Danke schön, Herr Dr. Fahn. Ich möchte noch anmerken, dass sich der Herr Ministerpräsident für diese Plenarsitzung entschuldigt hat. Immerhin ist ja der Staatskanzleichef anwesend. – Als nächster Rednerin gebe ich jetzt der Kollegin Bause das Wort. Bitte schön, Frau Bause.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! "Ungarn hat den ersten Stein aus der Mauer geschlagen" – mit diesen Worten hat Helmut Kohl den Beitrag Ungarns zum Fall der Mauer im Jahr 1989 beschrieben. Er hatte recht; denn Ungarn hatte nicht nur seit dem Frühjahr 1989 damit begonnen, den Grenzzaun zu Österreich abzubauen; nein, das Land hatte noch etwas viel Unerhörteres getan: Auf Betreiben des Reformers Imre Pozsgay war Ungarn der Genfer Flüchtlingskonvention beigetreten. Wer nun nach Ungarn geflohen war – und das waren in jenem Jahr viele Tausende DDR-Bürgerinnen und –bürger –, der konnte nicht mehr einfach abgeschoben werden. Schließlich standen die Flüchtlinge unter dem Schutz der Genfer Konvention.
Durch die mutige Politik der damaligen ungarischen Regierung wurde nicht nur die deutsche Wiedervereinigung möglich, sondern auch die Spaltung Europas konnte überwunden werden.
Das gemeinsame Europa als politischer Raum, der auf Werten wie Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte aufbaut, war die Folge der ungarischen Politik im Jahr 1989. Unser Land sowie ganz Europa schuldet diesen mutigen ungarischen Politikern Dank.
Wir schreiben jetzt das Jahr 2016. Der Unterschied zwischen der damaligen ungarischen Regierung und der jetzigen könnte größer nicht sein. Damals waren es Politiker, die sich mutig für die Freiheit entschieden haben, die es ermöglicht haben, dass Menschen frei reisen und frei ihre Meinung sagen können, und die das Land in die Demokratie geführt haben.
Heute ist es eine Regierung, die das Land abschottet, die die Flüchtlinge eher wie Vieh als wie Menschen behandelt, die die Kulturschaffenden auf das Nationalgefühl verpflichtet und die Kritik an der Politik der Re
gierung pauschal als "unpatriotisch" verunglimpft. Was das in Ungarn bedeutet, wissen einige von Ihnen ganz sicher. Das bedeutet nämlich, dass diese Kritiker in Ungarn in Lebensgefahr schweben.
Es ist eine Regierung, die die Pressefreiheit erstickt und die unliebsame Medien zum Schweigen bringt, wie erst kürzlich die Zeitung "Volksfreiheit", die größte unter den noch verbliebenen regierungskritischen Medien, eine Regierung, die Europa nicht mehr als Wertegemeinschaft, sondern bestenfalls noch als Freihandelszone begreift.
Die treibende Kraft hinter all diesen Entwicklungen heißt Victor Orbán. Seine Politik ist durchdrungen von nationalistischem und autoritärem Denken. Er führt sein Land knapp drei Jahrzehnte, nachdem es sich von der kommunistischen Diktatur befreit hat, in eine neue Unmündigkeit. Genau dieser Victor Orbán ist – ebenso wie sein Bruder im Geiste Wladimir Putin – anscheinend einer der wichtigsten Partner der CSUStaatsregierung.
Das nächste Kapitel dieser unglückseligen Geschichte schlägt nun Herr Seehofer auf, und zwar bei einem Festakt zum Gedenken an den Ungarn-Aufstand, genau hier im Bayerischen Landtag. Ich finde, es ist schon zynisch genug, wenn Orbán selbst die Freiheit mit Füßen tritt und hier derer gedenkt, die im Kampf für die Freiheit ihr Leben gelassen haben. Seinerzeit sind rund 2.500 Menschen in den Kämpfen umgekommen. Unerträglich wird es, wenn ihm der Bayerische Ministerpräsident in dieser Politik auch noch zur Seite springt.
Ja, man kann und sollte mit Victor Orbán reden, aber man muss als demokratischer Politiker die Werte unserer Verfassung und die Werte unseres freiheitlichen Europas klar und unmissverständlich benennen. Man muss seine Kritik an diesem Maßstab kritisieren und sich auf die Seite der Meinungsfreiheit, der Menschenrechte und der Menschenwürde stellen. Das ist die Aufgabe eines bayerischen Ministerpräsidenten!
So, wie Herr Seehofer bisher aufgetreten ist, fällt er den Menschen in Ungarn in den Rücken, die sich für Freiheit, für Menschlichkeit, für Menschenrechte und für die Demokratie einsetzen. Das ist der eigentliche Skandal.
Wir leben mit Ungarn in einem gemeinsamen Europa. Es geht uns eben etwas an, wenn in unserer Nachbarschaft eine Demokratie Stück für Stück einfach verschwindet und in einen autoritären Staat umgewandelt wird.
Bei Ihren bisherigen Treffen mit Herrn Orbán ging es gerade nicht um Freiheit, um die Menschenrechte, um die europäischen Werte. Es ging Ihnen um ein Geschäft zum gegenseitigen Nutzen; man auch kann sagen: Es ging Ihnen um einen schmutzigen Deal. Sie haben deutlich gemacht, dass Herr Orbán in Deutschland Verbündete hat. Die CSU-Regierung konnte Orbán gut benutzen als Kronzeugen gegen die eigene Bundeskanzlerin. Das nenne ich einen schmutzigen Deal zum Schaden der Menschen, die für die Meinungsfreiheit kämpfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte Ungarn im Jahr 1989 so engstirnig gedacht, dann würde heute möglicherweise immer noch eine Mauer durch Europa gehen. Die Lehre aus der europäischen Geschichte ist doch, dass Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschenrechte nicht von selbst kommen. Sie müssen politisch erkämpft werden, immer wieder aufs Neue. Es scheint, als hätten Sie von der CSU diese Lektion bereits vergessen.
