Protokoll der Sitzung vom 08.12.2016

(Beifall bei der CSU – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Was ist das für eine Antwort?)

Danke schön. – Nun hat die Kollegin Celina das Wort.

Sehr geehrter Herr Unterländer, sehr geehrte Kollegen von der CSU. So leicht

kommen Sie bei der Frage von Frau Petersen nicht davon.

(Beifall bei den GRÜNEN – Peter Winter (CSU): Machen Sie sich keine Hoffnungen!)

Dieser gesamte Artikel ist so abstrus, dass man ihn nicht fünf Minuten lang erläutern und erklären kann. Er exerziert genau diesen Duktus vor, dieses Misstrauen, das sich durch das ganze Gesetz zieht. Deshalb fällt es wirklich schwer, diesen Artikel zu verteidigen, auch wenn man bei der CSU ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In diesem ganzen Artikel kommt das Misstrauen der Staatskanzlei gegenüber ihrem eigenen zuständigen Ministerium, dem Sozialministerium, gegenüber den Erzieherinnen in den Kitas, gegenüber den Kindern in den Kitas und gegenüber den kirchlichen Trägern der Kitas zum Ausdruck. Warum müssen Sie all denen in verschärfter Form vorschreiben, dass sie im Kindergarten die christlich-abendländische Kultur predigen müssen, dass sie sinn- und werteorientiert und in Achtung vor religiösen Überzeugungen leben sollen sowie ihre eigene von Nächstenliebe getragene religiöse oder weltanschauliche Identität zu entwickeln haben. All das ist gelebte Praxis in den Kitas.

Liebe Kollegen von der CSU, wann haben Sie das letzte Mal in Ihrem eigenen BayKiBiG die Artikel 10, 11 oder 12 gelesen? Dort geht es um den Auftrag zu Bildung, Erziehung und Betreuung in den Kitas. Da steht nämlich genau, dass eine angemessene Bildung, Erziehung und Betreuung sicherzustellen ist. Alle Kinder sollen entsprechend der Vielfalt des menschlichen Lebens unterschiedslos in Bildungsund Erziehungsprozesse eingebunden werden. Dort steht auch, dass Kindertageseinrichtungen dazu beitragen sollen, die Integrationsbereitschaft von Familien mit Migrationshintergrund zu fördern. All das ist schon längst in einem Gesetz geregelt, das Ihr Sozialministerium gemacht hat.

Wissen Sie, wie das Ganze wirkt? Es wirkt so, als würde die Staatskanzlei versuchen, dem Sozialministerium vorzuschreiben, wie es zu arbeiten hat.

(Joachim Unterländer (CSU): Nein!)

Es wirkt so, als ob der Ober den Unter stechen will. Wie anders soll man es verstehen, wenn einem funktionierenden Gesetz ein schwammiges drübergestülpt werden soll? Welches Gesetz gilt denn dann? Sie wollen den Kindern Respekt vor Religion beibringen, stülpen ihnen aber die Ihrer Meinung nach höherwertige Religion über. Das ist doch abstrus.

(Beifall bei den GRÜNEN – Josef Zellmeier (CSU): Wo steht denn das?)

Ganz abgesehen davon: In all diesen Paragrafen steht nichts von Förderung. Es ist der übliche Forderungsparagraf, wie das ganze Gesetz überhaupt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was machen Sie denn, wenn eine Kita bewusst keine religiöse Prägung hat? Entziehen Sie ihr dann nach dem Leitkulturgesetz die Betriebserlaubnis? Die Kita klagt dann und beruft sich auf das BayKiBiG. Eine solche Situation können Sie doch nicht wollen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Paragraf des Gesetzentwurfs bestätigt genau das, was meine Kollegin Kamm heute Morgen gesagt hat. Sie hat gesagt, wenn Sie dieses Gesetz verabschieden, haben Sie die Probleme nicht hinter sich, sondern vor sich.

Ich sage Ihnen schon jetzt: Sie können mit dem Leitkulturgesetz nicht gewinnen. Sie werden vor Gericht verlieren und auch in der Gesellschaft dann, wenn klar wird, wie unausgegoren und widersprüchlich Ihr Leitkulturgesetz ist. In den letzten Monaten waren Sie so beratungsresistent, dass Sie es nicht anders verdient haben.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Celina, bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben extra hier vorne eine Blinkanlage installiert, damit wir sehen, wer noch sprechen will. Die Kollegin Werner-Muggendorfer hat nun das Wort.

Liebe Kollegin Celina, ich glaube Sie sind auch Erzieherin; ich bin es auch. Sind Sie mit mir einer Meinung – nicht nur als Abgeordnete, sondern im Herzen auch noch als Erzieherin –, dass alles das, was in dem Entwurf verlangt wird, und alles, was jetzt vorgetragen wurde, bereits im BayKiBiG steht?

Ich habe auch gegen dieses BayKiBiG gekämpft, weil darin vieles enthalten ist, was mir nicht gefällt. Aber das, was jetzt in diesem Integrationsgesetz verlangt wird, steht alles bereits im BayKiBiG. Sind Sie denn nicht auch meiner Meinung, dass das, was jetzt noch dazu gepackt wird, im Grunde nicht nötig ist.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Simone Strohmayr (SPD))

Zwei Punkte dazu: Ich habe meine Kinder sehr, sehr gerne erzogen, bin aber ansonsten keine Erzieherin, sondern Volkswirtin. Aber ja, ich habe lange ehrenamtlich in Kindergärten mitgearbeitet, und ich bin ganz Ihrer Meinung: Das BayKiBiG regelt all das bereits ausführlich genug. Ein zweites schwammiges Gesetz darüberzustülpen, hat tatsächlich keinen Sinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr. – Nächste Rednerin: Kollegin Dr. Strohmayr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht noch einmal um die frühkindliche Bildung in Artikel 6 des Integrationsgesetzentwurfes der Staatsregierung.

