Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 109. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Wir tagen wieder in hälftiger Besetzung.
Ich darf aber darauf hinweisen, dass sich der Ältestenrat mehrheitlich für die Rückkehr zur Vollbesetzung im Plenum nach Ostern, also ab der Sitzung am 26. April, ausgesprochen hat.
Am 15. März ist im Alter von 73 Jahren der frühere Staatssekretär Jürgen W. Heike verstorben. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1994 bis 2018 an und vertrat die CSU im Stimmkreis Coburg. Neben seinem politischen Engagement war der Jurist als Rechtsanwalt und auch als Schiedsrichter für den DFB tätig. Bis zuletzt war er nichtberufsrichterliches Mitglied des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs. Von 2003 bis 2007 war er Staatssekretär im Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen und im Anschluss im Bayerischen Staatsministerium des Innern. Im Bayerischen Landtag gehörte er unter anderem dem Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit an und war viele Jahre Mitglied im Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen.
Jürgen W. Heike war ein bürgernaher, empathischer Politiker, der sich zeitlebens für ein soziales und sicheres Bayern starkgemacht hat. Für sein langjähriges, vielseitiges politisches und gesellschaftliches Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen und Orden, unter anderem die Staatsmedaille für besondere Verdienste um die bayerische Justiz, den Bayerischen Verdienstorden und die Bayerische Verfassungsmedaille in Gold.
Der Bayerische Landtag trauert mit seinen Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. –
Am 16. März ist im Alter von 84 Jahren Herr Hans Kolo verstorben. Er gehörte dem Bayerischen Landtag von 1970 bis 1998 an und vertrat die SPD im Stimmkreis München-Stadt und später im Wahlkreis Oberbayern. Nach seinem BWL-Studium arbeitete er zunächst als Handelslehrer und war dann über zehn Jahre Abteilungsleiter für Volkswirtschaft und Öffentlichkeitsarbeit bei einer großen Münchner Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaft. Hans Kolo war Sprecher der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Parteien im Alpenraum Er war ein überzeugter Sozialpolitiker und Freund klarer Worte.
Im Bayerischen Landtag war er insbesondere Mitglied im Ausschuss für Sozial- und Gesundheitspolitik sowie langjähriger stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Landesentwicklung und Umweltfragen. Für sein langjähriges breites politisches und gesellschaftliches Engagement wurde er unter anderem mit dem Bayerischen Verdienstorden, dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und der Bayerischen Verfassungsmedaille in Gold ausgezeichnet.
Der Bayerische Landtag trauert mit seinen Angehörigen und wird dem Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. –
Sie haben sich zum Gedenken an die Verstorbenen von den Plätzen erhoben. Vielen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Nach diesem Totengedenken darf ich in dieser Sitzung auch einem Geburtstagskind gratulieren. Zu einem runden Geburtstag, den sie am 28. März gefeiert hat, darf ich der Kollegin Petra Guttenberger gratulieren. Im Namen des Hohen Hauses wünsche ich ihr alles Gute, Gesundheit, Glück und Zufriedenheit.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, weise ich darauf hin, dass der Tagesordnungspunkt 8 "Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Martin Stümpfig u. a. (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur klimagerechten Modernisierung der Bereiche Wärmeversorgung und Gebäudeenergie (Bayerisches Wärmegesetz)" auf Drucksache 18/19043 auf Wunsch der Initiatoren von der heutigen Tagesordnung abgesetzt und vertagt wurde.
Außerdem gebe ich Folgendes bekannt: Wie Sie der Presse entnehmen konnten, haben die Abgeordneten Christian Klingen und Markus Bayerbach ihren Austritt aus der AfD-Fraktion erklärt und nehmen ihre Aufgaben nun als fraktionslose Mitglieder des Bayerischen Landtags wahr. Für Herrn Klingen und Herrn Bayerbach gelten einstweilen die Ihnen bekannten Regelungen, die der Ältestenrat am 3. April 2019 für fraktionslose Abgeordnete beschlossen hat und die bereits bei den weiteren fraktionslosen Mitgliedern des Hohen Hauses zur Anwendung kommen.
