Protokoll der Sitzung vom 14.03.2017

Ich lasse auch hier über die Ausschussvoten abstimmen. Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration bzw. für Staatshaushalt und Finanzfragen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind wieder alle Fraktionen. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Auch keine. Damit übernimmt der Landtag diese Voten. Die Anträge sind abgelehnt.

Es folgt nun noch die Abstimmung über die Anträge von Abgeordneten der CSU-Fraktion auf den Drucksachen 17/14996 bis 17/15000. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt Zustimmung. Beim Antrag auf Drucksache 17/14996 betreffend "Zugang Ehrenamtskarte erleichtern" empfiehlt der mitberatende Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen ebenfalls Zustimmung, allerdings mit der Maßgabe, dass der zweite Absatz eine Neufassung erhält.

Ich lasse auch hier über die Ausschussvoten abstimmen. Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration bzw. beim Antrag auf Drucksache 17/14996 mit dem Votum des mitberatenden Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, SPD, FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Keine. Enthaltungen? – Auch keine. Damit übernimmt der Landtag diese Voten. Den Anträgen ist somit zugestimmt worden.

Jetzt lasse ich zunächst in einfacher Form über den Antrag der Abgeordneten Weikert, Rauscher und anderer (SPD) betreffend "Ergebnisse der Anhörung ‚Jungsein in Bayern‘ ernst nehmen IX: Jugendwerkstätten stärker fördern!" auf Drucksache 17/14146 abstimmen. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Fraktionen der SPD, der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Der Antrag ist abgelehnt.

Jetzt folgt noch die namentliche Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Claudia Stamm und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Umsetzung der Ergebnisse der Enquete-Kommission ‚Jungsein in Bayern‘ I: Politische Bildungsarbeit für und mit jungen Menschen ausbauen" auf Drucksache 17/11616. Die Urnen für die Stimmkarten befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaals und auf dem Stenografentisch. Mit der Stimmabgabe kann nun begonnen werden. Hierfür stehen fünf Minuten zur Verfügung.

(Namentliche Abstimmung von 20.22 bis 20.27 Uhr)

Die fünf Minuten sind um. Die Abstimmung ist geschlossen. Das Ergebnis wird später bekannt gegeben.

Ich bitte, die Plätze wieder einzunehmen, damit wir mit der Sitzung fortfahren können.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Aus Tagesordnungspunkt 10 ist noch ein Antrag offen. Das ist der Antrag der Abgeordneten Bause, Hartmann, Kamm und anderer und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Staatliche Finanzierung der Jugendhilfekosten für unbegleitete junge Flüchtlinge auch nach Erreichen der Volljährigkeit sicherstellen", Drucksache 17/10665. Dieser Tagesordnungspunkt oder diese Debatte ist im Einvernehmen aller Fraktionen auf eine der nächsten Sitzungen verschoben. Der Antrag wird heute also nicht mehr beraten.

Ich rufe nun zur gemeinsamen Beratung die noch offenen Tagesordnungspunkte auf, die in der Sitzung am vergangenen Donnerstag nicht mehr beraten werden konnten und auf die heutige Sitzung verschoben wurden:

Antrag der Abgeordneten Doris Rauscher, Hans Ulrich Pfaffmann, Ruth Waldmann u. a. (SPD) Förderung von Jugendsozialarbeit an Schulen (Drs. 17/12732)

und

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Claudia Stamm u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Umsetzung der Ergebnisse der Enquete Kommission "Jungsein in Bayern" III Ausbau der Jugendsozialarbeit an Schulen (Drs. 17/11618)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt nach der Geschäftsordnung 24 Minuten. Die Redezeit der Staatsregie

rung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Erste Rednerin ist die Kollegin Rauscher. – Bitte schön, Frau Rauscher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jugendsozialarbeit an Schulen richtet sich an junge Menschen mit sozialen und erzieherischen Problemen, die zum Ausgleich von Benachteiligung bzw. zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße auf Unterstützung angewiesen sind. Ziel ist es, deren Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern. – So steht es in der Förderrichtlinie der Staatsregierung zur Jugendsozialarbeit.

Für uns Sozialdemokraten ist dabei zum einen durchaus ein flächendeckender Ausbau dieses wertvollen Angebots wichtig; denn für uns gilt: Egal, wo in Bayern ein Junge oder ein Mädchen zur Schule geht, muss er oder es, wenn erforderlich, passende Unterstützung bei der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit bekommen. Von einer Förderung an allen Schulen sind wir in Bayern, zumindest noch, weit entfernt. Das ist der Kernpunkt unseres Antrags, den wir heute als Hochzieher ins Plenum einbringen wollten, weil die Hoffnung, wie man so schön sagt, immer zuletzt stirbt; vielleicht tut sich heute noch etwas.