Alle Kinder in Kitas sollen zentrale Elemente der christlich-abendländischen Kultur erfahren, so steht es im ersten Satz. Genau dieser Satz findet sich ebenfalls in den Ausführungsbestimmungen zum BayKiBiG. Ich frage mich also, warum wir diesen Satz noch einmal im Integrationsgesetz brauchen.

Sehr verwundert bin ich auch über den Satz 4: "Die Kindertageseinrichtungen sollen dazu beitragen, die Integrationsbereitschaft der Familien von Migrantinnen und Migranten zu fördern." Das ist ein wunderbarer Satz. Ich frage mich, wie Sie sich das vorgestellt haben. Vielleicht denken Sie daran, dass zusätzliche Gespräche mit den Eltern geführt werden. Aber Sie wissen sicherlich auch, wenn Sie daran denken, dass das sehr arbeitsaufwendig ist. Wenn man das ernsthaft betreiben wollte, dann müsste man auch daran denken, die Erzieherinnen für diese zusätzlichen Aufgaben zum einen zu qualifizieren und zum anderen von anderen Tätigkeiten freizustellen; denn nur so wäre diese Aufgabe tatsächlich zu bewältigen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu finde ich in Ihrem Gesetzentwurf, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, leider nichts. Das heißt, die Kindertagesstätten müssten diese zusätzliche Aufgabe ohne zusätzliche Mittel, ohne zusätzliche Freistellungen meistern. Das finde ich schändlich.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage Ihnen, was eine sinnvolle Lösung für einen solchen Integrationsgesetzentwurf gewesen wäre. Die entsprechenden Formulierungen finden Sie in unseren Änderungsanträgen. Ich lese es Ihnen vor. Da steht: "Die Bildungseinrichtungen... achten und fördern die ethische, kul

turelle und religiöse Identität von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen."

Einen solchen Satz vermisse ich in dem Gesetzentwurf. Ein solcher Satz hätte dazu beigetragen, dass die Bildungseinrichtungen Respekt vor der Identität aller Kinder hätten. Es gibt ihn nicht.

(Beifall des Abgeordneten Markus Rinderspacher (SPD))

Deswegen ist es uns nicht möglich, liebe Kolleginnen und Kollegen, Ihren Formulierungen zuzustimmen, und deswegen beantragen wir, diesen Gesetzentwurf in diesem Punkt zu ändern.

Ich möchte Ihnen eine weitere Formulierung von uns ans Herz legen. In Artikel 5 Absatz 5 können Sie lesen: "Die Pädagoginnen und Pädagogen der Bildungseinrichtungen … erwerben in ihrer Aus-, Weiterund Fortbildung interkulturelle Kompetenzen und Kompetenzen im Bereich der Förderung von Mehrsprachigkeit und Bilingualität." Auch dazu lese ich in Ihrem Gesetzentwurf leider nichts, obwohl gerade Aus-, Fort- und Weiterbildung von Erzieherinnen in diesem Punkt ganz besonders wichtig sind. Sie glauben doch nicht, dass jede Erzieherin im Rahmen ihrer Ausbildung mit diesen Themen konfrontiert wurde. Viele sind vor Ort einfach überfordert. Sie brauchen Hilfe bei diesem Thema. Deswegen sind Aus-, Fortund Weiterbildung hier besonders wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es schade, dass Sie diesen Aspekt nicht vorgesehen haben. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unseren Anträgen.

(Beifall bei der SPD)

Zu guter Letzt möchte ich Ihnen Artikel 5 Absatz 6 unseres Änderungsantrags ans Herz legen: "An den Kindertageseinrichtungen... sind Unterstützungssysteme im Hinblick auf fachlich qualifizierten pädagogischen Bedarf für traumatisierte Kinder... zu etablieren." Auch dazu lese ich in Ihrem Gesetzentwurf nichts.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie bitten, sich noch einmal zu konzentrieren; denn es kommt ein wichtiger Punkt.

(Beifall bei der SPD – Heiterkeit bei der CSU – Zurufe von der CSU: Wir sind hellwach!)

Gut, Sie sind jetzt vielleicht wieder aufgewacht.

Sie wissen vielleicht nicht, dass viele Kinder aufgrund ihrer Fluchterfahrung traumatisiert sind. Vor Integration müssen hier die Behandlung und die Hilfe stehen.

(Beifall bei der SPD)

Nur so, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann Integration gelingen.

Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

Danke schön, Frau Kollegin. – Kollegin Kamm hat nun die Gelegenheit zu einer Zwischenbemerkung.

Liebe Kollegin Strohmayr, Sie haben den Artikel 6 dargestellt. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass in Artikel 5 Absatz 4 mit dem Entzug der Betriebserlaubnis für solche Einrichtungen gedroht wird, die diesen Artikel 6 nicht vollumfänglich umsetzen? Wie beurteilen Sie dies aufgrund dieser diffusen, schwammigen und fragwürdigen Forderungen?