise auf die dritte vorhin genannte Säule – zwingend nötig; denn kein Land hält unbegrenzten Zuzug auf Dauer aus. Niemand anders als unser Altbundes

präsident Joachim Gauck hat diese Herausforderung besser beschrieben, als er sagte: Das Herz ist weit, aber die Ressourcen sind begrenzt. – Mit "Ressourcen" meinte er sicherlich nicht nur das Geld, sondern auch die Belastbarkeitsgrenze unserer Bevölkerung sowie die Ressourcen Zeit, Raum und Mobilität.

Meine Damen und Herren, Bayern hat einen klaren Kurs. Integration ist keine Einbahnstraße, sondern lebt und wächst aufgrund eines Miteinanders aller beteiligten Personen, und sie basiert auf einem gegenseitigen Geben und Nehmen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wie Sie alle wissen, haben wir die gesetzliche Grundlage mit dem Bayerischen Integrationsgesetz dafür geschaffen. Es spaltet nicht, lieber Kollege Arif Taşdelen, sondern beschreibt den Grundsatz des Förderns und Forderns. Dieser Grundsatz spaltet nicht, sondern er führt zusammen. Wir fordern von denen, die zu uns kommen, sich zu integrieren, und wir fördern diejenigen, die dazu bereit sind. Wir fordern, dass die Menschen, die nach Bayern kommen, alle bindenden Forderungen unserer Rechts- und Werteordnung akzeptieren, mittragen und als den für sie nun verbindlich geltenden Maßstab annehmen.

Wir haben übrigens im Gegensatz zu anderen deutschen Ländern und auch im Gegensatz zur Bundesregierung schon sehr frühzeitig auf den enormen Anstieg der Flüchtlingszahlen vor drei Jahren reagiert und schon im Herbst 2015 mit dem bundesweit einmaligen Integrationskonzept "Zusammenhalt fördern, Integration stärken" allein für das Jahr 2016 noch zusätzliche Landesmittel in Höhe von circa 550 Millionen Euro bereitgestellt. Im Doppelhaushalt 2017/2018 stehen für den Bereich der Integration Landesmittel in Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro bereit, mehr als in jedem anderen deutschen Bundesland.

Ich darf einen Vergleich anstellen, auch wenn Sie mir gleich sagen werden, dass man das nicht vergleichen kann – das stimmt; das kann man auch nicht eins zu eins vergleichen. Bei einem Blick in die Haushalte von Baden-Württemberg für 2017 bis 2019 habe ich für Integration 320 Millionen Euro gefunden.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Ich habe gerade gesagt, Kollegin Kamm, dass man das nicht eins zu eins vergleichen kann. Ich sehe mir aber allein diese zwei großen Hausnummern und die Zahlen des Freistaats Bayern insgesamt an. Für die Aufnahme von Asylbewerbern und die Integration von 2015 bis 2018 bringen wir 9 Milliarden Euro auf. Auch deshalb ist Fakt: Bayern ist bei der Integration in Deutschland spitze, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

Bayern fördert auch die Integration in vielen Bereichen erfolgreich. Ich nenne nur beispielhaft die 30 % höhere Förderung von Migrantenkindern in Kindertageseinrichtungen sowie die Förderung bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Ich sehe die Vereinbarung der Staatsregierung vom Oktober 2015, die Integration durch Ausbildung und Arbeit hieß.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Ausbildung und Abschiebung!)

Darin haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2019 60.000 Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Wir haben jetzt, zwei Jahre nach Unterzeichnung, fast 118.000 Menschen in Praktika, in Ausbildungsverhältnisse und in den Arbeitsmarkt vermittelt.

(Christine Kamm (GRÜNE): Das haben die Unternehmen gemacht, nicht Sie!)

Deshalb hat der Freistaat Bayern im Integrationsgesetz, das die Opposition, liebe Frau Kollegin, mit allen Mitteln zu verhindern versucht hat, den Grundsatz des Förderns und Forderns verbindlich festgelegt.

(Angelika Weikert (SPD): Dadurch sind die nicht in Ausbildung gekommen!)

Fördern und Fordern, liebe Kollegin Weikert.

