Protokoll der Sitzung vom 02.12.2015

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Am 18. November dieses Jahres hat die EU-Kommission im Rahmen einer Pressekonferenz ihre Vorschläge zur Änderung der Europäischen Feuerwaffenrichtlinie vorgestellt, also fünf Tage nach den verheerenden Terroranschlägen in Paris, diesen schrecklichen Ereignissen, die uns alle erschüttert haben. Zu Recht kann man hierbei die Frage stellen: Wie schützen wir zukünftig unsere Bevölkerung? Welche Werkzeuge und Möglichkeiten geben wir den Sicherheitsbehörden an die Hand, und wie gewährleisten wir die innere Sicherheit?

Der übliche, nicht auf Fakten basierende Reflex ist immer der Ruf nach einer Verschärfung des bestehenden Waffenrechts. Dieser Versuchung ist die Europäische Kommission erlegen. Die Terrorakte werden zum Anlass genommen, Einschränkungen für die legalen Waffenbesitzer zu fordern. Dabei wird die Tatsache komplett ignoriert, dass diese Anschläge mit Sprengstoffen und mit illegalen, verbotenen Waffen durchgeführt wurden. Es findet wieder eine unzulässige Vermengung des legalen und des illegalen Waffenbesitzes statt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Gefahr für die innere Sicherheit geht von den illegalen Waffen aus, nicht von den rechtmäßigen Waffenbesitzern.

(Beifall bei der CSU)

Ungeachtet dessen, dass sicherlich eine Vernetzung zwischen den Mitgliedstaaten notwendig ist, auch

eine bessere Vernetzung bei Auskünften aus dem nationalen Waffenregister, muss man bei den Vorschlägen schon klar festhalten, dass keine ausschließliche Zuständigkeit der EU besteht. Man muss auch den Grundgedanken der Subsidiarität ins Feld führen und feststellen, dass die Vorschläge der EU-Kommission in weiten Teilen unverhältnismäßig, unnötig und außerhalb jedes Verhältnisses stehen bezüglich des bürokratischen Aufwandes und der Kosten.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Es geht um Begrenzung und Bekämpfung von Kriminalität!)

- Darauf komme ich noch, Herr Wengert. Sie werden dann feststellen, dass das ganz klar nicht im Einklang mit den feststehenden statistischen Daten steht.

Schauen wir uns die Vorschläge einmal an: Meldepflicht für Schreckschusswaffen, Registrierung, Erfassung unbrauchbar gemachter Waffen, Beschränkung des Internethandels, Verbot des Verkaufs von Privatzu Privatperson, obwohl keinerlei Erkenntnisse des Innenministeriums zu einem möglichen Missbrauch vorliegen, ein Verbot der sogenannten B-7-Waffen, halbautomatischer Waffen, die aussehen wie vollautomatische Waffen, die bei uns allerdings seit der Waffengesetzänderung 2003 legal sind.

Besonders schwerwiegend sind allerdings die vorgeschlagenen Befristungen von Erlaubnissen auf fünf Jahre. Hier wird völlig übersehen, dass ein Jagdschein maximal für drei Jahre gelöst werden kann, dass alle drei Jahre eine Regelüberprüfung durch Abfrage des Bundeszentralregisters und des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverzeichnisses stattfindet. Insbesondere soll eine medizinische Untersuchung verpflichtend vorgesehen werden. Auch diesbezüglich haben wir bereits ausreichende Regelungen zur persönlichen Eignung in § 6 des Waffengesetzes, und es stellt sich auch die Frage, wie eine medizinische Untersuchung Bedürfnis- oder Zuverlässigkeitsfragen nachweisen soll. Diese Vorschläge zeigen eindeutig, dass in großen Teilen ein Zusammenhang mit den Terroranschlägen fehlt. Es wird klar übersehen, dass wir ein strenges Waffengesetz in Deutschland haben, das sich bewährt hat.

Deswegen verwundert mich auch der SPD-Antrag etwas, in dem ganz klar eine weitere Verschärfung des Waffenrechts gefordert wird: ein Verbot sämtlicher halbautomatischer Waffen, also auch für Jäger, für Sportschützen, insbesondere auch für Reservisten, strengere Vorschriften für den Internethandel und auch zusätzliche Auflagen für Sammler, weil hier angeblich das Risiko besteht, dass diese Waffen an Kriminelle verkauft werden. Das hat mit der Realität und mit den Erfordernissen in der Praxis nichts mehr zu

tun. Es ist weit entfernt davon und zeigt auch, dass Sie keinerlei Kenntnis der tatsächlichen gesetzlichen Bestimmungen hier bei uns im Lande haben.

