Protokoll der Sitzung vom 01.06.2016

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Nach der Anhörung der Verbände frage ich Sie, wie Sie diese Bedenken der Verbände derart beiseite wischen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. – Frau Kollegin Schreyer-Stäblein, Sie haben das Wort. Bitte sehr.

Ich bin Sozialpädagogin und Familientherapeutin und habe sehr wohl jedes Argument intensiv angeschaut. Die Schlüsse, die Sie aus der Anhörung ziehen, entsprechen zwar nicht dem darin Gesagten, aber es ist Ihr gutes Recht, Ihre eigenen Schlüsse zu ziehen. In der Anhörung haben die Verbandsvertreter gesagt, was sie gegebenenfalls gern anders hätten oder welche Alternative sie sehen. Sie haben nicht gesagt, das Betreuungsgeld schade den Kindern, die nicht in eine Kita dürften. Das hat kein Einziger gesagt.

Das ist genau der Punkt. Selbstverständlich geht es nicht um die Frage, ob ein Kind, wenn es zu Hause betreut wird und Betreuungsgeld bezahlt wird, danach geschädigt ist, weil es in der Krippe besser betreut worden wäre. Vielmehr wird es in der Krippe gut betreut, und zu Hause wird es gut betreut. Wir als Politiker haben nicht das Recht, die Eltern zu bewerten, ganz gleich, für welches Modell auch immer sie sich entscheiden.

(Ingrid Heckner (CSU): Sehr gut!)

Sie wissen es offensichtlich nicht besser. Das Bundesverfassungsgericht hat nur gesagt, auf welcher Ebene wir das diskutieren.

(Beifall bei der CSU)

Sie wissen ganz genau: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand. Sie wissen ganz genau: Wenn Sie ein Gesetz auf einer Ebene aufgleisen,

kann es sein, dass es so läuft wie vorgesehen, es kann aber auch sein, dass es heißt: auf der anderen Ebene. Wenn es inhaltlich falsch gewesen wäre, hätte man es auch geschrieben. Das hat man aber nicht. Das ist der wichtige Punkt, den Sie immer ignorieren wollen.

(Beifall bei der CSU)

Sie haben gesagt, Sie können mir nicht gleichzeitig zuhören und etwas niederschreiben. Sie haben jetzt nachgelesen, was Sie uns vorgetragen haben. Ich habe mir nicht aufgeschrieben, was ich gesagt habe. Deswegen kann ich es auch nicht nachprüfen. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen: Kinder tragen keinen Schaden davon, wenn sie zu Hause betreut werden. Wenn Sie mit Ihren Kindern zu Hause waren, dann wünsche ich Ihnen, dass Sie genau das erlebt haben. Ich sage Ihnen auch subjektiv: Meine Tochter war ab eineinviertel Jahren in der Krippe. Ich habe auch meine Erziehungsverantwortung wahrgenommen, und ich hoffe, mein Kind hat auch keinen Schaden davongetragen.

Genau deswegen dürfen wir beide die verschiedenen Modelle nicht gegeneinander ausspielen. Die Eltern haben das Recht, zu entscheiden, wie sie es untereinander aufteilen, welches Modell sie leben. Dafür braucht es neben dem Angebot der Krippenplätze auch das Betreuungsgeld. Wenn wir eben nicht Eltern erster und zweiter Klasse haben wollen, so wie es Frau Bause vorhin bezüglich des Integrationsgesetzes gesagt hat, dann müssen Sie jetzt Farbe bekennen und ebenfalls für das Betreuungsgeld sprechen.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. – Als Nächste hat die Frau Kollegin Dr. Strohmayr von der SPD das Wort. Bitte sehr, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor einigen Tagen bin ich auf dem Marktplatz einer schwäbischen Gemeinde, nicht in München, gestanden. Da kam eine junge Mutter mit ihrem zweijährigen Sohn auf dem Arm auf mich zu. Sie hat mir erzählt, dass sie in dieser 30.000-Einwohner-Gemeinde keinen Platz für ihr Kind bekommt. Zwar habe sich die Gemeinde sehr angestrengt, aber es gebe keinen wohnortnahen Krippenplatz in dieser Gemeinde für dieses Kind.

(Jürgen W. Heike (CSU): Einzelfall! – Weitere Zurufe von der CSU – Unruhe – Glocke des Präsidenten)

So, wie es dieser Mutter geht, geht es vielen Müttern und Vätern in Bayern.

(Beifall bei der SPD)

Fakt ist: In Bayern fehlen 20.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren. Auch fehlen Plätze für die vielen Flüchtlingskinder, die zu uns gekommen sind. Es gibt keine einheitliche Spracherziehung in der Frühförderung, es gibt keine Förderprogramme für die Migrationskinder im Kindergarten, es gibt keine systematische Zusammenarbeit zwischen Kindergärten und Schulen, und viele Kita-Gruppen in Bayern sind viel zu groß.

