Die weiterführenden Schularten ab Jahrgangsstufe 5 sollten die politische Bildung nicht in die Mittel- und Oberstufe verlegen, sondern konsequent ab dem ersten Jahr projektbezogenes Arbeiten im Bereich der politischen Bildung anbieten. Hierzu ist es aber nötig, dass wir im bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz die notwendigen Vorgaben machen.
Die Landeszentrale für politische Bildungsarbeit sollte ihre Angebote in Richtung praktische Anwendungsfelder erweitern und vor allem für die Jugendarbeit praxistaugliche Konzeptmappen erarbeiten, mit denen die Jugendgruppenleiter in der Vorbereitungsarbeit spürbar entlastet werden.
Ich komme zu einem der am meisten diskutierten Punkte im Zusammenhang mit der politischen Teilhabe Jugendlicher, zur Absenkung des Wahlalters auf Landesebene in Bayern. Natürlich sind die Argumente dagegen nicht völlig von der Hand zu weisen. Wir haben aber auch zur Kenntnis zu nehmen, dass sich Jugendliche für Politik interessieren und einbringen wollen. Dies wurde in der Anhörung am 14. Juli 2016 überdeutlich. Besonders eindrucksvoll waren die Ausführungen des emeritierten Entwicklungspsychologen Prof. Rolf Oerter beim politischen Jahresauftakt des Bayerischen Jugendrings im Januar dieses Jahres in Gauting. Sein Fazit lautete: Es gibt entwicklungspsychologisch keine Hinweise darauf, dass Jugendliche über 16 im Hinblick auf Urteilsfähigkeit und Reife nicht in der Lage wären zu wählen. Daher ist es nur konsequent zu fordern, dass alle Erziehungseinrichtungen, die mit Kindern zusammenarbeiten, verpflichtet werden, demokratische Beteiligungsmöglichkeiten anzubieten.
Dies erzieht zu Eigenverantwortung, Selbststeuerung und zur Entwicklung von Konfliktlösungsstrategien.
Bei der Optimierung schulischer Strukturen liegen meine Partei und die in der Regierungsverantwortung stehende Partei so weit auseinander, dass ich diesen Punkt vor dem Hintergrund der Absicht, einen Konsens zu erzielen, zum Wohl unserer Kinder und Jugendlichen völlig ausklammern will. Stattdessen will ich mich auf die notwendigsten Änderungen beschränken, die unabhängig von schulischen Organisationsstrukturen realisierbar sind. Besonders augenfällig sind noch immer die mangelnde Beteiligung und tatsächliche Einbindung von Kindern und Jugendlichen in Entscheidungen und Planungen. Dies beginnt beim Lernen.
Maria Montessori und ihr Motto "Hilf mir, es selbst zu tun" haben noch immer viel zu wenige Schulen wirklich im Blick. Warum rücken wir die Kinder und jungen Leute nicht noch viel mehr in den Mittelpunkt? – Um sie geht es in der Schule, um niemanden anders! Sie sollten immer Vorrang haben. Warum entmündigen wir unsere Schülerinnen und Schüler selbst noch in einem Alter, in dem sie problemlos Verantwortung übernehmen können? Warum beteiligen wir die Schü
ler der Mittel- und Oberstufe nicht viel mehr an für sie wichtigen Fragen und Vorhaben, wie zum Beispiel an Kurseinteilung, Projektplanung oder Abschlussfahrt?
Warum entlasten wir die Lehrkräfte nicht durch die flächendeckende Jugendsozialarbeit an allen Schularten? Warum sorgen wir nicht für vernünftige Rahmenbedingungen, sondern belasten uns mit einer jahrelangen Debatte über G 8 oder G 9? Und noch schlimmer: Warum schweigen wir zu einer derzeitigen Pflichtstundenabdeckung von 80 % bis maximal 90 % an den beruflichen Schulen?
Wenn es uns nicht gelingt, auf diese Fragen schnell Antworten zu finden, verspielen wir die Zukunft der Schülerinnen und Schüler bzw. Auszubildenden, die unter so schwierigen Rahmenbedingungen ihre Schulzeit absolvieren müssen.
