Protokoll der Sitzung vom 07.07.2016

Vielen Dank. – Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Aigner um das Wort gebeten. Bitte schön, Frau Staatsministerin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle zum einen fest, dass wir uns in dem

Ziel alle einig sind. Wir brauchen in unserem Hochtechnologieland tatsächlich eine bayernweite Versorgung. Ich glaube, das kann man grundsätzlich festhalten. Das ist ein wesentliches Thema für die Digitalisierung im ganzen Land, ausdrücklich nicht nur in den Städten, obwohl richtig ist, dass es auch in der Stadt mittlerweile immer wieder zu Unterbrechungen kommt. Das hat auch technologisch bedingte Hintergründe. Mittlerweile wird über den Mobilfunk nicht mehr nur telefoniert, sondern, wie mehrfach schon angesprochen, es werden auch viele Daten übertragen, was irgendwann die Kapazitäten der Antennen übersteigt. Ich will jetzt noch gar nicht so verwegen sein zu fragen, wie wir es mit vernetzter Mobilität, mit autonomem Fahren, machen wollen, wenn wir keine entsprechende Anbindung haben. Das wird schwierig werden. Also ist das für uns ein Muss, und deshalb müssen wir uns auch gemeinsam dafür einsetzen.

Jetzt will ich aber zunächst einmal den aktuellen Stand schildern. Wir haben es privatisiert. Das wissen Sie alle. Die Betreiber bauen momentan die Mobilfunknetze aus und rollen jetzt die neue Technologie LTE aus. Mit der Versteigerung der Digitalen Dividende I im Jahr 2010 wurde die Verpflichtung eingegangen, 95 % der Haushalte zu versorgen. 95 % der Haushalte sind aber nicht 95 % der Fläche. Das ist das eine.

Zum anderen wird es auf alle Fälle, egal ob Haushalt oder Fläche, Lücken geben. Deshalb teile ich die Ansicht, dass wir hier die Betreiber in die Pflicht nehmen und mit ihnen intensiv diskutieren müssen, was wir auch tun. Wir sind – wenn Sie so wollen – quasi schon an einem Runden Tisch, weil wir uns mit den Telekommunikationsanbietern, mit der Netzagentur und auch mit dem Verkehrs- und Infrastrukturministerium des Bundes über genau diese Fragen unterhalten. Glauben Sie es mir: Wir fordern das dezidiert ein, weil es für die Betreiber keine positive Botschaft ist, in einem Hochtechnologieland mit einem solchen Netz arbeiten zu müssen.

Festzustellen ist auch, dass die Betreiber mit Sicherheit nicht mehr auf die älteren Technologien zurückgreifen werden. Es baut wohl keiner mehr GSM oder UMTS aus, sondern es wird LTE ausgebaut, und das ist auch richtig so.

Damit komme ich gleich zum Antrag der SPD: LTE ist im 10-Megabit-Bereich und nicht im Gigabit-Bereich. Beim Gigabit-Bereich sind Sie bei 5 G, und das ist noch im Labormaßstab. Allein schon deshalb ist die Forderung nach einem Giganetz utopisch, und man muss es schon richtig einsortieren.

(Zuruf von der SPD: Man muss sich aber ein Ziel setzen!)

Meine Damen und Herren, Lücken im Netz – der Kollege Holetschek hat es zu Recht angesprochen – sind manchmal vielleicht auch darauf zurückzuführen, dass sich die Begeisterung über einen neuen Mast respektive eine neue Antenne vor Ort in übersichtlichen Grenzen hält. Das gehört auch zur Wahrheit. Sie kennen alle die Diskussion vor Ort, wenn es darum geht, einen neuen Maststandort oder einen neuen Antennenstandort zu finden. Also ist es auch von daher etwas schwierig.

Ich will aber darauf hinweisen, dass wir auf Bundesebene noch eine zweite Entscheidung getroffen haben. Die Digitale Dividende II wurde 2015 versteigert mit der Zielsetzung, bis zum Jahr 2020 97 % der Haushalte zu erreichen und vor allem die ICE-Strecken und die Bundesautobahnen zu bedienen. Das ist eine richtige und gute Zielsetzung. Ich hoffe, dass dies auch möglichst schnell geschieht. Das ist in der Tat wichtig.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, bis dahin – es wird ja noch einige Zeit vergehen – müssen und werden wir in jedem Fall alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Versorgung zu verbessern. Eine Möglichkeit besteht darin, die BOS-Standorte, über 500, die öffentlich betrieben werden, zugänglich zu machen. Momentan sind sie aus Sicherheitsgründen noch gar nicht zugänglich. Aber damit hätten wir auf alle Fälle schon über 500 Standorte zusätzlich. Dies ist ein wichtiger Punkt.

