Protokoll der Sitzung vom 26.02.2015

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen endlich eine neue Notfallversorgung, eine vernetzte Notfallversorgung mit einer Zusammenführung aller drei Bereiche, nämlich des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, des Rettungsdienstes und der Notaufnahmen der Krankenhäuser. Die KVB kommt zumindest in Bayern ihrem Sicherstellungsauftrag hinsichtlich der Bereitschaftsärzteversorgung nicht genügend nach. Ich drücke mich vorsichtig aus. Ich verstehe auch die Menschen, die nicht zu einem Augenarzt beim Bereitschaftsdienst gehen wollen, wenn ihnen etwas weh tut, sondern die lieber in die Ambulanz des Krankenhauses gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben überlastete, verstopfte Notaufnahmen. Circa 30 bis 40 % der Patientinnen und Patienten – wir haben es schon gehört - gehören nicht in die Krankenhausnotaufnahme, weil es klassische ambulante Notfälle sind. Das Ergebnis ist, dass die Ärzte und Pflegekräfte überlastet sind und die Patienten ewig warten.

Wir haben darüber hinaus eine Personalknappheit. Daran ist nicht nur die Grippewelle schuld. Dabei spielt auch der Fachkräftemangel in den Kliniken eine wichtige Rolle, dem wir uns endlich effektiv stellen müssen.

Des Weiteren gibt es hohe Defizite und eine Unterfinanzierung der Kliniken durch mangelnde Vergütung in der ambulanten Notfallversorgung. Die Kliniken erhalten für solche Patienten, die nicht in der Klinik bleiben, keine kostendeckende Vergütung. Das gilt vor allem, wenn diese als ambulante Patienten das Haus wieder schnell verlassen. Dies führt dazu, dass eine Neigung zur stationären Aufnahme dieser Patienten besteht, die eventuell nicht notwendig wäre. Die Kliniken versuchen aber, in der Nachbehandlung ihre Kosten zu decken. Das ist eine ganz unglückliche Situation.

Wir kommen nicht daran vorbei: Wir müssen Patientenströme effektiver koordinieren, um Engpässe zu vermeiden. Wir müssen die Strukturen verändern und funktionierende Kooperationen zwischen dem ambulanten und stationären Bereich ermöglichen. Die Situation wird sich langfristig auch ohne Grippewelle verschärfen, wenn wir nichts unternehmen.

Derzeit haben wir 6 bis 10 % Zuwachs an Patienten pro Jahr. In Zukunft werden sich die Notfalleinsätze – man weiß das, denn es hat mit der demografischen Entwicklung und mit vielen anderen Faktoren zu tun – auf 30 bis 40 % erhöhen. Wichtig wäre daher die Etablierung einer zentralen Leitstelle je Region – das ist ein Vorschlag von uns – mit einer einheitlichen Telefonnummer, die für die Patienten leicht merkbar ist. Dann hätten wir nicht das Problem, Frau Sonnenholzner, dass man die Nummer nicht weiß. Auf diese Weise könnten die Patienten der geeigneten Versorgung zugeführt werden. Das ist nur ein Beispiel.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um die Notfallaufnahme zu entlasten – diese Maßnahmen wurden schon genannt – gibt es heute schon Möglichkeiten durch eine Einrichtung von Bereitschaftspraxen in den stationären Einrichtungen, eventuell auch durch ein Notfall-MVZ an der Klinik oder über die Einrichtung einer Praxis für Allgemeinmedizin in der zentralen Notfallaufnahme. Das alles wären Möglichkeiten. Solche Modelle muss man fördern, und solche Modelle müssen wir in Bayern fordern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir stimmen dem Berichtsantrag der SPD aufgrund der derzeitigen Situation zu und werden auch der Forderung nach einem weiteren Runden Tisch zustimmen, obwohl wir im Gesundheits- und Pflegebereich schon bald nicht mehr wissen, wie viele Runde Tische wir eigentlich haben, Frau Ministerin.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Moment bitte, Herr Kollege Leiner, noch nicht weglaufen! Es gibt noch eine Zwischenbemerkung des Kollegen Baumgärtner. Bitte schön.

Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Kollege Leiner, ich will Ihnen in einem zentralen Punkt deutlich widersprechen. Uns ist nicht gedient, wenn wir den Kliniken die Möglichkeit eröffnen, das ambulante Angebot zu verbreitern. Ich bin sehr dafür, dass wir die Hausärzte und die Fachärzte in Bayern stärken. Alles andere würde den ländlichen Raum nicht stärken, sondern schwächen. Es war mir wichtig, dass ich das hier formulieren konnte.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Baumgärtner. – Herr Leiner, bitte schön.

Sehr geehrter Kollege, es geht um die Bereitschaftsdienste. Sie aber haben von der ärztlichen Versorgung auf dem Land generell gesprochen. Das ist auch ein Problem, das wir angehen müssen; insoweit haben Sie recht. Aktuell stehen wir aber vor der Frage, wie wir darauf hinwirken können, dass die Patienten nicht sofort die Notaufnahme des Krankenhauses aufsuchen, sondern auch die anderen Möglichkeiten, zum Beispiel die Bereitschaftsdienste, nutzen; denn wir haben einen Bereitschaftsdienst. Er sollte auch funktionieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Leiner. – Nachdem die CSU-Fraktion Änderungen vorgeschlagen hat, gebe ich noch einmal Kollegin Sonnenholzner das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin, Kollegen und Kolleginnen! Wir übernehmen die Änderungsvorschläge der CSU-Fraktion gern, weil sie nicht substanzieller Art sind und das Wesen unseres Antrags nicht verändern.

Kollege Leiner, es ist wahr, dass die Situation nicht neu ist. Aber es gibt Gelegenheiten, bei denen man weniger Erfolg hat, und solche, bei denen man mehr Erfolg hat. In einer Extremsituation wie der gegenwärtigen wird es leichter. Auch die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hätte in den vergangenen Jahren Anträge zu dem Thema stellen können; das wäre durchaus eine Möglichkeit gewesen.

Vorhin ist die Frage aufgeworfen worden, ob ein Augenarzt Bereitschaftsarzt sein könne. Hierzu stelle ich zunächst einmal fest, dass der Ärztliche Bereitschafts

dienst etwas anderes ist als die Notaufnahme. Auch der Augenarzt hat sechs Jahre lang Medizin studiert und ist – das sage ich optimistisch – durchaus in der Lage, einen Notfall von einem Nicht-Notfall zu unterscheiden. Nur darum geht es in der ersten Runde. Es ist anscheinend nicht bekannt, dass alle Disziplinen im Bereitschaftsdienst vertreten sind. Es muss auch möglich sein, dieses "Ventil" zu nutzen.

Kollege Vetter, Sie haben gesagt, mit dem Antrag würden wir zu kurz springen. Es geht darum, die Notfallversorgung in den Krankenhäusern sicherzustellen. In der Praxis ist sie nicht gefährdet. Gefährdet ist sie nur dann, wenn Patienten, die nicht in die Notaufnahme des Krankenhauses gehören, den Rettungsweg verstopfen. Auch in den Zeiten außerhalb der Grippewelle ist die Überlastung massiv. Die dort Tätigen leisten fast Übermenschliches, und das jeden Tag. Allerdings steigen dadurch auch die Fehlerquoten. Steigende Fehlerquoten sind aber genau das, was aus der Sicht der Patienten nicht erwünscht ist. Daher müssen wir sicherstellen, dass in den Notaufnahmen bayerischer Krankenhäuser nur noch die Patienten ankommen, die dort hingehören. Natürlich sind noch andere Maßnahmen notwendig. Alle Beteiligten sind in die Suche nach Lösungen einzubeziehen.

Die Einrichtung eines Runden Tisches beantragen wir, weil wir trotz aller Freude an Kritik an der Bayerischen Staatsregierung wissen, dass deren Rolle insoweit vergleichsweise gering ist und jenseits der Krankenhausplanung andere Player am Zug sind. Viele andere Möglichkeiten als die Einrichtung eines Runden Tisches gibt es nicht.

