Wenn eine Minderheit auf einer Auskunft besteht, muss sie erst einen Antrag stellen. Dann aber braucht sie dafür eine Mehrheit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein individuelles Auskunftsrecht ist doch auch für die Mitglieder des Landtags völlig selbstverständlich. Hier sagen wir auch nicht, das regelt schon irgendjemand anders, auch wenn wir immer wieder einmal die Staatsregierung daran erinnern und den Bayerischen Verfassungsgerichtshof bemühen müssen.
Im Zusammenhang mit dem Gesetzentwurf der GRÜNEN erinnere ich auch an unseren Antrag zu Anfang dieses Jahres, mit dem wir die Staatsregierung aufge
fordert haben, im Zuge der in dieser Legislaturperiode ohnehin anstehenden Überarbeitung kommunalrechtlicher Vorschriften auch eine Änderung der Gemeindeordnung und der Bezirksordnung mit dem Ziel der Verbesserung der Informationsrechte der Gemeinderatsmitglieder und Bezirksräte vorzunehmen. Um die Hürde, über die man manchmal springen muss, für die CSU niedrig zu halten, haben wir uns auf das Ziel des Auskunftsrechts beschränkt. Das Akteneinsichtsrecht haben wir zunächst einmal weggelassen. Genützt hat es nichts. Die CSU-Mehrheit hat den Antrag abgelehnt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die GRÜNEN wollen mit ihrem Gesetzentwurf des Weiteren erreichen, dass den Tagesordnungen, die zu den Sitzungen verschickt werden, die notwendigen sitzungsvorbereitenden Unterlagen beigefügt werden.
Auch dem Punkt, dass die Unterlagen beigefügt werden sollen, kann die SPD-Fraktion zustimmen. Angesichts der hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung zwischenzeitlich an die Ausübung des kommunalen Mandats stellt, müsste es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass die ehrenamtlichen Räte – ich betone noch einmal: die ehrenamtlichen Räte – angemessene und aussagekräftige Sitzungsunterlagen zur Vorbereitung bekommen.
Man muss auch in diesem Zusammenhang wieder feststellen, dass Gesetze erforderlich sind, weil man sich nicht immer an Selbstverständlichkeiten hält. Die Argumente, die in der Beratung des Kommunalausschusses auch von den kommunalen Spitzenverbänden gegen den Gesetzentwurf vorgebracht wurden, waren nicht stichhaltig. Der Bayerische Bezirketag hat zum Beispiel nur mitgeteilt, die Einräumung eines individuellen Auskunftsrechts für das einzelne Bezirkstagsmitglied sei nicht zwingend erforderlich. Das bedeutet aber nicht, dass dieser Vorschlag abgelehnt wird. Der Bayerische Gemeindetag hat datenschutzrechtliche Bedenken vorgetragen, die aber zwischenzeitlich ausgeräumt werden konnten. Es ist auch bedenklich zu sagen, dass Gemeinderats- und Stadtratsmitglieder der Verschwiegenheitspflicht nicht immer ganz genügen. Das lassen wir nicht so stehen.
Der Kommunalausschuss hat übrigens den Gesetzentwurf auch noch mit dem Landesdatenschutzbeauftragten Dr. Petri beraten, und der Antragsteller entsprechend nachgebessert. Diese Argumente seitens des Bezirkeverbandes und des Gemeindetages sind also erledigt. Man kann es drehen und wenden, wie man will, man kommt immer wieder zu dem Schluss: Es ist unverständlich – auch draußen versteht es kein Mensch mehr –, warum ein Gemeinderats-, ein Stadtrats- und Bezirkstagsmitglied gegen
über der Verwaltung kein individuelles Auskunftsrecht hat, aber ein Kreistagsmitglied schon. Da fallen denjenigen, die weiterhin zementieren wollen, wirklich keine guten Argumente mehr ein.
Ja, ich bin beim letzten Satz. - Sich hinter dem Datenschutz zu verstecken, hat mit Vertrauen gegenüber den kommunalen Mandatsträgern nichts zu tun. Die SPD-Fraktion stimmt dem Gesetzentwurf des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN deshalb zu. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Scheuenstuhl. Unser nächster Redner ist Herr Kollege Zierer. Bitte schön, Herr Zierer.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kollege Scheuenstuhl hat alles Richtige und Wichtige beleuchtet. Aus den vorgetragenen Gründen stehen auch wir vonseiten der FREIEN WÄHLER diesem Vorhaben positiv gegenüber.
Leider Gottes müssen wir einen solchen Gesetzentwurf wieder einmal diskutieren, weil die Staatsregierung nicht gehandelt hat. Wir reden über ganz wichtige Dinge wie über Informationsrechte. Warum reden wir darüber? - Weil es wichtig ist, diese Leute zu unterstützen. Bisher war es unbefriedigend und ungerecht. Und was unbefriedigend und ungerecht ist, sollten wir ändern. Genau dafür gibt es diesen Vorschlag.
