Meine Damen und Herren, eine ganz wichtige Frage ist noch nicht beantwortet: Kann man gleiche Lebensverhältnisse messen? Gibt es einen Indikator, um Gleichwertigkeit zu messen? - Es gab schon andere Kommissionen. Es gibt zu diesem Thema viel Literatur. Es gibt in der Tat gewisse Messgrößen, mit denen man versucht, das zu erfassen. Aber all diese Messgrößen sind in gewisser Weise unscharf. Das ist nicht so wie beim Hundertmeterlauf, bei dem man stoppt und dann die genaue Zeit hat, sondern es ist eher wie beim Turnen, wo man Haltungsnoten vergibt. So ähnlich ist es hier auch.
Diese Kenngrößen wurden individuell festgelegt und gewichtet. Von daher liegt darin eine gewisse Unschärfe. Ich bin aber der Meinung, dass wir gewisse Kenngrößen brauchen. Diese müssen definiert wer
den. Entscheidend ist, dass wir diese Kenngrößen auf Regionen zuschneiden und über einen längeren Zeitraum im Auge behalten, weil wir dann erkennen können, wie sich eine Region entwickelt. Wenn eine Kenngröße unscharf war – dann ist die Kenngröße immer unscharf -, es aber einen Trend und ein Ergebnis gibt, kann man daraus erforderliche Handlungen ableiten. Wie schwer die Vergleichbarkeit ist, will ich an einem Beispiel deutlich machen. Nehmen wir als Beispiel die Krankenhausversorgung. Braucht ein Landkreis ein Krankenhaus, oder braucht er zwei Krankenhäuser? Muss jedes Krankenhaus mit dem öffentlichen Personennahverkehr innerhalb von 20 Minuten erreichbar sein? Gibt es eine Gesundheitsoder Krankenquote? – Sie sehen, wie schwer es ist, dafür eine genaue Größe herauszuarbeiten. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir eine bestimmte Kenngröße finden müssen.
Meine Damen und Herren, schon jetzt wird deutlich, dass es drei große Themen gibt, die für die weitere Arbeit der Enquete-Kommission und auch für Bayern von großer Bedeutung sind. Zum einen geht es um Arbeitsplätze im ländlichen Raum. Überall, wo Arbeitsplätze sind, wo Menschen Arbeit haben, siedeln sich Menschen an. Es entstehen Gebäude und Infrastruktur. Dabei müssen wir auch schauen, dass dies in Bayern überall gut funktioniert.
Gestatten Sie mir, dass ich auch meine Region Unterfranken anführe. Die Region Bayerischer Untermain gehört zum Großraum Rhein-Main, zum Großraum Frankfurt. Ich bin darüber froh, dass die Frau Wirtschaftsministerin vor wenigen Wochen in unserer Region eine Außenstelle von "Invest in Bavaria" eröffnet hat. Wir hatten diese Woche Besuch vom südkoreanischen Parlamentspräsidenten. Wenn man von Südkorea aus auf Deutschland blickt, blickt man zuerst einmal auf Frankfurt, weil der dortige Flughafen international ist. Deshalb appelliere ich an Sie, für den Münchner Flughafen richtige und gute Entscheidungen zu treffen. Ein Flughafen ist ganz wichtig für die Entwicklung einer Region. Deshalb ist es gut, dass wir in Unterfranken die Außenstelle von "Invest in Bavaria" haben; denn Arbeitsplätze bedeuten auch Wohlstand.
Ganz wichtig sind Bildungs- und Wissenschaftsangebote im ländlichen Raum. Damit können wir uns sehen lassen. Die Behandlung des Themas Bildung und Wissenschaft war sehr erfreulich. Wir haben gesehen, dass wir auf diesem Gebiet vieles erreicht haben.
Ganz wichtige Themen sind Infrastruktur und Mobilität. Damit meine ich die klassische Infrastruktur wie Straßen, Schienen, Zug, Taxi, Sammeltaxi, Rufbusse
etc., aber auch das Breitband. Ganz wichtig ist für die Infrastruktur und Mobilität das Dorf- und Vereinsleben. Wir haben in Bayern eine hervorragende Struktur von Vereinen wie Feuerwehren, Musikvereine, Sportvereine oder kulturelle Vereine. Darauf können wir stolz sein. Viele junge Menschen treten in diese Vereine ein und leisten zum Beispiel für ihre Gemeinde den Feuerwehrdienst ab. Wir alle kennen aus dem bayerischen Fernsehen den schönen Satz: "Da bin i dahoam". Deshalb müssen wir auch in diesem Sinne wirken, weil das Vereinsleben auch Heimatidentität stiftet, und müssen auch das Vereinsleben im Auge behalten.
