Natürlich wurde zu Recht debattiert; da nimmt man sich auch gerne Zeit. Hier gibt es ein Schauspiel, nur um die Aufmerksamkeit der Medien zu bekommen, und das gegen die Interessen Ihrer eigenen Wähler. Der Fraktionsvorsitzende, unser Thomas Kreuzer, hat es ja ausgeführt: 98 % der Anhänger der FREIEN WÄHLER – das wundert uns jetzt nicht –, 95 % der SPD-Anhänger, 78 % der GRÜNEN-Anhänger sagen: Leitkultur ist richtig; die Inhalte der Leitkultur sind für unser Volk, für unser Land wichtig.
Denken Sie, wenn Sie sich diese Zahlen anhören, einmal darüber nach, ob Sie mit Ihrer Anschauung nicht wirklich danebenliegen. Ich könnte Sie ja noch verstehen, wenn Sie das ernsthaft betreiben und aus Überzeugung tun würden. Aber ich glaube schon lange nicht mehr, dass Sie von dem, was Sie vortragen, überzeugt sind; denn dafür ist es zu irreal.
Ich darf Ihnen noch eines sagen: Der sprachliche Extremismus, den Sie pflegen, und das Spalten, das Sie ständig betreiben, sind der Grund, warum die Meinungen in unserer Gesellschaft so weit auseinandergehen. Sie heizen die Stimmung auf und verschärfen die Debatte, um davon parteipolitisch zu profitieren.
Wahrscheinlich hat der Gesetzentwurf der Staatsregierung nur den einen Fehler, dass er keine Integrationskurse für die Abgeordneten und Funktionäre von SPD und GRÜNEN vorsieht.
Sie haben offensichtlich ein Problem, die Meinung der großen Mehrheit in unserer Gesellschaft wahrzuneh
men. Sie haben ein Problem, mit Ihrer politischen Meinung zu überzeugen. Deshalb veranstalten Sie dieses Spektakel. Da muss man fragen: Sind Sie eigentlich in Ihrer eigenen Anhängerschaft und in Ihrer eigenen Wählerschaft überhaupt noch integriert? – Da dürften Sie einiges tun, und nur dann, wenn Sie es tun, haben Sie eine Chance, wieder als ernsthafte politische Kraft wahrgenommen zu werden.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Begriff der Leitkultur wird von Ihnen bewusst diffamiert, obwohl er so wichtige Werte wie Gleichberechtigung, Menschenwürde und auch Achtung vor dem umfasst, was wir hier vorfinden. Sie sagen immer, Brauchtum sei etwas Negatives.
Das ist nur ein kleiner Aspekt von vielen. Sie tun immer so, als wollten wir den Menschen Brauchtum vorschreiben,
als müssten die Zuwanderer sozusagen bayerisches Brauchtum leben. Wo steht denn das? – Es geht um Achtung vor diesem Brauchtum und nicht darum, es zu übernehmen, statt im eigenen Umfeld zu leben. Das hat noch niemand gefordert. Sie verstehen es bewusst falsch. Sie versuchen, die Begriffe bewusst falsch zu deuten, damit Sie daraus ein parteipolitisches Spektakel machen können.
Mir hat vor einiger Zeit ein Lehrer aus Augsburg eine Mail geschrieben und mich gebeten, ich soll ihm einmal erklären, was denn der Begriff "Leitkultur" bedeutet. Die Tendenz gegenüber dem Begriff war in der Mail eher negativ. Ich habe ihm dann die Präambel unseres Gesetzentwurfs geschickt, und er hat mir darauf geantwortet, die Begriffe seien ja zutiefst positiv. Wenn das so sei, könne er das für sich durchaus akzeptieren und übernehmen. Sie sehen, wenn man nicht nur Propaganda macht, wie Sie das tun, sondern die Texte mit gutem Willen liest, merkt man, wie Leitkultur zutiefst positiv ist und nicht, wie Sie von den GRÜNEN immer sagen, ein Kult. Es ist wirklich eine Leitkultur, die uns voranbringt, die uns bereichert und die auch für die Aufnahme von Neuem – aber für eine evolutionäre und nicht für eine revolutionäre Entwicklung – offen ist.