Ich danke schon an dieser Stelle den anderen Fraktionen für die Zustimmung. Ich hoffe, dass wir mit unserem Antrag im Interesse der Menschen in Bayern etwas voranbringen können.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Sonnenholzner. – Nun hat sich noch Frau Staatsministerin Huml zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Werte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vorweg festhalten: Die Notfallversorgung der Bevölkerung ist auch in der aktuellen Ausnahmesituation sichergestellt. So lautet die Auskunft der Klinikträger. Es gibt aber keinen Grund, die Situation zu beschönigen. Dazu brauche ich nur an die längeren Wartezeiten zu denken und an manchen zusätzlichen Weg, der genommen werden muss. Grund zur Verunsicherung oder zur Panikmache be

steht jedoch nicht. Es ist mir sehr wichtig, das an dieser Stelle zu betonen.

(Beifall bei der CSU)

Das bayerische Gesundheitsministerium steht wegen der aktuellen Situation mit den Klinikträgern in Kontakt. So haben wir auch die Kliniken in der Landeshauptstadt München angeschrieben, um zu erfahren, welche Gründe es gibt, die die momentane Situation bewirkt haben. Ohne dem Ergebnis der Umfrage vorgreifen zu wollen, meine ich doch, feststellen zu können, dass es mehrere Ursachen gibt. Wichtig ist die Feststellung, dass bisher kein Notfallpatient abgewiesen wurde. Die Notfallbehandlung von Patienten mit akuten oder lebensbedrohlichen Erkrankungen oder Verletzungen ist in bayerischen Krankenhäusern gewährleistet. So lautet die Auskunft der Klinikträger. Vertreter der Kliniken und der Rettungsdienste in München und Nürnberg bestätigen uns das. Wir haben auch in anderen Landesteilen stichprobenartig nachgefragt. Selbst die Krankenhäuser, die über eine Überlastung der Notaufnahme klagen, bestätigen uns, dass kein Notfallpatient abgewiesen wurde.

Insgesamt ist anzumerken, dass die Klinikkapazitäten durchaus ausreichend sind. Im Jahr 2013 erreichte die Auslastung im Jahresdurchschnitt nur knapp 75 %. Selbst im Grippemonat Februar erreichte die Auslastung lediglich 80 %. In den Krankenhäusern waren also immer noch Reservekapazitäten vorhanden.

Man muss sich auch vor Augen halten, dass die momentane Extremsituation nicht der Maßstab sein kann, an dem wir den Ausbau der Kapazitäten voll ausrichten können. Gleichzeitig müssen wir aber für solche Situationen gerüstet sein. Es gibt in Krankenhäusern jedoch auch planbare Eingriffe, die, ohne dass es den Patienten schadet, durchaus eine Woche, zwei Wochen oder einen Monat später durchgeführt werden können. Die Krankenhäuser handeln entsprechend; das heißt, sie verschieben, wenn es vertretbar ist, die Behandlung bzw. Operation des einen oder anderen Patienten ein Stück weit nach hinten.

Kommen wir zu den Hauptursachen zurück! Eine davon ist sicherlich die außergewöhnlich hohe Auslastung im Zuge der Grippewelle. Diese führt zu einer höheren Patientenzahl, aber auch dazu, dass sich vermehrt Personal im Krankenstand befindet. Das ist durchaus ein Grund, weshalb es zu Engpässen gekommen ist.

Ein weiteres Problem ist – Kollegin Sonnenholzner und Kollege Seidenath haben es angesprochen -, dass mancher Patient in der Notaufnahme eines

Krankenhauses landet, der nicht unbedingt ein stationärer Fall ist.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Genau! Manche Patienten werden aber auch ins Krankenhaus geschickt!)

