Protokoll der Sitzung vom 13.10.2016

(Volkmar Halbleib (SPD): Was sagen Sie denn nun zu Orbán? Das möchte ich gerne wissen! – Weitere Zurufe von der SPD – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Darf ich jetzt einmal reden, Frau Präsidentin?

Bei einer einzelnen Veranstaltung, auf deren Inhalt und Gestaltung der Bayerische Landtag überhaupt keinen Einfluss hat,

(Lachen und Zurufe von der SPD)

regen Sie sich auf, aber zu den essenziellen Dingen – siehe Ihr eigener Parteivorsitzender –, wo es wirklich um Demokratie geht, kommt nichts.

(Anhaltende Zurufe von der SPD)

Herr Rinderspacher, das zur Vorbemerkung.

Nun zu Ihrem Antrag. Die Veranstaltung am 17. Oktober, über die wir hier sprechen, ist eine Veranstaltung des ungarischen Generalkonsulats

(Volkmar Halbleib (SPD): Das wissen wir!)

zu Ehren und zur Erinnerung an das 60. Jubiläum der Revolution und des Freiheitskampfes vom 23. Oktober 1956.

(Volkmar Halbleib (SPD): Vielleicht sagen Sie jetzt etwas zur Politik von Herrn Orbán! Das wäre mir wichtig!)

Das Ausmaß an Mut und Opferbereitschaft, das das ungarische Volk damals aufgebracht hat, muss alle Demokraten zutiefst beeindrucken.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Orbán ist für Sie ein lupenreiner Demokrat? – Weitere Zurufe von der SPD)

Sie würdigen dies auch – da sind wir uns einig – zu Recht in den ersten Absätzen Ihres Antrags. Wir werden diesen Antrag aber trotzdem ablehnen,

(Andreas Lotte (SPD): Überraschung!)

weil die folgenden Absätze den notwendigen Respekt sowohl vor dem ungarischen Volk als auch vor diesem Hohen Hause vermissen lassen.

(Lachen bei und Zurufe von der SPD)

Gerade in einer Zeit – darüber sollten Sie vielleicht einmal in europapolitischer Hinsicht etwas nachdenken –, in der wir viele große Probleme europaweit nur unter Einbeziehung aller Mitgliedstaaten lösen können, kann es nicht in unserem Interesse sein, einzelne Staaten zu isolieren oder gar auszugrenzen.

Viktor Orbán ist der demokratisch gewählte Vertreter eines wichtigen EU-Staates und eines NATO-Partners.

(Markus Rinderspacher (SPD): Ein Autokrat! Ein ganz gefährlicher Mensch für Europa!)

Der Respekt vor demokratischen Entscheidungen gebietet es, unseren ungarischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern die Möglichkeit zu geben, an ein wichtiges Ereignis ihrer Geschichte zu erinnern und dazu auch ihren Ministerpräsidenten einzuladen. Der Bayerische Landtag ist seit jeher ein offenes Haus und soll es auch in Zukunft bleiben.

(Zuruf von der SPD)

Daher freuen wir uns nicht nur über die Besuche von Bürgerinnen und Bürgern, die sich über unsere Arbeit informieren, sondern ermöglichen es auch externen Veranstaltern, wie dem ungarischen Generalkonsulat oder auch anderen Konsulaten, die Räumlichkeiten für ihre Veranstaltungen zu nutzen. Dass Sie durch eine solche Veranstaltung gleich die europäische Demokratie in Gefahr sehen, wie Sie es in der Überschrift Ihres Antrags andeuten und auch heute ausgeführt haben, kann ich bei bestem Willen nicht nachvollziehen.

Zum einen blickt der Landtag ganz stolz auf seine lange, demokratische Geschichte zurück. Zum anderen entscheiden wir hier tagtäglich über wichtige Weichenstellungen für die Menschen in Bayern. So viel Einfluss, dass wir mit einer einzigen Veranstaltung gleich ganz Europa ins Wanken bringen, haben wir aber wohl nicht, auch wenn ein derart bestimmender Einfluss Bayerns auf Europa bei der Lösung der zahlreichen aktuellen Probleme manchmal wünschenswert wäre.