Nun liebt es ja die Opposition, zumindest die SPD und die GRÜNEN, mit Zitaten von ehemaligen, lange führenden Unionspolitikern um sich zu werfen und zu ver
suchen, damit einen Gegensatz zu dem herzustellen, was wir hier im Landtag beraten und was von uns wesentlich mitbestimmt worden ist. Sie betreiben ein bewusstes Scharfmachen und eine bewusste Ideologisierung der Debatte, indem Sie einzelne Bereiche herausgreifen und versuchen, sie gegen uns in Stellung zu bringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Ihnen ein Zitat von Helmut Schmidt vorlesen. Ich habe das in diesem Haus schon einmal gemacht; aber man kann es nicht oft genug machen, weil das Zitat sehr aussagekräftig ist. Helmut Schmidt sagt genau das, was wir auch sagen, nämlich:
Mit einer demokratischen Gesellschaft ist das Konzept von Multikulti schwer vereinbar. Vielleicht auf ganz lange Sicht. Aber wenn man fragt, wo denn multikulturelle Gesellschaften bislang funktioniert haben, kommt man sehr schnell zum Ergebnis, dass sie nur dort … funktionieren, wo es einen starken Obrigkeitsstaat gibt.
Meine Damen und Herren, das wollen wir nicht. Wir wollen die Menschen mit der Leitkultur positiv prägen. Wir wollen, dass sie sich auf unsere Leitkultur einlassen und dabei ihre Eigenheiten weiter leben können. Das wollen wir ja niemandem absprechen. Aber die Menschen müssen das akzeptieren und respektieren, was bei uns im Land sowohl von den Grundrechten her als auch von der kulturellen Prägung her wichtig ist und was die Menschen in unserem Lande wollen. Sie stellen sich Multikulti so vor, dass jeder macht, was er will, und meinen, die Verfassung allein würde schon ausreichen. Das ist viel zu wenig.
Schauen Sie sich die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln an. Ich habe dazu schon oft gesprochen, tue es aber gern noch einmal. Sie sagen ja auch alles drei-, vier- und fünfmal und werden es heute noch des Öfteren tun. Was in Köln passiert ist, waren zum Teil Straftaten. Dass sie schwer aufzuklären waren, weil sie nachts und in großen Menschenmassen passiert sind, will ich nicht kritisieren. Die Polizei in Köln macht sicher ordentliche Arbeit und tut ihr Möglichstes. Aber nicht alles, was in Köln passiert ist, waren Straftaten. Das Spießrutenlaufen, das Haberfeldtreiben oder wie immer Sie es bezeichnen wollen, das Dutzende und Hunderte grölender Männer betrieben und das Frauen erlebt haben, verunsichert zwar die Menschen, ist aber nicht strafbar. Ich sage Ihnen eines: Auch das will ich in unserem Lande – weder in Bayern noch in Deutschland – nicht erleben; denn das ist etwas, was gerade den Frauen Angst macht. Wenn Menschen,
bevorzugt Frauen, große Ängste haben, sich nicht mehr alleine heimzugehen trauen und sich nicht mehr alleine auf die Straße trauen, ist doch, muss man sagen, etwas schiefgegangen. Das kann man nicht allein mit Achtung der Rechtsordnung bewältigen. Dazu gehört mehr.
Da bin ich – das sage ich ganz ehrlich – von den GRÜNEN sehr enttäuscht; denn dieses Thema, das vielen Ihrer Frauen und vielen Ihrer Wählerinnen wichtig ist, spielt bei Ihnen keine Rolle mehr. Sie haben es völlig verdrängt. Das Gleiche gilt für die Stammwähler oder die ehemaligen Stammwähler der SPD, für die Arbeiter. Auch zu ihnen haben Sie keinen Bezug. Sie wissen nicht, was sie empfinden, wenn der Eindruck entsteht, als würde das, was wir in diesem Land für wichtig erachten, nicht mehr zählen. Sie müssen ihr Brot zum Teil hart verdienen, und hier wird uns immer erzählt, dass wir uns alles, was im letzten Jahr passiert ist, leicht leisten können. Nein, das können wir nicht, weder finanziell noch wirtschaftlich, aber auch nicht von der Integrationskraft her.
