Protokoll der Sitzung vom 15.10.2014

Herr Kollege Dürr, ich habe es hier in der Hand.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Über den ganzen Antrag?)

Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Über die Nummer 4 haben wir schon abgestimmt. Die Nummer 4 wurde mehrheitlich angenommen. Jetzt lasse ich über den Rest des Antrags abstimmen. Die Streichung ist bereits vorgenommen worden.

(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Aber jetzt nicht gesagt!)

- Herr Kollege Dr. Dürr, wenn ich sehe, wie bei Ihnen bei den Abstimmungen die Hände hochgegangen sind, und Sie haben überhaupt nicht gewusst, wie Sie abstimmen sollen, dann sage ich Ihnen: Räumen Sie erst einmal bei Ihnen selber auf, bevor Sie hier bei mir anfangen.

(Beifall bei der CSU)

Wer jetzt diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Über die Nummern 1 bis 3!)

Liebe SPD-Fraktion, Sie haben mich gebeten, dass ich noch einmal über den Antrag insgesamt abstimmen lasse.

(Volkmar Halbleib (SPD): Über die Nummern 1 bis 3 wird jetzt abgestimmt.)

- Herr Kollege Halbleib, ich habe doch gesagt, dass wir über die Nummer 4 schon abgestimmt haben. Das ist erledigt. Jetzt lasse ich über die Nummern 1 bis 3 abstimmen. Die Streichung ist schon vorgenommen worden.

(Thomas Kreuzer (CSU): Dann stimmen wir ab, denn es gibt sowieso eine Mehrheit!)

So ist es. Herr Fraktionsvorsitzender, ich habe schon versucht, das klarzumachen.

Wer jetzt dem Dringlichkeitsantrag, den Nummern 1 bis 3, zustimmen möchte, wobei die Worte "ggf. unter Ausschluss der Öffentlichkeit" gestrichen sind, den bitte ich um das Handzeichen. – CSU, FREIE WÄHLER und die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung der SPDFraktion ist der Antrag dennoch angenommen. Vielen Dank.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, damit haben wir die Behandlung der Dringlichkeitsanträge für heute beendet. Die nicht behandelten Dringlichkeitsanträge werden an die federführenden Ausschüsse überwiesen. Dazu muss ich bekanntgeben, dass entgegen der für Sie aufgelegten Liste die Anträge auf den Drucksachen 17/3366 und 17/3395 nicht dem Ausschuss für kommunale Fragen und innere Sicherheit, sondern dem Wirtschaftsausschuss federführend überwiesen werden.

Jetzt rufe ich Tagesordnungspunkt 10 auf:

Antrag der Abgeordneten Martin Güll, Kathi Petersen, Dr. Simone Strohmayr u. a. (SPD) Runden Tisch Ganztagsschulen einberufen (Drs. 17/1970)

Ich eröffne die Aussprache. Fünf Minuten sind pro Fraktion vereinbart worden. Wer beginnt bitte? – Frau Kollegin Dr. Strohmayr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir nach dieser schwierigen Abstimmung wieder alle hellwach sind, freue ich mich sehr darauf, mit Ihnen über das Thema Ganztagsschule diskutieren zu können. Wir wollen Ihre Zustimmung dazu, dass wir endlich die Forderungen des Städtetagspräsidenten Ulrich Maly erfüllen und erneut einen Ganztagsgipfel einberufen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich war gestern mit einigen meiner Kollegen in Nürnberg, wo wir zu einer Konferenz "Guter Ganztag" -

(Unruhe)

Ich beginne noch einmal, es war ein bisschen laut.

Frau Kollegin, Sie haben recht.

Ich war gestern mit einigen meiner Kollegen in Nürnberg, wo wir zu der Konferenz "Guter Ganztag" eingeladen hatten. Ich möchte Ihnen ganz einfach die Situation der Ganztagsangebote in der Stadt Nürnberg nahebringen. Die

Stadt Nürnberg hat eine Umfrage bei den Eltern von Grundschulkindern gemacht. 80 % der Eltern von Grundschulkindern wünschen sich in der Stadt Nürnberg am Nachmittag eine Betreuung für ihre Kinder. Für circa 40 % kann die Stadt Nürnberg bereits jetzt Hortplätze anbieten. Für etwas mehr als 10 % stehen offene Ganztagsplätze zur Verfügung. Für nicht einmal 2 % stehen gebundene Ganztagsplätze zur Verfügung. Die Stadt Nürnberg muss also für mehr als 25 % der Kinder in der nächsten Zeit Ganztagsangebote schaffen. Mit dieser Mammutaufgabe dürfen wir die Kommunen nicht alleine lassen. Hier steht der Freistaat Bayern in der Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Der Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat für das Jahr 2018 die Ganztagsgarantie abgegeben. Ich frage Sie also: Wie soll der Ausbau von Ganztagsangeboten erfolgen? Wo ist denn Ihr Ausbauplan? Wie soll die Ganztagsgarantie erfüllt werden? Welche Qualität sollen die Angebote haben? Wer soll vor allem die Zeche zahlen? Wer zahlt für den Ausbau der Gebäude? Wer zahlt für das Personal?