(Beifall bei der CSU)

Sie verkennen auch ganz klar, dass wir kein Sicherheitsproblem durch die Besitzer legaler Waffen haben. Der Nachweis wird durch die polizeiliche Kriminalstatistik geführt. Nur 0,2 % aller Straftaten werden unter Schusswaffenverwendung verübt und fast ausschließlich durch illegale Waffen. Dies zeigt ganz klar, dass der Staat auf die Rechtstreue der Besitzer legaler Waffen vertrauen kann. Dieses Vertrauen ist eindeutig gerechtfertigt. Die Besitzer legaler Waffen brauchen es sich nicht gefallen zu lassen, dass behauptet wird, von ihnen gehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Sie dürfen auch nicht in diese Ecke gestellt werden.

Auch wenn unser Antrag deutlich umfassender und detailreicher ist und sich auch auf Sammler, Reservisten und Brauchtumsschützen bezieht und alle Aspekte umfasst, werden wir dem Antrag der FREIEN WÄHLER zustimmen, weil die FREIEN WÄHLER mit ihm die gleiche Zielrichtung verfolgen wie wir.

Ich darf Sie ersuchen, dass wir die Staatsregierung auffordern, sich auf Bundes- und auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass unser funktionierendes Waffenrecht nicht durch geplante Änderungen der EU-Feuerwaffenrichtlinie zulasten der Besitzer legaler Waffen beeinträchtigt wird, dass keine Verschärfungen vorgenommen werden, die zu keiner Erhöhung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen. Unsere Besitzer legaler Waffen brauchen keine unnötige Bürokratie, brauchen keine weiteren Kosten. Wir brauchen keine Vorschläge, die weitgehend ohne jedweden Sicherheitsgewinn sind.

Ich bitte daher um ein klares Signal für die über zwei Millionen Jäger, Sport- und Brauchtumsschützen, Reservisten sowie Waffensammler, die zuverlässig und gesetzestreu sind und keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Kollege Flierl. – Der nächste Redner ist Kollege Professor Dr. Gantzer. Bitte sehr, Herr Gantzer.

Frau Präsidentin, liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich bedauere es sehr, dass wir dieses Thema im Plenum anlässlich eines Dringlichkeitsantrages behandeln, weil es hier wirklich um ernst zu nehmende Sachargumente geht, und die kann man eigentlich im Laufe einer solchen

kurzen Diskussion gar nicht darstellen. Ich hätte mir gewünscht, dass diese Anträge im Innenausschuss behandelt werden würden, unter Hinzuziehung der Fachleute des Innenministeriums. Da wären wir zu guten Ergebnissen gekommen.

(Beifall bei der SPD)

So kann ich nur sagen, liebe Kollegen und Kolleginnen, wenn ich das hier lese, was Sie seitens der CSU und seitens der FREIEN WÄHLER beantragt haben: Das sind wirklich, um es einmal im Schießjargon zu sagen, Schnellschüsse; da haben Sie aus der Hüfte geschossen. Da haben Sie auf Zuruf von Lobbyisten geschossen: Da ist wahrscheinlich die National Rifle Association an Sie herangetreten. Immer wenn in Amerika aufgrund von Schusswaffengebrauch eine Katastrophe passiert ist und ich dann die Argumente von der National Rifle Association höre:

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Wir haben Sportund Brauchtumsschützen und Jäger! Sie können doch die illegalen nicht mit den Sportschützen gleichsetzen!)

Die argumentiert genauso wie Sie; die hat dieselben Argumente. Deswegen kann ich nur sagen: Es ist richtig, dass natürlich auch die Person entscheidend ist, wie eine Waffe gebraucht wird. Aber so, wie Sie argumentieren, nämlich dass der Waffengebrauch nicht eingeschränkt werden darf, das ist nicht richtig.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich den Antrag der CSU lese, da geht alles durcheinander. Sie wissen ja gar nicht, was genau in dieser Änderungsverordnung steht.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Das wissen wir sehr wohl!)

Also, ich habe das genau aufgelistet. In unserem Dringlichkeitsantrag steht nämlich – ich gehe das jetzt einmal ganz schnell durch –: "Strengere Vorschriften, um halbautomatische Waffen zu verbieten." – Auch der Deutsche Schützenbund ist der Meinung, dass das passieren soll. Sie gipfelt sogar in dem Ausruf: Wir Schützen brauchen keine Kalaschnikow! - Das ist auch richtig. Deswegen müssen wir uns überlegen, wie weit wir diese halbautomatischen Waffen von der Kategorie B 7 in die Kategorie A aufnehmen. Das ist genau der richtige Weg, wobei wir es trotzdem zulassen wollen, dass bestimmte Waffenbesitzer eine Erlaubnis erhalten, wenn sie das für den Schießsport ausdrücklich brauchen.