Meine Damen und Herren, ich bin optimistisch, dass wir am Ende unserer Arbeit wichtige Impulse setzen können. Bayern hat große Potenziale, die es weiter zu nutzen gilt. Abschließend möchte ich Herrn Regierungsdirektor Heigl und Frau Wasowski danken, die uns vonseiten des Amtes immer hervorragend unterstützen. Danke sagen möchte ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Fraktionen, die beim Abschlussbericht noch gefordert sind und zeigen werden, was sie können. Sie alle haben fleißig mitgeschrieben. Es gibt auch viele Protokolle. Ich danke deshalb auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Stenografischen Dienstes. Ich danke auch der Staatsregierung, die uns umfangreich mit Material versorgt hat. Stellvertretend nenne ich Herrn Dr. Seitz. Herr Dr. Seitz, Sie haben ein schwieriges Amt, Sie haben es super gemacht. Ihr Minister ist auch da. Ich glaube, Herr Dr. Seitz hat Potenzial für höhere Aufgaben. Er macht das sehr gut. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, danke ich Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Jetzt darf ich für die SPD-Fraktion Herrn Dr. Rabenstein das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Frau Präsidentin! Ein Zwischenbericht soll ein kritischer Rückblick sein. Wir werden feststellen, was gut gelaufen ist. Für mich ist ein Zwischenbericht aber auch immer ein Blick in die Zukunft. Was können wir verbessern? Was können wir in dieser Enquete-Kommission noch besser auf den Weg bringen? Diese Analysen unserer Arbeit haben summa summarum zweierlei gezeigt: Mit dem ersten positiven Ergebnis fange ich an. Es läuft in Bayern gut. Auch im Vergleich mit anderen Bundesländern läuft es gut. Allerdings müssen wir auch feststellen, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Das
heißt, wir haben nach wie vor deutliche Defizite, vor allem wegen der unterschiedlichen Entwicklung der Regionen. Deswegen gibt es sowohl in der EnqueteKommission wie auch in der gesamten Politik noch sehr viel zu tun. Wir müssen uns stark anstrengen, damit wir das Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse auch wirklich erreichen.
Was wurde bisher gemacht? - In den ersten Sitzungen haben wir darüber diskutiert, was überhaupt gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen sind. Wie werden sie definiert? Schnell ist dabei klar geworden, dass wir in Bayern keine gleichartigen Regionen wollen. Jede Region ist anders geprägt, nicht nur landschaftlich, sondern auch kulturell und geschichtlich. Es gibt unterschiedliche Bräuche und Dialekte und natürlich auch regionale Spezialitäten, auf die jeder und jede stolz sind. Das ist auch gut so. Gerade diese Vielfalt macht den Reiz von Bayern aus. Das sagen auch wir Sozialdemokraten ganz ausdrücklich.
Gleichwertig ist etwas anderes als gleichartig. Zusammen mit den Experten haben wir den Terminus "räumliche Gerechtigkeit" in den Mittelpunkt gestellt. Jeder Bürger soll in seiner Gemeinde oder seiner Stadt die Chance erhalten, sich vor Ort zu verwirklichen. Er soll nicht gezwungen werden, in andere Regionen, nämlich in Metropolregionen, zu ziehen, um ein sicheres Auskommen zu haben. Dieser Umzug, diese Umstrukturierung insgesamt ist für beide Teile von Nachteil. Zum einen kommt es durch solche Umzüge zur Entvölkerung von Orten mit allen Nachteilen. Die Orte werden dadurch einfach unattraktiv. Zum anderen entsteht in den Ballungs- und Boomregionen ein Wachstumsdruck. Das führt ebenfalls zu großen Problemen.
Ich möchte es plakativ an drei Beispielen erläutern. Das erste Beispiel: In München und seinem Umland explodieren die Immobilienpreise. Die Mieten sind für viele Normalverdiener kaum mehr zu bezahlen. In anderen Teilen Bayerns stehen viele Häuser leer. Leere Schaufenster – ich habe es am Anfang nicht geglaubt, aber es wird gemacht – werden dekoriert, um das triste Bild eines Ortes einigermaßen zu kaschieren.