Unlängst war ich auf einer Veranstaltung von Professor Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut, der ganz trocken festgestellt hat: "Der Ausbau der Ganztagsangebote erfolgt ziel- und konzeptionslos." Ich muss ihm recht geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist höchste Zeit, dass wir uns dieses Themas intensiv annehmen. Die Gesellschaft wandelt sich. Kinder, die heute in die Ganztagskrippe gehen, gehen morgen in einen Ganztagskindergarten und übermorgen in die Schule, und dann wollen sie eine Ganztagsschule. Deswegen ist es jetzt höchste Zeit, dass wir die Akteure für die Ganztagsbetreuung, das Kultusministerium, das Sozialministerium und die Kommunen, an einem Tisch zusammenbringen und dass gemeinsam darüber verhandelt wird, wie der Ausbau der Ganztagsangebote in Bayern weitergehen soll.

Was passiert bei uns in Bayern? - Es gibt einen Betreuungsdschungel. Es gibt eine Mittagsbetreuung, eine verlängerte Mittagsbetreuung, Horte, offene Ganztagsangebote und gebundene Ganztagsangebote. Manche Angebote sind gut, andere nicht. Einige arbeiten mit Lehrern, andere mit Erziehern. Andere Angebote kommen nahezu ganz ohne Fachpersonal aus. Da wird jeder Student und jede 400-Euro-Kraft händeringend genommen. Wir waren gestern mit Eltern, Lehrern und Trägern sowie Kommunalpolitikern beisammen gesessen. Die Unzufriedenheit in diesem Bereich ist riesig. Hier wurden für alle Ganztagsange

bote einheitliche Qualitätsstandards und darüber hinaus eine Ferien- und Randzeitbetreuung gefordert.

Die Schulbauverordnung, ein Riesenthema, muss endlich reformiert und modernisiert werden. Am allerwichtigsten ist, dass die Finanzierung von guten Ganztagseinrichtungen möglich sein muss. Das Thema Ganztag ist eine Riesenreform. Ganztag bedeutet mehr Verantwortung des Staates für Kinder, die ganztags in Einrichtungen gebildet, erzogen und betreut werden. Ich bitte Sie, lassen Sie uns diese Verantwortung annehmen und ernst nehmen, damit die Ganztagsgarantie endlich umgesetzt werden kann.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin BrendelFischer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die eben gestellte Forderung nach einem Bildungs- bzw. Ganztagsgipfel, wie er zuletzt 2009 stattfand, ist längst überholt.

Liebe Frau Strohmayr, seit Monaten steht fest, dass es noch im Herbst dieses Jahres einen Kommunalgipfel geben wird, der mit den wichtigen Kooperationspartnern, nämlich mit den kommunalen Spitzenverbänden – nicht nur mit dem Städtetag, sondern mit allen, die wir im Boot haben, etwa dem Landkreistag und dem Gemeindetag – stattfinden wird. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, Sie dürfen sich auch darauf verlassen, dass die Staatsregierung dort engagiert konstruktive Vereinbarungen treffen wird, und zwar gemeinsam mit den Spitzenverbänden.

Die Ausführungen des Ministerpräsidenten in seiner Regierungserklärung vor knapp einem Jahr standen in einer logischen Konsequenz zu unserem Wahlprogramm, dem Bayernplan. Unsere Fraktion hat nicht erst auf einen Fingerzeig von außen gewartet, sondern wir haben uns rasch auf den Weg gemacht und die Projektgruppe "Ganztag" eingerichtet, die von der Kollegin Schreyer-Stäblein und mir geleitet wird. Wir haben nicht nur ein Gespräch geführt und an einem Runden Tisch zusammengesessen, sondern uns in zahlreichen Kontaktgesprächen informiert. Wir haben uns mit Kommunen, Schülern, Lehrkräften, Eltern, kooperierenden Verbänden und Institutionen über den schulischen Ganztag unterhalten und ausgetauscht.

(Beifall bei der CSU)

Dabei war es uns wichtig, in erster Linie nicht nur mit Funktionärsspitzen von Verbänden zu reden, sondern uns gleichermaßen über die Einschätzung von praxiserfahrenen Mitgliedern der gesamten Schulfamilie zu unterhalten. Zusammenkünfte an Runden Tischen, wie Sie sie fordern, halten wir also zuhauf. Der Prozess der Informationsgewinnung wurde von uns – auch kritisch – längst durchlaufen.

