Aber – jetzt kommt das ganz große Aber – wir dürfen uns bei unseren Entscheidungen darüber, wie es weitergehen soll, nicht von Emotionen leiten lassen. Wir müssen in unserem ureigenen Interesse nüchtern entscheiden und uns von der Vernunft leiten lassen.
Lieber Herr Rinderspacher, ich meine, Sie irren, wenn Sie behaupten, dass die Rettungspolitik nicht gewirkt habe. Sie hat gewirkt. Spanien, Portugal, Irland und sogar Zypern haben das gezeigt. Diese Staaten wären ganz schön frustriert, wenn man ihnen jetzt sagen würde, das sei alles umsonst gewesen. Auch in Griechenland zeigte sich, bevor die Linksregierung den Wirtschaftsaufschwung, der eingesetzt hatte, ab Januar ruiniert hat, doch deutlich, dass man mit dieser Rettungspolitik eine Menge bewegen kann. Ein Wirtschaftsaufschwung begann. Die Arbeitslosenzahlen gingen zurück. Man war auf einem guten Weg.
Wir müssen bedenken, was drohen würde, wenn wir jetzt die Rettungspolitik für Griechenland abbrächen. Wir haben es gehört: eine humanitäre Katastrophe in einer Zeit, in der das Land von einer riesigen Flüchtlingswelle überschwemmt wird und in der Russland offen seine geostrategischen Interessen verfolgt.
Hauptargument ist meines Erachtens – das haben viele Kollegen heute schon angesprochen –, dass die EU in ihren Grundfesten wohl stark erschüttert würde. Wenn wir jetzt zuließen, dass Griechenland aus Europa herausbricht, dann würden wir damit zeigen: Europa ist nicht imstande, zusammenzuhalten.
Das, was unsere Bundeskanzlerin auf den Weg gebracht hat, ist wichtig. Dies wird umso deutlicher, wenn wir uns klarmachen, was noch am Sonntag los war. Die Finnen und die Balten sagten ganz klar: Nicht mit uns! – Es gab innerhalb Europas, von Frankreich bis Finnland, eine Zerrissenheit, die extrem problematisch war. Ich betone: Das, was unsere Kanzlerin mit ihren Kolleginnen und Kollegen dann innerhalb einer Nacht auf den Weg gebracht hat, ist unendlich wichtig und richtig gut.
Zudem wäre der weltwirtschaftliche Schaden einer Nichteinigung wohl immens gewesen. Deutschlands Reputation in der Welt hätte ebenso stark gelitten wie unser Verhältnis zu Frankreich. All das müssen wir in Rechnung stellen. Wir müssen uns klar darüber sein, dass es nicht nur um Fiskalpolitik und Haushaltszah
len geht, sondern um viel mehr. Das Paket, das am Wochenende beschlossen wurde, wird weltweit ganz überwiegend als großer Verhandlungserfolg gewertet, meist sogar gefeiert. Dieses Paket kann Griechenland im Grundsatz doch noch auf die richtige Spur zurückbringen. Einzig und allein darum geht es im Moment. Es geht darum, eine echte Reformpolitik, die auch mit Strukturänderungen verbunden ist, zu erreichen. Dafür ist dieses Paket gut. Es eröffnet eine Chance. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir diese Chance nicht zerstören dürfen, bevor wir nicht ausgelotet haben, ob sie realisiert werden kann.
Mit dem Gipfelbeschluss vom Montag – das möchte ich deutlich unterstreichen – werden all die Prinzipien, auf deren Einhaltung wir immer gepocht haben, strikt eingehalten: Solidarität nur gegen Solidität, Geldtransfer nur gegen strukturelle Reformen, Aktivieren statt Alimentieren, Hilfe nur gegen deutliche Schritte in Richtung auf Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit. Zudem wird die Konditionalität verschärft. Die Kontrolle wird engmaschiger; auch das ist notwendig.
Angesichts dessen sage ich: Wolfgang Schäuble und unsere Bundeskanzlerin haben hervorragend verhandelt und sehr harte Ergebnisse erzielt. Der Erfolg ist immer noch möglich, wenn denn – und nur wenn – Griechenland jetzt auch wirklich liefert. Es liegt also allein an Tsipras und Co., ob das so kommt.