Wie gesagt, zum einen sind wir von der Förderung noch weit entfernt, zum anderen ist die Förderung an Grundschulen erst dann möglich, wenn eine Schule eine Quote von 20 % an Kindern mit Migrationshintergrund aufweist. Darum geht es heute im Kern bei dem Antrag. Für mich ist es nach wie vor nicht nachvollziehbar, wie die Staatsregierung davon ausgehen kann, dass nur Schulen genau ab einem bestimmten Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund zur Überwindung individueller Beeinträchtigungen Unterstützungsbedarf haben. Was ist, wenn eine Schule diese Quote gerade nicht erfüllt, wenn bei ihnen die Quote knapp unter 20 % liegt? – Dann bekommt sie diese Förderung des Freistaats nicht. Was ist, wenn Schülerinnen und Schüler das Pech haben, an einer Schule zu sein, die einfach zu klein ist und aus diesem Grund einfach nicht an die Quote herankommt? Ich bin mir sicher, in ländlichen Regionen oder strukturschwächeren Gebieten Bayerns gibt es durchaus Schulen mit einem deutlich zu geringen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund. Genau diesen Schulen bleibt dann die Förderung des Freistaats verwehrt.

Außerdem darf man sich durchaus die Frage stellen, wieso eigentlich gerade Kinder mit Migrationshinter

grund der Auslöser dafür sein sollten, dass es an einer Schule einen überdurchschnittlichen Entwicklungs- und Unterstützungsbedarf gibt; denn Kinder mit Migrationshintergrund sind nicht automatisch die Kinder, die eine besonders große Unterstützung erforderlich machen. Auch an Schulen ohne solche Kinder gibt es oft genug Kinder mit Unterstützungsbedarf, Kinder mit erhöhtem Aggressionspotenzial, Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten und Kinder, die leider nicht auf eine Unterstützung aus dem Elternhaus zählen dürfen. Es gibt Kinder, die keinen Migrationshintergrund haben und trotzdem bei ihrer Entwicklung begleitet und an die Hand genommen werden sollten. Sie alle werden mit einer willkürlichen Festlegung einer 20-prozentigen Migrationsquote völlig außen vor gelassen.

Das finden wir nicht richtig, und genau deshalb fordern wir die politische Entscheidung, dass die Quote von 20 % bei der Förderung von Jugendsozialarbeit an Grundschulen aufgehoben wird. Es geht uns mit unserer Forderung also gar nicht unbedingt darum, an allen Schulen nach dem Gießkannenprinzip wahllos Jugendsozialarbeit einzusetzen, sondern es geht uns um eine echte bedarfsgerechte Verteilung von pädagogischen Unterstützungsangeboten. Es geht uns auch nicht darum, die Förderung an der Erfüllung einer starren Quote festzumachen, sondern darum, den Blick individuell auf die Bedarfe der Schulen zu richten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir von der SPD sehen es durchaus positiv, dass die Staatsregierung ihr eigenes Ziel von 1.000 Stellen in der Jugendsozialarbeit an Schulen bereits ein Jahr früher als geplant erreichen möchte. Wir sind froh, dass dadurch die dringende Notwendigkeit dieser Form der Unterstützung anerkannt wird. Aber offenbar wird noch immer verkannt, wie groß die Nachfrage und der Bedarf gerade auch an Grundschulen wirklich sind.

(Beifall bei der SPD)

Der Stand im Sommer 2016 war so, dass Jugendsozialarbeit an 287 Grundschulen eingesetzt wurde. Damit konnten gerade einmal rund 12 % aller Grundschulen in Bayern von dieser Förderung profitieren. Deshalb möchten wir mehr in die Breite gehen, die Unterstützung mehr Schulen anbieten und, wie bereits mehrfach betont, die Quote aufheben. Niemandem – nicht den Schulen, nicht den Schulleitern und auch nicht den Kommunalpolitikern – leuchtet ein, warum die Förderung der Jugendsozialarbeit an Grundschulen genau an der Quote scheitern sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Noch kurz zu dem Antrag der GRÜNEN. Wir als SPDLandtagsfraktion stimmen ihm zu. Für den SPD-Antrag bitte ich heute um Zustimmung. Vielleicht haben Sie sich in den Wochen seit der Debatte im Sozialausschuss doch noch etwas bewegen können.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Rauscher. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Stamm. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Was muss eigentlich eine Sozialarbeiterin an einer bayerischen Schule denken, wenn sie die vollmundigen Aussagen von Finanzminister Söder hört, der sagt: Hach, Bayern kann sich ganz easy eine Rückkehr zu G 9 leisten, weil wir einfach so viel Geld haben und Bayern so ein reiches Land ist. Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, bei dem Thema, wer bei G 8/G 9 und der Rückkehr zu G 9 wie entscheidet, reagieren Sie heute wahrscheinlich besonders empfindlich. Was also muss eine Sozialpädagogin, die keine Festanstellung hat und immer nur von Schuljahr zu Schuljahr angestellt wird, bei diesen vollmundigen Aussagen denken?

