Protokoll der Sitzung vom 27.09.2018

fünfte Kind. Dazu haben Sie als Ministerpräsident letzte Woche in unserem Duell bei den "Nürnberger Nachrichten" gesagt – ich zitiere –: "Ich weiß nicht, ob die Zahlen immer so stimmen." Nun ja. Das sind Zahlen Ihrer eigenen Staatsregierung, und darauf will ich mal vertrauen.

(Beifall bei der SPD – Volkmar Halbleib (SPD): Hört!)

Diese Zahl passt nicht in das Bayernbild, das Sie zeichnen wollen. Aber wer verantwortungsvolle Politik machen will, muss das ganze Bild betrachten. Es geht darum – das habe ich anfangs gesagt –, unsere wirtschaftliche Stärke zu erhalten und weiterzuentwickeln, damit alle etwas davon haben. Wir als SPD wollen ein starkes Bayern für alle Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der SPD)

Darüber, wie wir Bayern wirtschaftlich und sozial weiterentwickeln wollen, haben wir grundsätzlich verschiedene Auffassungen. Das hat Ihre Regierungserklärung heute wieder gezeigt.

Bei meinen Gesprächen erzählen mir viele Menschen in ganz Bayern ihre Sorgen und Wünsche. Es sind die unterschiedlichsten Menschen, und deshalb erzählen sie die unterschiedlichsten Dinge, auch Ihnen. Einige Dinge kommen immer wieder vor, zum Beispiel: In meinem Dorf fährt der Bus nur zweimal am Tag. – Manchmal höre ich auch: Bei mir fährt gar kein Bus – oder: Ich finde keinen Kitaplatz für mein Kind. – Manchmal auch: Jetzt habe ich einen Kitaplatz, aber die Kita schließt viel zu früh – oder: Ich schaffe die Pflege meiner Mutter nicht mehr, aber bei uns im Ort gibt es keinen Pflegeplatz. – Am häufigsten höre ich natürlich: Unsere Wohnung ist für unsere Familie viel zu klein, aber wir finden einfach nichts Größeres, das wir uns leisten können.

(Volkmar Halbleib (SPD): So ist es!)

Diese Anliegen sind zwar sehr unterschiedlich, haben aber eines gemeinsam: Der sogenannte freie Markt kann sie nicht lösen. Das kann nur der Staat, und damit nur die öffentliche Hand.

(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Herr König, keine Angst, das sagt nicht nur die SPD, sondern es ist eine Logik, und die versuche ich Ihnen nochmals nahezubringen.

Bayern ist durch die soziale Marktwirtschaft stark und erfolgreich geworden, aber auch durch Unternehmergeist und zupackende Arbeitnehmerinnen und Arbeit

nehmer mit starken Gewerkschaften. Das ist wohl unstrittig – Sie nicken. Unstrittig ist aber auch, dass der freie Markt nicht für das Gemeinwohl sorgt. Der freie Markt bringt keine Busse in jeden Winkel Bayerns. Der freie Markt will Profit, nichts anderes. Natürlich rechnet es sich betriebswirtschaftlich nicht, eine Kita für ein paar Kinder, deren Eltern länger arbeiten müssen, länger offenzuhalten.

In einem Punkt ist das Versagen des Marktes am deutlichsten, nämlich wenn es darum geht, eine bezahlbare Wohnung zu bekommen, etwa in Ingolstadt, Erlangen, Aschaffenburg, Regensburg oder München. Da hilft uns der freie Markt nicht weiter.

Herr Ministerpräsident, das gilt auch, wenn Sie, wie in den letzten sechs Monaten geschehen, Geld nach dem Gießkannenprinzip über das Land verteilen. Ein Familiengeld für Eltern von Kindern im zweiten und dritten Lebensjahr gibt wirklich nur diesen Eltern die Möglichkeit, mehr für Kinderbetreuung zu bezahlen. Für Eltern mit älteren Kindern gibt es nichts. Es schafft auch keine neuen Kitaplätze. Es schafft auch überhaupt keine Kitas, die morgens früher öffnen, nachmittags länger oder in den Ferien offen haben.

(Beifall bei der SPD)

Ein Pflegegeld schafft keine Pflegeplätze. Herr Ministerpräsident, deshalb ist es unehrlich, wenn Sie jetzt eine Pflegeplatzgarantie geben. Warum? – Pflegeeinrichtungen werden mehrheitlich von gemeinnützigen und privaten Trägern betrieben. Die tun das, was sich rechnet. Das müssen sie auch tun, weil sie auf dem freien Markt sind. Sie können gar nichts garantieren. Deshalb ist Ihre Pflegeplatzgarantie unehrlich.

(Beifall bei der SPD)

Dasselbe gilt für den Wohnungsmarkt. Die Mehrheit der Mietwohnungen in Bayern ist in Privatbesitz. Das kann niemand bestreiten. Dazu haben Sie als Finanzminister und Sie als CSU während ihrer Regierungszeit beigetragen. Auch wenn Sie es nicht mehr hören mögen oder nicht mehr hören können, sage ich: Der Freistaat hat 33.000 öffentliche Wohnungen an Privatinvestoren verkauft.