Die Enquete-Kommission Integration hat zu den bereits genannten elf zentralen Handlungsfeldern nach langen und kontroversen Diskussionen eine Menge von Vorschlägen zu Handlungsfeldern – du hast es beschrieben – sogar einstimmig, aber auch mehrheitlich beschlossen, unter anderem zum Handlungsfeld 1 – ich mache das jetzt im Stakkato – "Sprache, Erziehung und Bildung". Das ist aus unserer Sicht ein ganz wichtiges Kapitel, in dem wir festgeschrieben haben, dass Bildung erste Priorität hat, im Übrigen nicht nur für junge Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung, sondern auch für die eigenen Bürgerinnen und Bürger, die hier geboren sind und aufwachsen. Dem Anspruch auf Bildung steht die Verpflichtung gegenüber, Bildungsangebote wahrzunehmen. Darauf legen wir auch großen Wert; da sind wir wieder beim Fördern und Fordern.

Bildung muss auch als Entwicklungshilfe verstanden werden. Auch darauf haben wir uns verständigt. Demokratieerziehung und Bildung sollen frühzeitig gefördert werden – Stichpunkt: Integrationsklassen. Die Bildungsberatung soll insbesondere Informationen zum Mehrwert des dualen Ausbildungssystems vermitteln, um das wir weltweit beneidet werden. Gerade das duale Ausbildungssystem, die Berufsausbildung, ist das Integrationsinstrument schlechthin.

Deutsch als Zweitsprache soll ausgebaut werden. Wir konnten uns zwar nicht gemeinsam, aber mehrheitlich darauf verständigen, dass berufsbegleitende Sprachangebote abhängig von der Bleibeperspektive ausgebaut werden sollen und auch die Vermittlung der deutschen Kultur und der in Deutschland geltenden Werte im Rahmen der Integrations- und Sprachkurse stattfinden soll mit dem Ziel, die Integration in den deutschen Kulturkreis zu fördern.

Beim Handlungsfeld "Gesellschaftliche und politische Partizipation" haben wir uns darauf verständigt, dass es für die Partizipation an der Gesellschaft und die Identifizierung mit Deutschland einerseits Angebote des Staates braucht – wir wissen, dass es eine Menge von Angeboten des Staates gibt –; es braucht aber auch die Anstrengungen der Migrantinnen und Migranten. Wir haben auf der einen Seite natürlich viele Integrationskurse und Sprachkurse, die wir ausbauen – darauf haben wir uns auch verständigt – und auch immer wieder anpassen müssen. Wir haben zahlreiche Modellprojekte für junge Familien, für Frauen, für Jugendliche – ich nenne als Stichwort HEROES – zur Wertevermittlung. Gerade zur Vermittlung unserer Werte braucht es das tatsächliche Erfahren im täglichen Leben. Dafür ist es hilfreich, wenn Migranten insbesondere in Vereinen und im Ehrenamt mitwirken, was vielerorts wunderbar funktioniert.

Zur Stärkung der politischen Partizipation – darauf haben wir uns auch verständigt –, sollten Programme und Methoden entwickelt werden, um mehr Menschen mit Migrationshintergrund für die Mitarbeit in etablierten politischen Parteien zu gewinnen. Ich finde das einen ganz wichtigen Ansatz.

Beim Handlungsfeld "Antidiskriminierung und Antirassismus" sind wir uns einig, dass Diskriminierung und Rassismus in keiner Form Platz in unserer Gesellschaft haben dürfen.

(Zuruf der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Das steht in unserem Bericht, liebe Frau Kollegin – Handlungsfeld 3, erster Punkt –

(Markus Rinderspacher (SPD): Papier ist geduldig!)

als einstimmiger Beschluss. Darüber bin ich froh. Sie wollen doch nicht infrage stellen, dass Sie das unterstützen.

(Katharina Schulze (GRÜNE): Nein, ich stelle etwas anderes infrage!)

Diskriminierung und Rassismus muss von staatlicher Seite mit einer Null-Toleranz-Haltung begegnet werden. Auch das steht in den Handlungsempfehlungen. Wir müssen alles tun, um Ghettoisierung und Segregation zu verhindern. Wir brauchen deswegen eine ausgewogene Siedlungsstruktur sowohl in den Ballungsräumen als auch in den ländlichen Regionen, lieber Kollege Taşdelen; du hast vorher gesagt, dass keine inhaltliche Stringenz zum Beispiel beim Ausbau des ÖPNV oder auch im Wohnungsbau zu erkennen sei. Wir sind für den Ausbau der Infrastruktur. Meine Fraktion startet ständig Initiativen, um den ÖPNV und die Infrastruktur zu verbessern. Wir machen das aber nicht nur für die Menschen, die neu zu uns kommen, sondern für alle Menschen, die hier leben. Wir machen keine Unterscheidung, wer den ÖPNV nutzt.

(Arif Taşdelen (SPD): Ich auch nicht!)