Politik kann nur dann gut gemacht werden – das wissen wir alle nur zu gut –, wenn die Entscheidungen reiflich überlegt sind und alle Tatsachen sorgfältig gegeneinander abgewogen werden können. Aber das können Sie nur, wenn die Information vorliegt. Wenn die Information nicht da ist, entstehen Fehler und Fehlentscheidungen. Genau das wollen wir diesen Parlamenten ersparen. Wie viel Zeit verbringen wir alle doch in unseren Büros, um uns auf die Sitzungen intensiv und ausreichend vorzubereiten! Wir haben hier das Glück, im Amt über gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie zu Hause über ein Büro zu verfügen, das uns zuarbeitet. Die ehrenamtlichen Gemeinde-, Kreis- und Bezirksräte haben dies alles nicht. Trotzdem unterstützen wir sie nicht. Das kann nicht der Ansatz der Politik sein. Nur weil wir diesen Luxus haben, dass uns gut zugearbeitet wird, wollen wir anderswo Informationen verweigern. Das ist nicht der Ansatz einer Politik; wir sagen doch sonst immer, wir unterstützen die Kommunalpolitiker.
Ist deren Arbeit weniger wichtig als unsere Arbeit? Ich denke, auf keinen Fall. Gerade in den Kommunen ist es wichtig, dass die Informationen zu den Gemeinderäten richtig transportiert werden und die Gemeinderäte alles bekommen können, was sie für ihre Entscheidungen brauchen. Es kann nämlich für die Betroffenen erhebliche Auswirkungen haben, wenn die Unterlagen nicht im nötigen Umfang vorliegen. Denken wir nur an den Petitionsausschuss, wenn es etwa um Erschließungskosten, Bebauungspläne oder wichtige Entscheidungen geht, die auf kommunaler Ebene getroffen werden.
Deshalb ist es unverantwortlich, dass nicht alle Entscheidungsträger Zugang zu den notwendigen Informationen haben. Natürlich haben sich, wie bereits gesagt worden ist, in Bayern die Mehrheiten ein bisschen verschoben. In vielen Gemeinden gibt es Informationsfreiheitssatzungen, dort funktioniert es also. Wir müssen aber auch dorthin schauen, wo es nicht funktioniert, und genau denen sollen wir helfen. Wir können dort viele Probleme beheben, wenn wir heute für den Gesetzentwurf eine Mehrheit finden.
Ich kann die Aussagen des Herrn Kollegen Lederer nicht verstehen, der sagt, die Informationen reichten, noch mehr Informationen brauche es eigentlich nicht. Je mehr Informationen ein Entscheidungsträger hat, umso richtiger und nachvollziehbarer sind draußen die in den Gemeinderäten getroffenen Entscheidungen; nicht mehr und nicht weniger.
Aber ich weiß, dass es leider nicht überall so geregelt ist. Früher war es bei uns in Freising auch nicht so geregelt. Aber in der Zwischenzeit haben wir das alles beschlossen, und es läuft gut. Keiner braucht Angst zu haben, dass er irgendetwas nicht erfährt oder dass ihm etwas vorenthalten wird. Wir wollen unseren Kollegen nichts vorenthalten. Nur so gibt es eine gute und vernünftige Zusammenarbeit. Wissen ist Macht. Aber wie leicht wird mit dieser Macht auch ein bisschen hinter dem Berg gehalten!
Gute Politik kann nur auf einer guten Information beruhen. Deshalb werden die FREIEN WÄHLER dem Gesetzentwurf der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN zustimmen. Ich hoffe, dass wir uns bei der zukünftigen Diskussion auf eine Lösung einigen, die dieses Problem behebt; denn sonst kommt es wieder. Leider Gottes muss man wirklich sagen: Bewegt
Danke schön, Herr Kollege Zierer. Nun hat sich noch einmal Herr Kollege Mistol zu Wort gemeldet, bitte schön.
(Vom Redner nicht autori- siert): Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich zähle nicht mehr mit. Aber ich glaube, der Herr Kreuzer zählt mit. Er wird es uns dann bei Gelegenheit erzählen.
Herr Kollege Lederer, wir haben offensichtlich verschiedene Erfahrungshintergründe – Sie als ehemaliger Bürgermeister von Tuntenhausen, ich nach wie vor als Stadtrat von Regensburg, der mittlerweile versucht, den Blick auch auf die kleinen Gemeinden zu lenken. – Herr Kollege Lederer, Sie sagen, die Geschäftsordnung werde von der Mehrheit bestimmt. Das ist richtig. Aber es bestimmt eben auch die Mehrheit, dass Auskunftsrechte nicht in die Geschäftsordnung aufgenommen werden. Insofern ist da seitens des Gesetzgebers Handlungsbedarf gegeben. Dass Sie es den Kommunen nicht zutrauen, das Problem vor Ort zu lösen, habe ich in den 13 Jahren, in denen ich einem Kommunalparlament angehöre, nicht nur selber erlebt, sondern das höre ich immer wieder. Wir GRÜNEN haben halt die Tradition, dass wir oft in der Opposition waren – wenn wir auch mittlerweile nicht mehr immer in der Opposition sind – und so oft erlebt haben, dass wir keine Auskunft über gestellte Fragen erhalten haben.