Das zweite Beispiel: In den Metropolregionen ist der Verkehr kaum mehr zu bewältigen. In München soll und muss eine zweite S-Bahn-Stammstrecke gebaut werden. Die Experten und der Oberbürgermeister sind deswegen gerade zu Gesprächen in Berlin; denn dieses Projekt kostet die Kleinigkeit von zwei bis drei Milliarden Euro. In anderen Räumen, nämlich in den Räumen mit besonderem Handlungsbedarf, wie sie so schön heißen, kann der ÖPNV kaum mehr finan
Das dritte Beispiel: In vielen Orten Nordostbayerns mussten und müssen Schulen schließen, weil die Schülerzahlen drastisch zurückgehen. Die Schulgebäude stehen dann leer. Die Kommunen werden aber doppelt belastet, einmal weil sie für ihre Schüler keine Schule mehr haben, zum anderen können sie mit dem Gebäude oft nichts mehr anfangen. Auf der anderen Seite hat die Stadt München laut "Süddeutscher Zeitung" vom Oktober 2015 berechnet, dass in den nächsten 15 Jahren neun Milliarden Euro für Schulneubauten ausgegeben werden müssen.
Deswegen muss es Ziel der Enquete-Kommission sein, Bayern wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Nach wie vor haben wir ein Bayern der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. In den Boomregionen ist Bayern ein Sprinter mit Rückenwind. In den benachteiligten Gebieten ist es ein Läufer, der immer noch einen Klotz am Bein hat. Dann wundert man sich darüber, dass die beiden nicht gleichzeitig ins Ziel kommen.
Der Heimatbericht der Staatsregierung – Herr Söder, aufgepasst! – zeichnet ein sehr positives Bild. Die wirtschaftlichen Unterschiede in Bayern haben stark abgenommen - so steht es in Ihrem Vorwort, sehr geehrter Herr Minister. Wir wissen alle miteinander, dass unser Minister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat, wie er sich nennt, oft übertreibt.
Deswegen haben wir die Zahlen natürlich genauer angeschaut. Ein Experte der Enquete-Kommission – wir haben die Experten schon gelobt -, Herr Dr. Sträter, der die Parlamentsdebatte hier mit verfolgt, ist zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen.
Ich möchte nur ein Beispiel nennen, das Bruttoinlandsprodukt in Bayern. Es ist ein wichtiger Indikator der wirtschaftlichen Entwicklung. Im Heimatbericht werden ausgerechnet die Jahre 2006 und 2012 verglichen. Man kommt dann zu dem Ergebnis, dass es im ländlichen Raum in diesem Zeitraum vorwärtsgegangen ist: Wir haben dort eine Steigerung von 22 %. Im Verdichtungsraum waren es lediglich 17,9 %. Logisch,
daraus schließt man: Der ländliche Raum hat deutlich aufgeholt. – Doch wie heißt es so schön? – Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, wobei ich nicht unbedingt sagen will, dass die Zahlen gefälscht worden sind. Aber man hat eben gerade die günstigsten Zahlen verglichen. Wer lediglich zwei Jahre vergleicht, um daraus einen Trend abzuleiten, macht es sich zu einfach;
denn – jetzt kommt der politische Teil, und der ist sehr kompliziert – betrachtet man die Entwicklung in den letzten Jahren, kann man feststellen, dass sich der Abstand im Jahr 2008 zwar verringert hat; das stimmt. Er ist von 11 % auf 7,7 % zurückgegangen, aber das liegt an der Wirtschaftskrise. Die Schere ist 2011 und 2012, als es wieder wirtschaftlichen Aufschwung gegeben hat, erneut deutlich auseinandergegangen; da ist der Abstand auf 8,6 % gestiegen.
Wenn wir einmal im Abstand von 20 Jahren vergleichen, kommen wir ebenfalls zu einem ganz anderen Ergebnis. So heißt es in der angesprochenen Studie – ich zitiere: Die Trendlinie zeigt, dass von einem Anstieg des Anteils des ländlichen Raums am gesamtbayerischen Bruttoinlandsprodukt keine Rede sein kann, im Gegenteil. Sie zeigt, dass der Anteil des ländlichen Raums sogar gesunken ist. – Die Schere geht also leider nicht zusammen. Das wurde übrigens auch bei der Anhörung der Enquete-Kommission mit den kommunalen Spitzenverbänden über den kommunalen Finanzausgleich deutlich zum Ausdruck gebracht. Herr Dr. Dirnberger als Vertreter des Bayerischen Gemeindetags, der die Gesamtentwicklung wie kaum ein anderer kennt, äußerte wörtlich: "Wir nehmen im Augenblick nur wahr, dass die Schere zwischen Strukturschwäche und Strukturstärke immer noch auseinandergeht." Recht hat er, und deswegen müssen wir hier deutlich andere Akzente setzen, als es bisher gemacht worden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind schon ganz wichtige Ergebnisse der Enquete-Kommission. In der Stellungnahme im Rahmen der Anhörung wurde übrigens auch deutlich, dass die kommunalen Spitzenverbände trotz einer Erhöhung der Finanzzuweisungen mit der Gesamtentwicklung keineswegs zufrieden sind. Hier wurden auch das Konnexitätsprinzip – da gibt es eigentlich nur Kritik -, der kommunale Finanzausgleich und die Stabilisierungshilfen, die insgesamt begrüßt werden, angesprochen. Wir müssen eben schauen, dass neue Mittel dazukommen und dass nicht nur umverteilt wird.
