Protokoll der Sitzung vom 22.07.2015

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kreuzer. – Bevor ich der Frau Kamm für eine Zwischenbemerkung das Wort erteile, darf ich bekannt geben, dass die CSU-Fraktion für ihren Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat. – Frau Kamm, Sie haben das Wort für eine Zwischenbemerkung. Bitte schön.

Herr Kollege Kreuzer, ich habe mich wegen Ihrer Asylstatistikzahlen zu Wort gemeldet. Es ist natürlich richtig: Grob gesagt ist es so, dass ein Drittel der Asylsuchenden bei uns letztendlich eine Anerkennung und ein Drittel eine Ablehnung bekommt und dass ein Drittel als Dublin-Fälle eingestuft wird. Aber in dieser Statistik sind, wie Sie richtig gesagt haben, viele Flüchtlinge aus den sechs Balkanländern mit enthalten, die nur zu 1 bis 2 % anerkannt werden.

(Zurufe von der CSU: 0 %!)

- Nein, nicht zu 0 %. Schauen Sie doch mal genauer hin.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Wir schauen genau hin! Keine Sorge!)

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass in allen anderen Ländern die Anerkennungsquoten deutlich höher sind. Sie müssen sich das System Dublin genauer ansehen. Deutschland stellt für seine Dublin-Flüchtlinge Rückkehr-Ersuche. Ein Teil der betroffenen Flüchtlinge wird dann tatsächlich in andere Länder rücküberstellt; aber ungefähr genauso viele Dublin-Fälle muss Deutschland seinerseits aus anderen Ländern wie

Dänemark zurücknehmen. Insofern ist die statistische Interpretation in Bezug auf die Anerkennungsquoten falsch, wann man Dublinfälle einfach der Gruppe der Nichtberechtigten zuschlägt.

Ich möchte noch sagen, dass Sie in Ihrer Rede nichts dazu gesagt haben, warum die Aufnahmezentren und Erstaufnahmeeinrichtungen noch nicht auf den Weg gekommen sind. Diese würden eine deutliche Entlastung für die Kommunen darstellen. Eine deutliche Entlastung brächte mehr Planungssicherheit für die Kommunen. Dann könnten die Kommunen mehr vorausschauend und vorsorgend agieren und müssten dies nicht von einer Woche zur nächsten tun.

Zum Thema Sprachförderung möchte ich Folgendes sagen: Die mangelnde Sprachförderung ist sicher nicht dadurch begründet, dass zu viele Albaner oder Kosovaren die Sprachkurse belegen, sondern dadurch, dass wir nach wie vor zu geringe Kapazitäten haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin Kamm, bei der Sprachförderung wird unternommen, was möglich ist. Wir bilden Lehrer mit der Qualifikation Deutsch als Fremdsprache aus. Wir haben dabei große Erfolge; aber wenn die Zahl der Asylsuchenden explodiert, kommt man naturgemäß mit jedem System in Schwierigkeiten. Zur Ihrer Frage nach Asylzentren und Aufnahmeeinrichtungen: Wir haben Deggendorf aufgebaut; wir nehmen Schweinfurt in Betrieb. Wir gehen nach und nach vor. Aber, Frau Kamm, wenn Sie glauben, dadurch würden die Kommunen entlastet, stellen Sie einen vollkommen falschen Zusammenhang her. Die Leute werden dort registriert, und dann werden sie – dort bestehen ja keine riesigen Aufnahmekapazitäten – über das ganze Land verteilt untergebracht. Die Schaffung weiterer Aufnahmeeinrichtungen entlastet doch nicht unsere Kommunen. Sie stellen insofern völlig falsche Zusammenhänge her. Sie entlastet lediglich die anderen Aufnahmeeinrichtungen.

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die werden aber schneller bearbeitet!)

Wir bauen diese Aufnahmeeinrichtungen, da wir nach dem bisherigen System mit nur zwei Aufnahmeeinrichtungen der Antragsflut für Erstaufnahmen nicht mehr Herr werden konnten. Deswegen brauchen wir mehr Einrichtungen. Aber im Endeffekt werden die Flüchtlinge – bleibt es bei dem jetzigen System – doch irgendwann auf das Land verteilt, Frau Kamm. Deswegen brauchen wir Zentren, von wo aus die Leute eben nicht mehr in die Fläche verbracht wer

den, sondern das ganze Verfahren vor Ort abgewickelt werden kann.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Mehr Verwaltungsrichter brauchen wir!)