Informationen über Tagesordnungen mögen in den meisten Gemeinden gängige Praxis sein, aber leider gibt es sie nicht überall. Es gibt auch Beispiele, wo das nicht passiert. Deswegen sollten wir auch das regeln, damit es entsprechend gemacht wird. – Herr Kollege Lederer, dass die kommunalen Spitzenverbände da eine andere Position vertreten, kann ich nachvollziehen, weil in den Kommunalparlamenten eben nicht die Opposition sitzt.
Das heißt ja nicht, dass bei den kommunalen Spitzenverbänden alle einer Meinung sind. Die werden ihre Positionen demokratisch abstimmen.
Man muss schon sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Sie sind immer groß im Sprücheklopfen;
Begriffe wie "Mitmachdemokratie" tragen Sie wie eine Monstranz vor sich her. Wenn es aber konkret wird, dann kneifen Sie. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. – Was Sie von Minderheitenrechten halten, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, sieht man auch daran: Sie haben im Ausschuss nicht einheitlich abgestimmt. Sie hätten auch den Kollegen, der im Innenausschuss unseren Antrag nicht abgelehnt hat, als Redner benennen können; ich glaube, er hat hier im Plenum noch nicht so oft geredet. Das wäre vielleicht ein gutes Zeichen gewesen.
Danke schön, Herr Kollege Mistol. – Für die Staatsregierung hat sich Staatsminister Herrmann zu Wort gemeldet. – Bitte schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich meine, dass zwei Dinge ausschlaggebend sind. Das eine ist ganz einfach: Wir sollten die Kommunalparlamente so viel wie möglich selbst regeln lassen.
Deshalb sehe ich ganz allgemein keine Notwendigkeit, eine Fülle weiterer Detailvorschriften in die Gemeindeordnung aufzunehmen, wie ein Gemeinderat, wie ein Stadtrat im Einzelnen mit solchen Dingen umgeht. Die haben die Freiheit, das zu regeln. Das hängt von der speziellen Situation in der Gemeinde ab, ob in der kleinen oder in der großen Gemeinde, wie auch immer. Das meiste sollte aber dort geregelt werden können.
Wenn ich schaue, wie viele Beschwerden in diesem Bereich in den von Ihnen aufgeworfenen Fragen bei mir auf dem Tisch landen, kann ich klar sagen: Das Problem ist nahezu vernachlässigbar. Ich bestreite, dass in diesem Zusammenhang ein ernsthaftes, großes Problem in unserem Land vorhanden ist. Ich glaube deshalb, dass wir diesen Gesetzentwurf nicht brauchen.
Das Zweite ist, liebe Kolleginnen und Kollegen – nur um das zurechtzurücken: Kollege Scheuenstuhl ist nahtlos zu Fragen der allgemeinen Informationsfreiheit übergegangen. Mit Verlaub, das ist wohl schon ein leichter Unterschied, ob ich darüber rede, welche
Informationen ein Mitglied eines Kommunalparlaments zur Vorbereitung einer Sitzung bekommt, oder darüber, was jeder Bürger hat. In der Tat ist eine der besonders problematischen Regelungen in diesem Gesetzentwurf, dass damit ein ganz allgemeines Akteneinsichtsrecht geschaffen werden soll.
Sie haben vorhin Bezug auf den Bayerischen Landtag oder den Bundestag genommen; mit Verlaub: In keinem deutschen Parlament hat jedes Parlamentsmitglied ein individuelles Recht auf Einsicht sämtlicher Akten der jeweiligen Behörde und das aus guten Gründen. Ich will den Teufel nicht an die Wand malen, aber auch in unseren Kommunalparlamenten, selbst hier in der Landeshauptstadt München, gibt es Extremisten. Wollen Sie tatsächlich verankern, dass jedes Mitglied eines Kommunalparlaments automatisch Einblick in jede Akte der Verwaltung nehmen kann? – Liebe Kolleginnen und Kollegen, das geht aus meiner Sicht wirklich zu weit, und deshalb kann ich Ihnen diesen Gesetzentwurf nicht zur Zustimmung empfehlen. Ich bitte, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Damit ist die Aussprache geschlossen. Die CSU-Fraktion hat namentliche Abstimmung beantragt. Diese können wir jetzt noch nicht durchführen, weil die Frist von 15 Minuten noch nicht abgelaufen ist. Deshalb werden wir jetzt zunächst zu den nächsten Tagesordnungspunkten weitergehen und später auf die Abstimmung zurückkommen.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. Dr. Michael Piazolo u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) zur Änderung der Gemeindeordnung Stärkung der Bürgerbeteiligung in Bayern Verbesserungen auf kommunaler Ebene (Drs. 17/1363) - Zweite Lesung