Protokoll der Sitzung vom 15.10.2015

Ich habe mit den Kirchen, mit den Wohlfahrtsorganisationen, mit den Hilfsorganisationen, mit den Schulen, den Lehrern und den Schulleitern, mit den Kommunalpolitikern und mit den Medizinern und den Krankenhäusern gesprochen. Ihnen, der Opposition, will ich etwas vermitteln, was mir vonseiten der Hilfsorganisationen ans Herz gelegt wurde. Sie haben gesagt: Sagen Sie doch bitte im Bayerischen Landtag, dass die Frage der Flüchtlinge uns alle zusammenführen muss. Diese Frage darf nicht dazu führen, dass sich unsere Gesellschaft spaltet, dass wir im Landtag einen parteipolitischen Streit, der bei anderen Themen sein muss, austragen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Sehr richtig!)

Wir sind dazu bereit, damit Sie das nicht falsch einstufen. Die Hilfsorganisationen haben gesagt: Es geht doch jetzt auch um Bayern und darum, wie wir in Bayern und damit auch in Deutschland das alles bewältigen. Deshalb möchte ich diese Aufforderung an mich gerne aufgreifen und hier im Parlament dafür werben, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen diese Fragen bei aller Notwendigkeit, über die Richtigkeit des einen oder anderen Weges zu diskutieren, gemeinsam behandeln. Deshalb sage ich das im Auftrag der Hilfsorganisationen. Ich mache der Opposition das Angebot, vielleicht zu versuchen, dass wir jedenfalls die Kernfragen unserer Zuwanderungs- und Integrationspolitik gemeinsam weiterverfolgen und darüber entscheiden. Das ist mein Anliegen.

(Beifall bei der CSU)

Die Zuwanderungsbegrenzung ist das eine. Wir müssen aber auch in Berlin die Alarmsignale der Kommunalpolitiker und der Helfer ernst nehmen. Wir dürfen nicht sagen: Die Bayern sind so gut, die werden das auch im nächsten Jahr noch machen. Es sind fundierte Alarmsignale, es sind keine leeren Drohungen oder Worthülsen. Ich möchte in wenigen Wochen nicht hören: Das hätte man uns sagen müssen.

Deshalb sage ich auch hier noch einmal bewusst: Niemand anderes als der Bund ist für die Zuwanderung und für das Aufenthaltsrecht zuständig. Bei all den Komplikationen, Schwierigkeiten und Problemen, die wir im Alltag haben, sage ich Ihnen: Für diese Aufgabe wird Bayern nicht die politische Verantwortung tragen. Für alles das, was dabei in der Praxis stattfindet oder noch stattfinden wird, trägt derjenige die Verantwortung, der die Regeln dafür bestimmt.

(Beifall bei der CSU – Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER): Das ist billig!)

Eines geht nicht, meine Damen und Herren: Im Juli haben wir bei der Ministerpräsidentenkonferenz von der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung das schöne Wort der Verantwortungsgemeinschaft gehört. Im Fall der Zuwanderungszahlen sieht die Verantwortungsgemeinschaft aber so aus, dass der Bund die Regeln setzt und die Verantwortlichen vor Ort die Gemeinschaft pflegen müssen. Meine Damen und Herren, das geht nicht!

(Beifall bei der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie sind ja Bund!)

Die zweite Säule, den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu fördern und die Integration zu stärken, ist uns ebenso wichtig. Dabei sind alle Verantwortlichen in Bayern schon gut. Wir sind ein Land der gelingenden Integration. Im Juli habe ich hier vor dem Parlament gesagt, dass wir fast zwei Millionen Menschen in den letzten 25 Jahren aufgenommen haben. Bei uns gelingt die Integration. Ich denke dabei nur an die Anteile der Migranten in den Ballungsräumen München, Augsburg, Ingolstadt, Regensburg, Würzburg und Nürnberg. Wir haben damit bis jetzt keine ernsthaften Probleme. Die Bevölkerung in Bayern macht Integration so, dass sie gelingt. Wir leben nicht gegeneinander, sondern miteinander. Wir haben auch immer Wert darauf gelegt, dass es nicht zu Parallelgesellschaften kommt. Das müssen wir jetzt fortsetzen und verstärken.