(Zuruf des Abgeordneten Peter Winter (CSU))

Ich komme gleich dazu. Der Herr Ministerpräsident hat vorhin gesagt: Es gehört zu Anstand und Respekt zuzuhören. Das gilt auch für Sie.

(Beifall bei der SPD)

Beginnen wir noch einmal. Auch wenn Sie es nicht hören mögen: Der Freistaat Bayern hat 33.000 öffent

liche Wohnungen an Privatinvestoren verkauft. Auch wenn Sie etwas anderes behaupten, die Begründung dafür war: Der Markt wird es schon richten.

(Zuruf des Abgeordneten Alexander König (CSU))

Herr König, ich komme dazu. Der Fraktionsvorsitzende Herr Kreuzer hat das vor zwei Wochen beim Bayerischen Rundfunk mir gegenüber zugegeben. Die staatlichen Wohnungen wurden nicht an ein Konsortium bayerischer Städte verkauft, weil die PATRIZIA mehr gezahlt hat. Über die Kommunen hat Herr Kreuzer wörtlich gesagt: Die haben nicht genug geboten. Der Markt hat mehr geboten. – Das haben Sie zugelassen.

(Widerspruch bei der CSU)

Bevor Sie sich über irgendetwas aufregen, sage ich gleich: Ja, auch der Bund hat Wohnungen verkauft. Das ist ein Fehler, egal, wer an der Regierung ist. Herr König, eines ist doch klar: Wo der Markt versagt, muss der Staat greifen.

(Beifall bei der SPD)

Das hat nichts mit der SPD zu tun. Diese Erkenntnis und dieses klare Bekenntnis zur Rolle des Staates trennen uns weiterhin, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt nicht nur für die Versorgung mit angemessenem Wohnraum. Diese Aufgabe ist für die Staatsregierung sogar ein Auftrag, der in unserer Verfassung steht, da steht es geschrieben. Überall dort, wo die Menschen im alltäglichen Leben betroffen sind, überall dort, wo der Markt die zentralen Bedürfnisse der Menschen nicht erfüllt, muss die öffentliche Hand helfen. Das liegt doch in der klaren Logik, wie wir unseren Staat aufbauen. Die öffentliche Hand heißt: der Freistaat.

Die Kommunen tun das. Sie tun es tatsächlich. Die Kommunen tun, was sie können. Wir haben Glück, dass wir uns das leisten können. Wir haben Glück, dass wir uns in Bayern einen Wohlstand erarbeitet haben, den wir genau dafür einsetzen können: für einen starken Staat.

(Beifall bei der SPD – Inge Aures (SPD): Bravo!)

Schauen wir uns doch die Definition eines starken Staates an. Starker Staat heißt, da zu sein, wo die Menschen ihn brauchen. Wir müssen als starker Staat bezahlbaren Wohnraum schaffen und mit der Kraft des Staates die Mieten einbremsen. Die Antwort der

SPD ist eine bayerische Wohnraumoffensive und ein Mietenstopp in den Städten für die nächsten fünf Jahre. Das ist ein Muss.

(Beifall bei der SPD)

Der Wohnungsmarkt geht unter der Kraft des Marktes zugrunde. Er wird sich nicht mehr erholen können. Deswegen muss der Staat in den Wohnungsmarkt hineingehen.

(Kopfschütteln des Abgeordneten Dr. Harald Schwartz (CSU))

Sie müssen nicht den Kopf schütteln. Gehen Sie auf die Straßen, sprechen Sie mit den Menschen!

(Volkmar Halbleib (SPD): Realitätsverweigerung bei der CSU!)

Sie verlassen sich auf den Staat. Das tun sie. Der Staat muss dort hinein.

Wir müssen als Staat noch etwas anderes tun: Wir müssen allen Kindern die gleichen Startchancen geben. Wollen Sie das etwa bestreiten? – Alle Kinder brauchen die gleichen Startchancen.

(Beifall bei der SPD)

Die Antwort der SPD ist eine Qualitätsoffensive in unseren Kitas. In diesem Punkt stimmen Sie uns noch zu, aber es soll eben auch eine kostenfreie Kita sein. Damit garantieren wir kostenfreie frühkindliche Bildung für alle.

(Beifall bei der SPD – Inge Aures (SPD): Bravo! – Volkmar Halbleib (SPD): Ja!)

Niemand kommt auf die Idee, für den Schulbesuch Geld zu verlangen. In Kitas wird auch Bildung vermittelt. Warum kommen Sie nicht endlich zu unserer Erkenntnis, dass frühkindliche Bildung jedem zugänglich sein muss? Der Markt ermöglicht dies definitiv nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir nicht allen Kindern die gleichen Chancen geben, dann wird Armut weitervererbt; denn der Markt sorgt nicht für gleiche Chancen. Der Markt sortiert nach Arm und Reich, und nichts anderes.

Wir müssen als starker Staat auch dort eingreifen, wo Rechte nicht eingeräumt werden, Herr Ministerpräsident. Das Recht auf Weiterbildung in der Arbeitswelt gehört definitiv dazu.

(Beifall bei der SPD)

Bildung, das werden Sie doch nicht bestreiten, ist ein Grundrecht. Sie ist unser einziger Rohstoff und ein Versprechen für die Zukunft. Die Antwort der SPD ist ein Weiterbildungsgesetz für unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ein Recht auf Bildung brauchen.