(Anhaltende Unruhe – Glocke des Präsidenten)

So sieht es in Bayern aus, ganz zu schweigen von der fehlenden Ganztagsbetreuung in der Schule und von der fehlenden Ferienbetreuung.

(Beifall bei der SPD)

Und Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, stellen sich bei dieser Situation in Bayern heute hier hin und wollen hauptsächlich Frauen, die zu Hause bleiben, 150 Euro im Monat geben, damit sie ihre Kinder zu Hause erziehen. Das ist eine Schande!

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Liebe Kolleginnen von der CSU, ich spreche jetzt ganz besonders Sie an. 150 Euro im Monat für Frauen, die ihre Kinder zu Hause erziehen, sind viel zu wenig.

(Zurufe von der CSU)

Von 150 Euro kann niemand leben, kann kein Kind erzogen werden, kann kein Pfennig in die Rentenkasse eingezahlt werden.

(Beifall bei der SPD – Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Wo ist denn der SPD-Antrag für einen höheren Betrag?)

Ich frage Sie: Wie kann eine Alleinerziehende in Bayern mit 150 Euro im Monat zu Hause bleiben? Wie soll das gehen?

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Ich sage Ihnen eines, Frau Schreyer-Stäblein: Sie setzen mit dieser Leistung völlig falsche Anreize. Leidtragende sind leider die Frauen. Sie wissen es vielleicht nicht: Hauptsächlich sind Frauen in Bayern von Armut betroffen.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Und daran ist das Betreuungsgeld schuld, oder wie?)

Ich nenne Ihnen ein paar Zahlen dazu. Von den über 65-jährigen Frauen leben über 25 % in Armut. Die durchschnittliche Rente von Frauen beträgt 569 Euro. Wirtschaftsprognosen sagen: Drei Viertel der heute 35- bis 55-jährigen Frauen werden nicht von ihrer Rente leben können.

(Zurufe von der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind Abgeordnete. Wir werden eine gute Rente haben. Wir weiblichen Abgeordneten gehören zu den 25 % der Frauen in Bayern, die einmal von ihrer Rente werden leben können.

(Zurufe von der CSU – Unruhe – Glocke des Prä- sidenten)

Das kann doch nicht unser Ziel sein. Wir müssen hier etwas tun. Wir müssen die richtigen Anreize schaffen.

(Josef Zellmeier (CSU): Themaverfehlung! Das hat nichts mit dem Betreuungsgeld zu tun!)

Sie haben heute noch einmal die Chance, auf vernünftige Familienleistungen zu setzen. Eine vernünftige Familienleistung könnte zum Beispiel eine Kindergrundsicherung sein, ein vernünftiger Betrag, der Familien tatsächlich hilft. Ich fordere Sie hiermit zum letzten Mal auf: Denken Sie um, und stoppen Sie dieses Gesetz!

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, Frau Landtagspräsidentin Stamm hat sich in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. – Bitte schön.

Frau Kollegin Dr. Strohmayr, es mag ja Ihr persönliches, Ihr gutes Recht und das Recht Ihrer Fraktion sein, sich gegen ein Betreuungsgeld auszusprechen.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Aber die Art und Weise, wie Sie das tun, und die Unterstellungen tragen dazu bei, immer mehr zu spalten, was Ihnen aber nicht gelingen wird, weil die Menschen das nicht mehr wollen. Wollen Sie es tatsächlich? – Sie tun es nämlich mit Ihrem Beitrag!

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Frau Kollegin, ich bin sehr dankbar, dass ich jetzt auch einmal als Abgeordnete an diesem Mikrofon ste

hen kann. Wissen Sie eigentlich, was Sie uns auch als Kolleginnen und Kollegen – und wir betrachten uns als Ihre Kolleginnen und Kollegen – mit Ihren Unterstellungen antun? – Hören Sie doch bitte damit auf! Wir haben hier im Bayerischen Landtag eine Kinderkrippe für Kinder bis zum sechsten Lebensjahr in einer Größenordnung von 36 Plätzen.

(Zuruf von der SPD)

Wollen Sie uns weiterhin unterstellen, dass wir als CSU-Fraktion diese Art von Einrichtungen nicht wollen? Wollen Sie uns weiterhin unterstellen, dass wir für unsere Kinder familienpolitisch keine Verantwortung übernehmen, dass Mütter und – vor allen Dingen junge – Väter in unserer Gesellschaft nicht zunehmend Verantwortung für ihre kleinen Kinder zeigen? – Es ist großartig, was sich da getan hat.