Viele Patienten gehen dann wieder nach Hause. Es ist wichtig, dass wir die Bevölkerung darüber aufklären, dass man nicht bei jedem Wehwehchen gleich das Krankenhaus aufsuchen muss, sondern zunächst die ambulant tätigen Hausärzte und Fachärzte konsultieren sollte. Dafür sollten wir alle werben. So ist es nicht notwendig, beim Auftreten leichter Symptome einer Grippe sofort das Krankenhaus aufzusuchen, sondern man sollte zum Hausarzt gehen. Man kann auch den Bereitschaftsdienst der KVB nutzen oder die Bereitschaftspraxen, von denen übrigens auch ich ein großer Fan bin, lieber Kollege Vetter, die an den Krankenhäusern entstanden sind.

Die ambulante Notfallversorgung ist nicht Aufgabe der Krankenhäuser, sondern Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung, die sie mithilfe der niedergelassenen Ärzte wahrnimmt. An dieser Stelle möchte ich die bundesweit gültige kostenfreie Rufnummer nennen – wir haben sie schon gehört -, unter der man sich auch informieren kann: 116 117. Das ist zudem auf der Internetseite der KVB möglich. Es bestehen also viele Möglichkeiten. Das ist sicherlich auch eine interessante Information für die Kolleginnen und Kollegen im Hohen Hause.

Ich darf zu den Krankenhäusern zurückkommen. Es trifft leider zu, dass die Krankenhäuser in finanzieller Hinsicht Schwierigkeiten bekommen, wenn sie Notfallpatienten behandeln; Kollege Seidenath hat das schon verdeutlicht. Deswegen war es mir in der BundLänder-Arbeitsgruppe ein großes Anliegen, insoweit eine Entlastung der Krankenhäuser zu erreichen. Wir konnten in dem Eckpunktepapier festhalten, dass neue Zuschläge für die Notfallversorgung gezahlt werden, um die Situation der stationären Notfallversorgung zumindest künftig finanziell zu entspannen. Was die ambulanten Notfälle angeht, so ist es uns in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe gelungen, den bisherigen 10-prozentigen Abschlag auf 5 % zu halbieren. Auch das dürfte zu einer gewissen Entspannung bei der Finanzierung führen. Aber auch an diesem Thema werden wir dranbleiben. Wenn es jedoch um Finanzierungsfragen geht, die allein auf der Bundesebene oder von der Selbstverwaltung zu lösen sind, müssen sie in den dafür zuständigen Gremien angesprochen werden.

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, wir werden, soweit das Hohe Haus dies wünscht, einen

Runden Tisch zu den Fragen der Notfallversorgung, insbesondere in Krankenhäusern, einrichten, aber auch den gewünschten Bericht vorlegen. Ich darf allerdings anmerken, dass die Daten, die zur Beantwortung der Fragen notwendig sind, zum großen Teil freiwillig herausgegeben werden. Wir bemühen uns zwar, die Daten zu bekommen, können aber noch nicht mit Sicherheit sagen, ob es uns möglich sein wird, alle Fragen exakt zu beantworten. Aber wir bemühen uns bestmöglich, dem so Rechnung zu tragen, wie es sich dem Hohen Haus gegenüber gehört. Übrigens: Der § 90 a kommt in den nächsten 14 Tagen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Zum Dringlichkeitsantrag der SPD auf Drucksache 17/5402 betreffend "Notfallversorgung in bayerischen Krankenhäusern sicherstellen!" wurde ein Änderungsantrag gestellt. Ich lese vor, wie nun der erste Absatz des Änderungsantrags lauten soll:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, aufgrund der aktuell zu Tage getretenen Extremsituation in bayerischen Krankenhäusern einen Runden Tisch einzurichten, um Maßnahmen zur nachhaltigen Verbesserung der Situation zu erarbeiten.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wer dem Dringlichkeitsantrag der SPD auf Drucksache 17/5402 in der soeben vorgetragenen geänderten Fassung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind alle Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? – Sehe ich keine. Enthaltungen? – Auch keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen.

Jetzt kommen wir zum nächsten Dringlichkeitsantrag:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Nächstes Griechenlandpaket ablehnen! (Drs. 17/5403)