Seit Beginn dieses Jahres haben wir uns in zahlreichen Gesprächsrunden mit Akteuren vor Ort über Stärken und auch über Optimierungsansätze von ganztägigen Angeboten ausgetauscht. Dabei konnten wir im Rahmen von Schulbesuchen vor Ort die unterschiedlichsten Ganztagesvarianten kennenlernen. Wir sind mit sehr kreativen Umsetzungsbeispielen konfrontiert worden; denn vor Ort an der Basis herrschen oft mehr Kreativität und Einfallsreichtum vor als vielleicht in mancher Amtsstube. Auch das muss immer bedacht werden.

Für uns steht eines fest: Wir wollen vor allem das, was der Großteil der Elternschaft wünscht, nämlich ein hohes Maß an Flexibilität gewährleisten. Das ist nicht unbedingt mit einer starren Präsenzpflicht an mindestens drei Nachmittagen vereinbar; denn viele Eltern wollen den gebundenen Ganztag nicht, der mit verpflichtendem Unterricht einhergeht, sondern erwarten ein sehr kooperatives Miteinander von Schule, Hort und geeigneten Bildungspartnern, auf einen ganzheitlichen Kompetenzerwerb setzend.

Wir sind der Meinung: Es müssen nicht unbedingt Lehrkräfte sein, die den Ganztag so ausgestalten, dass er einen Bildungsgehalt besitzt. Deshalb haben wir der Staatsregierung die Einführung der offenen Ganztagsschule auch für den Grundschulbereich bzw. für die Grundstufe an Förderschulen vorgeschlagen. Wir setzen auf eine enge Zusammenarbeit mit unseren Horten. Wir möchten nicht, dass unsere Horte, die mit hervorragendem Personal ausgestattet sind, einem überzogenen Ganztagsausbau geopfert werden.

Natürlich soll an unseren bayerischen Schulen der gebundene Ganztag weiterhin seinen Platz haben. Das steht außer Frage. Das werden wir weiterentwickeln. Der gebundene Ganztag ist aber nicht unbedingt erste Wahl. Es müssen die Schulfamilie vor Ort und die Kommunen entscheiden, welche Variante ihnen am ehesten zusagt.

Ich möchte den Kolleginnen und Kollegen der Opposition noch den Vergleich mit anderen Bundesländern nahebringen, der immer wieder angestellt wird. Wer die Statistiken der KMK kritisch beleuchtet, findet keinerlei differenzierte Betrachtungen, ob es sich um

eine gebundene, um eine offene oder um eine Kooperationsform mit Hort handelt. Das hat letzte Woche auch Professor Rauschenbach klar signalisiert. Es besteht ein Unterschied, ob die Angebotspalette wirklich auf die Nachfrage und die Inanspruchnahme abzielt. In Bayern können sich Eltern darauf verlassen, dass wir im Zusammenwirken mit unseren Kommunen die Rahmenbedingungen für eine stressfreie Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglichen werden. Sie können sich auch darauf verlassen, dass wir die Kultur des Aufwachsens positiv begleiten wollen. Auch die Wirtschaft setzt Impulse und möchte sich hier stärker einbringen, indem die Arbeitsbedingungen in Zukunft familienfreundlicher gestaltet werden sollen. Es ist wichtig, hier noch engagierter voranzugehen.

Wir sagen immer: Bayern ist bunt. Deshalb zeichnen sich der Ganztag, der Schulbetrieb und die Bildungslandschaft durch eine anspruchsvolle Vielfalt aus. Wir wollen also den Schulen und Kommunen auf diesem Gebiet kein streng vorgegebenes Patentrezept überstülpen, sondern Wahlfreiheit bei allen schulischen Angeboten ermöglichen, und zwar verlässlich und mit hoher Qualität.

Die Halbtagsangebote – ich betone: auch die Halbtagsangebote – und der Ganztag sollen selbstverständlicher Bestandteil unserer Bildungslandschaft sein, und zwar in allen Schularten.

Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil er überholt ist. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und sehen in Bayern der Ganztagsentwicklung sehr positiv entgegen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. Herr Kollege Felbinger, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag gelesen habe, ging es mir fast ähnlich wie der Kollegin Brendel-Fischer, nämlich, dass ich den Antrag zunächst eigentlich für überholt gehalten habe; denn vom Ministerpräsidenten wurde zum Thema Ganztag ein Runder Tisch angekündigt. Ich glaube aber, dass es der SPD darum gegangen ist, diesen Versprechungen der Regierungspartei, die nicht erfüllt werden, nicht zu erliegen. Die SPD wollte hierdurch wohl bekräftigen, dass wir an diesem Thema ernsthaft dranbleiben müssen und diesen Runden Tisch benötigen.