Mit Sicherheit werden wir auch den Netzbetreibern bzw. den Anbietern helfen müssen, wenn es zu Umplanungen vor Ort kommt, weil sich die Beliebtheit von Antennenstandorten in übersichtlichen Grenzen hält. Auch hier müssen wir vielleicht unterstützend tätig werden. Das halte ich für richtig, weil wir für den Mobilfunk die entsprechenden Netze brauchen.

Des Weiteren müssen wir Anreize setzen, wo Standorte schlicht und ergreifend nicht wirtschaftlich sind. Ich bin sehr dafür, dass wir uns auch über das nationale Roaming unterhalten. Das wird eine Zukunftsfrage sein. Aber was machen Sie auf der anderen Seite mit jenen, bei denen überhaupt kein Netz vorhanden ist? Dort, wo überhaupt kein Mast, überhaupt keine Antenne steht, hilft das Roaming relativ wenig.

Deshalb werden wir uns also über Anreize und über die Frage unterhalten müssen, wie jemand dort, wo noch weiße Flecken sind, ausbaut und wie wir dann die Verpflichtung eingehen können, es auch allen zugänglich zu machen.

Wenn der Ausbau aufgrund der Digitalen Dividende II erfolgt, müssen wir im Übrigen dafür sorgen, dass die Zielsetzung auch eingehalten wird, dass sie nicht nur

auf dem Papier steht, sondern dass sie auch aufgrund harter Fakten überprüft wird. In einem nächsten Schritt müssen wir uns dann natürlich für die nächsten Ausschreibungsrunden über die Ausschreibungskriterien unterhalten, so wie dies im CSU-Antrag auch gefordert wird. Wir müssen in die neuen Ausschreibungsrunden auch die höheren Auflagen, was die Fläche betrifft und was die Verkehrswege betrifft, entsprechend einbringen. Das geht bis hin zu der Frage, ob man das Telekommunikationsrecht oder andere Voraussetzungen ändern kann, die rechtlich, auch auf europäischer Ebene, zugrunde gelegt sind.

Das sind die Maßnahmen, die wir aktuell ergreifen können. Ich will aber den Blick auch darauf richten, wie leistungsstark die Netze in der Zukunft sind. Ich glaube schon, dass wir massiv auf die modernste Mobilfunkgeneration hinarbeiten sollten. Wir wollen ja gerade in Bayern ein 5G-Testbed installieren, um die neueste Technologie voranzutreiben. Ich glaube, dass wir auch Satelliten- oder Lasertechnologie in Betracht ziehen und verwenden müssen, um die Bandbreiten zu erhöhen. Wir müssen ein Gesamtpaket auflegen, das auch die Nutzung von WLAN-Hotspots, was im Breitbandausbau auch von der Staatsregierung vorangetrieben wird, einschließt. Jedes Breitbandanschluss-Endgerät mit einem Router kann zu einem WLAN-Hotspot umgebaut werden. Hierfür ist es auch ganz wichtig, dass die Frage der Störerhaftung geklärt wurde, weil dann auch die WLAN-Netze öffentlich zugänglich sind.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Meine liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine große und sehr wichtige Aufgabe, der wir uns meines Erachtens gemeinsam widmen müssen. Wir haben hier einiges auf den Weg gebracht. Es gibt einen Runden Tisch. Insofern kann ich Sie beruhigen. Das ist schon erledigt. Aber wir werden auch die Regularien bis hinauf zur Bundesebene für die nächsten Ausschreibungsrunden voranbringen müssen. Wir müssen jetzt gemeinsam eine Kraftanstrengung unternehmen und so schnell wie möglich das Nötige organisieren, um die Netzbetreiber zu einem verstärkten Ausbau zu bewegen. Das ist unsere Aufgabe. Lassen Sie sie uns gemeinsam angehen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Staatsministerin, würden Sie bitte noch einmal ans Rednerpult zurückkommen? Zwischenbemerkung: Herr Kollege Glauber, bitte.

Frau Staatsministerin, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Unter anderem haben Sie davon gesprochen, dass

wir eine Förderung brauchen, um den flächendeckenden Ausbau auch im ländlichen Raum zu bewerkstelligen. Kollege Holetschek sagte in seinen Ausführungen, genau deswegen lehnten Sie unseren Antrag ab. Jetzt frage ich mich: Lehnen Sie den Antrag ab, weil wir den ländlichen Raum fördern wollen, oder gehen wir auf Ihren Punkt ein, den ländlichen Raum zu versorgen?

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

So weit sind wir ja noch nicht, sehr geehrter Herr Glauber. Aber Ihr Antrag enthält einen anderen Punkt, den wir nicht mittragen können. Wissen Sie, was "lückenlos" bedeutet? – In jedem Keller, auf jedem Hochsitz im Wald, das heißt "lückenlos". Deshalb können wir den Antrag schlicht und ergreifend nicht mittragen.