Und wenn Sie jetzt wieder mit den Prozentzahlen anfangen, dann sage ich Ihnen nur eines: Ich beziehe mich auf die Zahlen der Bundesanstalt. Wenn es noch eines besseren Beweises bedurft hätte, dass wir in Zusammenhang mit den Anträgen aus den Balkanstaaten handeln müssen, dann war das Ihre Wortmeldung gerade. Sie haben nämlich gesagt: Die Zahlen sind deswegen so niedrig, weil es null Anerkennung für Flüchtlinge aus dem Balkan gibt. – Ja, dann müssen wir doch dafür sorgen, dass diese Menschen zukünftig gar nicht erst zu uns kommen, Frau Kamm! Das ist doch die Schlussfolgerung.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Oder sollen wir die Menschen weiter ins Land lassen und uns dann über die niedrige Anerkennungsquote beklagen? - In einem Punkt sind wir sofort beieinander: Wenn wir diese Zahlen reduzieren, steigt die Anerkennungsquote. Das macht aber bloß ein Drittel aus. Es sind auch nicht zu einem Drittel Dublin-Fälle, sondern da sind auch die zurückgenommenen Anträge dabei, deren Zahl die der Dublin-Fälle deutlich überwiegt. Wir haben bei Weitem nicht die Schutzquoten, die Sie immer behaupten.

Herr Kreuzer, auch Sie haben nur zwei Minuten.

Jawohl. – Angesichts dieser Zugangszahlen bedeutet auch die Unterbringung und die Ausbildung der echten Flüchtlinge eine große Herausforderung für unser Land und die Menschen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU – Angelika Wei- kert (SPD): So ist es! Genau!)

Danke schön. So weit Herr Kreuzer. – Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Weikert für die SPD-Fraktion. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche haben wir in der Aktuellen Stunde eine ähnliche Rede von Ihnen gehört, Herr Kreuzer, und heute gab es in Ihrer Rede wiederum nicht viel Neues.

(Zurufe von der CSU)

In der Zwischenzeit hat ein Parteitag der CSU stattgefunden, bei dem Sie, Herr Ministerpräsident -

(Zurufe von der CSU: Was? Wo soll der denn ge- wesen sein? – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Oder eine Klausurtagung, oder ihr habt euch halt getroffen, mein Gott!

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Jedenfalls ging durch die Nachrichtenlandschaft folgende Meldung: Sie, Herr Ministerpräsident, haben angekündigt, dass Sie jetzt in Bayern rigorose Maßnahmen in der Flüchtlingspolitik beschließen wollen, damit Bayern für Flüchtlinge so unattraktiv wie möglich werde.

Dies hat uns schon einiges befürchten lassen im Hinblick auf die Kabinettsklausur, die jetzt am Montag stattgefunden hat, und im Hinblick auf die Beschlüsse, die dabei herausgekommen sind und die in den Dringlichkeitsanträgen der verschiedenen Fraktionen heute zur Diskussion stehen.

Wir haben Schlimmes befürchtet, aber eines haben wir nicht erwartet: nämlich dass sich die Bayerische Staatsregierung bei ihrem am Montag vorgestellten Maßnahmenkatalog nicht einmal mehr um demokratisch getroffene Entscheidungen und teilweise auch nicht mehr um rechtsstaatliche Prinzipien schert. Das ist das Gegenteil von verantwortungsvoller Politik.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Herr Kreuzer, einen Satz, den Sie in Ihrer Rede deutlich betont haben, nehme ich sehr ernst. Darin haben Sie verkündet: Wir müssen verantwortungsvoll handeln. – Was bedeutet das? Verantwortungsvolle Politik nach demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien bedeutet, dass wir bei dieser großen Herausforderung – darin stimme ich Ihnen sehr wohl zu –, die vor allen Dingen die Kommunen trifft und die in den Kommunen vor Ort letztlich bei den Bürgermeistern, Landräten und Gemeinderäten ankommt, einen Spagat zu bewältigen haben zwischen humanitärer Verpflichtung, rechtsstaatlichen Prinzipien und praktischer Machbarkeit.

Das ist eine schwierige Aufgabe, der wir uns gemeinsam stellen müssen: Europa, Bund, Länder und die Kommunen. Dabei dürfen wir nicht in Polemik verfallen und Radikalmaßnahmen ergreifen, so wie es die CSU jetzt macht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Den Herausforderungen dieser Politik haben sich Bund und Länder in den letzten Wochen und Monaten in sehr verantwortungsbewusster Weise gestellt. Ich erinnere an die Besprechung bei der Kanzlerin am 18. Juni 2015, an der alle Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder teilgenommen haben. Das ist erst knapp einen Monat her.

Dort hat man sich auf Maßnahmen verständigt, die der verantwortungsvollen Politik dienen sollen, die in der Präambel noch einmal ausdrücklich betont wird: Bund, Länder und Kommunen sollen sich den Herausforderungen stellen und dazu beitragen, die Aufgabe nach rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien zu bewältigen.

Was ist dort beschlossen worden? Was hat man dort gemeinsam vereinbart, die Kanzlerin zusammen mit den 16 Regierungschefs der Bundesländer? Wahrscheinlich waren auch Sie dabei, Herr Seehofer. Man hat beschlossen, dass die Hilfen für die Länder und die Kommunen erhöht werden, dass ab dem kommenden Jahr eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an den Kosten stattfindet und dass eine Verbesserung der Personalsituation beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erfolgt.