Das bayerische Kabinett hat am vergangenen Freitag zusätzlich zu dem, was im Haushalt für 2015 und 2016 schon vorgesehen ist, ein Paket für eine deutliche Verstärkung der Integrationsbemühungen beschlossen. Nachdem ich die Situation in den anderen

Bundesländern ziemlich gut kenne, darf ich hier sagen: Das ist in der ganzen Bundesrepublik Deutschland erstmalig und einmalig. Das ist glaubwürdige Politik, meine Damen und Herren: sich nicht nur mit den Flüchtlingszahlen zu beschäftigen, was aus bestimmten Gründen zwingend notwendig ist, sondern auch mit den Menschen, die sich hier um die Flüchtlinge kümmern, damit die Flüchtlinge, soweit sie schutzbedürftig sind und Bleiberechte haben, vorübergehend oder dauerhaft, gut integriert werden. Das ist eine zutiefst humane Aufgabe.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage Ihnen: Wenn uns die Integration nicht gelingt – sie muss uns gelingen, und bei dem Teil sage auch ich: Wir schaffen es, aber nur bei diesem Teil –, dann geht das zuallererst zulasten der kleinen Leute in unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der CSU)

Mich alarmieren – ob die Meldungen stimmen, weiß ich nicht – so manche Vorkommnisse an Tafeln in diesen Tagen. Ich kenne aus meiner Erfahrung von Anfang der Neunzigerjahre die Konkurrenzsituation um Arbeitsplätze und Wohnungen. Wenn man vermeintlich den einen etwas wegnimmt, um es den anderen zu geben, schafft das böses Blut. Deshalb sage ich für die gesamte Bayerische Staatsregierung: Wir werden weder beim Wohnungsbau noch bei den Arbeitsplätzen noch bei den Ausbildungsplätzen noch bei den Sozialleistungen irgendeinem Menschen in Bayern etwas wegnehmen, um mit dem Weggenommenen die Flüchtlinge zu versorgen. Das wollen wir nicht. Das, was wir tun, muss mit Zusatzanstrengungen erfolgen und nicht mit Kürzungen.

(Beifall bei der CSU)

Das, was wir machen, gilt für alle in unserem Lande. Das gilt auch für diejenigen, die hier leben. Das möchte ich deutlich machen für den gesamten Bereich, den Sie gerade diskutiert haben: die Polizei, die Justiz, die öffentliche Verwaltung, die Behörden, die Schulen. Zusammen mit den Stellen im Stammhaushalt schaffen wir im Jahr 2016 knapp 5.500 neue Stellen, und zwar nicht, weil wir den Apparat aufblähen wollen. Wir schaffen diese 5.500 Stellen, über 3.700 durch die Entscheidung des Kabinetts vom Freitag. Für die Leute war beeindruckend, dass sie einmal einer Politik begegnen, die ihnen nicht nur Danke sagt für die große Leistung, die sie nicht nur mit warmen Worten wieder nach Hause schickt, sondern die sie durch Taten erleben lässt: Jawohl, die nehmen unsere Belastung und unsere Argumente ernst, dass es so nicht weitergehen kann, bei gleichem Personal eine Million Flüchtlinge zu versorgen, viele davon vorübergehend,

weil sie über Bayern nach Deutschland kommen. Meine Damen und Herren, deshalb sagen wir: Wir brauchen mehr Polizeibeamte, um auch die Sicherheit unseres Landes zu schützen.

(Beifall bei der CSU)

Wir brauchen mehr Justizbeamte, Staatsanwälte und Verwaltungspersonal in der Justiz. Der Präsident des Verwaltungsgerichtshofs hat uns erläutert: Wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – BAMF – jetzt wirklich über Zehntausende von Anträgen in kurzer Zeit, wie angekündigt, entscheidet, gehen Sie bitte davon aus, dass die Hälfte davon wieder bei uns, beim Gericht landet.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Auch was!)