Infolge ihres Fraktionsaustritts wurden die Abgeordneten Christian Klingen und Markus Bayerbach von der AfD-Fraktion aus den Ausschüssen abberufen, für die sie von ihr als Mitglied benannt worden waren. Das heißt, Herr Klingen ist nicht mehr Mitglied im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz und Herr Bayerbach ist nicht mehr Mitglied im Ausschuss für Bildung und Kultus sowie im Ausschuss für Fragen des öffentlichen Dienstes.
Weiterhin wurden der Abgeordnete Markus Bayerbach als Mitglied im Landesbeirat für Erwachsenenbildung sowie als stellvertretendes Mitglied in der Kinderkommission und der Abgeordnete Dr. Ralph Müller als stellvertretendes Mitglied im Landesbeirat für Erwachsenenbildung abberufen.
Außerdem hat die AfD-Fraktion mitgeteilt, dass der Abgeordnete Oskar Atzinger heute als Mitglied aufgenommen wurde.
Schließlich gebe ich noch folgende Ausschussumbesetzungen der CSU-Fraktion bekannt: Frau Staatsministerin a. D. Carolina Trautner ist neues Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Pflege anstelle von Herrn Vizepräsidenten Karl Freller. Frau Staatsministerin a. D. Kerstin Schreyer ist neues Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft, Landesentwicklung, Energie, Medien und Digitalisierung anstelle von Herrn Staatssekretär Sandro Kirchner. Sie wurde am 17. März 2022 zugleich zur neuen Ausschussvorsitzenden gewählt. Frau Kollegin Trautner und Frau Kollegin Schreyer wünsche ich alles Gute und viel Erfolg in ihren neuen Tätigkeitsfeldern.
Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Jürgen Mistol u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN),
Florian von Brunn, Dr. Simone Strohmayr, Arif Tasdelen u. a. und Fraktion (SPD), Martin Hagen, Matthias Fischbach, Julika Sandt u. a. und Fraktion (FDP) zur Änderung der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag (Drs. 18/21625)
Eingabe betreffend Übertragung aller Sitzungen aller Landtagsausschüsse als Livestream sowie dauerhafte Archivierung und Veröffentlichung der Videoaufzeichnungen in der Mediathek des Landtags Az.: VF.0784.18
Die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP haben einen gemeinsamen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag eingereicht, der sich unter anderem mit der Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Echtzeitübertragung von öffentlichen Ausschusssitzungen befasst. Aufgrund des engen Sachzusammenhangs wird dieser Antrag mit der eben genannten Eingabe behandelt.
Der Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration hat sich in seiner 69. Sitzung am 27. Januar 2022 mit der Eingabe befasst und beschlossen, dass dieser gemäß § 80 Nummer 5 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag nicht Rechnung getragen wird und dem Petenten ein Protokollauszug zu übersenden ist.
Die FDP-Fraktion hat gemäß Artikel 5 Absatz 2 Satz 2 des Bayerischen Petitionsgesetzes fristgerecht beantragt, die Eingabe auf die Tagesordnung des Plenums zu setzen und über die Entscheidung des Ausschusses in der Vollversammlung zu beraten und zu beschließen.
Zur Berichterstattung über die Eingabe erteile ich nun zunächst an Herrn Kollegen Dr. Oetzinger das Wort. Sie haben fünf Minuten. – Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen, werte Kollegen! Das Thema Livestream hat das Hohe Haus bereits mehrmals befasst, unter anderem im Zusammenhang mit der genannten Petition in der genannten Sitzung des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration am 27. Januar dieses Jahres.
Inhaltlich geht es dem Antragsteller darum, dass alle Ausschusssitzungen des Bayerischen Landtags im Livestream übertragen werden, genauer darum, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese in der Mediathek des Bayerischen Landtags dauerhaft archiviert und damit veröffentlicht werden.
