Protokoll der Sitzung vom 22.02.2017

(Jürgen W. Heike (CSU): Stimmt doch gar nicht!)

Außerdem habe ich einiges zu den Sicherheitsberichten des UNHCR und anderen Organisationen vorgetragen. Ich habe gesagt, dass das Rote Kreuz seine Arbeit ausgesetzt hat. Nur noch wenige Hilfsdienste können den Menschen in der Not helfen. Es gibt zwei Millionen Binnenvertriebene. Im Land gibt es eine große Unsicherheit. Die aus Bayern abgeschobenen Flüchtlinge befinden sich in einer schwierigen Situation. Sie müssen sich verstecken. Einer ist in einem angeblich sicheren Gebiet bei einem Attentat verletzt worden. Bitte nehmen Sie die aktuelle Sicherheitsgefahr in Afghanistan zur Kenntnis, und tun Sie nicht so, als wäre Afghanistan ein Land wie jedes andere.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kamm, für Sie habe ich schon fast Verständnis, weil Sie es einfach nicht verstehen wollen. Leider habe ich nicht die Redezeit, um Ihnen den gesamten UNHCR-Bericht vorzulesen. Dort ist durchaus zu lesen, dass es sichere Gebiete gibt. Ich nehme mir hier und heute das Recht heraus, Ihnen eines zu sagen: Wir haben junge deutsche Soldaten in Afghanistan, die sich darum kümmern, Gebiete in Afghanistan zu sichern. Diese Soldaten haben ihre Arbeit nicht aufgegeben.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Straub. – Für die SPD-Fraktion hat sich noch Herr Kollege Rosenthal zu Wort gemeldet. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Debatte, die wir in diesem Haus führen, richtet sich nicht an die Bundesregierung. Die Hauptargumente meiner Kollegin waren klipp und klar und richteten sich an die Adresse der Staatsregierung. Ich finde es bemerkenswert, dass Herr Kollege Straub auf die zentralen Argumente meiner Kollegin nicht eingegangen ist.

(Beifall bei der SPD)

Hat er sich drücken wollen? Es geht nämlich – das ist uns bewusst – um § 60a des Aufenthaltsgesetzes und eine zeitweise Aussetzung der Abschiebung. Nichts anderes war der Schwerpunkt der Diskussion. Herr Kollege Straub, dazu haben Sie nichts gesagt. Sie sind ausgewichen und haben ihre üblichen MantraSprüche vorgebracht. Sie sagten, unser Minister sei in der Bundesregierung. Das ist immer wieder dasselbe. Wenn Sie konkret werden sollen, kneifen Sie.

(Beifall bei der SPD)

Unser Dringlichkeitsantrag trägt den Titel "Abschiebungen nach Afghanistan umgehend aussetzen!". Er bezieht sich auf § 60a des Aufenthaltsgesetzes. Sie sind die Staatsregierung. Wenn ich mich nicht täusche, sind Sie das seit mehreren Jahrzehnten. Sie sollen handeln. Sie sollen sich die Schicksale anschauen. Erzählen Sie nichts über sichere Gebiete. Erzählen Sie nichts über die Bundeswehr, die die Sicherheit gewährleistet. Lesen Sie die Ausführungen Ihrer Bundesverteidigungsministerin zur Sicherheitslage in Afghanistan. Wenn man in diesen Ländern gelebt hat, dann weiß man, wovon man redet.

(Widerspruch bei der CSU)

Sie kneifen und nehmen die Aktivitäten und Einlassungen der Industrie- und Handelskammern und Flüchtlingshelfer nicht ernst.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Sie schieben alles weg und drücken sich vor der Verantwortung für die konkreten Schicksale, auf die wir immer wieder auch im Ausschuss Bezug nehmen. Es geht um nichts anderes. Die anderen Bundesländer machen es sich nicht einfacher. Sie im Freistaat Bayern bewerten die Lage, wie es Ihnen im Augenblick passt. Warum? – Ihnen geht es um die Hoheit an den

Stammtischen. Sie wollen dicke Muskeln und Stärke zeigen, wo Menschlichkeit gefragt wäre.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Rosenthal. – Frau Präsidentin Stamm hat sich zu Wort gemeldet. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich zunächst für den Anfang der Debatte bedanken. Zu Beginn sind die Argumente wirklich ausgetauscht und die Anträge begründet worden. Wir hätten es dabei belassen sollen.

Herr Kollege Rosenthal, ich möchte Ihnen etwas sagen. Sie unterstellen uns immer wieder unterschwellig, dass wir nicht bereit wären, uns mit Einzelschicksalen zu beschäftigen.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin nicht bereit, Ihren Vorwurf hinzunehmen, dass wir die Argumente der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern nicht ernst nehmen würden. Herr Kollege Rosenthal, zwischen uns besteht vielleicht nur ein Unterschied. Wenn Sie sich um Einzelschicksale kümmern, bedienen Sie die Presse.