Die Annahme der ersten Reformgesetze heute Nacht in Athen kann jetzt immerhin zum Anfang einer neuen Vertrauensbildung beitragen. Und das, meine ich, ist der richtige Ansatzpunkt. Nur so kann es weitergehen. Griechenland muss die Hürden nehmen; ansonsten liegen alle Optionen selbstverständlich wieder auf dem Tisch. Das hat Wolfgang Schäuble heute Morgen noch einmal ganz klar bestätigt. Entscheidend ist: In Sachen Griechenland gibt es keine einfachen Antworten. Das müssen auch Sie von den FREIEN WÄHLERN einsehen. Sie folgen der populistischen Sehnsucht nach einem klaren Cut,
Sie hoffen auf die finale Lösung der Probleme durch ein Ende der Hilfen. Ein solcher klarer Schnitt – das sage ich auch noch einmal ganz deutlich – wäre beileibe nicht -
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das ist genauso gelogen! – Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Lachen bei der CSU – Zuruf von der CSU: Wer hat den Antrag denn geschrieben, wenn nicht Sie selbst? – Unruhe – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): So was schreiben schon unsere Mitarbeiter!)
Da kommt jetzt die gesamte Arbeitstaktik der FREIEN WÄHLER auch noch auf den Tisch. Aber belassen wir es dabei.
Wenn wir jetzt die Hilfen abrupt abbrechen würden, würden die Probleme noch größer werden, und zwar nicht nur für Griechenland, sondern ganz besonders auch für uns und für die anderen europäischen Länder – und das nicht nur heute, sondern für eine lange Zeit und mit unabsehbaren Folgen.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, deshalb bitte ich Sie um Ablehnung des Antrags der FREIEN WÄHLER. Zum Antrag der GRÜNEN möchte ich nichts mehr ausführen. Was vorhin der Kollege Weidenbusch dazu gesagt hat, reicht, wie ich finde, aus.
Danke schön, Frau Staatsministerin. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt. Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/7580 mit einfacher Abstimmung abstimmen. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD. Gegenstimmen bitte! – CSU und FREIE WÄHLER. Damit ist dieser Antrag abgelehnt. Wir kommen jetzt zur namentlichen Abstimmung.
Ach so. Gibt es Enthaltungen? – Zwei Enthaltungen, eine bei der SPD und eine bei den FREIEN WÄHLERN. Damit ist der Dringlichkeitsantrag trotzdem abgelehnt.
Jetzt kommen wir zur namentlichen Abstimmung, zum Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER, Drucksache 17/7552. Die Urnen stehen bereit. Sind genügend Leute da? Können wir mit drei Minuten arbeiten?
Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung. Wir können dann in der Tagesordnung fortfahren.
Bitte nehmen Sie Ihre Plätze wieder ein. - Ich gebe jetzt die Ergebnisse der namentlichen Abstimmung von vorhin bekannt. Das war der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Rinderspacher, Güll, Strohmayr und anderer und Fraktion (SPD) betreffend "Demographische Rendite von 555 Stellen an den Realschulen belassen", Drucksache 17/7551. Mit Ja haben gestimmt 66, mit Nein 86, keine Stimmenthaltung. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Thomas Mütze u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Glücksspielmarkt neu regulieren - Spielerschutz gewährleisten - praxistaugliches Vergabeverfahren für Sportwettenkonzessionen einführen (Drs. 17/7553)
Herr Präsident, vielen Dank. - Liebe Kolleginnen und Kollegen, von der großen Europapolitik zurück in die Niederungen der deutschen Politik. Der aufgerufene Dringlichkeitsantrag hat aber auch etwas mit Europa zu tun. Vielleicht bleibt die eine oder der andere daher trotzdem anwesend.