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe jetzt zwei Hüte auf, einmal den der haushaltspolitischen Sprecherin und einmal den der jugendpolitischen Sprecherin. Als haushaltspolitische Sprecherin mahne ich immer wieder und ständig an, sich zu besinnen, was eigentlich staatliche Aufgabe ist und was nicht staatliche Aufgabe ist. Ich mahne das an bei den Ausgaben und bei den Subventionen, die der Staat gibt. Zum Beispiel ist die Förderung von Schneekanonen eindeutig keine staatliche Aufgabe, die aus unseren Steuergeldern bezahlt werden müsste.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Und was ist eine staatliche Aufgabe? – Sozialarbeit an Schulen ist es.

(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

Ganz offensichtlich ist jeder Cent, der in die Prävention gesteckt wird, viel wirksamer als der Cent, der danach in die "Reparatur" oder in die Bestrafung gesteckt werden muss; Förderung der Prävention ist viel günstiger. Studien zeigen: Jugendsozialarbeit an Schulen kann Gewalt verhindern. Eine Biografie wie die des Münchner Amoktäters, der unbemerkt von einer Schule zur anderen Schule wechselte und einfach durch das Raster gefallen ist – ich möchte ange

sichts der kurzen Redezeit darauf nicht ausführlich eingehen –, darf es eigentlich in einem so reichen Land wie Bayern nicht geben. Er wechselte von einer Schule an die andere und wurde extrem gemobbt. So etwas darf einfach nicht passieren.

Um es klar und deutlich zu sagen: Es ist eine Schande, wie wenig Geld Bayern für diese wichtige Aufgabe aufbringt. Im aktuellen Doppelhaushalt sind es im Jahr 2017 gerade einmal gut 17 Millionen Euro, und im nächsten Jahr sind es gut 18 Millionen Euro. Die Pauschale für eine vollzeitbeschäftigte Fachkraft beträgt knapp 16.400 Euro. Es ist eine Schande, wie viel Geld unsinnig in andere Bereiche fließt oder zumindest dahin, wo keine staatliche Aufgabe besteht.

Dann ist auch klar, dass es keinen politischen Willen gibt, die Jugendsozialarbeit an den Schulen zu stärken. Aber, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ich fordere Sie auf, diesen politischen Willen zu haben; denn es darf kein Kind und kein junger Mensch verloren gehen. Junge Menschen mit einem besonderen Bedarf zurückzulassen, kann sich Bayern weder sozialpolitisch noch volkswirtschaftlich erlauben.

Die Rahmenbedingungen für die Jugendsozialarbeit müssen verbessert werden für die jungen Frauen, die da arbeiten – okay, es gibt da auch ein paar junge Männer, aber hauptsächlich sind es junge Frauen –; denn man kann sich auf der einen Seite nicht immer beschweren, dass die jungen, gut ausgebildeten Frauen heutzutage immer weniger Kinder bekommen, und auf der anderen Seite als Staat nicht einmal bessere Rahmenbedingungen anbieten, sondern ständig befristete Arbeitsplätze für die jungen Menschen.

Es gilt, in die Jugendsozialarbeit zu investieren, damit die Lebensbedingungen und die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen positiv gestaltet werden. Kein Kind, kein junger Mensch darf verloren gehen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Stamm. – Jetzt hat noch einmal Frau Kollegin Gerlach das Wort; immer die gleiche Runde heute. Bitte, Frau Gerlach.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Jugendsozialarbeit ist ein wertvolles Instrument in der Zusammenarbeit von Schulen und Jugendhilfe und gewinnt immer mehr an Bedeutung, weil die Herausforderungen wachsen.

In § 13 des Sozialgesetzbuches VIII ist geregelt, dass die Jugendsozialarbeit eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe ist und keine Leistung im schulischen System. Das heißt, die Landkreise und die kreisfreien

Städte als Träger der öffentlichen Jugendhilfe sind originär für die Jugendsozialarbeit zuständig. Die Landkreise und kreisfreien Städte stellen den Bedarf fest und müssen diesen in eigener Zuständigkeit decken, unabhängig davon, ob der Freistaat im Rahmen der Jugendsozialarbeit an Schulen freiwillige Leistungen erbringt.

Der Freistaat Bayern unterstützt aber die Landkreise und kreisfreien Städte bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Er definiert dabei aber auch die Kriterien für seine freiwillige Unterstützung.