Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

Es liegt nicht daran, dass zu wenig Geld da ist. Das ist auch gar nicht der Vorwurf, den wir Ihnen machen. Ja, es ist richtig: Im nächsten Haushalt stellen Sie mehr Geld zur Verfügung. Ja, wir wollen die Regierungspräsidenten von Mittelfranken und Oberbayern ganz ausdrücklich dafür loben, dass sie unbürokratisch handeln, wenn Kommunen neue Lösungswege gehen, und sagen, ja, wir stellen dafür Geld zur Verfügung. Herr Ministerpräsident, Ihr Problem ist ein beispielloses Managementversagen in der Regierung. Sie bekommen es nicht geregelt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Geld ist da. Ich möchte Ihnen auch gar nicht den guten Willen absprechen. Aber Frau Sozialministerin, wer vor 12 Monaten ankündigt, man werde tatkräftig handeln und schnell Erstaufnahmeeinrichtungen organisieren, die dann erst eineinhalb oder zwei Jahre später installiert werden, der darf nicht für sich in Anspruch nehmen, sich Regierung zu nennen, meine Damen und Herren. Diese Regierung ist die teuerste Nichtregierungsorganisation des Freistaats Bayern.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ein letztes Wort noch: Ihre Krokodilstränen, Ihre Aussage, dass die Opposition den Geschäftemachern am rechten Rand gewissermaßen die Hand reichen würde, weil sie ein parteipolitisches Süppchen kocht, und das aus Ihrem Mund, Herr Ministerpräsident, können wir so nicht hinnehmen.

(Beifall bei der SPD – Peter Winter (CSU): Nichts als die Wahrheit!)

Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie im Sommer 2011 in einem Interview mit dem "Focus" einen Einreisestopp für Türken und für Menschen aus arabischsprachigen Ländern gefordert haben? Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie auf einem Parteitag gesagt haben, dass Sie bis auf die letzte Patrone dafür Sorge tragen werden, die Einwanderung in die Sozialsysteme in Deutschland zu verhindern? Von Ihnen und Ihrer Partei stammt die Diskriminierung von Rumänen und Bulgaren zu Beginn des Jahres mit dem Slogan "Wer betrügt, der fliegt". Wenn Sie hier heute solche Krokodilstränchen weinen, kann ich Ihnen nur sagen: Sie kennen die Geschäftemacher vom rechten Rand ganz genau; denn Sie betreiben mit Rechtspopulismus deren Spiel: Alle paar Monate haben Sie hier eine neue Forderung. Wir von der Opposition müssen uns solche Vorwürfe ganz gewiss nicht anhören.

(Reinhold Bocklet (CSU): Ungeheuerlich! – Dr. Florian Herrmann (CSU): Unverschämtheit! – Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Genauso ist es! Wahrheit! – Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Zurufe von der SPD: Bravo!)

Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass sich die Sozialministerin im Laufe der Debatte noch zu Wort melden wird. Mit dem Ministerpräsidenten ist es natürlich nicht getan; denn was Sie immer noch nicht dargelegt haben, Herr Ministerpräsident, war, außer dem Verweis auf Italien, wie Ihr Sofortprogramm tatsächlich aussieht.

(Zurufe von der CSU und der SPD)

Auch Herr Neumeyer hat dazu im Übrigen nichts gesagt. Was ist denn jetzt der Plan für die nächsten sieben Tage, für die nächsten vierzehn Tage? Was können wir im Oktober noch erwarten? Was erfolgt im November? Wo stehen wir an Weihnachten 2014?

(Jürgen W. Heike (CSU): Unterm Christbaum!)

Hoffentlich nicht da, wo sie uns bereits 2013 haben wollten. Meine Damen und Herren, ein solches Sofortprogramm hätte ich mir heute neben ein paar Worten, neben Presseschelte und neben Schelte der bayerischen Opposition hier erwartet. Das waren alles aus dem Katalog der entsprechenden Bierzeltreden ge

stanzte Formulierungen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Ein konkretes Handlungsprogramm sind Sie uns auch heute leider schuldig geblieben.

(Anhaltender Beifall bei SPD, den FREIEN WÄH- LERN und GRÜNEN – Dr. Florian Herrmann (CSU): Unverschämtheit!)

Wir haben zwei weitere Wortmeldungen. Zunächst Herr Kollege Aiwanger.