Der Glücksspielstaatsvertrag ist gescheitert. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dann ist das Pilotschreiben der EU-Kommission genau dieser. Was
haben Sie, die Staatsregierung, zusammen mit 15 anderen Landesregierungen nicht alles versprochen – uns und sich selbst versprochen – im Zusammenhang mit dem Glücksspieländerungsstaatsvertrag von 2012: mehr Jugendschutz, mehr Spielerschutz, ein vollständiges Verbot von Online-Casinos und Pokerspielen, Bekämpfung der Spielsucht, Bekämpfung des Schwarzmarktes und, und, und. Was ist daraus geworden? – Nichts! Jetzt endlich reagiert die EU-Kommission, und zwar mit der Androhung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Kein Wunder! - Nichts von dem, was Sie uns versprochen haben, was Sie sich selbst versprochen haben, ist wahr geworden.
Erster Vorwurf: Dieser Glücksspielstaatsvertrag ist nicht rechtskonform. Dass er in bestimmten Bereichen schon durch das höchste europäische Gericht für nichtig erklärt worden ist, will ich jetzt gar nicht anführen. Die Frage lautet doch: Warum gibt es immer noch kein kohärentes – das bedeutet: gleiches – Spiel für alle Spielangebote in Deutschland? Warum gibt es bei den Sportwetten ein Monopol, obwohl der EU-Gerichtshof dies verboten hat? Warum gibt es ein Verbot bei Online-Casinos und Poker, während dieselben Spiele in Spielhallen selbstverständlich erlaubt sind?
Zweiter Vorwurf: Es gibt keine funktionierende Lizensierung. Seit drei Jahren liegt das Verfahren zur Lizensierung bei Sportwetten auf Eis. Sie tun nichts dafür oder dagegen. Die Verwaltung blockiert jede Veränderung, jede Reaktion. Seit drei Jahren glotzen alle auf die Gerichtsentscheidungen. Vier Verfahren stehen noch zur Entscheidung aus. – Niemand handelt. Gleichzeitig lassen Sie zu, dass 90 % der angebotenen Spiele im Internet illegal sind.
Außerdem verweise ich auf die in den Städten wie die Pilze aus dem Boden wachsenden SportwettenBüros; die Kolleginnen und Kollegen werden diese sicher auch bemerken. Ich nenne hier einmal Tipico als ein Beispiel; es gibt aber noch sehr viele andere. Sie wachsen aus dem Boden wie die Pilze, sind aber illegal. Sie haben keine Lizenz, sie werden aber nicht in irgendeiner Weise belangt. In diese Richtung wird nichts unternommen; man schaut einfach zu.
Dritter Vorwurf: Sie haben Online-Casino-Spiele und Poker im Internet verboten. Gleichzeitig belief sich im Jahr 2013 der geschätzte Umsatz in diesem Bereich auf dem Schwarzmarkt auf 17 Milliarden Euro. Was tun Sie dagegen? - Nichts, nichts. Wie schützen Sie die Jugendlichen im Internet vor dem eben nicht regulierten Spiel? Wie schützen Sie die Spielsüchtigen? Was haben Sie seit Bestehen des Glücksspielstaatsvertrages, seit 2008, für den Spielerschutz unternommen? - Nichts. Deswegen ist es nur folgerichtig und kein Wunder, dass die EU jetzt die Geduld mit Ihnen
verliert und sich das nicht mehr bieten lässt. Herr Staatssekretär, ich bin gespannt auf Ihre Antwort. Ein Glücksspielstaatsvertrag, der seinen Aufgaben nicht gerecht wird. Kohärentes Spiel, sicheres, eingeschränktes Spielangebot, Jugendschutz, Spielerschutz – das alles ist von Ihnen versprochen worden. Nichts wurde davon eingehalten. Der Glücksspielstaatsvertrag ist das Papier nicht wert, auf dem er steht.
Die EU-Kommission will nun bis zum 7. September Antworten von Ihnen haben. Wir wollen diese auch, und wir wollen sie im Landtag von Ihnen haben. Wir wollen wissen, wie Sie reagieren wollen, wie Sie die Blockade, die gerade mit diesem Glücksspielstaatsvertrag besteht, auflösen wollen. Wir wollen nicht wissen, wie Sie weiterhin Jahre ins Land ziehen lassen, ohne dass hier eine Reaktion vonseiten der Staatsregierung erfolgt. Wir wollen ein neues, ein funktionierendes, ein rechtssicheres und spielerschützendes Glücksspiel in Deutschland!