Deshalb unser Gesetz zum Thema Leitkultur und deshalb auch die Forderung einer Obergrenze, zu der ich weiter nichts sagen will. Sie kennen ja das Thema. Wir tun das Nötige, um allen Menschen, die zu uns kommen und in unserem Land bleiben dürfen, ein gutes Ankommen zu gewährleisten und ihnen die Grundlagen mitzugeben, die sie brauchen, um sich integrieren zu können. Das ist die Grundlage unseres Gesetzes. Aber wir wollen auch den Menschen, die schon lange hier sind und gerne hier leben, entweder als Zuwanderer oder als Einheimische, zusichern, dass wir wissen, was ihnen wichtig ist. Wir werden alles tun, um das zu sichern, was unseren Mitbürgern und Mitmenschen wichtig ist, und wollen das auch in die große Zahl der Migranten tragen und ihnen sagen: Nehmt unsere Leitkultur an! Dann habt ihr alle Möglichkeiten, euch in unserem Land gut zu entfalten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sagen: Ja, Bayern braucht ein Integrationsgesetz. Deswegen haben wir auch schon mehrfach Vorstöße für ein Integrationsgesetz hier im Land Bayern unternommen; diese haben aber leider bis jetzt noch nicht Ihre Zustimmung gefunden. Wir brauchen ein Integrationsgesetz, das Rahmenbedingungen für ein gelingendes Miteinander und für ein gelingendes Zusam
menleben aller Bürgerinnen und Bürger in Bayern mit und ohne Migrationshintergrund im gegenseitigen Respekt schafft und Rassismus und fremdenfeindliche Einstellungen bekämpft. Wir stehen für ein gelingendes Zusammenleben auf der Basis gegenseitiger Wertschätzung und ein gleichwertiges Miteinander und nehmen es nicht länger hin, dass Menschen, wie es leider in Bayern der Fall ist, allein wegen ihrer Herkunft schlechtere Bildungschancen, einen schlechteren Zugang zum Gesundheitswesen und einen schlechteren Zugang zum Arbeitsmarkt haben, in einer schlechteren wirtschaftlichen Situation leben und überdurchschnittlich häufig von Armut im Alter betroffen sind. Wir müssen hier gegensteuern. Dazu brauchen wir ein Integrationsgesetz. Wir brauchen auch ein Integrationsgesetz, um Migrantinnen und Migranten besser an Entscheidungen hier im Lande zu beteiligen. Auch dies fehlt in Ihrem Gesetzentwurf komplett. Setzen wir uns für ein gleichberechtigtes Miteinander auf der Basis unserer demokratischen Grundordnung, auf der Basis unserer Verfassung und auf der Basis der Werte unserer Bayerischen Verfassung ein!
Unsere Bayerische Verfassung bildet den richtigen Rahmen für ein gelingendes Zusammenleben aller Bürgerinnen und Bürger in Bayern.
Unsere Bayerische Verfassung hat noch einen weiteren großen Vorteil, den Ihr Gesetzentwurf leider nicht hat: Sie ist sehr verständlich geschrieben. Jede Bürgerin und jeder Bürger und jeder Zugewanderte mit B1-Kenntnissen ist in der Lage, diese Bayerische Verfassung zu lesen und zu verstehen. Wir haben bei den Beratungen in den verschiedenen Ausschüssen immer wieder festgestellt, dass selbst die Kolleginnen und Kollegen dieses Hauses die konkreten Folgen der unterschiedlichen Artikel nicht abschätzen und benennen konnten und Ihnen diese Folgen immer noch nicht klar sind. Darum haben die Sitzungen auch so lange gedauert. Deswegen war die Beratung sehr lange und sehr umfangreich.