Ich komme zum Schluss, und ich habe natürlich – wie könnte es anders sein – auch noch einige kritische Anmerkungen: Erstens. Trotz großen Aufwands ist die öffentliche Resonanz auf die Arbeit der Enquete-Kommission meiner Meinung nach bescheiden und noch zu gering. Wir sollten deshalb diskutieren, ob die Sitzungen nicht insgesamt und grundsätzlich öffentlich gestaltet werden sollten. – Zum Zweiten sollten wir noch zielgerichteter arbeiten. Wir sollten uns wirklich überlegen, welche konkreten Forderungen wir haben. Das Unverbindliche steht mir hier noch viel zu stark im Vordergrund.
Gerade bei der letzten Anhörung der kommunalen Spitzenverbände haben wir gesehen, wie wichtig es ist, mit den Betroffenen zu diskutieren. Auch das sollten wir noch verstärken. Das heißt, die betroffenen Verbände und Vereine müssen noch intensiver eingebunden werden. Ich hoffe, dass uns das gerade beim Thema Jugend gelingt. Das haben wir nach der Winterpause als Erstes auf dem Plan.
Aber natürlich möchte ich auch einiges positiv erwähnen. Insgesamt entwickelt sich die Arbeit in der Enquete-Kommission gut, und ich hoffe, dass diese Zusammenarbeit auch bis zum Ende gut und zielorientiert bleibt. Dann, wenn der Bericht erarbeitet wird, wird es nämlich noch spannend; wir kennen das von anderen Ausschüssen. - Dem Vorsitzenden danke ich recht herzlich für seine souveräne Art, die Sitzungen zu führen.
Allen Abgeordneten der CSU und auch der anderen Parteien möchte ich ebenfalls danken. Aber gegenüber den CSU-Mandatsträgern sei mir doch die Anmerkung erlaubt, dass ich noch mehr erwarte und mir wünsche, dass Sie noch mehr Vorschläge einbringen, um das Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse in Bayern zu erreichen.
Natürlich geht mein Dank auch an die Experten; sie sind wirklich eine Bereicherung, weil sie Sachverstand von außen einbringen und auf dem Weg zum Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse unabhängig von irgendwelchen politischen Richtungen gute Impulse geben. Mein Dank gilt auch Herrn Heigl vom Landtagsamt; das ist schon angesprochen worden. Man merkt, Herr Heigl, Ihre große, jahrzehntelange Erfahrung im Landtag; sie tut uns allen entsprechend gut. Ich möchte auch den Mitarbeitern in den Fraktionen recht herzlich danken.
Zusammenfassend stelle ich fest: Die Tatsache, dass dieses Ziel in der Bayerischen Verfassung steht, und die Einsetzung der Enquete-Kommission – das soll noch einmal erwähnt werden – gehen auf Initiativen der SPD zurück.
Sonst sagt man immer, als Opposition bringt man nicht so viel auf den Weg. Hier ist uns das, glaube ich, wirklich einmal gelungen. Und es ist Bewegung in das Thema Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse gekommen. Wir haben auch gemerkt, dass viele Interessierte gespannt warten, welche Ergebnisse wir erzielen. Nicht nur in Bayern, sondern auch in Berlin und in anderen Bundesländern schaut man auf unsere Enquete-Kommission; denn die Probleme sind in ganz Deutschland und vor allem in den neuen Bundesländern extrem. Deswegen hoffe ich, dass wir hier vorankommen. In einem reichen Land wie Bayern muss es das Ziel sein, Vorreiter zu sein
und den anderen Regionen zu beweisen, dass sich alle Landesteile positiv entwickeln können, ohne dass einer abgehängt wird. – Danke für die Aufmerksamkeit.