(Beifall bei der CSU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Anträge wieder getrennt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/12335 – das ist der Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – CSU, SPD, FREIE WÄHLER, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen! – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag angenommen.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/12352 – das ist der Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD, Fraktion der FREIEN WÄHLER. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen! – Die CSU. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/12353 – das ist der Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion – seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die SPD-Fraktion, die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Ich bitte, die Gegenstimmen anzuzeigen! – Die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Isabell Zacharias u. a. und Fraktion (SPD) Rehabilitierung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten gemäß §§ 175, 175a Nr. 3 und 4 des Strafgesetzbuches und gemäß § 151 des Strafgesetzbuches der DDR verurteilten Menschen (Drs. 17/12336)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Claudia Stamm und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Rehabilitierung der wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verfolgten (Drs. 17/12338)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Petra Guttenberger u. a. und Fraktion (CSU) Rehabilitierung Homosexueller verfassungsrechtlich sorgfältig prüfen (Drs. 17/12354)

Ich eröffne die Aussprache und darf als Erster Frau Kollegin Zacharias das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Für schwule Männer war das Dritte Reich bis 1969 immer noch nicht vorbei. Der Straftatbestand nach § 175 des StGB war eine grobe Menschenrechtsverletzung. Ich führe das gerne kurz aus, weil der Dringlichkeitsantrag gerade besonders aktuell ist: Wir haben die PrideWeek in München, wir haben überall Christopher Street Days und wir haben eine Gesetzesinitiative auf Bundesebene von meinem Kollegen Heiko Maas.

In der Weimarer Republik war ein Strafgesetzbuch entwickelt worden, dessen § 175 für einige Tausend schwule Männer harte Strafen und Haft bei Sex unter Männern vorsah. Die Nazis haben dieses Gesetz rigoros verschärft. Nach Schätzungen wurden zwischen 40.000 und 50.000 Männer verhaftet, in Gefängnisse und KZs verbracht und dort umgebracht. Von diesen als Schwule ins KZ verbrachten Männern gab es kaum Überlebende.

Ich will nicht ausführen, was es für all die verhafteten Männer bedeutete, bei denen sich der Verdacht nicht erhärtete. Sie mussten immer Angst vor Denunzierung haben, sie mussten ihre sexuelle Neigung fortwährend verstecken, sei es vor Freunden, sei es vor Nachbarn oder auch vorm Arbeitgeber. Das muss für

diese Menschen unerträglich gewesen sein. Für diese Männer steht auch der Dringlichkeitsantrag, auf den ich gleich kommen werde.

Man würde nun denken wollen, dass die Bundesregierung in der Nachkriegszeit das Gesetz entschärft hätte. Das ist aber nicht geschehen. Das Gesetz hat bis zum Jahr 1969 gegolten. Das bedeutete, dass weiterhin circa 50.000 Männer, die mit Männern Sex hatten, unter schlimmsten Voraussetzungen verhaftet wurden. Sie wurden angeklagt und haben zum Teil ihren Beamtenstatus verloren. Sie mussten immer noch Angst haben, ihre sexuelle Neigung darzustellen. Sie mussten sie im Dunkeln halten. Das war unerträglich.

Diesem Unrecht müssen wir nun entgegentreten. Das geschah im Grunde schon – wenn auch nicht aus innerer Überzeugung – ab dem Jahr 1994 mit der Zusammenlegung der §§ 151 und 175, nachdem DDR und Bundesrepublik vereinigt worden waren. Damit war dieses Gesetz ein Stück weit entschärft worden.

Trotzdem gibt es bis heute noch viele Männer, die unter den früheren Verhältnissen leiden. Sie begegnen vielleicht sogar ihren Peinigern, die sie denunziert hatten, heute noch im Altersheim, wenn sie überhaupt noch leben. Insofern ist das Gesetz, das Heiko Maas nun vorlegen wird, so dringlich, weil es nur noch wenige Überlebende gibt.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Wir brauchen ein Gesetz, um den Straftatbestand nach § 175 aufzuheben, und sollten über Rehabilitation und Entschädigung nachdenken.

(Beifall bei der SPD)

Hohes Haus, die Rehabilitation ist äußerst dringlich. Rückblickend ist anzuerkennen, dass es kein Straftatbestand sein durfte, sondern dass man einfach Mensch gewesen ist. Dafür brauchen wir die Rehabilitation.

Darüber hinaus brauchen wir auch die Entschädigung. Viele Männer haben ihren Beamtenstatus und ihre Pensionsansprüche verloren. Andere haben ihren Job verloren; sie mussten Prozesse führen, um eventuell eine Haftentschädigung zu erreichen. Das müssen wir jetzt korrigieren.

Lieber Kollege Bausback, Sie hätten bereits letztes Jahr die Chance dazu gehabt. Es gab damals eine Initiative des Landes Berlin, diesen Straftatbestand abzuschaffen und über Entschädigung und Rehabilitation der von § 175 und § 151 des Strafgesetzbuches der DDR Betroffenen nachzudenken. Sie haben sich –

wie Sie sagen, aus verfassungsrechtlichen Gründen – dagegen entschieden.