(Widerspruch bei der SPD – Zuruf des Abgeord- neten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD))

Herr Kollege Pfaffmann, Sie wissen überhaupt nicht, wovon ich rede.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Rosenthal, wir sollten mit den Unterstellungen aufhören. Wir haben mit Herrn Staatssekretär Eck – Herr Kollege Sandro Kirchner war auch dabei – in der IHK Würzburg mit der Handwerkskammer stundenlang gute Gespräche geführt. Sie werden staunen, wenn ich Ihnen sage, dass Vertreter vieler Betriebe anwesend waren, mit denen wir die einzelnen Probleme bis ins Detail besprochen haben. Dort ist zugesagt worden, dass man in dem einen oder anderen Fall in die Überprüfung hineingeht. Herr Kollege Rosenthal, ich bitte Sie und uns alle, uns nicht gegenseitig den guten Willen abzusprechen. Ich bitte uns alle in diesem Haus, davon auszugehen, dass unsere Gespräche von Menschlichkeit, Humanität und Verantwortung geprägt sind. Unsere Aufgabe ist jedoch auch, die bestehenden Gesetze einzuhalten. Ich bitte Sie, in diesem Hohen Haus keine einseitigen Debatten zu führen.

Ich sage jetzt ein ganz offenes Wort. Wenn Sie mich fragen: Ich bin auch der Meinung, dass, was Afghanistan anbelangt, hier noch einmal überlegt werden muss. Dieser Meinung bin ich auch.

(Volkmar Halbleib (SPD): Da sind wir doch schon weiter!)

Herr Kollege Rosenthal, das kann man jedoch in einem anderen Stil tun. Das darf man nicht unserem bayerischen Innenminister vorwerfen. Das muss auf die Tagesordnung der Innenministerkonferenz gesetzt werden. Wir werden hören, was die Innenministerkonferenz dazu sagt. Wir werden zur Kenntnis nehmen, worauf man sich verständigt. Wir werden nur das durchführen können, was rechtens ist. Dabei dürfen Einzelschicksale nicht außer Acht gelassen werden. Damit sollten wir uns intensiv beschäftigen.

Eines wurde ganz deutlich: Es sind auch unsere Soldatinnen und Soldaten, die bis zum heutigen Tag in Afghanistan ihre Verantwortung wahrnehmen. Das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich unterstreichen und deutlich machen.

(Beifall bei der CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, in Afghanistan sind schon Soldatinnen und Soldaten verwundet, schwerstverletzt und auch getötet worden, weil sie dort Verantwortung wahrgenommen haben, um Menschen vor Krieg, vor Terror und vor allem, was dort an Schrecklichem passiert, zu schützen. Wenn wir in diesen Dingen aber nicht mehr auf die Gemeinsamkeit der Demokratinnen und der Demokraten bauen können, dann frage ich mich: Wer soll uns dann noch verstehen, liebe Kolleginnen und Kollegen? Wer soll uns verstehen, wenn wir uns hier im Parlament nicht zur Gemeinsamkeit entschließen, wenn wir nicht verantwortungsbewusst miteinander umgehen und miteinander diskutieren? Ich bitte doch, davon Abstand zu nehmen zu sagen: Wir sind die Christlichen, das sind die Unchristlichen, oder: Wir sind die Menschen, die anderen sind die Inhumanen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir ein persönliches Anliegen, dass wir solch wichtige Themen unserer Gesellschaft hier so diskutieren, wie es unserer Verantwortung angemessen ist. Darum möchte ich bitten.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Frau Präsidentin, vielen Dank für Ihren Wortbeitrag. – Wir haben zwei Zwischenbemerkungen, zunächst Herr Kollege Rosenthal.

Frau Kollegin Stamm, Sie haben auf mich Bezug genommen und gesagt, dass ich das über die Presse austeile.

Ich habe den ersten Satz unseres Dringlichkeitsantrags wortwörtlich vorgelesen. Bemerkenswert und hoffnungsvoll finde ich Ihre Aussage, dass wir gemeinsam über die Abschiebung von Afghanen nach Afghanistan nachdenken sollten. Nichts anders hat auch die Kollegin eben vorgetragen. Sie hat sich dafür ausgesprochen, nach § 60a eine Aussetzung für drei Monate wirksam werden zu lassen. Das ist nichts anders als eine Denkpause an dieser Stelle für eine Sicherheitsprüfung und für vieles mehr. Den Bezug, den Sie herstellen wollen, dass ein afghanischer Flüchtling nicht abgeschoben werden konnte, trifft nicht zu. Es war nicht das Verdienst von Einflussnahmen. Er sollte zweimal abgeschoben werden, er war zu dem Zeitpunkt aber nicht dingfest zu machen. Das ist doch kein Erfolg.