(Zurufe von der SPD)

Die Einzelheiten über die Vorgeschichte und den Charakter dieser Veranstaltung – Sie haben den Antwortbrief der Landtagspräsidentin ja erhalten – hat Frau

Präsidentin bereits ausführlich klargestellt. Ich brauche das an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Ich glaube, zu diesem Thema ist insoweit alles gesagt. Es steht jedem frei, sich seine Meinung über die ungarische Politik zu bilden. Klar ist aber auch: Der Demokratie schadet es am allermeisten, wenn man nicht miteinander spricht oder andere ausgrenzt oder hier irgendetwas heuchlerisch vorträgt.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Dr. Rieger. – Nächste Wortmeldung: Dr. Fahn. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei den Kollegen der SPD, dass sie dieses in Bayern pikante Thema heute in Form eines Dringlichkeitsantrages auf die Tagesordnung gesetzt haben. Es ist wichtig, darüber zu diskutieren, was unsere Demokratie aushalten muss und wo wir einen Riegel vorschieben müssen. Wir wissen um die besondere Lage in Ungarn und um den machtbesessenen Ministerpräsidenten, der auch keinen Halt vor dem ungarischen Verfassungsrecht macht, um seinen Willen durchzusetzen. Wir wissen auch um die Bevölkerung in Ungarn, die ihm zu zwei Dritteln den Rücken für seinen Kurs stärkt.

Zur Situation in Ungarn ist von Herrn Rinderspacher schon etwas gesagt worden. Um die Rechtsstaatlichkeit und um die Grundrechte ist es in Ungarn nicht gut bestellt. Ich darf daran erinnern, dass gerade aufgrund dieser Situation sich die auch von der CSU getragene Bundeskanzlerin Angela Merkel genötigt sah, die im Elend vegetierenden Flüchtlinge in Budapest nach Deutschland einzuladen. Insofern war die ungarische Politik damals vor einem Jahr auch eine Fluchtursache, die es zu bekämpfen galt.

Es ist Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet unser CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer den Fluchtverursacher Orbán so hofiert. Er hebt ihn sozusagen in den Himmel. Das passt ja auch gut. Bayern ist laut Ministerpräsident Seehofer die Vorstufe zum Himmel oder zum Paradies. Während Orbán in den meisten europäischen Ländern relativ frostig empfangen wird, ist der Empfang in Bayern herzlich. Hier heißt es dann: "Unser lieber Viktor!" oder "zu Gast bei Freunden" oder "gemeinsam gegen Merkel".

Sehen wir uns die Realität an. Wir wissen um die prekäre Situation, was in Ungarn das Recht der freien Meinungsäußerung angeht, die Freiheit von Wissenschaft und Lehre oder auch die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Die Einschränkungen und Beschränkungen von zivilgesellschaftlichen Organisatio

nen, des Rechtes auf Gleichbehandlung, der Rechte von Angehörigen von Minderheiten einschließlich der Roma oder Homosexueller, der Funktionsweise des Verfassungssystems, der Unabhängigkeit der Justiz und vieles mehr, alles das ergibt für Demokraten ein alarmierendes Bild. Es ist das Ungarn vom Jahre 2016. Nichts ist mehr zu spüren von der langersehnten Rückkehr nach Europa, wie sie Václav Havel damals beschrieb, einer Rückkehr zu unserem westlichen Wertekanon.

Die Partnerschaft Orbáns zu Putin soll vertieft werden, und gleichzeitig werden die Ukraine und die NATO kritisiert und brüskiert. Dass in Ungarn etwas schiefläuft, ist Fakt. Damit musste sich auch schon der Europäische Ministerrat beschäftigen. Umso wichtiger wäre es, wenn die CSU bei diesem Festakt das notwendige Fingerspitzengefühl nicht vermissen lassen würde. Es ist wichtig, dass sie mit dieser Situation verantwortungsvoll umgeht.

Wie der Sachverhalt aussieht, hat Herr Rieger insgesamt schon dargelegt. Die Genehmigung war da. Damals, als die Genehmigung kam, war noch keine Rede von Viktor Orbán als Gast. Der Vorgang als solcher ist zunächst unproblematisch und nicht zu kritisieren. Wenn sich Orbán nun aber plötzlich als Regierungschef seines Landes ankündigt, darf der Landtag nicht schweigen und muss es diskutieren. Der Bayerische Rundfunk formulierte es so: Hier wurde uns ein Kuckucksei ins Nest gelegt.

