Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Artikel 18 "Einschränkung von Grundrechten" liest sich wie der Beipackzettel für ein schlechtes Medikament. Darin steht:
Aufgrund dieses Gesetzes können die Grundrechte auf Freiheit der Person, Versammlungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung und Eigentum (Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 8 Abs. 1, Art. 13 und 14 des Grundgesetzes, Art. 101, 102 Abs. 1, Art. 103, 106 Abs. 3 und Art. 113 der Ver- fassung) eingeschränkt werden.
Was steht denn zum Beispiel in Artikel 101 der Bayerischen Verfassung? – Darin steht: "Jedermann hat die Freiheit, innerhalb der Schranken der Gesetze und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet." Wir haben vor Kurzem eine schöne Feier zum 70-jährigen Bestehen unserer Verfassung in der Oper gehabt. Da hieß es: Der Artikel 101 beschreibt die bayerische Lebensart am besten. Das ist ein zentraler Artikel der Bayerischen Verfassung. Dieser Artikel – das schreiben Sie sogar selbst – soll nun durch dieses Gesetz, das Sie uns vorschlagen, eingeschränkt werden.
Dann geht es natürlich weiter. Artikel 102 Absatz 1 lautet: "Die Freiheit der Person ist unverletzlich." Das wird eingeschränkt. Artikel 103, der Eigentumsrechte betrifft, wird eingeschränkt. Artikel 106 Absatz 3, der die Unverletzlichkeit der Wohnung garantiert, soll eingeschränkt werden. Natürlich soll auch – wen wundert es? – Artikel 113, der das Versammlungsrecht betrifft und besagt, dass alle Bewohner Bayerns das Recht haben, sich frei zu versammeln, eingeschränkt werden.
Wahrscheinlich ist die Liste, die Sie uns vorgeben, unvollständig. Wahrscheinlich – das werden zukünftige rechtliche Auseinandersetzungen über verschiedene Artikel in Ihrem Gesetz zeigen – gibt es noch weitere Artikel, die begründen, dass Ihr Gesetzentwurf weder verhältnismäßig noch verfassungsgemäß ist.
Wir sagen: Unsere Verfassung ist der richtige Orientierungsrahmen bei der Integration. Unsere Integration soll sich an Grundgesetz und Bayerischer Verfassung orientieren.
Meine Kolleginnen und Kollegen, Sie wollen die Bayerische Verfassung und das Grundgesetz einschränken. Wir sagen: Wer das Grundgesetz und die Bayerische Verfassung einschränkt, der schwächt die Rechte seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Wer Grundgesetz und Bayerische Verfassung einschränken will, der spaltet unser Land. Die Spaltung unseres Landes macht uns schwächer. Die Spaltung unseres Landes schadet Bayern. Einigkeit, unsere Verfassung und unser Grundgesetz machen uns stark. Stärken und achten wir unsere Verfassung. Gemeinsam gewinnen wir, nicht aber mit einer Schwächung unserer Verfassung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, die heutige Debatte hat mit all ihrer Heftigkeit, mit der sie zum Teil geführt wurde, eines gezeigt: Sie berührt bei jedem etwas. Ich meine, das sind die Werte, die jeder in sich selbst trägt. Diese werden beim Thema Integration berührt. Meiner Meinung nach zeigt dies in diesem Integrationsgesetz kein Artikel besser als dieser Artikel 18, wo es wortwörtlich um die Einschränkung der Grundrechte geht.
Welche Grundrechte sind gemeint? – Frau Kollegin Kamm hat sie gerade schon genannt. Laut Artikel 18 können vier Grundrechte eingeschränkt werden: das Recht auf Freiheit der Person, das Recht auf Versammlungsfreiheit, das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht auf Eigentum. Jetzt frage ich – leider antworten Sie heute nicht –: Wessen Grundrechte werden denn eingeschränkt? Werden wir möglicherweise alle, das heißt Sie, ihr und ihr eingeschränkt? Darauf erwarten wir eigentlich eine Antwort. Oder sind die Migranten gemeint, deren Grundrechte womöglich eingeschränkt werden sollen? Das wäre ja wohl klipp und klar Diskriminierung. Hierauf bräuchten wir eigentlich auch eine Antwort, nämlich, ob es die Migranten sind oder ob wir alle gemeint sind.
So oder so – das sage ich Ihnen ganz ehrlich – empfehlen wir Ihnen die Streichung dieses Artikels; denn das geht nicht; das ist nicht vereinbar. Angenommen, die Einschränkung unserer Grundrechte in Ihrem Integrationsgesetz gilt für jeden von uns, würde ich vorschlagen, dass wir das tatsächlich streichen; denn dies hat hier nichts zu suchen. Wir streichen den Artikel und verlassen uns, wie gerade schon erwähnt, auf unsere Verfassung. Die Bayerische Verfassung haben wir ja erst kürzlich gemeinsam gefeiert, wie Sie, Frau Kamm, ja auch erwähnt haben. Sie wird übrigens auch gerne Bollwerk der Freiheit genannt.
Jeder von der öffentlichen Gewalt Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem zuständigen Richter vorzuführen. Dieser hat dem Festgenommenen mitzuteilen, von welcher Behörde und aus welchen Gründen die Festnahme verfügt worden ist, und ihm Gelegenheit zu geben, Einwendungen gegen die Festnahme zu erheben. Er hat gegen den Festgenommenen entweder Haftbefehl zu erlassen oder ihn unverzüglich in Freiheit zu setzen.