Wenn Sie nicht wollen, dass der Antragsstau an das Gericht weitergereicht wird, dann müssen Sie uns die Stellen geben. – Diese Stellen haben wir auch gegeben. Wir haben noch Folgendes gemacht – das bitte ich zu berücksichtigen, wenn wir in diesen Tagen schon so viel über Fairness sprechen –: Ich habe dem VGH-Präsidenten gesagt: Wir werden für das Jahr 2016 neben den neuen Stellen – 62 an der Zahl – eine Richterreserve schaffen, und zwar nicht nur für die Verwaltungsgerichte, sondern auch für die ordentliche Gerichtsbarkeit. – Darüber können Sie im Haushaltsausschuss reden. Ich habe auch nichts dagegen, wenn noch mehr zur Verfügung gestellt wird. Diese Richterreserve wird dann freigegeben, wenn die Praxis zeigt, dass wir sie brauchen, um die Aufgaben zu bewältigen. Das ist ein vernünftiger Vorgang.

(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Bravo!)

Ich sagte es zu Beginn meiner Rede – ich war vor 20, 25 Jahren einmal Anhänger der Auflösung der Bezirksregierungen. Jetzt muss ich Ihnen sagen, das darf man im Leben auch einmal:

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann wären Gebäude frei geworden!)

Nach der Hochwasserkatastrophe, die die Regierungen mit gemanagt haben, und dem Erleben, was die Regierungspräsidenten und ihre Mitarbeiter seit vielen Wochen gemeinsam mit den Ausländerbehörden der Landratsämter und der Stadtverwaltungen leisten, müssen wir auch – das tun wir mit über 1.000 Stellen – die Verwaltungsbehörden unterstützen, meine Damen und Herren. Sie haben die Anerkennung verdient, und zwar nicht mit warmen Worten, sondern mit Taten. Sie müssen entlastet werden. Ich habe noch nie ein solches Gespräch mit Schulverbänden und Lehrerverbänden geführt, so positiv, so freundlich,

weil wir Mittel und Stellen zur Verfügung stellen – wenn ich es richtig im Kopf habe, für 1.700 Lehrer.

Meine Damen und Herren, wenn Integration gelingen soll, dann ist natürlich die soziale Integration einschließlich des Spracherwerbs notwendig, aber vor allem auch die Integration über den Beruf, über die Ausbildung.

(Beifall bei der CSU)

Bildung ist auch für die Zuwanderer das Tor zum Leben. Da vagabundieren immer noch viele Stellungnahmen herum, als kämen lauter Ingenieure, Chefärzte und Facharbeiter.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Das ist falsch. Aber man darf jetzt nicht bei der Feststellung verharren, 20 % seien Analphabeten, 90 % seien Menschen mit geringer oder ohne Qualifikation, sondern man muss darauf reagieren, indem man niedrigschwellige Angebote schafft, um viele Leute überhaupt zu qualifizieren, damit sie ausgebildet werden können. Dann müssen wir die Ausbildung organisieren, und dann müssen wir den Arbeitsplatz organisieren.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Alles schon beantragt! Alles abgelehnt!)

Darauf reagieren wir mit diesen Stellen. Das beginnt in der Schule und schon vorher im Kindergarten.

(Beifall bei der CSU)

Polizei, Justiz, Verwaltung, Lehrer – all dies gehört zu unserem Programm "Zusammenhalt fördern, Integration stärken". Sie sehen allein an dem Personenkreis: Integration richtet sich nicht nur an die Zuwanderer, sondern Integration kann nur gelingen, wenn wir auch die Menschen, die hier in Bayern leben, in die Lage versetzen, von der Zeit, von den Stellen, von der gesamten Logistik, von der Organisation her diese Integration auch zu bewerkstelligen. Nur so hält unsere Gesellschaft zusammen.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Da könnten wir schon weiter sein! – Widerspruch bei der CSU – Thomas Kreuzer (CSU): Was machen denn Ihre Leute? Ihr habt gar nichts auf der Pfanne! – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Ihr habt alles abgelehnt! – Martin Güll (SPD): Jeder Antrag abgelehnt! – Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Und dann gibt es Dinge, die ganz wuchtig ausfallen. Ilse Aigner, Emilia Müller und Ludwig Spaenle haben mit der bayerischen Wirtschaft ein Projekt definiert,