Meine Damen und Herren, die meisten Punkte im Antrag der SPD können wir mittragen. Aber bei einem Punkt haben wir Dissens. Es geht um die Passage, in der es heißt, dass es sich verbietet, Viktor Orbán hier im Landtag reden zu lassen. Wir sagen: Der Landtag ist ein offenes und transparentes Haus. Ungarn ist nicht Nordkorea, vielmehr ist es ein Land, das zur EU gehört. Darin besteht möglicherweise der große Unterschied.

Wenn wir hier anfangen, auf der einen Seite den Dialog und die diplomatischen Gepflogenheiten zu Ungarn zu verbessern und auf der anderen Seite auf eine Abschottung hinzuarbeiten, wäre das sicher kontraproduktiv. Dann könnte nämlich wieder die Retourkutsche von Ungarn kommen. Um hier angemessen vorzugehen, haben wir zwei Vorschläge.

Erstens. Zunächst müssen wir Herrn Seehofer als unseren Ministerpräsidenten sowie alle Teilnehmer aus unseren Reihen in die Pflicht nehmen, das Treffen, das hier stattfinden wird, mit der notwendigen kritischen Einstellung zu begleiten. Ich will nach dieser Veranstaltung keine Schlagzeilen mit dem Tenor lesen, dass sich die Funktionäre unseres Hauses

oder der Staatsregierung politisch auf die Position von Orbán begeben, um so ein Zeichen für eine bayerische Opposition gegenüber Angela Merkel setzen.

Wenn hier jemand dem ungarischen Ministerpräsidenten eine Bühne bieten wird, dann ist das nicht etwa der Landtag, sondern das ist allein die CSU. Genau das sehen wir sehr kritisch. Wir erwarten daher, dass Herr Ministerpräsident Seehofer in der geplanten Festrede die notwendige Kritik an Ungarn zum Ausdruck bringt. Herr Ministerpräsident – er ist nicht anwesend –, mahnen Sie die Rückkehr Ungarns in das europäische Wertesystem an. Das ist wichtig; dahin müssen wir zurückkommen. Darum fordern wir Sie auf: Mahnen Sie die Rückkehr in das europäische Wertesystem an!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Staatsmi- nister Dr. Marcel Huber: Es ist schwierig, wenn man mit denen nicht mehr redet! – Zurufe von der SPD: Wenn, dann! – Reden und wirklich machen ist ein Unterschied!)

Wenn, dann, ja.

Zweitens. Setzen Sie sich auch für Transparenz bei dieser Veranstaltung ein. Es war zu lesen, dass hierzu überhaupt keine Presse eingeladen worden war und über das Ganze gar nicht berichtet werden sollte. Das soll sich jetzt wohl ändern.

Wir wollen beispielgebend für eine liberale Demokratie sein, in der sich jeder Bürger frei entfalten und auf den Schutz der Grundrechte setzen kann und in der er seine Meinung gleichberechtigt äußern darf. Sorgen Sie dafür, dass sich diese Veranstaltung nicht dem Vorwurf aussetzen muss, dabei sei zu wenig Öffentlichkeit hergestellt!

Das sind unsere zwei Bedingungen für die geplante Veranstaltung, und unter diesen Voraussetzungen könnten wir es verantworten, dass der Landtag zur Bühne eines partnerschaftlichen Dialogs wird.

(Markus Rinderspacher (SPD): Obwohl Sie nicht eingeladen sind!)

Sie werden sich daran messen lassen müssen. Der Ball liegt jetzt bei der CSU. Wir werden das Geschehen jedenfalls genau beobachten.

Dem Antrag der SPD können und werden wir nicht zustimmen. Wir werden uns jedoch enthalten, weil die Kritik, die in dem Antrag geäußert wurde, insgesamt richtig ist. Unsere Hoffnung setzen wir in die genannten Punkte: Rückkehr zum europäischen Wertesystem, völlige Transparenz, Berichterstattung in der

Presse. Dann werden wir das Ganze noch einmal beurteilen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)