Sehr geehrter Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte zeigt, wo die Bayerische Staatsregierung beim Thema Flüchtlingsunterbringung steht. Sie ist schlichtweg politisch handlungsunfähig.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD – Widerspruch bei der CSU)

Wenn Sie den Vergleich mit der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg haben wollen, sage ich Ihnen: Damals hat es ein armes, zerbombtes und kaputtes Bayern geschafft, Millionen von Flüchtlingen innerhalb kurzer Zeit unterzubringen und ihnen zumindest ein Dach über dem Kopf zu garantieren. Wieviel einfacher müsste das heutzutage sein? Es müsste doch heute viel einfacher sein, eine Baufirma oder eine Schreinerei damit zu beauftragen, irgendwo eine Holzhaussiedlung hinzustellen und dort ein paar Tausend Menschen unterzubringen. Das war nach dem Krieg in kurzer Zeit ohne technische Mittel möglich. Wenn wir heute nicht in der Lage sind, in Bayern Zeltstädte aufzustellen, frage ich Sie: Was ist denn in diesem Land los, wenn wir einmal eine Naturkatastrophe haben, wenn wir einmal für einige zehntausend Menschen innerhalb weniger Wochen ein Dach über dem Kopf brauchen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Haben wir überhaupt noch Zelte beim THW, bei der Bundeswehr und so weiter? Warum können wir im Libanon und in Jordanien nicht sehr viel tun? Der "Fonse", Christian Springer, fährt seit Jahren zusammen mit Monika Gruber mit Hilfskonvois in diese Länder und bittet händeringend, zu helfen und dort tätig zu werden. Deshalb muss ich Sie fragen: Können wir das heute überhaupt noch? Haben wir nach einer Ära von ein paar schwarzen Verteidigungsministern mit Adelstiteln vorne dran überhaupt noch ein Transportflugzeug, das ein paar Hundert Zelte dort hinunterfliegen kann? Oder haben wir überhaupt kein Transportflugzeug mehr, das noch funktioniert?

Sie redeten von der sicheren Drittstaatenregelung und sagten, diese Flüchtlinge dürften durch Österreich gar nicht durchkommen. Dazu muss ich Sie fragen: Welche Arbeitsbasis haben Sie mit Österreich überhaupt noch? Sie stehen mit denen wegen der Ausländermaut im Streit. Die Österreicher drohen Ihnen mit einem Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.

(Widerspruch bei der CSU – Dr. Florian Herr- mann (CSU): Was hat die Maut damit zu tun?)

Ein Franz Josef Strauß wäre nach Österreich gefahren, hätte mit den Herrschaften dort Brotzeit gemacht und dafür gesorgt, dass diese Drittstaatenregelung funktioniert. Das heißt, Sie sind weder national noch international handlungsfähig.

Zu Hause sind Sie nicht einmal in der Lage, ein paar Holzhäuser aufzustellen. Ein Bürgermeister einer Kommune bekommt am Freitag mitgeteilt, dass am Samstag zehn Leute vor dem Rathaus stehen. Die muss er unterbringen. Sie leiten zu wenig in die Wege, um diese Leute unterzubringen. Die ganz klare Botschaft lautet: Sie wurden von diesem Thema überrollt.

Herr Ministerpräsident, Sie haben heute gesagt, der Scheitel sei noch nicht erreicht. Dann sagen Sie aber bitte in einem halben Jahr nicht wieder, Sie hätten mit so vielen Flüchtlingen nicht rechnen können. Es besteht durchaus die Gefahr, dass es noch mehr werden. Wir müssen dann zu unkonventionellen Maßnahmen greifen.

Ich frage Sie noch einmal: Ist es wirklich unmöglich, zu einer Baufirma oder einer Schreinerei zu gehen und sie damit zu beauftragen, ein paar Holzhäuser aufzustellen, um diese Leute unterbringen zu können? Nicht einmal dazu sind Sie in der Lage. Sie können jetzt wieder schreien, aber Sie sind an der Regierung, um das zu bewerkstelligen. Sie sind dafür verantwortlich, dass Leute auf Pappkartons schlafen und nicht einmal ein Dach über dem Kopf haben. Dafür sind Sie verantwortlich und sonst niemand in diesem Land.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir haben noch eine Wortmeldung: Herr Kollege Kreuzer.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen über einen ernsten Vorgang, der uns sicher alle besorgt macht. Klar ist in diesem Hohen Haus, dass jeder von uns Flüchtlinge, die zu uns kommen, menschenwürdig unterbringen und versorgen will. Wir bemühen uns hier mit

einem enormen Mitteleinsatz in Höhe von 500 Millionen Euro pro Jahr. Das sind enorme Zahlen. Wir bemühen uns auch mit einem entsprechenden Engagement.

Herr Pfaffmann, Sie sagten, wir hätten 2008, 2009 oder 2010 die Entwicklung erkennen können. Ich sage Ihnen: In den Jahren 2008 und 2009 hatten wir in Deutschland 30.000 Flüchtlinge. 2012 hatten wir in Deutschland noch 75.000 Flüchtlinge. Letztes Jahr waren es 130.000, und heuer werden wir 230.000 bis 250.000 bekommen. Das alles haben Sie 2008 schon gewusst. Ich gratuliere. Werden Sie Hellseher, und Sie werden jede Menge Geld damit verdienen, Herr Pfaffmann!