Ich war 30 Jahre lang in unterschiedlichsten Funktionen im bayerischen Schulwesen tätig. Eine Erfahrung aus der Arbeit mit jungen Leuten will ich heute herausstellen: Junge Menschen wollen ein Miteinander und kein Gegeneinander. Sie lernen im Laufe ihrer Schulzeit Gleichaltrige aus anderen Ländern und Kulturen kennen, und sie machen die Erfahrung, dass diese Mitschülerinnen und Mitschüler dieselben Bedürfnisse, Wünsche und Probleme haben wie sie selbst. Die Erziehung zu Toleranz, europäische Erziehung und Erziehung zu Offenheit gegenüber allen Kulturen dieser Welt tragen bemerkenswerte Früchte. Bestärken wir unsere Kinder und Jugendlichen auf diesem Weg. Sorgen wir parteiübergreifend für die Vertiefung der internationalen Jugendkontakte!
Jede Form der Verunsicherung in dieser gemeinsamen Frage ist kontraproduktiv. Menschenverachtende Slogans wie "deutsche Leitkultur statt Multikulti" verunsichern unsere Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zu einem friedlichen Europa und einer toleranten solidarischen Weltgesellschaft.
Toleranz und Offenheit sind auch die Garanten dafür, dass es uns gelingen möge, eine breite Akzeptanz für sexuelle Vielfalt zu erreichen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Diskriminierung von Menschen mit unterschiedlicher sexueller Orientierung gehört noch immer zum Alltag und nach meinen persönlichen Erfahrungen auch zum Schulalltag. Ich werbe daher für
Unsere wertvollen Partner bei der Unterstützung und Stärkung unserer Jugend, dieser zentralen, wenn nicht der zentralen Kernaufgabe unserer Gesellschaft, sind die Jugendverbände. Ich darf die Gelegenheit nutzen, mich bei allen Hauptberuflichen und Ehrenamtlichen in der Jugendarbeit zu bedanken. Uns im Parlament stellt sich die Frage, wie wir die Jugendverbände in ihrer wertvollen Arbeit aktiv und effektiv unterstützen können. Hier sehe ich durchaus mehr Möglichkeiten, als sie bisher praktiziert werden. Als die gesetzgebende Einheit in der Gewaltenteilung können wir die rechtlichen Voraussetzungen für Entwicklungen schaffen, die unserer Gesellschaft und Gemeinschaft zugutekommen.
Ein nach wie vor bedeutsames Thema ist die Freistellung von Arbeitnehmern und Studierenden zum Zwecke der Jugendverbandsarbeit. Unsere heutige Debatte und das verabschiedete Gesetz waren ein erster Schritt in die richtige Richtung, nicht mehr und nicht weniger.
Unser Antrag zum Aktionsprogramm für Flüchtlinge wurde einstimmig für erledigt erklärt. Ich bin darauf gespannt, ob jetzt die Regelförderung tatsächlich gesichert ist.
Ein weiterer wichtiger Meilenstein wäre der flächendeckende Ausbau der Jugendmigrationsdienste. Diese haben sich bestens bewährt. Leider gibt es in 20 bayerischen Landkreisen diesbezüglich noch überhaupt kein Angebot.
Am Beispiel der Ehrenamtskarte möchte ich zeigen, wie wichtig die Anerkennungs-und Wertschätzungskultur für die Arbeit im Ehrenamt ist. Da genügt es nicht, nur einen Prüfantrag zu stellen, inwieweit das alles im Rahmen der vorhandenen Stellen und Mittel zu bewerkstelligen sei. Wenn die Ehrenamtskarte ein ehrliches Dankeschön sein soll, dann muss sie auch attraktive Vergünstigungen enthalten, die richtig Geld kosten. Wer, wenn nicht Bayern, ist hierzu in der Lage?
Ich verweise auf unseren Gesetzentwurf zur Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in Bayern aus dem Jahr 2015.
Abschließen möchte ich mit dem freiwilligen sozialen und dem freiwilligen ökologischen Jahr. Als Lehrkraft und Schulleiter haben mir ehemalige Schülerinnen
und Schüler durchweg bestätigt, dass die Nutzung dieses Angebots für sie eine wichtige Erfahrung war. Ich möchte daher, dass dieses Angebot ausgebaut wird. Dieser Ausbau soll in zwei Richtungen erfolgen. Zum einen sollen die Einsatzbereiche erweitert werden, zum anderen sollten die Angebote auf bestimmte Zielgruppen besser zugeschnitten werden. Ich denke dabei an technische Herausforderungen für Menschen mit Behinderung und sprachliche Hürden bei Menschen mit Migrationshintergrund.