Danke schön, Frau Bause. – Jetzt hat sich für die Staatsregierung noch Staatsminister Dr. Huber zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Huber.
Herr Dr. Huber, entschuldigen Sie, mein Fehler. – Ich muss noch bekannt geben, dass zu dem Antrag namentliche Abstimmung beantragt wurde. – Danke für Ihr Verständnis.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vertreter der Staatsregierung werde ich mich jetzt nicht dazu äußern, welchen konsularischen Vertretungen welcher demokratischen EU-Mitgliedstaaten diese Räume zur Verfügung gestellt werden sollen oder nicht.
Ich rekurriere auf den letzten Absatz Ihres Antrages, der die Staatsregierung direkt anspricht. Sie sprechen darin über die Art und Weise, internationale Beziehungen zu pflegen, und darüber, welche internationalen Gesprächspartner man hier auswählen soll und welche nicht. Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen: Die Bayerische Staatsregierung pflegt seit Jahrzehnten internationale Beziehungen, und wir haben einen sehr engen Austausch mit vielen Nachbarstaaten, vor allem aber mit Staaten aus Mittel- und Südosteuropa, mit vielen EU-Staaten und auch mit USA, Kanada, China oder Japan, wo die Staatsministerin Dr. Merk gerade weilt.
Kaum ein anderes Bundesland ist international so gut und breit verflochten wie Bayern; das dient auch dem Wohle unserer Wirtschaft. Ich darf Ihnen ein Beispiel geben. Der häufigste internationale Gesprächspartner von Ministerpräsident Seehofer ist der tschechische Premierminister Bohuslav Sobotka – ganz nebenbei gesagt: ein Sozialdemokrat.
Ich sage an dieser Stelle: Das war ein historischer Brückenbau, der in der Nachkriegsgeschichte so eigentlich noch nicht vorgekommen ist, und es ist ein großer Erfolg unserer bayerischen Außenpolitik, sofern man das so bezeichnen darf.
Ich darf an dieser Stelle auch sagen, dass wir mit der tschechischen Regierung auch nicht in jedem Punkt einig sind. Herr Rinderspacher, es würde mich sehr interessieren, was Sie zum Beispiel zu der tschechisch-sozialdemokratischen Flüchtlingspolitik zu sagen haben, die aus bayerischer Sicht vielleicht ein wenig anders sein könnte.
(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Das haben wir schon mehrfach gesagt, aber ihr nähert euch dem ja an!)
Sie haben in Ihren Reden heute für sich in Anspruch genommen, die Hüter der Demokratie zu sein. Ich darf an dieser Stelle in Erinnerung rufen: Die beiden benannten Politiker – Ministerpräsident Orbán und Ex-Premierminister Cameron – sind beide demokratisch gewählte Regierungschefs bzw. Ex-Regierungschefs, und zwar beide von EU-Staaten. Das müsste einem Demokraten eigentlich etwas sagen.
Ich möchte auch auf diese Drucksache verweisen, auf der unten ausdrücklich steht: "Drucksachen... sind im Internet unter www.bayern.landtag.de... abrufbar", und damit sind sie auch weltweit einzusehen. Gleichzeitig werden in dieser Drucksache demokratisch gewählte Ministerpräsidenten von EU-Staaten als "autoritäre Figuren" – wie Viktor Orbán – oder "Europahasardeure" – wie David Cameron – genannt.
Meine Damen und Herren, so etwas können Sie – alleine aufgrund der Diktion, wir sprechen nur über den Stil – in einem Hinterzimmer bei einer SPD-Ortsversammlung sagen, aber nicht in diesem Hause. Das passt nicht.
(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Wenn Cameron kein Hasardeur war, dann weiß ich nicht! – Markus Rinderspacher (SPD): Also, dass Orbán ein Autokrat ist, ist kaum Dissens! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)
Ich mache es so wie andere: Ich spreche mit meiner Fraktion, dann habe ich wenigstens den Rückhalt, dass ich hier nicht ständig unterbrochen werde.
Werte Kollegen, ich sehe eine echte Krise in Europa. Ich sehe eine Krise der Wertegemeinschaft Europa, und zwar deswegen, weil etliche europäische Mitgliedstaaten – übrigens viele davon, die sozialistisch oder sozialdemokratisch regiert werden – sich dieser historischen Herausforderung der Flüchtlingskrise völlig entziehen und so tun, als ginge sie das überhaupt nichts an.
Um jetzt noch einmal speziell auf das Thema Ungarn zu sprechen zu kommen: Wir pflegen seit vielen Jahren eine sehr enge Beziehung zum ungarischen Volk. Bei der Feier des ungarischen Generalkonsulates in den Räumen des Bayerischen Landtags feiern diese Ungarn gerade nicht ihren Präsidenten, sondern den 60. Jahrestag eines Volksaufstandes, weil sich die Bevölkerung gegen die sowjetische Besatzungsmacht erhoben hat.
Frau Bause ich danke Ihnen für diese historische Reminiszenz, die SPD hat darauf überhaupt keinen Satz verwendet, außer – –
(Margarete Bause (GRÜNE): Das Ungarn von damals und das Ungarn von heute haben nichts miteinander zu tun! – Unruhe – Glocke der Präsidentin)