(Beifall bei der CSU)

Dies hat niemand gewusst. Auch Ihr Kollege aus Nordrhein-Westfalen und der Kollege aus BadenWürttemberg haben es nicht gewusst. In ganz Deutschland stehen wir vor dieser Situation. Von einem Jahr auf das nächste haben wir eine Verdoppelung der Flüchtlingszahlen. Wahrscheinlich haben wir nächstes Jahr nochmals eine Verdoppelung der schon hohen Flüchtlingszahl. Dies schafft uns Probleme.

Wir müssen bei der Unterbringung immer zwei Situationen unterscheiden. Die Unterbringung der registrierten Flüchtlinge, die im Asylverfahren stehen, läuft im ganzen Land einigermaßen gut. Die Landkreise und kreisfreien Städte schaffen dies noch. Sie haben dabei zwar auch ihre Schwierigkeiten, aber das ist nicht das riesige Problem. Alle bemühen sich, und bei den Ehrenamtlichen und den in den Kommunen Verantwortlichen haben wir im ganzen Land eine riesige Hilfsbereitschaft, für die wir auch danken.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Sie lassen die im Stich!)

Schwierig ist die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen, die mit unglaublichen Zahlen zu kämpfen haben. Wir können die Flüchtlinge nicht sofort verteilen. Wir müssen sie zunächst registrieren. Nur ein Teil der Flüchtlinge bleibt bei uns in Bayern, ein anderer Teil geht in andere Länder. Bei den steigenden Zahlen müssen wir noch zulegen und in der Organisation besser werden, damit es zu keinen zu großen Staus und nicht zu Zuständen kommt, die wir alle nicht wollen. Dafür geben wir die nötigen Mittel aus und unterstützen dies auch politisch.

Wir sollten dieses Thema nicht parteipolitisch ausschlachten. Überall in Deutschland herrscht die gleiche Situation. Wir in Bayern sind besonders betroffen, weil wir ein Grenzland sind und bei uns überdurch

schnittlich viel von den 230.000 Flüchtlingen jeden Tag ankommen, die wir in den Erstaufnahmeeinrichtungen versorgen müssen. Wir werden keine Kosten scheuen, Haushaltsmittel zur Verfügung stellen und alle Organisationen unterstützen. Wenn Sie für 1.000 Flüchtlinge, die am Wochenende gekommen sind, sorgen und übermorgen wieder 3.000 kommen werden, werden Sie Schwierigkeiten haben. Bei diesen Dimensionen ist es insgesamt nicht einfach.

Lassen Sie mich etwas sagen, was mir auch Sorgen macht, Frau Bause. Wir haben sehr viele Flüchtlinge aus Syrien und anderen Bürgerkriegsgebieten. Die nehmen wir selbstverständlich auf, weil dort Lebensgefahr und blanke Not herrschen. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass zwei Drittel von denen, die zu uns kommen, weder einen Asylgrund noch ein Bleiberecht oder das kleine Asyl haben.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das ist falsch! Sie reden Unsinn!)

Das heißt, diese Flüchtlinge kommen nicht aus Syrien oder solchen Ländern. So sieht es aus, meine Damen und Herren. Sie kommen aus Staaten, wo ihnen keine Verfolgung droht und wo auch kein Krieg herrscht.

(Beifall bei der CSU)

Bis vor Kurzem haben die GRÜNEN sogar verhindert, dass wir Serben, Mazedonier und so weiter aus dem Balkan in einem einfacheren Verfahren behandeln, weil es dort keine Gründe für ein Asyl gibt. Das waren 20 % der Flüchtlinge. Sie haben dafür gesorgt, dass diese Flüchtlinge für lange Zeit hier geblieben sind.

(Beifall bei der CSU)

Wen Sie die Zahlen anschauen, werden Sie feststellen, dass Deutschland bis zum 01.07.2014 94.000, Frankreich 36.000, Polen 4.800 und Spanien 2.500 Flüchtlinge aufgenommen haben. Auch Schweden hat viele Flüchtlinge aufgenommen. Darum sage ich Ihnen: Wir dürfen neben dem Problem der Unterbringung nicht verkennen: Die Bevölkerung erwartet von uns auch, dass dieser Zuzug gerade von Flüchtlingen, die weder verfolgt werden noch aus Bürgerkriegsgebieten kommen, kein Fass ohne Boden bleibt.

(Beifall bei der CSU)

Hierzu höre ich von der Opposition überhaupt nichts. Ich sage Ihnen: Wir werden in der politischen Diskussion die größten Schwierigkeiten bekommen, wenn wir nicht verhindern, dass alle, die in Italien und in anderen Ländern ankommen, zu uns durchreisen und etwa am Münchner Hauptbahnhof aussteigen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Die Große Koalition hat das doch geregelt!)

Deswegen fordere ich von der Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass diese Staaten ihren vertraglichen Verpflichtungen nach Schengen und nach Dublin II nachkommen.

(Beifall bei der CSU)