Wie Sie sehen, haben wir viel Arbeit vor uns, doch wir sollten uns diesen Herausforderungen stellen. Ich setze auf einen Wandel durch Unterstützung. Die dringend notwendigen Veränderungen können wir dadurch erreichen, dass wir Unterstützungsmaßnahmen kraftvoll umsetzen und auf jede Form von Alibihandeln verzichten. Wir brauchen Reformen und keine Reförmchen. Wir brauchen Politiker, deren Mut sich nicht auf Ankündigungen beschränkt, sondern die bereit sind, sich parteiübergreifend für die Stärkung unserer Jugend einzusetzen.
Die SPD-Fraktion im Bayerischen Landtag und ich als jugendpolitischer Sprecher meiner Fraktion stehen jederzeit für eine vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit zum Wohle unserer Jugend zur Verfügung.
Danke schön, Herr Kollege Woerlein. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Gerlach. Bitte schön, Frau Gerlach.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute ein ganzes Konglomerat von Anträgen, die unsere Jugend in Bayern betreffen. Gestatten Sie mir anfangs ein paar einleitende Gedanken.
Zurzeit gibt es viele Menschen, die aus verschiedenen Gründen sehr verunsichert sind; die allgemeine weltpolitische Lage gibt dazu viel Anlass. So geht es auch vielen jungen Menschen in Bayern; aber wenn ich an den Schulen zu politischen Diskussionen eingeladen bin, spüre ich von Politikverdrossenheit eigentlich nicht viel. Selbst wenn die Affinität zu einem Parteiengagement oft nicht vorhanden ist, so beschäftigen sich die Jugendlichen sehr wohl mit Themen, die uns alle umtreiben, wie mit dem Brexit, dem Verhältnis zu den USA oder ganz aktuell mit der Türkei, und sie stellen Fragen zur aktuellen Flüchtlingssituation.
Manch einer fühlt sich sehr ohnmächtig angesichts der großen Herausforderungen, aber gerade jetzt kommt es auf jeden Einzelnen an und vor allem auch auf unsere Jugend. Das Wichtigste, das wir als politisch Verantwortliche tun können, ist, die Weichen
richtig zu stellen und Rahmenbedingungen zu schaffen, die die jungen Menschen in die Lage versetzen, ihren Beitrag für unsere Gesellschaft eigenverantwortlich zu leisten. Dazu gehören aber nicht nur eine gute Bildungs- und Hochschulpolitik, sondern auch der Erhalt und der Ausbau von Wirtschaftsgrundlagen, eine solide und nachhaltige Finanzpolitik sowie Chancengerechtigkeit in allen Lebensbereichen.
Unsere Jugend in Bayern findet sehr gute Rahmenbedingungen im Freistaat vor, und die meisten sind mit den Möglichkeiten und Chancen, die sich ihnen bieten, sehr zufrieden. Natürlich kann man aber immer noch besser werden, und es gibt sicher immer aktuelle Bereiche, auf die man ein besonderes Augenmerk legen muss. Allerdings gilt es abzuwägen, welche Bereiche wirklich dringlich sind und unserer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen.
Die Opposition fordert die Staatsregierung unter anderem auf, ein Fachprogramm für geschlechtersensible Jugendarbeit bzw. einen Aktionsplan gegen Homophobie und für die Akzeptanz von sexueller Vielfalt vorzulegen. Davon abgesehen, dass der Bayerische Jugendring als übergeordneter Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit der Wahrnehmung der Aufgaben in der Jugendarbeit beauftragt ist und der BJR damit auch für die Auflage eines etwaigen Fachprogramms zuständig wäre,
fördert der BJR derzeit gezielt die Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt in der Jugendarbeit. Es gab bereits Fachprogramme zur Förderung der Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen und zur Förderung der Jugendarbeit und geschlechtsreflektierten Arbeit mit Jungen, die gute Ergebnisse erzielt haben, welche nun wiederum in die laufenden Tätigkeiten des Bayerischen Jugendrings einfließen.