Reicht das nicht? Reicht die Bayerische Verfassung nicht? – Sie haben sie selbst letzte Woche großartig gefeiert.
Warum wollen Sie ein Integrationsgesetz einführen, das wie ein bayerisches Nebenstrafrecht wirkt? – Das ist mehr als fraglich.
Dann will das vorliegende Integrationsgesetz auch die Versammlungsfreiheit einschränken. Dazu frage ich Sie auch: Ist das mit der Verfassung tatsächlich noch zu vereinbaren? – Das ist wieder fraglich.
Moment! Es kann doch nicht die Idee von einem Parlament sein – deshalb bezweifle ich, dass dies verfassungskonform ist –, mit der Mehrheitsfraktion Gesetze zu machen, die anschließend vom Verfassungsgericht kassiert werden, wie es in letzter Zeit öfter passiert ist.
Meiner Meinung nach ist dies ein weiterer Grund, diesen Artikel zu streichen. Ehrlich gesagt, habe ich auch
heute Ihnen und uns allen lange zugehört, insbesondere am Anfang, als Sie von der CSU noch mitdebattiert haben. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Sie eine Politik der Angst machen, dass Sie erst einmal Angst schüren und dann nach dem Motto "Mensch, jetzt habt ihr aber Angst; jetzt liefern wir euch gleich die Lösung" die Grundrechte einschränken und andere Rechtsgrundlagen verschärfen. – Nein, da brauchen Sie nicht abzuwinken, Herr Blume; das war so.
Übrigens war es damals bei der Schleierfahndung nicht viel anders. Erst einmal Angst machen, wenn sich die Grenzen öffnen, und dann die Schleierfahndung einführen. Sie haben damals bei der Einführung der Schleierfahndung genau denselben Effekt wie heute genutzt.
Ehrlich gesagt, kommt ein zweiter Aspekt hinzu. Es geht schlichtweg um Menschen. Vom Diözesanrat der Katholiken gibt es zu diesem Artikel 18 ein Zitat, das Ihnen geläufig sein müsste, da es Ihnen auch vorgelegt wurde. Das Zitat lautet:
ist eine solche Regelung unter ethischen Gesichtspunkten abzulehnen, wird hier doch de facto einem bestimmten Personenkreis ein gleichberechtigtes Mensch-Sein abgesprochen.
Wir sprechen also nicht nur über eine rechtliche und eine vielleicht auch nicht ganz verfassungskonforme Einschränkung, die Sie hier vornehmen wollen, sondern wir sprechen auch über eine ethische Frage. Ausgrenzen und dadurch hervorgerufenes Gängeln entsprechen nicht einem gleichberechtigten Menschsein.
Zum Abschluss empfehle ich dem Fraktionsvorsitzenden der CSU aus der Bayerischen Verfassung noch Artikel 111a. Dieser beinhaltet die Garantie der Rundfunkfreiheit. Diese würden Sie wohl auch gerne einschränken. Heute Morgen oder besser gesagt gestern Mittag hat mich enorm geärgert, dass Sie unterstellen, dass bei einem Mordfall in Freiburg Fakten unterschlagen werden würden.
Was heißt hier "Das war doch so!"? Nehmen Sie sich doch nicht heraus, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk permanent zu unterstellen, er wäre eine Lügenpresse! Irgendwo hört sich das auch einmal auf!
Ich sage Ihnen eines: Heute Morgen haben wir über das Rundfunkgesetz diskutiert und haben festgestellt, wie wichtig uns der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist.
Dann hat er auch die Pressefreiheit verdient. Diese haben Sie ihm zu überlassen und nicht einzuschränken. Das gilt auch für die Grundrechte der persönlichen Freiheit, der Versammlungsfreiheit, des Eigentums und der Unverletzlichkeit der Wohnung, die Sie einschränken wollen. So geht es nicht!
Frau Kollegin, danke schön, dass Sie noch einmal zurückkommen. – Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Kamm. Bitte.
Frau Kollegin, Sie haben gesagt, dass Artikel 18 gestrichen werden soll. Ist es denn nicht eigentlich so, dass ein Artikel, zu dem der Verfasser dieses Gesetzes selbst beschreibt, welche Artikel der Bayerischen Verfassung durch dieses Gesetz verletzt werden, dazu führen müsste, dem Verfasser dieses Gesetzes zu sagen: Ein Gesetz, das so viele Artikel der Bayerischen Verfassung verletzt, darf insgesamt nicht in Kraft treten?
Frau Kamm, Sie sprechen einen guten Punkt an. Ich glaube, Gesetzgeber sollten darauf achten, dass sie Gesetze machen, die der Verfassung nicht widersprechen. Ich habe es langsam satt – ich meine, wir können hier gerne immer weitermachen –, dass die Opposition vor das Verfassungsgericht ziehen und permanent Gesetze, die nicht verfassungskonform sind, einkassieren lassen muss. Das kann doch nicht Ihre Absicht sein.
Prüfen Sie deswegen selbst noch einmal die Verfassungskonformität. Das geht darüber hinaus, so wie Sie auch erwähnt haben, Frau Kamm. Gehen Sie also