Protokoll der Sitzung vom 22.02.2017

Erlauben Sie mir daher bitte auch die eine oder andere Vorbemerkung. Was zeichnet denn, Kolleginnen und Kollegen, eine gute Politik aus? – Eine gute Politik zeichnet letztlich aus, dass sie mit den Menschen und für die Menschen gemacht wird – wenn es geht, auch mit den Betroffenen. Sie darf nicht über ihre Köpfe hinweg und gegen ihren Willen gemacht werden.

Entschuldigen Sie, Frau Gesundheitsministerin, Gesundheitspolitik in Bayern bedeutet genau das seit einigen Jahren, nämlich Politik über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Dabei können wir FREIE WÄHLER nicht mitgehen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich nenne einige Beispiele. Erstes Beispiel: Beim Rettungsdienstgesetz sind die Ärzteverbände nicht gefragt worden.

(Bernhard Seidenath (CSU): Krebsregistergesetz!)

Wenn es nach Ihnen gegangen wäre, wären Hausärzte bis heute noch nicht Ärztliche Leiter Rettungsdienst.

Zweites Thema: Pflegekammer.

(Bernhard Seidenath (CSU): Krebsregistergesetz!)

Der zukünftige Ministerpräsident Söder hatte damals eine Umfrage in Auftrag gegeben, die 50 % Zustimmung der Pflegenden zu dieser Pflegekammer ergeben hat. Was macht das Ministerium? – Keine Pflegekammer. Das war wiederum Politik gegen die Betroffenen und über ihre Köpfe hinweg.

(Bernhard Seidenath (CSU): Sprechen Sie zum Krebsregistergesetz!)

Sie haben vorhin zehn Minuten über andere Themen gesprochen. Erlauben Sie mir jetzt, zwei Minuten zu diesen Themen zu sprechen.

Drittes Beispiel: Die Verlagerung des Gesundheitsministeriums nach Nürnberg wurde auch über die Köpfe aller Betroffenen hinweg entschieden. Es war nach meiner Kenntnis ein weltweit einmaliges Ereignis, ein Ministerium aus einer Hauptstadt und dem Regierungssitz in eine andere Stadt zu verlegen.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Baumgärtner (CSU))

Aber wir machen das in Bayern, wenn Staatsminister Söder das Händchen führt.

Kolleginnen und Kollegen, jetzt komme ich zum Bayerischen Krebsregistergesetz. Dieses Gesetz ist notwendig. Wir hatten entsprechende Vorgaben des Bundes. Natürlich muss man Daten zusammenführen und auswerten. Das ist überhaupt keine Frage. Darüber haben wir uns einvernehmlich ausgetauscht.

Die Frage ist jedoch, wie man diesen Gesetzentwurf gemacht hat. Warum sind nicht frühzeitig – ich wiederhole die Frage noch einmal – die betroffenen und gut arbeitenden Krebsregister in Bayern und die Leistungserbringer einbezogen worden? Wir hatten übrigens schon 2013 einen Gesetzentwurf, mit dem die damaligen Betroffenen einverstanden waren. Er ist dann in der Schublade verschwunden. Warum das geschah, weiß ich nicht.

Es gab massive Kritik von allen Beteiligten. Ich lese die Organisationen vor, weil sich nicht alle intensiv mit dem Thema beschäftigt haben: Gegen diesen Gesetzentwurf haben sich die Deutsche Krebshilfe, die Bayerische Landesärztekammer, die ARGE der Kran

kenkassen, die regionalen Krebsregister Bayerns, die Deutsche Krebsgesellschaft, die Kassenärztliche Vereinigung, der Berufsverband der Pathologen, die deutschen Tumorzentren und Selbsthilfegruppen ausgesprochen. Es gab eine Petition von fast 2.000 Bürgern.

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Hört, hört!)

Angesprochen wurde bereits, dass der Landesbeauftragte für den Datenschutz ganz klar sagt, dass dieses Gesetz mit dieser Vorgehensweise damit seiner und der parlamentarischen Kontrolle entzogen sein wird. Kolleginnen und Kollegen, so geht es nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Bernhard Seidenath (CSU): Was haben Sie denn kritisiert? Nennen Sie Ross und Reiter!)

Natürlich nenne ich Ross und Reiter. So ein Vorgehen, Kollege Seidenath, kann sich offensichtlich nur eine Partei leisten, die seit 60 Jahren vermeintlich unangefochten an der Regierung ist. Aber das ist keine FREIE-WÄHLER-Politik.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Erst durch sehr großen Druck der Verbände und der Opposition wurde am 8. November die Anhörung durchgeführt. Aus meiner Sicht war das eine Alibiveranstaltung. Die zahlreichen Bedenken wurden bis heute nicht entkräftet.

Ich mache noch einige Anmerkungen zum Datenschutz. Ich war im Ausschuss. Ich war bei der Anhörung. Ich war im Landesgesundheitsrat. In seinem Tätigkeitsbericht, der vor einigen Tagen erschienen ist, schreibt der bayerische Datenschutzbeauftragte von erheblichen Bedenken bezüglich der Datensicherheit. Darin heißt es: Eine abschließende Bewertung der Organisationsstrukturen ist nicht möglich, weil die dazu im Gesetzentwurf getroffenen Regelungen nicht eindeutig und normenklar die Aufgaben und Befugnisse der beteiligten Stellen wiedergeben. – So weit der Datenschutzbeauftragte.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Jetzt entstehen Vertrauensstellen beim Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – LGL – zur Verschlüsselung der Daten. An den regionalen Stellen bei den Krebsregistern entstehen weitere Vertrauensstellen, um die Patientendaten depseudonymisieren zu können. Ich sehe dabei Probleme aufgrund der Nähe der Mitarbeiter, die Zugang zu den Patientendaten haben. Sie treffen auch andere Mitarbeiter. Sie sitzen beim Mittagessen mit anderen Mitarbeitern zusammen, die keinen Zugang haben sollten.