Die geschlechtersensible Jugendarbeit findet durch Fachberatungen, Fortbildungen und Vernetzungen der relevanten Akteure statt. Homophobie ist natürlich heute auch noch ein Thema, und es ist richtig, junge Leute bei der Selbstfindung ihrer Identität und ihrer sexuellen Orientierung zu unterstützen, wenn sie verunsichert sind oder diskriminiert werden. Dafür stehen in Bayern Anlaufstellen zur Verfügung, bzw. es wird schon in der Kinder- und Jugendhilfe darauf geachtet, junge Menschen in ihrer Entwicklung so zu fördern, dass Benachteiligungen vermieden und abgebaut werden.
Als Anlaufstellen gibt es vor allem die Erziehungsberatungsstellen in ganz Bayern. Die 96 bayerischen Jugendämter der Landkreise und der kreisfreien Städte bieten den Kindern und Jugendlichen eine qualifizierte Beratung in allen Angelegenheiten der Erziehung und Entwicklung an, und die circa 180 Beratungsstellen stehen für Fragen im Zusammenhang mit sexueller und geschlechtlicher Orientierung qualifiziert zur Verfügung. Angesichts weiterer Herausforderungen, die sich den jungen Menschen in unserer Zeit stellen, muss man daher überlegen, ob es über das bisherige Angebot hinaus wirklich noch eines zusätzlichen Programms bedarf.
Der Bayerische Jugendring ist ein wichtiger Partner der Bayerischen Staatsregierung bei der Gestaltung und der Umsetzung der jugendpolitischen Ziele. Er selbst entscheidet, wie er sein Programm ausgestaltet. Das geförderte Projekt "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage" wird beispielsweise weiterhin getragen und auch von politischer Seite unterstützt. Bereits über 360 Schulen in ganz Bayern haben sich an diesem Projekt beteiligt.
Abgeleitet aus den Herausforderungen, die der demografische Wandel an uns alle stellt, wurde ein neues Fachprogramm "Demografie und Partizipation" etabliert. Dadurch soll die Partizipation junger Menschen gefördert werden, und ihnen soll ermöglicht werden, die Welt, in der sie leben und in der sie einen stetig kleiner werdenden Bevölkerungsanteil bilden, aktiv in ihrer Lebenswirklichkeit noch stärker mitzugestalten. Sie sollen Einflussmöglichkeiten real erfahren, und gerade das ist der richtige Ansatzpunkt. Wir müssen die Jugendlichen nicht nur thematisch abholen, sondern sie auch mitnehmen und motivieren, selbst aktiv zu werden.
Darin liegt das Problem. Es wird immer wieder angeführt, dass der Brexit heute nicht Wirklichkeit wäre, wenn allein die jungen Menschen zu entscheiden hätten, und auch Trump wäre heute kein Präsident, wenn es nach der jüngeren Generation ginge. Das Problem ist nur, dass viele der jungen Menschen nicht wählen gegangen sind. Es ist also ihrer eigenen Passivität geschuldet, dass über ihre Köpfe hinweg entschieden wurde, und dafür lassen sich leider auch in Deutschland Beispiele finden. Im Übrigen wird das auch nicht besser, wenn das Wahlalter herabgesetzt wird.
Wenn wir es wirklich ernst damit meinen, junge Menschen für politische Vorgänge, unsere Demokratie oder für das Wählen zu begeistern, fangen wir doch mit denen an, die zum Wählen gehen dürfen.
Wir müssen um die jungen Leute werben, und das meine ich jetzt nicht parteipolitisch, sondern in dem Sinne, dass wir ihnen klarmachen müssen, dass es um ihre Zukunft geht und es auch in ihrer Verantwortung liegt, wie es mit unserem Land, wie es mit Europa weitergeht. Wir müssen sie an politische Vorgänge heranführen, wie zum Beispiel in Jugendparlamenten, und wir dürfen sie auch nicht frustrieren oder abweisen, wenn sie auf kommunaler Ebene ein Projekt angehen, das noch nicht 100-prozentig ausgereift ist.
Jugendpolitik geschieht vor allem vor Ort in der Gemeinde und lässt sich am besten auch dort vermitteln. Die kommunale Jugendarbeit hat daher eine Schlüsselfunktion, die wir mit unserem Antrag unterstützen wollen. Die Überlegung soll sein, wie man die Jugendarbeit in Zukunft in Zusammenarbeit mit der kommunalen Ebene noch besser unterstützen kann, um eine eigenständige kommunale Jugendpolitik herausarbeiten zu können.