Hintergrund der Petition ist, dass sich der Petent bereits im Jahr 2020 mit Einwänden gegen den Rahmenhygieneplan zur Umsetzung des Schutz- und Hygienekonzepts für Schulen an den Bayerischen Landtag gewandt hatte. Der zuständige Ausschuss für Bildung und Kultus hatte die Befassung vom 24. September 2020 auf den 15. Oktober 2020 verschoben. Der Petent konnte an beiden Sitzungen aus beruflichen Gründen nicht in Präsenz teilnehmen und auch den Livestream nicht verfolgen. Er führt an, dass es ihm deshalb nicht möglich gewesen sei, die Beratung der Petition in Gänze nachzuvollziehen. Der Petent führt ferner an, dass die fehlende Liveübertragung bzw. das Fehlen der dauerhaften Archivierung dazu führe, dass das Ziel der öffentlichen Ausschussberatung nicht erfüllt werde.
Zur rechtlichen Situation ist zu sagen, dass der Bayerische Landtag seit jeher die öffentliche Beratung seiner Ausschüsse vorsieht – anders als beispielsweise der Deutsche Bundestag. Mit Beginn der Corona-Pandemie wurde diese Regelung entsprechend angepasst. So findet seither – zeitlich befristet – eine LivestreamÜbertragung aus den Ausschüssen gemäß dem geänderten § 193a der Geschäftsordnung des Hohen Hauses statt.
Der Verfassungsausschuss hat in seiner Sitzung am 27. Januar 2022 im Rahmen der Beratung über die Petition das Für und das Wider abgewogen. Dafür spricht mit Sicherheit das Argument der Transparenz. Auf der anderen Seite spricht dagegen, dass wir, die Mitglieder des Bayerischen Landtags, ohnehin in den Ausschüssen öffentlich beraten. Damit ermöglichen wir deutlich mehr Öffentlichkeit als der Deutsche Bundestag.
Die Anwesenheit in Präsenz, die Öffentlichkeit durch den Gang in das Parlament ermöglicht natürlich ein unmittelbareres Erlebnis der Ausschussarbeit als das reine Verfolgen des Videostreams. Zudem ist an dieser Stelle das Kosten-Nutzen-Verhältnis zu betrachten. Der Aufwand ist aus unserer Sicht wohl nicht gerechtfertigt. Wenn man sich vor Augen hält, dass die durchschnittliche Zahl der Nutzer des Livestreams der Sitzungen des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Integration bei 19 liegt – inklusive aller Mitarbeiter der Fraktionen und der Abgeordneten –, so ist das doch ein deutliches Missverhältnis. Zudem sind die Aspekte des Schutzes von personenbezogenen Daten, insbesondere bei Petitionen, und der Berücksichtigung von schutzwürdigen Belangen Dritter zu sehen.
In Abwägung dieser Argumente hat die Mehrheit des Ausschusses entschieden, der Petition gemäß § 80 Nummer 5 der Geschäftsordnung nicht Rechnung zu tragen.
Damit eröffne ich die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit wurde mit 32 Minuten vereinbart. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich wie immer an der Redezeit der stärksten Fraktion. – Als erstem Redner erteile ich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Kollegen Jürgen Mistol das Wort.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir alle, die wir hier sitzen, haben in den vergangenen zwei Jahren ein gerüttelt Maß an neuen Erfahrungen gemacht. Die Pandemie hat vieles verändert, und auf viele dieser Erfahrungen hätten wir allzu gern verzichtet. Aber ich sage auch: Es gibt nichts Schlechtes, das nicht auch etwas Gutes hat. – So besagt es das Sprichwort.
Für viele Menschen hat sich das Arbeiten in einem ungeahnten Ausmaß verändert. Vereine, Verbände, Initiativen, auch unsere Parteien und Fraktionen, haben gelernt, dass Gremiensitzungen als Webkonferenzen oft stringenter und zielorientierter ablaufen und uns zudem lange Wege ersparen. Wir haben vieles, was wir zunächst aus der Not heraus gemacht und ausprobiert haben, schätzen gelernt. Vieles davon wird bleiben. Homeoffice und Onlinekonferenzen werden unsere Arbeitswelt, werden das Leben der Menschen in unserem Land, in Bayern nachhaltig prägen.