Eine solche Verbesserung soll aber nicht nur durch Personalaufstockung geschehen, sondern man hat sich in diesem Zusammenhang auch die Verfahren und die Organisationsstrukturen angeschaut. Man hat geprüft – Herr Aiwanger, das kritisieren auch Sie immer –: Wie laufen die Entscheidungsprozesse? Welche Maßnahmen sind sinnvoll, um bei den Verfahren im Sinne der Betroffenen, im Sinne der Flüchtlinge, zu einer besseren Entscheidungsquote zu kommen? Man hat also eine ganze Reihe von Vereinbarungen getroffen, vor allen Dingen organisatorische Maßnahmen.

Ausgehend von den 220.000 Bestandsverfahren hat man zudem vereinbart, dass die Anhörung der Asylbewerber und die Herstellung der Entscheidungsreife in den Außenstellen erfolgen sollen. Durch eine Bündelung von Entscheidern an vier Standorten, die dort Verfahren aus allen Bundesländern bearbeiten, wird ein möglichst effektiver Gesamtablauf gewährleistet.

Ich will mit diesen Hinweisen auf das Protokoll einfach nur deutlich machen, dass sich Bund, Länder und Kommunen gemeinsam in den demokratischen Gremien, die nach unserer Verfassung für unsere Politik maßgeblich sind, zusammengesetzt haben und sich den anstehenden Aufgaben stellen, um so eine verantwortungsvolle Politik zu machen, die Sie alle einklagen.

(Beifall bei der SPD)

Sie aber ignorieren das alles einfach, Sie tun so, als hätte es das nie gegeben, nach dem Motto: Wir in Bayern sind ja schlauer, wir führen eigene Maßnahmen durch und wollen die Aufgaben eben nicht nach diesen demokratischen Prinzipien lösen; wir setzen uns über diese Verabredungen hinweg und gehen unseren eigenen Weg.

Ich will Ihnen noch ein anderes Beispiel nennen: Vom 24. bis 26. Juni 2015 – also erst vor etwa vier Wochen – hat in Mainz die Innenministerkonferenz stattgefunden. Diese Innenministerkonferenz hat sich genau dieser Thematik gewidmet, die Sie, Herr Kreuzer, immer wieder betonen: nämlich der Bund-Länder-Koordinierungsstelle zum Integrierten Rückkehrmanagement.

Ich rufe in Erinnerung, dass bei dieser Innenministerkonferenz sieben Minister von CDU und CSU vertreten sind. Der Block der Union ist also ausreichend vertreten. Auch in dieser Konferenz hat man sich den Fragen sehr verantwortlich gestellt. Diese Konferenz ist übrigens schon im Dezember 2014 eingerichtet worden. Man hat sich mehrmals getroffen, man hat die wesentlichen Fragen diskutiert, und man hat einen Zwischenbericht erstellt, der inzwischen veröffentlicht wurde und im Netz nachgelesen werden kann. Man hat einige Konsequenzen gezogen. Eine der Konsequenzen ist, dass man sich – wie es die Innenministerkonferenz ausgedrückt hat - einem integrierten Rückkehrmanagement stellt. Man versucht Stellen, Methoden und Verfahren zu finden, die ein freiwilliges Rückkehrmanagement für die Betroffenen gestalten. Dabei sollen die Bundesländer mitwirken; man will das zusammenführen.

(Beifall bei der SPD)

Das war eine der wesentlichen Bedingungen. Man hat aber auch einiges beschlossen. Folgendes ist ein sehr interessanter Ansatz: Wir sagen doch immer alle, man müsste in den Herkunftsländern etwas tun, damit die Menschen in Zukunft nicht mehr ihr Land verlassen müssen, sondern in ihren Heimatländern eine Perspektive finden. Nun hat man auf dieser Innenministerkonferenz einen ressortübergreifenden Gesamtregierungsansatz definiert. So etwas gelingt nicht von heute auf morgen; das weiß jeder, der in politische Prozesse eingebunden ist. Diesen ressortübergreifenden Gesamtregierungsansatz hat man aber zunächst einmal definiert, und das bedeutet, dass man sich zusammentut, mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mit den Wirtschaftsverbänden, den Arbeitsagenturen, den Innenministern von Bund und Ländern, und dass man dann herkunftsbezogene Rückkehrpläne mit allen zu

ständigen Ministerien entwickelt. Ich meine, das ist eine sinnvolle Aufgabe.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Aufgabe sollten wir uns alle gemeinsam widmen. In dem Zwischenbericht heißt es wörtlich, man sollte dies mit Aspekten der Entwicklungszusammenarbeit verknüpfen. Dadurch wäre es möglich, einen wertvollen Beitrag für eine geförderte Rückkehrpolitik auch unter freiwilligen Motiven zu leisten.