Wir stellen fest, dass die Konsequenzen, die auf die unterschiedlichen Einrichtungen, zum Beispiel die Medieneinrichtungen, Kindertagesstätten usw. zukommen werden, den Trägern dieser Einrichtungen auch heute noch nicht klar sind. Dieses Gesetz verunsichert viele. Herr Kollege Zellmeier, Sie haben vermutlich noch nicht viel mit Migrantinnen und Migranten gesprochen. Dieses Gesetz verunsichert auch Migrantinnen und Migranten, die schon sehr lange da sind. Diese Migrantinnen und Migranten ärgert die Sprache dieses Gesetzes und deren ausgrenzender Duktus.
(Kerstin Schreyer (CSU): Wir reden mit den Leuten genauso wie Sie! Wir haben aber eine unterschiedliche Wahrnehmung!)
Diesen Eindruck habe ich nicht; denn sonst wäre es nicht zu diesem Gesetzentwurf gekommen, Frau Kollegin.
Wir erleben, dass dieser Gesetzentwurf draußen mit großem Unverständnis aufgenommen wird. In den Beratungen haben wir erlebt, dass viele Kolleginnen und Kollegen von Ihrer Seite in den Ausschüssen sprachunfähig waren, was diesen Gesetzentwurf angeht. Das bedeutet, dass Sie mit den Migrantinnen und Migranten vermutlich noch nicht über diesen Gesetzentwurf gesprochen haben. Diese fordern massiv bessere Partizipations- und Mitwirkungsmöglichkeiten ein. Wo sind diese Möglichkeiten? Wann haben Sie auf die vielen Vorschläge des Sachverständigenausschusses gehört? Diese Vorschläge sind nicht eingeflossen. Sie haben aus diesen Vorschlägen keine Änderungen und Verbesserungen in den Gesetzentwurf eingebracht.
Wir brauchen einen Neustart. Wir brauchen ein Integrationsgesetz, das eint und das die vielfältigen Akteure in Bayern, die sich für Integration einsetzen, dabei unterstützt. Das sind zunächst einmal die Ehrenamtlichen.
Das sind die Migrantinnen und Migranten selbst. Das sind Migrantenorganisationen. Das sind Flüchtlinge. Das ist die Wirtschaft. Das sind die Kirchen und die Kommunen. Dort findet Integrationsarbeit statt. An welcher Stelle des Gesetzentwurfs hören Sie auf die Stimme derer, die die Hauptarbeit bei der Integration leisten? – Nirgendwo. Sie haben auch deren Anmerkungen in dem Verfahren nicht zur Kenntnis genommen, sondern diese Anregungen ignoriert.
Ein gutes Integrationsgesetz erleichtert diesen Menschen die Arbeit. Sie aber erschweren diesen Menschen diese Arbeit. Ein gutes Integrationsgesetz ist ein Gesetz, das eint. Ihr Gesetz ist aber ein Trennungsgesetz, ein Verunsicherungsgesetz, ein Spaltungsgesetz. Meine große Befürchtung ist, dass dieses Gesetz, wie es hier diesen Landtag spaltet, später auch die Gesellschaft in Bayern spalten wird, wenn Sie dieses Gesetz in die Kommunen bringen und die
Dieses Gesetz wird das Land spalten. Dieses Gesetz ist ein schlechtes Gesetz. Stimmen Sie bitte diesem Gesetz nicht zu, und ermöglichen Sie uns einen Neustart für ein besseres, gemeinsames Integrationsgesetz. Frau Kollegin Guttenberger, Sie glauben, Sie hätten es hinter sich, wenn Sie irgendwann heute Abend diesem Gesetz zugestimmt haben. Dann geht aber der Ärger erst richtig los. Das ist das Problem, das Sie haben. Ich möchte Sie vor diesem Problem bewahren.
Vielen Dank. – Jetzt kommt für die Fraktion der FREIEN WÄHLER Herr Kollege Dr. Fahn. Bitte schön, Herr Kollege.