"Strengere Vorschriften für Online-Waffenkäufe." – Dann wissen Sie nicht, was im Online alles möglich

ist, wie gedealt wird. Waffenkäufe werden inzwischen überwiegend übers Darknet abgewickelt.

"Vernetzung der nationalen Waffenregister. Intensiverer Informationsaustausch". – Das verlangt der Deutsche Schützenbund genauso. Ich weiß gar nicht, weshalb Sie hinter dieser Forderung nicht stehen können.

(Beifall bei der SPD)

"Kriterien für Schreckschusswaffen": Gehen Sie nur zu den Fachleuten. Die Schreckschusswaffen können zu vollautomatischen Waffen umgebaut werden, und das ist auch der Fall. Fragen Sie bei der Innenministerkonferenz nach.

"Strengere Auflagen für Sammler,...": Es ist so, dass Sammler Waffen verdealen können, die zwar unbrauchbar gemacht worden sind, die dann verkauft werden, danach aber wieder gebrauchsfähig gemacht werden.

Herr Flierl, es ist falsch, was Sie gesagt haben, dass jetzt auf einmal ein Schnellschuss seitens der EU vorgenommen worden ist. Nein, diese Vorschläge gibt es seit April 2015.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Es wurde vorgezogen!)

Im April 2015 sind die Vorschläge erarbeitet worden und sollten im Januar vorgelegt werden. Jetzt hat man sie zwei Monate vorgezogen.

(Dr. Florian Herrmann (CSU): Wegen Terrors!)

Deswegen daraus einen Skandal zu machen, ist also völlig falsch. Das ist die richtige Linie, die die EU eingeschlagen hat. Ich verstehe jetzt auch nicht, weshalb das auf einmal das Hauptargument für Ihre Ablehnung ist.

(Beifall bei der SPD)

Wir sehen auch die Schwierigkeiten. Da stimme ich mit Ihnen überein. Wir sehen die Schwierigkeiten bei den Schützenvereinen, wenn es darum geht, dass alle fünf Jahre eine Erlaubnis überprüft werden soll, diese regelmäßigen medizinischen Untersuchungen, die angeordnet werden sollen – da sind wir genau Ihrer Meinung. Dem stimmen wir nicht zu. Wir haben alle drei Jahre sowieso eine Regelüberprüfung. Die medizinische Untersuchung braucht es nicht, weil das geprüft wird in jedem Verfahren. Ich sage aber auch – das kann ich aufgrund meines Alters sagen –: Ich bin trotzdem der Meinung, dass ein Inhaber einer Waffenberechtigungskarte ab 70 alle fünf Jahre überprüft werden sollte, gesundheitlich. Das wäre die einzige

Ausnahme, die ich bei der medizinischen Untersuchung sehen würde. Aber ansonsten brauchen wir uns nicht weiter damit zu befassen.

Ich bedauere, dass Sie das, was die Änderung der EU-Feuerwaffenrichtlinie will, nicht erkannt haben und auch einfach vom Bauch heraus und nicht mit Verstandesargumenten bedacht haben. Ich bedauere das sehr. Ich bedauere es vor allem deswegen, weil nämlich am letzten Sonntag die AfD auf Vorschlag des Bundesvorstandes der AfD auf ihrem Bundesparteitag genau das beschlossen hat, was Sie jetzt hier vorgelegt haben. Da muss ich Ihnen jetzt wirklich sagen: Wenn Sie jetzt schon AfD-Politik betreiben,

(Beifall bei der SPD – Josef Zellmeier (CSU): Das ist ja peinlich! – Dr. Florian Herrmann (CSU): Das ist wirklich eine Unverschämtheit! – Weitere Zurufe von der CSU – Glocke der Präsidentin)

dann schwimmen Sie auf derselben Linie wie diese AfDler.

Ich sage Ihnen zum Schluss auch: Ich selber habe eine Waffenbesitzkarte. Ich selber habe eine Waffe. Ich schieße regelmäßig. Ich weiß, worüber ich rede. Als Oberst habe ich wahrscheinlich mehr geschossen als Sie alle zusammen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU: Oh!)

Ich bin also vom Fach und weiß, wovon ich rede. All denjenigen von Ihnen, die das unterschrieben haben, empfehle ich, eine Zuverlässigkeitsprüfung vornehmen zu lassen, weil sie nicht wissen, wie gefährlich Waffen sein können. Deswegen müssen wir Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Gantzer. Bleiben Sie bitte noch am Pult. Herr Kollege Flierl hat um eine Zwischenbemerkung gebeten. – Bitte schön.

Herr Kollege Professor Gantzer, zunächst darf ich schon zum Ausdruck bringen, dass ich es für ungehörig und dreist finde, unseren Antrag in die Nähe der AfD zu rücken.