Ich verhehle nicht Ihre Aktivitäten, auch nicht die in Ihrer Fraktion, und es ist wohltuend und von Ihnen auch mutig, hier eine andere Position zu vertreten. Darüber brauchen wir uns nicht näher zu unterhalten. Ich schätze es auch sehr, dass Sie mit der Industrie- und Handelskammer und mit der Handwerkskammer das Gespräch am Runden Tisch gesucht und sich dafür die Zeit genommen haben, deren Position anzuhören. Die Wirklichkeit ist aber tagtäglich eine andere.

Bei dem Fall, den wir im Petitionsausschuss gehabt haben, hat Ihr Fraktionskollege aus einer völlig falschen Akte vorgelesen. Er hat uns als Erstes erzählt, dass es sich um einen mehrfach vorbestraften Täter handelt. Das stimmte nicht. Dann kam die Bemerkung: Na, dann müssen wir aus einer anderen vorlesen. Ich meine, das ist keine sorgfältige Vorbereitung. Das zeigt nicht gerade, dass man auf der Höhe ist.

(Zuruf von der CSU: Lächerlich!)

Noch zwei Minuten.

Das ist meine Einlassung an dieser Stelle gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Rosenthal, ich habe zunächst auf Ihren Vorwurf uns gegenüber Bezug genommen, wir würden die Argumente der Industrie- und Handelskammer und der Handwerkskammer nicht ernst nehmen. Darauf habe ich Ihnen geantwortet, dass wir nicht nur mit den Kammern im Gespräch sind, sondern auch mit den Betrieben, die junge Menschen beschäftigt haben, und zwar nicht

erst seit gestern, sondern schon seit Jahren. Wir setzen uns damit im Einzelnen auseinander. Das war das eine.

Zum anderen habe ich nicht zum Ausdruck gebracht, dass man drei Monate aussetzen und diese drei Monate dann nutzen soll. Ich habe vielmehr dafür plädiert – wie das auch im Antrag der FREIEN WÄHLER zum Ausdruck kommt –, und das ist meine persönliche Meinung – meine Fraktion wird mir nachsehen, dass ich diese persönliche Meinung habe –, dass es nicht schadet, sondern meiner Meinung nach wichtig wäre, dass sich die Innenminister nicht nur Gedanken machen, sondern ernsthaft prüfen, ob hier neu gedacht werden muss. Die Situation in Afghanistan ist tatsächlich nun einmal so, dass man nicht mit Sicherheit sagen kann, dass es dort sichere Orte gibt, an die man zurückführen kann. Das habe ich zum Ausdruck gebracht.

Als Drittes habe ich darum gebeten, dass man in diesem Haus die Gemeinsamkeit herbeiführt, die wichtig und notwendig ist. Wenn die Debatte nämlich weiter in dieser Weise geführt wird, dann dient das uns allen nicht. Wir alle werden davon nicht profitieren. Wir dürfen uns nicht gegenseitig Schuld zuweisen. Recht und Gesetz sind das eine; das andere ist die Frage, was wir für die Menschen tun können, die jahrelang hier sind.

(Beifall bei der CSU)

Frau Präsidentin, wir haben noch eine Zwischenbemerkung von Herr Kollegen Stümpfig. Bitte schön.

Frau Stamm, ich bedanke mich dafür, dass Sie klar und deutlich gesagt haben, Sie sind für eine Neubewertung der Sicherheitslage in Afghanistan. Sie sind dafür, dass die Innenministerkonferenz eine neue Bewertung vornimmt. Alle in diesem Raum haben das gehört, und ich hoffe, dass das auch die Meinung Ihrer Fraktion ist.

Das ist meine persönliche Meinung, Herr Kollege!

Uns geht es nicht, wie Sie gesagt haben, um irgendwelche Eitelkeiten. Uns geht es um Menschen. Deshalb habe ich noch einmal das Wort ergriffen. Bei uns im Petitionsausschuss haben wir jede Woche zwei bis drei Fälle von Flüchtlingen aus Afghanistan auf der Tagesordnung. Leider ist es so, dass wir zwar die Möglichkeit hätten, Fälle an die Härtefallkommission zu überweisen. Letzte Woche war das beispielsweise der Fall von Hasibullah Afzali Diesen Fall hätten wir an die Härtefallkommission verweisen können. Seit aber Martin Neumey