das wir am Dienstag unterschrieben haben und das vorsieht, dass wir im nächsten Jahr 20.000 und bis zum Jahr 2019 mit Anstrengungen der Wirtschaft und Unterstützung der Politik sage und schreibe 60.000 Praktikanten-, Ausbildungs- und Arbeitsplätze schaffen. Ich danke dem Handwerk, den Gremien der Industrie- und Handelskammern und der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Das ist vorbildlich, wie die sich bei der Integration einbringen.

(Beifall bei der CSU und Abgeordneten der SPD und der FREIEN WÄHLER)

Ich sage auch an die Adresse der Menschen, die hier leben: Wir haben viele Menschen, gerade junge Menschen, mit Handicaps, die auch bei einer guten wirtschaftlichen Lage Schwierigkeiten haben, auf dem Arbeitsmarkt einen Platz zu finden. Durch diese Zusatzmaßnahmen werden die Chancen, die Förderung und die Unterstützung für keinen Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt beeinträchtigt. Ich kann allen, die hier leben, zusichern, dass auch ihre Förderung durch den Staat, durch die Politik und durch die Wirtschaft weiter und uneingeschränkt erfolgen wird. Auch das ist wichtig, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben den sozialen Wohnungsbau: Bis zum Jahre 2019 sollen 28.000 staatliche geförderte Wohnungen entstehen. Dazu – das möchte ich hier sagen – muss auch noch viel im Planungsrecht, im Bauordnungsrecht geleistet werden. Das ist übrigens für uns alle – ich zähle mich auch dazu – eine große Chance über Entbürokratisierung nicht immer nur schöne Reden zu halten, sondern jetzt auch sinnvolle Entbürokratisierung im Bauplanungs- und -ordnungsrecht durchzuführen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Zu diesem Programm, dem Wohnungspakt für 28.000 Wohnungen, wird noch der frei finanzierte Wohnungsbau hinzukommen. Zu mir sagt man übrigens immer: Das Wichtigste sind hier Planungsrecht und Bauordnungsrecht, gerade im Großraum München. Aber wir sind noch in Verhandlungen mit dem Bund, um den frei finanzierten Wohnungsbau mit steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten anreizen zu können. Die Bayerische Staatsregierung wird sich dafür einsetzen.

(Beifall bei der CSU)

Und dann die Sprache! – Natürlich sind die Bundesagentur und der Bund bei der beruflichen Integration besonders gefordert, aber die Sprache ist auch in den Kindergärten, in der Schule und bei der Vorbereitung

auf Beruf und Ausbildung, in der sozialen Integration ein Bestandteil, der uns angeht. Deswegen verstärken wir die Sprachförderung auch in den Kindergärten und Kitas. Ich stimme unserer Landtagspräsidentin ausdrücklich zu, die mir bei jeder Gelegenheit sagt: Wartet doch nicht erst drei Monate ab – das ist die Frist für die Aufnahme einer Berufstätigkeit -, sondern findet ein Verfahren, um bei denen, die schutzbedürftig sind und aller Voraussicht nach hierbleiben können, schon in den ersten drei Monaten beginnen zu können. Jeder Tag ist dabei wertvoll; jeder Tag ist wertvoll, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CSU und den GRÜNEN)

Das ist ein kräftiges Integrationspaket, und das alles kommt zu dem hinzu, was Bayern ohnehin schon tut. Es wird zusätzlich – das werden wir heute Nachmittag von Markus Söder hören – etwa eine halbe Milliarde Euro ausmachen. Wir haben auch im Bund einiges zur Finanzierung solcher Dinge herausverhandelt.