Da sehe ich ein erhebliches Konfliktpotenzial, zumindest aber eine ungünstige Konstellation.

In der Anhörung wurde uns ein Datenschutzkonzept versprochen. Wo ist das? – Das gibt es nicht; wir haben es schon gehört. Ich habe leider aufgrund meiner kurzen Redezeit nicht die Gelegenheit, das näher auszuführen.

Ich stelle die Frage: Wie kann ein Volksvertreter einem Gesetzentwurf zustimmen, in dem der Datenschutz in einem so sensiblen Bereich wie der Gesundheit nicht geregelt ist, Kolleginnen und Kollegen? Welcher Volksvertreter kann einem solchen Gesetzentwurf zustimmen? – Wir FREIE WÄHLER können dies jedenfalls nicht.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Es gibt weitere Bedenken, ob diese zentrale Struktur für etwa 12,7 Millionen Einwohner geeignet ist. Ein Prognos-Gutachten ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das nicht der Fall ist.

Die Meldepflicht ist schon angesprochen worden. Sie steht in einem Konflikt mit der ärztlichen Schweigepflicht. Die Kollegin Sonnenholzner hat die auftretenden Probleme schon geschildert.

Ich sehe einen erheblichen Bürokratiezuwachs und eine Verschlechterung der Datenqualität sowie letztlich einen geringeren Nutzen für unsere Krebspatientinnen und -patienten. Das ist der Punkt. Für diese zentrale Struktur des Krebsregisters gab es eigentlich keine Notwendigkeit. Die bereits vorhandenen sechs dezentralen Krebsregister haben hervorragend funktioniert.

(Bernhard Seidenath (CSU): Teilweise rechtswidrig!)

Damals war Bayern sogar die Blaupause für den Bund. Der Bund hat gesagt: Wir machen das so wie in Bayern. – Wir stellen das jetzt alles auf den Kopf.

Kolleginnen und Kollegen, Krebsbehandlung – das ist schon gesagt worden – ist keine einfache Aufgabe. Die Behandlungen sind langwierig, komplex und sensibel. An dieser Stelle brauchen wir weniger Bürokratie. Ich befürchte, mit dem neuen Krebsregistergesetz erreichen wir genau das Gegenteil. Außerdem befürchte ich, dass schnelle und praktikable Entscheidungen im Sinne der Patienten nicht mehr so wie bisher möglich sind. Deshalb werden wir FREIE WÄHLER dieses Gesetz in dieser Form ablehnen. Ziehen Sie das Gesetz zurück! Mir ist schon klar, dass es heute zu spät ist. Wir als Volksvertreter können

einem Gesetz, in dem wesentliche Teile nicht geregelt sind, nicht zustimmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Frau Kollegin Sonnenholzner hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Mich erinnert das ein wenig an den Sketch "Buchbinder Wanninger" von Karl Valentin. Geschätzter Herr Kollege Dr. Vetter, tatsächlich haben wir schon sehr oft versucht, die Argumente auszutauschen. Jetzt habe ich jedoch wieder meine Grenzen erkennen müssen. Herr Kollege Seidenath hat gesagt, er könne das nicht verstehen. Sehen Sie sich vielleicht in der Lage, ihm das Zitat aus dem Datenschutzbericht zu übersetzen, das im Zusammenhang mit der Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts steht? Dem Bericht ist Folgendes zu entnehmen:

Zumindest müsste zu den gesetzlichen Regelungen zugleich eine Rechtsverordnung vorliegen, die mindestens in der Zusammenschau klar erkennen lässt, wie das Bayerische Krebsregister organisiert ist und welche Stellen welche Aufgaben und Befugnisse, insbesondere datenschutzrechtliche Befugnisse, innehaben. Dies ist nicht der Fall.

Vielleicht sind Sie in der Lage, dem Kollegen zu erklären, was das Wort "zugleich" bedeutet und welche Handlungsoptionen für die CSU bestehen.

Frau Kollegin, vielen Dank für die Frage.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Sie waren meine einzige Chance!)

Wir beide und andere haben schon oft versucht, dies den Kollegen von der CSU zu erklären. Leider reicht meine Redezeit heute nicht aus, um das verständlich zu erklären. Ich glaube jedoch, sie wollen das nicht verstehen.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): Das liegt nicht an uns! )

Das ist der eigentliche Punkt. Ich bedauere das. Wir haben das auch schon in den Ausschüssen bedauert. Leider ist es so, wie es ist. Im Moment sind diejenigen, die die Leistungen erbringen und tagtäglich mit den Krebspatienten arbeiten, demotiviert.

Ob die Ausführungsverordnungen, die nachgereicht werden müssen, zur Zufriedenheit für uns Parlamentarier ausfallen, ist eine andere Frage. Wenn ich mir die Mehrheitsverhältnisse in diesem Parlament anschaue, komme ich jedoch zu dem Schluss, dass wir keine andere Möglichkeit haben.

Bitte bleiben Sie weiter am Rednerpult. Herr Kollege Seidenath hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Lieber Herr Kollege Dr. Vetter, liebe Frau Sonnenholzner, vielleicht kann ich nachhelfen, wenn Sie im Nebel herumstochern. Verfassungsrechtlich muss das Wesentliche gesetzlich geregelt werden.