Auch wir als Landtag haben aus der Not heraus etwas ausprobiert, und wir haben Erfahrungen gesammelt, so zum Beispiel mit dem Livestream von Ausschusssitzungen. Der Anlass war ursprünglich nur, auch während des Lockdowns Öffentlichkeit herzustellen – eben weil gemäß unserer Geschäftsordnung die Ausschüsse grundsätzlich öffentlich tagen – und die Einhaltung der notwendigen Abstände auch in unseren begrenzten Räumlichkeiten zu gewährleisten.
Wir haben festgestellt: Das Streamen der Ausschusssitzungen kommt bei den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen der Landtagspresse sowie bei den Mitarbeitenden des Hauses, der Ministerien und der Fraktionen gut an. Ich frage mich heute eher: Warum sind wir nicht schon viel früher, schon vor der Pandemie, darauf gekommen, unsere Ausschusssitzungen zu streamen?
Vieles von dem, was während der Pandemie innerhalb kurzer Zeit umgesetzt wurde, hätten wir schon lange vorher machen können. Doch erst in der Krise haben wir uns gezwungen gesehen, unsere Geschäftsordnung auf einen digitalen Modus umzustellen. Das mag daran liegen, dass viele Organisationen grundsätzlich Schwierigkeiten haben, Prozessinnovationen in ihre internen Abläufe zu integrieren. Mangelnde Veränderungsbereitschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen von CSU und FREIEN WÄHLERN, sollten aber gerade wir im Parlament nicht offen zur Schau tragen. Im Gegenteil, wir als Verfassungsorgan sollten die längst überfällige digitale Transformation unserer eigenen Dienstleistungen zügig umsetzen. Wir brauchen Fortschritt statt Rückschritt.
Ich sage es Ihnen sehr deutlich: Wir GRÜNEN stehen für ein offenes, transparentes Parlament. Unsere Arbeit im Landtag soll für alle Menschen in Bayern und darüber hinaus erlebbar sein, sei es durch einen Besuch im Landtag, sei es per Klick in die jeweilige Sitzung. Für politische Teilhabe sollte es keiner Tagesreise nach München bedürfen. Berufstätige Menschen müssen sich auch außerhalb ihrer Arbeitszeit durch Nutzung der Aufzeichnung einer öffentlichen Sitzung über diese informieren können.
Wie die Eingabe, über die wir ja heute ebenfalls sprechen, zeigt, wäre ein solches Streaming insbesondere für die Petentinnen und Petenten wichtig, die mitverfolgen wollen, wie sich der Ausschuss zu ihrem Anliegen verhält. Gerade für Berufstätige braucht es daher neben dem Livestream auch eine Aufzeichnung der Sitzung, wie sie in unserem interfraktionellen Geschäftsordnungsantrag gefordert wird.
Es steht also fest: Immer mehr Menschen informieren sich über Onlineformate. Zusätzlich zum Streaming der Plenarsitzungen ist es überfällig, dass dieser Service auch für die Ausschussarbeit etabliert wird. Neben der politischen Teilhabe für alle stellt ein solches Streaming auch eine enorme Arbeitserleichterung für alle diejenigen dar, die direkt mit der Landtagsarbeit befasst sind.
Warum sich die Regierungsfraktionen so hartnäckig weigern, diesen an sich kleinen Schritt in Richtung Digitalisierung des Landtags zu gehen, lässt sich wohl nur mit Gleichgültigkeit gegenüber gesellschaftlichen Veränderungen in unserem Land, mit einer gehörigen Portion Trägheit und einem rückwärtsgewandten Weltbild erklären, das Sie offenbar unfähig macht, die Zeichen der Zeit zu erkennen.